Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 REFLEXIVE RESPONSIBILISIERUNG. VERANTWORTUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG Stichworte: Genealogie, Postwachstumsgesellschaft, Gesellschaftstheorie, Praxistheorie, Implementationshindernis, Reflexivität, Responsibilisierung, Subjektivierungstheorie, Teilnehmerperspektive, Verantwortung 1. Thema, Zielsetzung und Begründung des Vorhabens Nachhaltigkeit ist ein schillernder Begriff. Zwar gibt es ein allgemeines Verständnis, nach dem Ressourcen nur in dem Maße genutzt werden sollen, wie sie durch Maßnahmen zu ihrer Wiederherstellung dauerhaft reproduziert werden können, damit auch nachfolgende Generationen dieselben Voraussetzungen für die Gestaltung ihrer Lebensbedingungen vorfinden wie gegenwärtige Generationen (zur Erweiterung des ressourcenorientierten Ansatz um das Befähigungskonzept vgl. Antoni-Komar et al. 2014). Doch wie ein derart nachhaltiger Umgang unterschiedliche mit Ressourcen Vorstellungen: Von aussehen ökologischer soll, darüber Modernisierung bestehen über die höchst Post- Wachstumsbewegung und einen Imperativ ökologischer Steuerung bis hin zum Fatalismus oder Business as Usual reichen die dominant vertretenen Spielarten nachhaltiger Transformationsszenarien (vgl. Forschungsstand). Entsprechend der Verschiedenheit der Szenarien sind auch daraus abgeleitete Transformationsprogramme unterschiedlich, die auf eine nachhaltige Gesellschaft hinzielen. Bei aller Verschiedenheit der Ansätze ist solchen Transformationsprogrammen jedoch das zentrale Problem der Komplexität und Ambivalenz der zu verändernden Wirkungsbeziehungen gemeinsam. Erwartungen einer Transformation in Richtung größerer Nachhaltigkeit werden zwar laufend ausgelöst, können jedoch nur selten eingelöst werden. So sind beispielsweise im Anschluss an Postwachstumskonzepte Partizipationsprogramme implementiert worden, deren ausbleibender praktischer Erfolg in der Nachhaltigkeitsforschung angesichts einer scheinbar idealen konzeptionellen Passung bislang kaum geklärt wurde (Brand et al. 2002), ebenso wie die „Ambivalenzen freiwilliger Partizipationsregime“ im Rahmen von nachhaltigkeitsorientierten Transformationsprogrammen erst allmählich in den Blick geraten (Feindt et al. 2005). Kernfragen an Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung müssen deshalb sein, a) wie diese Programme konkret umgesetzt werden und welche (intendierten und nicht-intendierten) Auswirkungen sie in der Praxis jeweils haben, b) welche heterogenen nachhaltigkeitsrelevanten Praktiken und Verantwortungsverhältnisse unabhängig von diesen Programmen bereits existieren und c) wie eine nachhaltige Gesellschaft jenseits von zentralistischen Steuerungslogiken und hegemonialen Expertenkulturen denkbar ist. Diese Fragen stellen sich umso dringlicher vor dem Hintergrund einer pluralistischen Gesellschaft, 1 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 in der je spezifische Nachhaltigkeitsszenarien notwendigerweise an bestimmte Positionen, Interessen und Perspektiven partikularer Art gebunden sind. Ausgangspunkt für die Untersuchung solcher Auswirkungen ist, die Vielfalt und Heterogenität lokal situierter Alltagspraktiken, Kommunikations- und Wissensformen nicht als Umsetzungshindernisse zu verstehen, sondern von ihnen ausgehend alternative Wege in die Nachhaltigkeit zu entwickeln. Die Top-Down-Perspektive einer interventionistischen Gestaltungslogik neigt dazu, kreative Potentiale von Bottom-Up-Prozessen selbst dann nicht auszuschöpfen, wenn diese ein handlungsleitendes Prinzip des Transformationsprogramms darstellen (vgl. Brand et al. 2002). Solche kreativen Potentiale gilt es sichtbar zu machen und reflexiv auf bestehende Nachhaltigkeitskonzepte gerade auch im Blick auf die Grenzen gesellschaftlicher Steuerungsfähigkeit zu beziehen. Zielsetzung des Fokusprojekts „Reflexive Responsibilisierung. Verantwortung für nachhaltige Entwicklung“ ist die vergleichende historisch-genealogische und empirisch-praxeologische Untersuchung unterschiedlicher Nachhaltigkeitsprogramme, wobei Ambivalenzen und daraus resultierende „Nebenwirkungen“ explizit in den Blick genommen werden. Die programmatische Umsetzung des auf die Harmonisierung von moralischer und ökonomischer Rationalität zielenden Postulats der „Verantwortung zu Nachhaltigkeit“ soll vor diesem Hintergrund als ein Responsibilisierungsgeschehen beobachtbar gemacht werden, „bei der Macht über Befähigung operiert und die Selbstlenkungsfähigkeit der Subjekte über Einsicht in die Konsequenzen und/oder moralische Appelle mobilisiert wird“ (Pfundt 2010, S. 386). Um die Komplexität situativer Praktiken und deren Zusammenhang mit genealogisch zu untersuchenden Semantiken der Nachhaltigkeit in den Blick zu nehmen, unterscheiden wir fünf Dimensionen. In der Sozialdimension geht es darum, wer von wem und wem gegenüber verantwortlich gemacht macht wird bzw. wurde. In der Zeitdimension wird die zeitliche Ordnung der Verantwortung untersucht, also welche antizipierten zukünftigen Ereignisse (Risiko) als strukturbildend für gegenwärtige Verantwortungszurechnungen erfahren werden und wie im Schadensfall rückwirkend Verantwortung für eine damals in der Zukunft liegende Tat festgelegt wird. Räumlich wird untersucht, wie in Hier und Jetzt ablaufenden Praktiken Bezüge auf ferne und nahe Räume hergestellt werden, welche räumlichen Auswirkungen situative Praktiken also voraussichtlich haben werden. In der Sachdimension geht es darum, zu untersuchen, wofür jemand verantwortlich gemacht wird bzw. zu machen ist. Schließlich werden als fünfte Dimension die symbolischen Formen der Darstellung von Nachhaltigkeit und Verantwortung genealogisch nachvollzogen (zu symbolischen Formen bereits Heidbrink et al. 2010; zur analytischen Differenzierung von Sinndimensionen vgl. als Überblick Rustemeyer 2001 sowie Luhmann 1971 und unter expliziter Berücksichtigung auch der Raumdimension Lindemann 2014). 2 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Da eine nachhaltige Gesellschaft nur erreicht werden kann, wenn konkrete Akteure konkrete Handlungen unternehmen oder unterlassen, steht hier das Konzept der „Responsibilisierung“ im Mittelpunkt: Welche Akteure werden von wem und gegenüber wem als verantwortlich für das Erreichen von Nachhaltigkeit behandelt? Untersucht werden soll dabei auch die Rolle macht- bzw. gewaltförmiger Verfahren, die Fehlverhalten im Sinne der Nachhaltigkeit rechtlich oder durch öffentliche Skandalisierung sanktionieren, um eine tatsächliche Responsibilisierung von Akteuren zu ermöglichen. Es ist unsere Hypothese, dass die verschiedenen Nachhaltigkeitskonzepte große Unterschiede darin aufweisen, wer von wem gegenüber wem (sozial), wann (zeitlich), wo (räumlich), wofür (sachlich) und mit Hilfe welcher Symbolik für die Umsetzung konkreter Maßnahmen als verantwortlich behandelt wird und welche Priorisierung dabei jeweils erfolgt. Dazu gehört auch, mit welchen sich historisch und kulturell wandelnden Darstellungserfordernissen Verantwortung für Nachhaltigkeit verbunden ist, ob und wie Fehlverhalten sanktioniert wird und wie mit Sanktionen praktisch umgegangen wird, indem sie entweder akzeptiert, unterlaufen oder „metapragmatisch“ reflektiert werden. Das Spezifikum unseres Ansatzes ist es, vor dem Hintergrund der Mehrdimensionalität situativer Praktiken die bislang parallel geführten Debatten um Nachhaltigkeit und Verantwortung fruchtbar miteinander in Bezug zu setzen. Zu dieser Verbindung geben zudem aktuelle Entwicklungen in der Nachhaltigkeitsdebatte Anlass. Der gegenwärtige Nachhaltigkeitsdiskurs forciert das Prinzip einer ‚Verantwortung zur Nachhaltigkeit’ und zielt auf die individuelle Zurechnung kollektiver Risiken (Krasmann 2003, S. 186; Pfundt 2010). Responsibilisierung im Zeichen des Nachhaltigkeitsprinzips geht „ein Moment der Risikokonstruktion voraus, das Belastungen verursacherlogisch intelligibilisiert“ (Pinero 2008, S. 213). Der spätestens seit Beginn der 1990er Jahre unhintergehbare Anspruch einer partizipatorischen Gestaltung nachhaltiger Lebensformen ist so mit Momenten einer „Kontrollkultur“ (Garland 2008) verschränkt, die normierend auf die Identifikation, Kommunikation und Bewältigung von gesellschaftlichen Risiken zurückwirken. Während in diesen Ansätzen implizit die Sozialdimension fokussiert wird und über den Risikobegriff nur die Zeitdimension noch hineinspielt, gelingt es mit Hilfe unseres analytischen Ansatzes der Mehrdimensionalität situativer Praktiken, soziale, zeitliche, räumliche, sachliche und symbolische Bezüge explizit zu berücksichtigen und systematisch aufeinander zu Verantwortung beziehen. bzw. Die Inbezugnahme Responsibilisierung von Nachhaltigkeit andererseits einerseits erlaubt und mithin, Transformationskonzepte auf ihre intendierten Verantwortungsstrukturen hin zu vergleichen, praktisch sich ergebende Verantwortungszurechnung nachzuvollziehen und an die aktuelle Responsibilisierungsdebatte fruchtbar anzuschließen. Drei Leitfragen bestimmen die Forschung des hier vorgeschlagenen Projektes: 3 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 - Erstens: Wie lässt sich Verantwortungskonzept Nachhaltigkeit ausgehend eine generieren, von mehrdimensionale die über die einer Verbindung analytische primär mit Perspektive sachliche dem auf Differenzierung ökologisch/sozial/ökonomisch hinausgeht? - Zweitens: Welche Verantwortungsverhältnisse werden – aus der gewählten mehrdimensionalen Beobachtungsperspektive – von prägnant zu unterscheidenden Nachhaltigkeitsprogrammen konstatiert, eingefordert sowie in Frage gestellt? - Drittens: Die Mehrdimensionalität der analytischen Perspektive erlaubt es, die Komplexität und situative Kontingenz der Praxis in den Blick zu nehmen. Indem wir systematisch über Rekonstruktionen von Teilnehmerperspektiven analysieren, kann gefragt werden, welche Verhaltensformen und Subjektivierungsweisen möglicherweise unvorhergesehen und unerwartet entstehen bzw. von diesen Programmen evoziert, verhindert oder affirmiert werden. Das Augenmerk richtet sich dabei auch auf praktisch hergestellte Machtbeziehungen, Praktiken verfahrensmäßig ausgestalteter Gewalt sowie unterschiedliche Formen des Sich-Entziehens, Unterlaufens und Kritisierens daraus resultierender Sanktionsmaßnahmen und Verantwortungszurechnungen. Diese Herangehensweise erlaubt es, in vergleichender Analyse die unterschiedlichen Transformationsszenarien im Hinblick auf ihre konzeptionellen Unterschiede sowie vor allem auf ihre empirisch erforschten praktischen Konsequenzen hin zu untersuchen und einzuschätzen. Als Ergebnis des Projekts liegt eine auf den Umgang mit Ambivalenzen hin vergleichende Analyse der Lösungsvorschläge unterschiedlicher Nachhaltigkeitsperspektiven vor, die eine Einschätzung der Konsequenzen erlaubt, die sich aus der Wahl bestimmter Lösungsvorschläge ergeben bzw. ergeben können. Um sowohl dem exemplarischen Charakter des Fokusprojekts gerecht zu werden als auch typische Muster und Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft festzustellen, werden die empirischen Beispiele primär aus dem „Herkunftsbereich“ der Nachhaltigkeitsforschung gewählt, also dem Umgang mit natürlichen Ressourcen. Konkret gliedert sich das Projekt in vier Module, wobei die ersten drei Module im Projektverlauf parallel geführt werden. Soziologische, ökonomische und philosophische Expertise sowie die in Oldenburg vertretenen Schwerpunkte der Nachhaltigkeitsforschung, Verantwortungsforschung, Sozial- und Gesellschaftstheorie, Subjektivierungsforschung werden dabei produktiv aufeinander Genealogie und bezogen (vgl. Forschungsansatz): Modul 1: Analytisches Instrumentarium zur Analyse von Nachhaltigkeit. Um einen differenzierten theoretischen Ausgangspunkt zu gewinnen wird der Nachhaltigkeitsbegriff neu justiert. Dazu ist eine empirisch informierte Neubestimmung von Nachhaltigkeit 4 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 ausgehend von dem hier skizzierten theoretischen Ausgangspunkt nötig. Sie erfolgt über eine subjektivierungstheoretisch und praxeologisch angeleitete Reformulierung des Verantwortungskonzepts im Sinne einer Analytik der Responsibilisierung. Theorie und Empirie sollen sich so im Sinne einer „Theoretischen Empirie“ (Kalthoff et al. 2008) wechselseitig befruchten. Angestrebt ist somit eine stets mitlaufende Überarbeitung des hier umrissenen analytischen Instrumentariums mit dem Ziel einer partizipatorischen, die (rekonstruierten) Teilnehmerperspektiven systematisch berücksichtigenden Neuakzentuierung des Nachhaltigkeitsbegriffs. Modul 2: Genealogie der Nachhaltigkeit. Hier erfolgt eine Rekonstruktion unterschiedlicher Transformationsszenarien im Sinne einer Rekonstruktion der symbolischen Semantiken und damit korrespondierender Praktiken, die das Verständnis von Nachhaltigkeit leiten. Im Unterschied zu einer reinen Modellbeschreibung stehen dabei die Fragen im Mittelpunkt, wer jeweils als verantwortlich für den Ist-Zustand und das Erreichen eines Soll-Zustands gilt, wie dies begründet wird und welche Maßnahmen in Verbindung mit welchen Sanktionsmitteln gegen möglichen Widerstand vorgesehen werden. Modul 3: Transformationsszenarien im Licht empirischer Ambivalenz. Kern des Fokusprojekts ist die Konfrontation unterschiedlich fokussierender Transformationsszenarien mit der sozialen Komplexität und Ambivalenz entsprechenden Transformationsprogrammen. ihrer Mithilfe empirischen eines Umsetzung in die Mehrdimensionalität praktischer Umweltbezüge akzentuierenden praxeologischen Instrumentariums, das das Responsibiliserungsgeschehen Teilnehmerperspektiven aller innerhalb dieser Beteiligten Programme rekonstruiert, systematisch wird aus untersucht, den wie Verantwortungszurechnung innerhalb des jeweiligen Positionengefüges faktisch erfolgt, welche Verantwortungsstrukturen (sozial, zeitlich, räumlich, sachlich, symbolisch) mit verschiedenen Formen der Responsibilisierung einhergehen und welche individuellen, strukturellen und gesellschaftlichen Konsequenzen damit verbunden sind. Die Fallbeispiele sind dabei jeweils so ausgewählt, dass sie Programme und Praktiken verschiedener Transformationsszenarien bündeln und diese dadurch analysierbar machen. Vorläufig wurden folgende Fallbeispiele, die schwerpunktmäßig Transformationsszenarien zugeordnet werden, für die praxeologische Analyse ausgewählt: Nachhaltigkeitssiegel für Nordseefischerei und neu entstehende „strategische Partnerschaften“ zwischen NGOs und Unternehmen; die Bürgeraktiengesellschaft „Regionalwert AG“; marktunabhängigen Versorgungsgemeinschaften „Sieben Linden“ und „Schloss Tempelhof“; die SUV-Produktion und das SUV-Fahren; die Energiewende und der Widerstand beispielsweise gegen geplante Windkraftanlagen; und schließlich die Nachhaltigkeitsinitiative „Chemie3“ der Chemischen Industrie. 5 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Modul 4: reflektierte Auswege. Die Reflektion nachhaltiger Transformationsszenarien mittels einer bottom-up Analyse situativer praktischer Vollzüge von Transformationsprogrammen ausgehend vom analytischen Konzept der Mehrdimensionalität liefert die Grundlage für eine Beurteilung absehbarer Konsequenzen von soziotechnischen Nachhaltigkeitsprogrammen. Diese werden sowohl für den wissenschaftlichen Kontext mittels internationaler Konferenz und geeigneter Publikationen als auch für den Anwendungskontext mit Praxisworkshop und Praxisleitfaden aufbereitet. Angestrebt wird erstens: die Erstellung einer Übersicht normativer Verantwortungspostulate entlang der genealogisch rekonstruierten Transformationsszenarien sowie zweitens eine Beschreibung der konkreten Bedingungen und Folgen des jeweiligen praktischen Responsibilisierungsgeschehens in entsprechenden Transformationsprogrammen. Auf diese Weise soll eine empirisch valide Grundlage geschaffen werden für die Beurteilung der Konsequenzen praktischer, auf Nachhaltigkeit hin orientierter Struktureingriffe. Im Folgenden wird vor dem Hintergrund des internationalen Forschungsstands das hier zusammengefasste Vorhaben ausgeführt, auf seinen Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft reflektiert sowie das erwartete Lösungspotential dargelegt. Abschließend wird auf die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure, die vorgesehene Zusammenarbeit sowie einschlägige Vorarbeiten eingegangen. 2. Der Stand der Forschung im internationalen Vergleich Nachhaltigkeitsbegriff steht in einem engen gesellschaftlichen Begründungszusammenhang sowohl zum Risiko- als auch zum Verantwortungsbegriff. Im hier vorliegenden Forschungsprojekt Verantwortungsdiskurs mit Blick auf werden der Nachhaltigkeits- und der die Untersuchung absehbarer Konsequenzen unterschiedlicher Nachhaltigkeitsszenarien und daraus resultierender Eingriffe in Bezug zueinander gesetzt. Während in der bisherigen Debatte die drei Säulen des Ökologischen, Sozialen und Ökonomischen unterschieden wurden, legen wir mit dem Konzept der Mehrdimensionalität situativer Praktiken eine komplexere heuristische Perspektive an. Die drei klassischen Säulen erscheinen in diesem Modell als Unterscheidungen in der Sachdimension, die zu ergänzen sind um eine soziale, zeitliche, räumliche und symbolische Perspektive. Dies erlaubt, an den Forschungsstand sowohl anzuschließen als auch ordnend über ihn hinauszugehen. Die in den 1970er Jahren etwa durch den Bericht des Club of Rome (Meadows et al. 1972) unübersehbaren Gefährdungen, wie sie durch Übernutzung natürlicher Ressourcen, unerwünschte Auswirkungen von Chemikalien und insgesamt eine radikal auf Wachstum ausgelegte Gesellschaft entstehen, führten sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Wissenschaft zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Risikos. Die 6 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Gesellschaft wurde diskutiert als „Risikogesellschaft“ (Beck 1986), in der Unfälle normal sind (Perrow 1984); die neu sich formierende Wissenschafts- und Technikforschung entwickelt Beobachtungsmöglichkeiten des Zusammenwirkens unterschiedlicher Wissensarten, der Bedeutung von Nichtwissen und insgesamt dem Fabrikationscharakter auch wissenschaftlichen Wissens (Engel et al. 2002; Knorr Cetina 2002; Wehling 2006). Parallel dazu gewinnt in der Philosophie und der Rechtstheorie das Verantwortungskonzept einen neuen Stellenwert (Bayertz 1995). Inwieweit der Einzelne moralisch verpflichtet ist, analog zur elterlichen Verantwortung für die eigenen Kinder, Verantwortung für den Fortbestand der natürlichen Umwelt zu übernehmen (Jonas 1984; Apel 1988); inwieweit also persönliche Verantwortung die Antwort auf globale bzw. systemische Herausforderungen sein kann, ist eine der zentralen Fragen. Angesichts eben dieser Phänomene wurde Mitte der 80er Jahre vor dem Hintergrund globaler Umweltprobleme und steigender Armut der Begriff einer „Nachhaltigen Entwicklung“ geprägt. Die von der UNO eingesetzte Brundtland-Kommission (1986) versteht darunter eine Entwicklung, „die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Diese Definition kann als Verallgemeinerung eines universellen Vorsorgeprinzips aufgefasst werden, das von Carl von Carlowitz (Carlowitz et al. 1713/2013) erstmals ausformuliert wurde. Wenn das obige Vorsorgeprinzip erstens auf alle irdischen Ressourcen und zweitens im Sinne einer Langfristperspektive, also über den Aktionshorizont eines einzelnen Menschenlebens hinaus, sowie drittens unter der anthropozentrischen Bedingung (zu deren Kritik vgl. Pfriem 2013) menschlichen Wohlergehens, angewandt wird, ergeben sich wichtige gesellschaftspolitische Implikationen. Je nach Situationsanalyse, Transformationsszenarien und konkreten Praktiken, die sich daraus ableiten lassen, haben sich während der letzten Jahrzehnte Fokusprojekts divergierende ist die Nachhaltigkeitsauslegungen mehrdimensionale ausgeformt. genealogische Kern unseres Analyse solcher Transformationsszenarien auf deren postulierte Verantwortungsstrukturen hin sowie die mehrdimensionale empirische Untersuchung der Wirkungen, die entsprechende Transformationsprogramme in einer als ambivalent und komplex zu denkenden Praxis haben. Entwicklung und Kerngedanken dominanter Transformationsszenarien sind deshalb ein wichtiger Forschungshintergrund des Projekts: Ökologische Modernisierung: Erste Reaktionen auf den seinerzeit spektakulären Bericht an den Club of Rome orientierten sich an der Perspektive eines sogenannten „qualitativen Wirtschaftswachstums“ (Eppler 1974, vgl. dazu Paech 2009; Paech 2009), also einer Beibehaltung moderner Industriestrukturen, basierend auf dematerialisierten, ökologisch angepassten Wertschöpfungsprozessen und Produktdesigns. Die Möglichkeit, stetige 7 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Zuwächse des Bruttoinlandsproduktes von Umweltschäden zu entkoppeln, wird mittels zweier Ausprägungen eines umweltentlastenden technischen Fortschritts begründet: Konzepte der Effizienz beruhen darauf, den Einsatz an Ressourcen und Energie pro Outputeinheit zu senken. Viel diskutierte Varianten tauchen unter Begriffen wie „ÖkoEffizienz“ (Schmidheiney 1993), „MIPS“ (Schmidt-Bleek 1993) und „Faktor 5“ (Weizäcker et al. 2010) auf. Demgegenüber beruht das von Huber 1994) als „Konsistenz“ bezeichnete Nachhaltigkeitsprinzip darauf, die Wirtschaftsweise der Biosphäre auf Produktions- und Konsumaktivitäten zu übertragen. Angepeilt wird ein hoch effektives System vollkommen geschlossener Stoffkreisläufe. Neben der „Bionik“, die darauf zielt, Funktionsweisen und Strukturen der Natur zu „kopieren“, findet sich diese Strömung unter Bezeichnungen wie „Upcycling“ (Pauli 1998), „Biomimikry“ (Hawken et al. 2000) oder „Ökoeffektivität“ (Braungart et al. 1999). Aus dem Transformationsszenario der ökologischen Modernisierung abgeleitete Transformationsprogramme zielen auf ein stofflich entkoppeltes, somit „grünes“, Wachstum mit einem mehrdimensionalen oder integrativen Zielsystem. Der resultierende „Green New Deal“ (Gigold 2009) soll auf diese Weise alle gesellschaftlichen Interessen bedienen. Postwachstumskonzepte: Basierend auf Forschungsaktivitäten an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg wurden die Begriffe „Postwachstumsökonomik“ (als analytischer Rahmen) und „Postwachstumsökonomie“ (als konkreter Zukunftsentwurf) etwa 2006 – zunächst in Form von Vorträgen und Workshop-Beiträgen (als Überblick vgl. Antoni-Komar et al. 2009) – in die wissenschaftliche Nachhaltigkeitsdiskussion eingebracht. Die Postwachstumsökonomik bricht mit der Logik einer ökologischen Modernisierung. Sie lässt sich als Weiterentwicklung einer ersten Welle wachstumskritischer Darlegungen verstehen. Dazu zählen unter anderem Arbeiten von Kohr 1957/2002, Mumford 1967, GeorgescuRoegen 1971, Meadows et al. 1972, Schumacher 1973, Illich 1992, Daly 1999/1977, Hueting 1980 und Gronemeyer 1988. Innerhalb einer zweiten Welle der Wachstumskritik lassen sich Beiträge verorten, die mit zuweilen programmatischen Begriffen oder Buchtiteln wie „La decrescita felice“ (Pallante 2005), „Décroissance“ (Latouche 2006), „Degrowth“ (MartinezAlier 2009), „Postwachstumsökonomie“ (Paech 2008; Paech 2012) etc. assoziiert sind. Aus dem Transformationsszenario der Postwachstumskonzepte abgeleitete Transformationsprogramme streben als Alternative zu einer auf Wachstum basierenden Versorgungsform den sozialverträglichen Rück- und Umbau des Industriesystems an. Vorstellungen zur konkreten Umsetzung reichen von Szenarien einer sozialen Diffusion (vgl. Rogers 1995) bis zu politischen Rahmensetzungen, etwa in Form von Ressourcenbegrenzungen. Postkollapsszenarien: Absehbare Ressourcenverknappungen von historisch einmaliger Dimension spiegeln sich in einer Beschreibung von Phänomenen wie „Peak Oil“, „Peak Soil“ 8 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 oder gar „Peak Everything“ (Heinberg 2007) wieder. Sie begründen einen zunehmend beobachtbaren Gestaltungspessimismus, der durch das Ausbleiben von Umweltentlastungen und Entkopplungserfolgen sowie einem Zweifel an demokratischer Mehrheitsbildung für adäquate Interventionen verstärkt wird. Folglich richtet sich der Fokus auf die Gestaltung einer „Postkollapsgesellschaft“ (Heimrath 2012) sowie auf Maßnahmen, die zur Reduktion der Fallhöhe oder Aufpralldämpfung beitragen können. Aus dem Transformationsszenario der Postkollapsszenarien sowie insbesondere dem hier anküpfenden Resilienz-Diskurs ist mit Blick auf Transformationsprogramme insbesondere die Bewegung der sog. „Transition Towns“ (Hopkins 2008) hervorgegangen, in denen eine zivilisierte Existenz auch nach einem möglichen Zusammenbruch industrieller Fremdversorgung möglich ist. Das mangelnde Vertrauen in die Fähigkeit demokratischer Industriegesellschaften, auf herannahende Krisen zu reagieren, hat außerdem Tendenzen einer Vorbereitung auf zukünftige Verteilungskämpfe im Sinne einer Aufrüstung oder Abschottung hervorgebracht. Beispiele sind das „Carrying Capacity Network“ in den USA oder die Bewegung der sogenannten „Preps“. Weiterhin beobachtbar sind technologisch ausgerichtete Überlebensstrategien wie „Open Ecology“ oder „Life after Oil Crash“. Eine andere, unter anderem vom Physiker Stephen Hawking erwogene Strategie besteht darin, alle Anstrengungen auf die Besiedlung anderer Planeten zu lenken, weil der ökologische Kollaps des Planeten Erde ohnehin nicht mehr zu verhindern sei. Konzepte des „Business As Usual“ (BAU): Zuweilen artikulierte Kritik an einem überzeichneten ökologischen Alarmismus stützt sich unter anderem auf Zweifel am anthropogen verursachten Treibhauseffekt und mangelnde Beweisbarkeit von Umweltrisiken (prominent etwa Lomborg 2001). Zudem könne die zwecks Armutsbekämpfung nötige wirtschaftliche Entwicklung unter zu hohen Umweltschutzanstrengungen leiden. Eine auf Nachhaltigkeit zielende Verknappung essentieller Ressourcen könne außerdem zur Erschließung bislang unrentabler Ressourcenquellen führen, wie etwa das sog. „Fracking“, der Abbau von Teer- und Ölsanden oder die intensivierte Suche nach neuen Ölfeldern. Darüber hinaus unterlägen Ökosysteme einem permanenten Wandel, so dass keine Referenzsituation im Sinne eines zu schützenden gleichgewichtigen oder intakten Zustandes existiere. Außerdem seien die meisten Naturgüter ohnehin bereits kultiviert oder durch menschliche Aktivitäten verändert (vgl. Küster 2005). Was also unter Naturzerstörung oder schutz zu verstehen ist, sei angesichts derart fließender Übergänge primär eine Frage der Interpretation. Aus dem Transformationsszenario des Business As Usual hervorgehende Transformationsprogramme wie die Diskussion des sog. „Geo Engineering“ sind darauf ausgerichtet, ökologische Probleme im planetarischen Maßstab ex post zu beseitigen oder sogar künstliche Ersatzwelten zu schaffen. Beispielsweise zielen Klimaanpassungsstrategien 9 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 darauf, sich mittels planerischer, ökonomischer und technischer Maßnahmen vor den Folgen nicht zu verhindernder Klimaschäden zu schützen und darüber hinaus den Klimawandel durch Auftun neuer Geschäftsfelder profitabel zu nutzen. Makroökonomische Steuerung: Ausgehend von der „Initiative Ökosozialismus“ und einigen Attac nahestehenden Strömungen lehnt dieses Transformationsszenario jegliches Wachstum ab und strebt auf der Basis geordneter Schrumpfungsprozesse das Erreichen eines „steady state“ an (vgl. v.a. Sakar 2001 sowie Kern 2009). Während der Postwachstumsdiskurs eine marktwirtschaftliche Koordinationsform beibehält, favorisiert die makroökonomische Steuerung einen demokratisch eingebetteten Planungsansatz, der auf makroökonomischer Ebene die Ressourcenallokation mit Blick auf soziale Gerechtigkeit fixiert. Aus dem Transformationsszenario Transformationsprogramme der werden makroökonomischen in bewusster Steuerung Abgrenzung zu abgeleitete anderen Wachstumskritikern wie Herman Daly (Daly 1999), den „Marktsozialisten“, oder Elmar Altvater beschrieben, da eine fiskalische Lenkung der Nachfrage nur die soziale Kluft verschärfen könne. Statt dessen seien eine Steuerung des Ressourcenangebotes, Mengenregulierungen für Energie und Rohstoffe mittels Preiskontrollen sowie eine Rahmenplanung erforderlich, die Produktion und Verbrauch lenke. Was, wie und wie viel produziert werde, dürfe nicht partikulären Profitinteressen überlassen bleiben, sondern müsse auf demokratische und partizipative Weise bewusst organisiert werden. Dabei ergeben sich Parallelen zu Ansätzen zur „Wirtschaftsdemokratie“ (Vilmar et al. 1978). Institutioneller Wandel und Sozialreformen: Ein weiteres Transformationsszenario sieht die graduelle oder vollständige Demokratisierung als Instrument, um Nachhaltigkeitspotentiale zu erschließen. Innerhalb dieses Transformationsszenarios werden eine Reihe unterschiedlich fokussierter Transformationsprogramme diskutiert. Dazu gehören insbesondere Stakeholderdialoge, Unternehmensverantwortung, Konzepte der verbraucherorientierte Wirtschaftsökonomie Produktentwicklung und und der das Bedingungslose Grundeinkommen. „Stakeholderdialoge“ (Freeman 1983) basieren darauf, über Kommunikationsbeziehungen die Belange nachhaltigkeitsorientierter Akteure einzubeziehen. Weitaus verbindlicher sind Konzepte einer sogenannten „Wirtschaftsdemokratie“. Hier obliegt es einem definierten Kreis von Akteuren, Nutzungsregeln für bestimmte Ressourcen zu vereinbaren und durchzusetzen. Auch Genossenschaften können als Demokratisierungsform betrachtet werden. Daneben finden sich Ansätze, durch die Unternehmensverantwortung über veränderte Zielsysteme konkretisiert werden soll. Sie reichen von der Verankerung einer Unternehmensethik über „Codes of Conduct“ und „Corporate Social Responsibility“ (CSR) bis zum „Sustainability Reporting“, beispielsweise auf Basis der Kriterien der „Global 10 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Reporting Initiative“ (GRI). Auch die von Felber (Felber 2012) vorgeschlagene „Gemeinwohlökonomie“ lässt sich in diesem Kontext verorten. Die „verbraucherorientierte Produktentwicklung“ schließlich sowie partizipative Innovationsprozesse wie etwa das „Lead User“-Konzept oder dessen Erweiterung zum „Sustainable Lead User“-Konzept zielen darauf, das dezentrale Wissen erfahrener Nutzer über zu erwartende Wirkungen sowie ein möglichst breites gesellschaftliches Interessenspektrum in die Entwicklung neuer Designs einfließen zu lassen. Weiterhin wird das Bedingungslose Grundeinkommen als eine Form des institutionellen Wandels betrachtet, dessen Konsequenzen so weitreichend sind, dass allein damit ein Wandel mit Zielrichtung Nachhaltigkeit begründet wird. Diese verschiedenen Transformationsszenarien einer nachhaltigen Gesellschaft sind vielfach Gegenstand vergleichender Analysen geworden. Zudem liegen Studien vor, die die Implementierung von Transformationsprogrammen aus Transformationsszenarien untersuchen. Solche Wirkungsanalysen abgeleiteten haben vielfach gezeigt, dass trotz umfassender struktureller Eingriffe und erheblicher Kosten die angestrebten Nachhaltigkeitsziele nur unvollkommen, in anderer Form oder gar nicht erreicht wurden (vgl. bspw. Binas 2006; Lange 2008; Reißig 2009; Enders et al. 2012; Servatius 2012). Das hier vorgestellte Fokusprojekt geht über solche Untersuchungen zum Nachhaltigkeitsdiskurs hinaus, indem es mittels eines praxeologischen Ansatzes der Ambivalenz und Komplexität der gesellschaftlichen Praxis explizit Rechnung trägt und durch das analytische Konzept der Mehrdimensionalität situativer Praktiken einen neutralen Vergleichsgesichtspunkt für die Untersuchung von Formen der Verantwortung einführt. An die bisherige Diskussion wird auf diese Weise angeschlossen. Der bisherige Forschungsstand dient zugleich als Untersuchungsgegenstand. Mittels des Konzepts der mehrdimensional reflexiven Responsibilisierung werden die Ansätze der verschiedenen Transformationsszenarien theoretisch, genealogisch und empirisch hinterfragt. Auf diese Weise verspricht das Projekt Aufschluss über die Frage nach der Wirkung von Nachhaltigkeitsprogrammen unter Bedingung sozialer Komplexität. 3. Forschungsansatz, Methoden, Hypothesen Das Fokusprojekt zielt darauf, über die Anwendung einer praxeologischen Perspektive die Ambivalenz und Kontingenz sozialer Praxis in die Untersuchung von Nachhaltigkeit einzuführen und dabei die Verbindung von Nachhaltigkeits- und Verantwortungsdiskurs zu betonen. Das Projekt ist deshalb durch die Oszillation zwischen reflexiver Begriffsbildung, genealogischer Untersuchung und empirischer Untersuchung geprägt. Es umfasst folgende Module: - Reflexive Begriffsbildung (Modul 1: Instrumentarium zur Analyse von Nachhaltigkeit), - Genealogische Untersuchung (Modul 2: Genealogie der Nachhaltigkeit) und 11 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 - Empirische Fallstudien (Modul 3: Transformationsszenarien) bilden die systematisch in Austausch gebrachten Säulen des Projekts, die auf das Ziel des reflexiven Vergleichs von Postulaten und Konsequenzen nachhaltigkeitsorientierter Verantwortungszurechnung (Modul 4: reflektierte Auswege) hinführen: Fokusprojekt Reflexive Responsibilisierung Querverbindung: Kick-Off Workshop Jahr 1 Jahr 2 Interimskonferenz: Abstimmung/ Bürgerbeteiligung Modul 2: Modul 3: Modul 1: Genealogie Transformationsszenarien Reflexive der im Licht BegriffsNachhaltigkeit empirischer Evidenz bildung Wiss. Abschlusskonfrenz und Praxisworkshop Jahr 3 Modul 4: Reflektierte Auswege Bedingungen und Möglichkeiten einer nachhaltigkeitsorientierten Gesellschaft Die analytischen Leitkonzepte der Subjektivierung und der Mehrdimensionalität situativer Praktiken durchziehen das gesamte Fokusprojekt. Aufgrund ihres grundsätzlichen Stellenwerts werden diese Konzepte zunächst einleitend allgemein eingeführt, bevor die einzelnen Module mit ihren konkreten Arbeitsschritten beschrieben werden. Subjektivierung und Mehrdimensionalität situativer Praktiken als analytische Leitkonzepte Das Interesse des Forschungsprojekts gilt der Gegenüberstellung von postulierten und empirisch beobachtbaren Ausformungen von engagiertem Mitmachen, kommunikativreflexiver Orientierung und Verantwortungsübernahme in nachhaltigkeitsorientierten Praktiken. Damit tritt die historisch veränderliche gesellschaftliche Gestaltung der sozialen Welt und ihrer Subjekte ebenso in den Blick wie ihre politische Gestaltbarkeit. Der hier als analytisches Konzept verstandene Begriff der Subjektivierung macht eben diese Ambivalenz beobachtbar: Er betont erstens zusammen mit der Prozesshaftigkeit der Entstehung und Ausformung ‚kompetenter’ Handlungsträgerschaft, dass es sich dabei um ein relationales (Responsibilisierungs-)Geschehen handelt, in dem Selbst- und Anderenbezüge vielfach ineinander verschränkt sind. Er richtet den Blick zweitens auf den sozial-reflexiven Vollzugsmodus dieser Ausformung. Drittens sensibilisiert das Konzept der Subjektivieriung für die in der Nachhaltigkeitsforschung häufig ausgeblendeten Momente von 12 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Macht und Herrschaft einerseits sowie von Überschreitung, Widerständigkeit, Entzug und Kritik andererseits, die stets mit im Spiel sind, wenn in der Partizipation an einer Praxis die erforderlichen Teilnahmebefähigungen erworben werden (Alkemeyer et al. 2013; Gelhard et al. 2013). Das Subjektivierungskonzept ist eng verknüpft mit der hier zentral gestellten praxeologischen Forschungsperspektive, die in diesem Projekt im Sinne einer mehrdimensionalen Analyse situativer Praktiken verstanden wird. Soziale Phänomene werden dabei im Sinne eines relationalen Vollzugsgeschehens begriffen, wobei aus dem Hier und Jetzt situativer Praktiken symbolisch vermittelt sachlich, zeitlich und räumlich ausgreifende Strukturen gebildet werden (Lindemann 2014). Für unser Forschungsvorhaben ist der praxeologische Ansatz besonders wichtig und fruchtbar, weil er es ermöglicht, für nachhaltigkeitsorientierte Transformationsszenarien in empirischen Fallstudien die Komplexität situativer Praktiken sowie die Komplexität der Bildung von Teilnehmersubjekten und ihrer Perspektiven in den Blick zu nehmen und damit zugleich auch die Kontingenz und Ambivalenz nachhaltiger Praktiken sowie entsprechender Responsibilisierungen sichtbar zu machen (dazu auch Shove 2010). Praxeologische Rekonstruktionen von Teilnehmerperspektiven zeigen, wie im Zuge von Subjektivierungsprozessen der Eigensinn und die Befähigungen von Subjekten sich ausbilden (so bspw. bei de Certeau 1998). Die praxeologische Erforschung des Responsibilisierungsgeschehens im Rahmen von Nachhaltigkeitsprogrammen und Transformationsszenarien bringt die Praxis als Ort des Sozialen und der Genese sozialer Ordnung in den Blick, in der Nachhaltigkeit und Verantwortung kommunikativ bzw. diskursiv hergestellt, materiell und körperlich-leiblich vollzogen und subjektiviert werden. Die praxeologische Forschungsperpektive kann daher sowohl den Nachhaltigkeits- als auch den Verantwortungsbegriff und die entsprechenden Transformationsszenarien neu justieren, wenn Nachhaltigkeit und Verantwortung als etwas verstanden werden, das bottom up umkämpft, ausgehandelt, umgedeutet und praktiziert wird, statt top down verordnet zu werden. Der hier gewählte Blick auf Nachhaltigkeit zeichnet sich zudem durch die analytische Anwendung eines mehrdimensionalen – soziale, zeitliche, räumliche, sachliche und symbolische Dimension – Konzepts situativer Praktiken aus, das erlaubt, die verschiedenen Ebenen von Verantwortungsbezügen in Nachhaltigkeitskonzepten herauszuarbeiten. Verantwortung ist in Anlehnung an das juristische Begriffsverständnis eng gefasst als Zurechnung einer individuellen Verpflichtung, für künftig unter Umständen eintretende Schäden aufzukommen. Zwar wird im allgemeinen Sprachgebrauch „Nachhaltigkeit“ sehr eng mit einer Verantwortung für die Umwelt verbunden. In konkreten Szenarien und Programmen ist jedoch sehr verschieden, was damit gemeint ist. Bereits wer wem gegenüber verantwortlich ist (Sozialdimension) kann sehr verschieden sein, neben 13 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 eigenverantwortlichen Subjekten kommen hier auch der Staat oder Organisationen in Frage. Dasselbe gilt für das wann der Verantwortung (Zeitdimension), etwa schon jetzt für die Zukunft oder erst im künftig eintretenden Schadensfall; für den Ort und den Rahmen der Verantwortungsübernahme (Raumdimension), etwa hier für das Weltklima oder etwa im Amazonas Abholzung verhindern; das wofür der Verantwortung (Sachdimension), etwa Verknappung von Ressourcen vs. Entwicklung neuer Technologien; sowie schließlich für die symbolischen Formen der Darstellung von Verantwortung. Die Differenzierung dieser Dimensionen situativer Praktiken dient als heuristisches Instrument und erlaubt zudem, einander eventuell widersprechende Verantwortungsorientierungen zu untersuchen. Es steht damit ein für die historisch-genealogische Analyse geeignetes Instrumentarium zur Verfügung, um gesellschaftliche Prozesse der Umwandlung gesellschaftlich- institutionalisierter in individuell-responsibilisierte Beziehungen zu untersuchen. Damit ist das Plädoyer verbunden, nicht mehr vornehmlich soziale Ordnungen zu analysieren, sondern dem Platz zu geben, was die „eigenen Ordnungsmodelle durchkreuzt“, und damit Konflikte nicht nur zu beschreiben, sondern ggf. auch anzustoßen (Bröckling 2013, 37). Die Konzepte der Subjektivierung, die Praxeologie und der Mehrdimensionalität situativer Praktiken werden in vier aufeinander abgestimmten Modulen im Hinblick auf die Frage fruchtbar gemacht, wie sich Transformationsszenarien der Nachhaltigkeit in einer ambivalenten, komplexen und stets veränderlichen sozialen Praxis konkret auswirken. Die konkreten Arbeitspakete sind im Rahmen des Arbeitsplans detailliert ausgeführt. Methoden Das Projekt ist interdisziplinär orientiert und nimmt den Gegenstand der gesellschaftlichen Nachhaltigkeit aus einer theoretischen, genealogischen und empirischen Perspektive in den Blick. Dementsprechend ist die Triangulation unterschiedlicher Methoden erforderlich. Die Vorgehensweise für die Erstellung eines analytischen Instrumentariums sowie bei der Genealogie der Nachhaltigkeit wurde bereits in den jeweiligen Modulen beschrieben. Es sei deshalb an dieser Stelle nur allgemein verwiesen auf das Anliegen, Theorie und Empirie produktiv miteinander zu verbinden, anstatt getrennt zu betrachten (dazu Kalthoff et al. 2008) sowie auf die grundlegende genealogische Einsicht, dass Macht und Wissen in Auseinandersetzungsprozessen zusammenwirken (Foucault 2002). Die empirischen Fallstudien sind generell orientiert an den drei analytischen Leitkonzepten der Subjektivierung, der Praxeologie und der Mehrdimensionalität situativer praktischer Vollzüge. Empirisch geht damit das Erfordernis einher, konkrete Praktiken zu untersuchen. Es ist damit eine primär qualitative Ausrichtung der Fallstudien erforderlich. Im Zuge der Fallstudien werden methodisch unterschiedliche 14 Zugangsweisen verbunden: Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Dokumentenanalyse (Wolff 2004) und Experteninterviews (Flick et al. 2004) flankieren die teilnehmende Beobachtung (Lüders 2000; Breidenstein et al. 2013). Um die Teilnehmerperspektive besonders zur Geltung zu bringen wird in einzelnen Fallstudien die Methode der partizipativen Sozialforschung angewandt. Dies gewährleistet zudem, an zentralen Stellen eine intensivierte Bürgerbeteiligung zu gewährleisten. Die partizipatorische Sozialforschung untersucht andere Menschen nicht als Forschungsobjekte, sondern erforscht mit ihnen ihre Lebensumstände und ihre Praktiken. Ziel ist es, ihnen eine Stimme zu geben und mit ihnen gemeinsam neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dazu werden sie am Prozess des Erkenntnisgewinns sowie an den gewonnenen Erkenntnissen beteiligt. In der Gesundheits- und Bildungsforschung hat sich die partizipatorische Sozialforschung bereits vielfach bewährt und gilt als etabliert (u.a. Forschungsgruppe Public Health, WZB). Im Sinne von Ulrich Bröcklings Plädoyer für die Irritation der eigenen wissenschaftlichen Ordnungsbildung durch die Widersprüche des Sozialen werden wir unseren praxeologischen Forschungsansatz mit Ansätzen der partizipatorischen Sozialforschung kombinieren. Ziel ist es, die Teilnehmer- bzw. Akteursperspektive in den Blick zu bekommen und diese nicht nur zu analysieren, sondern so ernst zu nehmen, dass sie die Forschungsperspektive quasi „bottom up“ auch irritieren und kritisieren kann. (Wright 2012) Hypothesen Das Fokusprojekt „Reflexive Responsibilisierung“ geht von drei zentralen Hypothesen aus: Erstens: Transformationsprogramme müssen in eine genuin ambivalente und komplexe gesellschaftliche Realität implementiert werden. Dies kann nur dann erfolgreich sein, wenn diese Ambivalenz konzeptionell zugelassen wird. Dies gelingt, indem an die Stelle eines topdown Regulierungsanspruchs die bottom-up orientierte Untersuchung sozialer Praktiken gestellt wird. Zweitens: Für die reflexive Beurteilung der Konsequenzen von Nachhaltigkeitsprogrammen ist es förderlich, den Nachhaltigkeits- und den Verantwortungsdiskurs stärker aufeinander zu beziehen und Nachhaltigkeit mit Verantwortung über das analytische Konzept der Mehrdimensionalität situativer Praktiken zu verbinden. Drittens: Soziale, zeitliche, räumliche, sachliche, und symbolische Dimension von Verantwortung für Nachhaltigkeit vermitteln sich dialektisch in den leib-körperlichen Vollzügen der Praktiken. Eine nachhaltige Gesellschaft kann daher erst realisiert werden, wenn sich die mehrdimensional zu verstehende Verantwortung in konkreten Subjektivierungspraktiken umsetzt. Die impliziten wie „metapragmatischen“ Stellungsnahmen und Alltagskritiken der Beteiligten müssen daher als konstitutive Bestandteile in der praktischen Umsetzung von Nachhaltigkeitsprogrammen ernst genommen werden, um so 15 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 neben den Möglichkeiten auch die (Machbarkeits-) Grenzen der damit verknüpften Steuerungslogiken auszuloten 4. Reflexion des Beitrags zum Ziel einer ökologisch, sozial, ökonomisch nachhaltigen und generationengerechten Entwicklung Für das Erreichen einer nachhaltigen Gesellschaft sind in den vergangen Jahrzehnten unterschiedliche Transformationsszenarien entworfen worden. Bei aller Verschiedenheit der Ansätze ist deren Umsetzung das zentrale Problem der Komplexität und Ambivalenz der zu verändernden Wirkungsbeziehungen gemeinsam. Kernfragen an Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung müssen sein, a) wie diese Programme konkret umgesetzt werden und welche Auswirkungen sie in der Praxis jeweils haben, b) welche heterogenen nachhaltigkeitsrelevanten Praktiken und Verantwortungsverhältnisse unabhängig von diesen Programmen bereits existieren und c) wie eine nachhaltige Gesellschaft jenseits von zentralistischen Steuerungslogiken und hegemonialen Expertenkulturen denkbar ist. Das hier vorgeschlagene Fokusprojekt untersucht, wie Programme für eine nachhaltige Gesellschaft sich in dieser zu transformierenden Gesellschaft konkret auswirken. Die kreativen Potentiale von bottom-up Prozessen werden auf diese Weise positiv zur Geltung gebracht statt sie als Störung einer interventionistischen Gestaltungslogik zu verstehen. 5. Darlegung des Lösungspotentials mit Blick auf eine oder mehrere virulente gesellschaftliche Herausforderungen Das Fokusprojekt verspricht mindestens folgende fünf Ergebnisse: - Systematische Einordnung verschiedener Transformationsszenarien in den fünf Dimensionen situativer Praxis. - Auf dieser Basis Aufzeigen bislang impliziter Paradoxien und Ambivalenzen, die sich aus der Gleichzeitigkeit normativer Forderungen und situativer Alltagspraxis ergeben. - Damit Ansätze für die bislang offene Frage, warum trotz z.T. großer Investitionen in nachhaltige Transformationsprogramme kaum messbare Ergebnisse erzielt werden. - Auf dieser Grundlage wird neben dem Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte ein praktischer Leitfaden zur Beurteilung von Nachhaltigkeitsprogrammen erarbeitet. - Schließlich wird mit dem Konzept der reflexiven Responsibilisierung in den fünf Dimensionen situativer Praktiken und unter Einbeziehung der Teilnehmerperspektive ein analytisch hoch operationalisierbarer Nachhaltigkeitsbegriff entwickelt. 16 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 6. Einbeziehen der Perspektive betroffener Bürgerinnen und Bürger und gesellschaftlicher Gruppen mit Blick auf die Erarbeitung konkreter Lösungsvorschläge Das Fokusprojekt zeichnet sich in seiner Anlage durch die explizite Fokussierung der Teilnehmerperspektive aus. Das Projekt ist auf die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bereits selbst angewiesen und sieht sich in der Pflicht, die Ergebnisse nicht nur für den wissenschaftlichen Diskurs sondern auch für die praktische Anwendung aufzubereiten. Diese Zusammenarbeit umfasst zusammenfassend folgende Aspekte: - Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern in den Forschungsprozess; zum Teil mittels partizipativer Methoden der Sozialforschung. - Enge Kooperation mit Praxispartnern, insbesondere dem Verbraucherschutzverein Bundesverband. - Einbeziehung der Perspektive von Bürgerinnen und Bürgern an drei zentralen Stellen des Projektverlaufs mittels Workshops: zu Beginn (AP 0 Kickoff), in der Mitte (AP 4.1 Interimskonferenz) und in der Schlussphase (AP 4.4 Praxisworkshop). Darüber hinaus arbeiten wir über persönliche Kontakte eng mit verschiedenen Stiftungen (Villigst, Mercator) zusammen, die entsprechende Perspektiven sowohl in den wissenschaftlichen als auch in den Praxisprozess mit einbringen. 7. Art und Umfang der Zusammenarbeit sowie Anteil der beteiligten Partner am Projekt Die Durchführung des Projekts erfolgt im Wesentlichen im Zuge der Erstellung von Dissertationsschriften. Im Kontext jeder der vier Arbeitsgruppen wird jeweils eine Dissertationsschrift angefertigt. Darüber hinaus ist die Mitarbeit von zwei Post-Doktoranden vorgesehen, um die Qualität des Arbeitsprozesses zu befördern. Um die jeweils fachspezifische Expertise der einzelnen Arbeitsgruppen in den Gesamtprozess fruchtbar einzubringen, erfolgt über die Module hinweg eine Zusammenarbeit der verschiedenen Arbeitsgruppen. Diese wird gewährleistet durch vierteljährliche Fokusgruppentreffen. Diese Treffen umfassen je nach Bedarf ein oder zwei Tage und dienen dem Austausch von Zwischenergebnissen, der Diskussion projektrelevanter Fragestellungen sowie ggf. der gemeinsamen Festlegung nächster Schritte. Konkret sind die Arbeitspakete den Arbeitsgruppen folgendermaßen zugeordnet: In Modul 1 (analytisches Instrumentarium) arbeiten in den ersten sechs Monaten der Projektlaufzeit alle vier Doktoranden und beide Post-Doktoranden zusammen, um ein gemeinsames analytisches Instrumentarium den jeweils spezifischen Arbeitserfordernissen anzupassen und eine koordinierte Zusammenarbeit abzustimmen. In Modul 1 ist zudem eine Doktorandenstelle vorgesehen, die in den Arbeitsschritten 1.1 bis 1.3 kontinuierlich theoretisch-konzeptionelle Aspekte unter Einbeziehung von Interimsergebnissen aus dem 17 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Projektfortgang entwickelt. Die Doktorandenstelle ist der Arbeitsgruppe 1 Soziologie (Prof. Henkel, Prof. Lindemann) zugeordnet. In Modul 2 (Genealogie) werden die Genealogie der Interventionsgesellschaft sowie der sozio-ökologischen Transformationsszenarien untersucht. Diese Aufgabe erfordert sowohl Erfahrung in genealogisch-historischer Forschung als auch Erfahrung in der interdisziplinären Zusammenarbeit, weil Zwischenergebnisse den anderen Projektmitarbeiter sukzessive zugewiesen sowie deren Zwischenergebnisse einbezogen werden müssen. Aufgrund des besonderen Stellenwerts der Genealogie als historisch-gesellschaftlichem Hintergrund aktueller Entwicklungen zur nachhaltigen Gesellschaft ist hier die Ausführung durch eine/n erfahrene/n Nachwuchswissenschaftler/in vorgesehen. Diese Post- Doktorandenstelle ist der Arbeitsgruppe 2 Subjektivierungstheorie (Prof. Alkemeyer, Prof. Schulz) zugeordnet. In Modul 3 (Transformationsszenarien) erfolgt die empirische Kernarbeit des Projekts. Die sechs Transformationsszenarien bzw. aus diesen abgeleitete Programme werden im Sinne einer praxeologischen Empirie mit der Ambivalenz und Komplexität sozialer Praxis kontrastiert. In diesem Modul arbeiten drei Doktoranden an jeweils einem bzw. zwei sich nahestehenden Szenarien. Um den Arbeitsprozess zu unterstützen ist hier außerdem eine Post-Doktorandenstelle vorgesehen, von der zwei der Transformationsfälle bearbeitet werden und die den Austausch innerhalb der Fallstudien sowie den Kontakt zu den theoretischen und genealogischen Arbeitsprozessen wesentlich mit gestaltet. Es wurde bewusst darauf geachtet, in diesem Kernbereich Doktoranden aus den verschiedenen beteiligten Fachdisziplinen zusammenzubringen, um einen Austausch der unterschiedlichen Zugänge zu gewährleisten. Subjektivierungstheorie (Prof. Eine Doktorandenstelle Alkemeyer, Prof. ist Schulz) der Arbeitsgruppe zugeordnet, die 2 zweite Doktorandenstelle ist der Professur Niko Paech zugeordnet, die dritte Doktorandenstelle ist der Professur Reinhard Pfriem zugeordnet. Die Post-Doktorandenstelle ist der Arbeitsgruppe 1 Soziologie (Prof. Henkel, Prof. Lindemann) zugeordnet. In Modul 4 (reflektierte Auswege) arbeiten jeweils wieder alle sechs Projektmitarbeiter/innen zusammen. 8. Interne Vernetzung, einschlägige Vorarbeiten, Kooperationsnetzwerk Die Antragsteller sind untereinander und innerhalb der Universität Oldenburg gut vernetzt und blicken auf vielfältige gemeinsame Forschungstätigkeiten zurück. Darüber hinaus hat das Fokusprojekt ein Netzwerk von Kooperationspartnern zusammengestellt, durch das der Forschungsprozess begleitet, reflektiert und in außerwissenschaftliche Öffentlichkeit hinein verbreitet wird. 18 die wissenschaftliche und Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Interne Vernetzung Das Projekt kooperiert eng mit dem Oldenburger Graduiertenkolleg „Selbstbildungen Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive“. Die Frage nach den Praktiken und Subjektivierungsweisen, die Nachhaltigkeitsprogramme evozieren, schließt hervorragend an die Neuausrichtung des Graduiertenkollegs „Selbstbildungen“ an, das sich in der zweiten Laufzeit den „reflexiven Selbstbildungen“, also den Ausformungen engagiertem Mitmachens, reflexiver Orientierung und Verantwortungsübernahme widmet. Ebenso eng ist der inhaltliche und forschungsanalytische Anschluss an das WiZeGG (Wissenschaftliches Zentrum zur Erforschung der Genealogie der Gegenwart), das sich der historisch-praxeologisch angeleiteten Analyse kultureller Formen gesellschaftlicher Selbstproblematisierungen widmet. Das Problem der Nachhaltigkeit ist als eben solch eine gesellschaftliche Selbstproblematisierung zu begreifen. An der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg besteht zudem mit dem FUGO – Forschungskolloquium Unternehmen und gesellschaftliche Organisation sowie mit CENTOS, dem Zentrum für wirtschaftswissenschaftliche Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung der Universität Oldenburg ein Schwerpunkt in der Nachhaltigkeitsforschung bereits seit vielen Jahren. Mit den Vertretern dieses internen Diskurses und dem FUGO besteht ein enger Kontakt, so dass eine Vernetzung in die verschiedenen Disziplinen und Diskussionen gewährleistet ist. Schließlich besteht Anschluss auch an den sich am Institut für Sozialwissenschaften aktuell neu sich formierenden Forschungsschwerpunkt zu den Dimensionen der Sorge. Für diesen interdisziplinär ausgerichteten Forschungsschwerpunkt (neben Soziologie auch Philosophie und Theologie) läuft aktuell ein Forschungsantrag an das Evangelische Studienwerk Villigst, das bei Bewilligung im Mai 2014 startet. Das hier vorgeschlagene Fokusprojekt ist über diese unterschiedlichen Netzwerke eng in einen sowohl interdisziplinären als auch nachhaltigkeitsspezifischen Kontext eingebunden, so dass Ergebnisse und Zwischenstände breit diskutiert und rezipiert werden können. Einschlägige Vorarbeiten Die AntragstellerInnen und Antragsteller kooperieren bereits seit langem in unterschiedlichen Zusammenhängen. So arbeiten Prof. Alkemeyer, Prof. Lindemann und Prof. Schulz seit mehreren Jahren erfolgreich im Rahmen des Graduiertenkollegs „Selbst-Bildungen“ zusammen, mit dem auch Prof. Henkel assoziiert ist. Zudem forschen sie im Rahmen des WiZEGG gemeinsam an zentralen, den hier gestellten Fragestellungen verwandten Gegenständen. Darüber hinaus sind Prof. Schulz und Prof. Pfriem seit langem gemeinsam im Rahmen des interdisziplinären Kolloquiums FUGO mit Fragestellungen aus dem 19 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Nachhaltigkeitsbereich befasst. In diesen Rahmen ist auch Prof. Paech einbezogen. Schließlich arbeiten Prof. Lindemann und Prof. Henkel im Rahmen der Arbeitsgruppe sozialwissenschaftliche Theorie eng zusammen. Einschlägige Vorarbeiten der beteiligten Kooperationspartner sind im Einzelnen: Prof. Alkemeyer ist eine ausgewiesene Kapazität im Bereich der praxeologischen Forschung. Wegweisend sind hier seine in Oldenburg entstandenen Schriften zu Techniken und kulturellen Praktiken der Subjektivierung. Prof. Henkel ist ausgewiesen im Bereich der genealogisch orientierten Gesellschaftsforschung und arbeitet aktuell zum Themenfeld der Verantwortung. Ihr Anliegen ist es, theoretische Konzepte für Gegenwartsanalyse ergebnisorientiert einzubringen. Prof. Lindemann ist eine ausgewiesene Kapazität im Bereich der theoretisch angeleiteten Gesellschaftstheorie sowie leib-körperlich orientierter ethnografischer Forschung. Wegweisend und für den Projektkontext relevant sind ihre Schriften zur Ordnung des Sozialen. Prof. Paech hat den Diskurs der Postwachstumsökonomik wesentlich mit geprägt. Er verbindet seine wissenschaftliche Expertise zur Umweltökonomie, Ökologischen Ökonomie und Nachhaltigkeitsforschung mit Engagement in der Umsetzung von Nachhaltikgeitsideen. Prof. Pfriem ist sei über dreißig Jahren eine führende Größe in der Nachhaltigkeitsforschung und -beratung. Seine Expertise weist sich neben seinen Publikationen in übergreifenden Diskussions- und Forschungszusammenhänge aus, wie etwa die von ihm initiierten Spiekerooger Klimagespäche. Prof. Schulz verbindet einen naturwissenschaftlichen Hintergrund mit einem anerkannten Status in der Naturphilosophie. Er versucht eine hermeneutische Perspektive auf die Bereiche der Naturwissenschaften und der Ökonomie auszudehnen um diese dadurch z.B. für Fragen eines angemessenen Verstehens von Verantwortung und Nachhaltigkeit zu öffnen. Kooperationsnetzwerk Für das Fokusprojekt wurde ein Kooperationsnetzwerk geschaffen, das unser Projekt spezifisch begleiten, reflektieren und unterstützen wird: Prof. Niels Åkerstrøm-Andersen von der Copenhagen Business School forscht mit seiner Arbeitsgruppe seit langem zu gesellschaftlichen Wirkungen politischer Steuerungsversuche, insbesondere am Fall der Public-Private-Partnerships. Über Prof. Åkerstrøm besteht zudem Kontakt zur sustainability platform der CBS. Prof. Dean Bavington von der University of Newfoundland (Canada) ist Geograph mit Schwerpunkt Nachhaltigkeitsforschung; in hat er sich u.a. kritisch mit nachhaltigen 20 Reflexive Responsibilisierung, Universität Oldenburg 2014 Managementprogrammen, Responsibilisierungsstrategien und deren Kontraproduktivität am Beispiel des neufundländischen Kabeljaus auseinandergesetzt. Prof. Dr. Alfons Bora von der Universität Bielefeld ist ein Experte auf dem Gebiet der Technikfolgenabschätzung und Mitglied des Deutschen Ethikrates. In seinen Schriften zur Innovationsregulierung spricht er zentrale Paradoxien an, die auch für das Untersuchungsfeld der Nachhaltigkeit relevant sind. Prof. Dr. David Kaldewey von der Universität Bonn forscht zum Verhältnis von (theoretischer) Wissenschaft und gesellschaftlicher Praxis; seine Expertise ist relevant für die genealogische Studie, die Konzeptentwicklung und Reflektion des Gesamtprojekts. Darüber hinaus besteht über David Kaldewey Kontakt zur Mercator Stiftung, die seinen Lehrstuhl unterstützt und als weiterer Multiplikator aktiviert werden kann. Prof. Elisabeth Shove ist Soziologin. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die praxeologische Nachhaltigkeitsforschung, also die Erforschung der Veränderung sozialer Praktiken und deren Auswirkungen auf Energieverbrauch und Klimawandel. Isinova / Prof. Dr. Jana Rückert-John / Dr. René John forschen u.a. mit Studien für das Umweltbundesamt im Bereich der Nachhaltigkeit, aktuell mit einer Schrift zu sozialer Innovation und Nachhaltigkeit. Isinova dient darüber hinaus als Vernetzungsplattform. Darüber hinaus kooperiert das Fokusprojekt mit einer Reihe von Institutionen, um heterogene Akteursperspektiven systematisch einzubeziehen und die Sichtbarkeit und Verbreitung der Projektergebnisse zu erreichen. Zu diesen Institutionen gehört ONNO e.V. das nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensnetzwerk in Ostfriesland, dessen Vorsitzender Prof. Pfriem ist. Weiterhin planen wir eine Kooperation mit dem Verbraucherschutz Bundesverband, um die Verbraucherperspektive auch mittels einer entsprechenden Institution einfließen zu lassen. Das Evangelische Studienwerk Villigst e.V. gehört ebenfalls zum Kooperationsnetzwerk. Die genannten Kooperationspartner sind über die inhaltliche Begleitung hinaus bereit, als Zweitgutachter von Dissertationen zu fungieren und zur Vernetzung sowie zur Sichtbarkeit des Projektes beizutragen. 21