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Geldschöpfung: Wie kommt Geld in die Welt? - Wirtschaftswissen - FAZ
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Wie kommt Geld in die Welt?
05.02.2012 · Nicht nur die Europäische Zentralbank kann Geld schaffen, sondern
auch jede ganz normale Bank. Sie schöpft ihre Kredite aus dem Nichts. Aber ist das
schlimm, wie Occupy behauptet?
Von CHRISTIAN SIEDENBIEDEL
Artikel
E
s gibt Dinge, die
sind so
selbstverständlich, dass
man nicht über sie
nachdenkt. Zu ihnen
gehört das Geld. Man
holt die Scheine aus dem
© BENGT FOSSHAG
Automaten, trägt sie im
Banken können weder Geldscheine drucken noch
Portemonnaie mit sich
Münzen prägen - und trotzdem schöpfen sie Geld
herum, zählt sie
bisweilen und benutzt sie zum Zahlen. Aber wo kommt das Geld
her? Es wird halt irgendwer drucken, denkt man.
Die bankenkritische Bewegung Occupy vertritt die provokante
These, es seien die Banken, die in unserem Wirtschaftssystem das
Geld schaffen. Die Kapitalismuskritiker finden das nicht gut:
Gewinnorientierte private Institutionen, die in keiner Weise
demokratisch kontrolliert würden, sind Schöpfer des Geldes. Das
sei gefährlich, sagt Occupy.
Nicht nur Scheine und Münzen
Occupy hat recht, nicht mit der Wertung, aber mit der Erklärung.
Es sind die Banken, die einen Großteil unseres Geldes erschaffen.
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Und zwar große Geschäftsbanken wie die Deutsche Bank und die
Commerzbank genauso wie kleine Volksbanken und Sparkassen.
Zwar können die Banken weder Geldscheine drucken noch
Münzen prägen. Das dürfen im Euroraum nur die Europäische
Zentralbank und die nationalen Notenbanken. Allen anderen ist es
von Staats wegen untersagt und wird mit einer „Freiheitsstrafe
nicht unter einem Jahr“ geahndet, wie es im Paragraphen 146 des
Strafgesetzbuches heißt.
Doch die Geldschöpfung der Banken ist ohnehin von anderer
Natur. Wer das verstehen will, muss zunächst einen Definition
akzeptieren: Geld, das sind heutzutage nicht nur Scheine und
Münzen. Auch was irgendwo auf Konten schlummert, ist echtes
Geld. Wenn Zahlen von einem Konto auf ein anderes wandern,
fließt Geld. Man kann dafür Dinge kaufen und es sich auszahlen
lassen.
Geldschöpfung
© F.A.Z.
Dieser elektronische Teil des Geldes ist mittlerweile sogar der
größere Teil: In Europa gibt es eine sogenannte zahlungsfähige
Geldmenge (Fachleute nennen sie „M1“) von etwa 4,8 Billionen
Euro. Darin enthalten sind 858 Milliarden Euro Bargeld in
Scheinen und Münzen. Der unvorstellbar große Rest hingegen ist
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nur auf Konten existent, die „Sichteinlagen“. Genau dieses Geld ist
es, das überwiegend von den Banken geschaffen wird.
Wie machen die Banken das? Indem sie Kredite vergeben. Der
Großteil unseres Geldes entsteht heute nicht mehr durch die
Bearbeitung von Edelmetallen wie noch in früheren
Jahrhunderten. Aristoteles und Platon philosophierten zu ihrer
Zeit noch darüber, ob der Wert des Geldes durch den Metallwert
der Münzen („physis“) entstehe oder durch den Nennwert, den der
Staat qua Erlass festlegt („nomos“). Heute entsteht Geld durch
vielfältige Schuldenmacherei. Was ist auch Papiergeld schließlich
anderes als eine Art Schuldschein der ausgebenden Stelle, der von
dem Vertrauen lebt, dass er jederzeit weiterzugeben oder
einzulösen ist?
Sie schafft Geld aus nichts
Bei dem Geld, das die Banken schaffen, dem sogenannten
„Buchgeld“ oder „Giralgeld“, ist es nicht viel anders. Diese Art von
Geld entsteht, wenn eine Bank einem Kunden einen Kredit gibt
und den Betrag auf dessen Konto gutschreibt. Der Kunde (es kann
eine Privatperson sein, ein Unternehmen oder auch der Staat)
kann den Betrag wie Geld weiterverwenden. Eigentlich handelt es
sich zwar technisch nur um eine Forderung, die auf Bargeld lautet.
Er kann den Betrag aber an andere überweisen, ihn mit der ECKarte zum Shoppen nutzen oder am Automaten bar abheben. Der
Betrag ist nicht nur „wie Geld“ - es ist Geld entstanden.
Um einem Kunden einen Kredit zu geben, braucht die Bank noch
nicht einmal die Spareinlage eines anderen Kunden aus ihrem
Tresor zu holen. Sie schafft Geld aus nichts. Allerdings: Die Bank
muss im Gegenzug für den Kredit Geld bei der Zentralbank
deponieren - die sogenannte Mindestreserve. Sie ist viel kleiner als
der Kredit: Lange Zeit betrug sie zwei Prozent des Kreditbetrags,
gerade wurde sie auf ein Prozent gesenkt. Eine Bank, die 10.000
Euro Kredit vergeben will, braucht also 100 Euro Mindestreserve.
Sicherheiten hinterlegen, Zinsen zahlen
Die Bank muss auch dieses Geld nicht durch Spareinlagen ihrer
Kunden aufbringen. Sie kann vielmehr ihrerseits von der
Zentralbank Kredit bekommen. Dafür muss sie Sicherheiten
hinterlegen, in der Regel Wertpapiere, und Zinsen zahlen.
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Wenn das geborgte Geld früher oder später als Einlage bei einer
(anderen) Bank landet, kann diese andere Bank damit auch einen
Kredit vergeben. Das Bankensystem als Ganzes schafft so ein
Vielfaches von dem Geld, das am Anfang stand. Ökonomen
nennen das „multiple Geldschöpfung“.
Die Notenbank ist dabei der Regisseur. Sie hat zwei
Steuerungsgrößen, mit denen sie den Prozess kontrollieren kann.
Zum einen den Satz der Mindestreserve: Senkt sie ihn, können die
Banken mehr Geld schaffen. Zum anderen den Zins, den sie von
Banken für Kredite verlangt: Fordert sie mehr, halten die Banken
sich mit den Ausleihungen tendenziell zurück.
Auch die Banken sind vorsichtiger
Allerdings hängt die Frage, wie viel Geld die Banken schaffen,
nicht allein von Zins und Mindestreserve ab. Es geht dabei ja am
Ende um die Frage, wie viel Kredit sie vergeben. Läuft die
Wirtschaft gut, wollen viele Firmen Kredit, und die Banken geben
ihn gern, weil sie gute Geschäfte machen. Ist hingegen die
Unsicherheit groß, sinkt die Kreditnachfrage, und auch die Banken
sind vorsichtiger.
Letzteres ist im Augenblick der Fall: Die Zentralbank vergibt
zuhauf billige Kredite an Banken - aber die halten sich mit der
Geldschöpfung vornehm zurück.
Über das Wachstum der Geldmenge entscheiden also tatsächlich
Banken, aber auch Privatleute und Unternehmen mit - je
nachdem, in welchem Umfang sie Geld leihen oder verleihen.
Nicht nur Occupy diskutiert Geldschöpfung
Ist das alles schlimm, wie Occupy behauptet? Es ist nicht schlimm,
solange die Zentralbank die Kontrolle behält. Aber nicht nur bei
Occupy, auch in der Wissenschaft gibt es eine Debatte, ob man
nach den Erfahrungen der Bankenkrise die Geldschöpfung noch
den Banken überlassen kann. Ausgerechnet der Doktorvater von
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Hans Christoph
Binswanger, gehört zu den Protagonisten.
Er meint: Man sollte die Mindestreserve auf 100 Prozent
hochsetzen. Das würde bedeuten: Die Banken müssten für jeden
Euro, den sie verleihen, einen Euro bei der Zentralbank
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hinterlegen. Damit hätte die Zentralbank die vollständige
Kontrolle über die Geldschöpfung.
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Der Charme der Idee: Man könnte vielleicht vermeiden, dass
Banken zu viel Geld schaffen und Blasen und Inflation entstehen.
Der Mainstream der Ökonomen aber hält das nicht für
praktikabel. „Bei einer Mindestreserve von 100 Prozent würde das
Bankensystem, wie wir es heute kennen, aufhören zu bestehen“,
sagt Bankenprofessor Hans-Peter Burghof. Und Volker Wieland,
Professor für Geldtheorie in Frankfurt, meint: „Man kann
durchaus über die normale Zinspolitik das Geldmengenwachstum
kontrollieren.“ Die Europäische Zentralbank habe genug Macht,
für stabiles Geld zu sorgen. Sie müsse nur wollen.
Quelle: F.A.S.
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