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Bericht 1
Devarkonda/Vijayawada, 23/12/2006
Liebe Freunde, Liebe Sponsoren
Wo sind sie wohl und was machen sie? Gerne moechten wir versuchen auf diese Fragen
einige, wenn auch vorlaeufige Antworten zu geben.
Nachdem wir am 30. November per Flug in Delhi angekommen waren sind wir in einer
Tagesfahrt mit dem Zug gleich nach Varanasi weitergereist. Im KIRAN haben wir
gleichsam als Angewoehnung und Einstieg die Gastfreundschaft von Judith/Sangeeta
geniessen duerfen.
Am 8. Dezember fuhren wir dann mit dem Zug(1 Tag + 2 Naechte) nach Hyderabad
weiter wo wir von unserem Freund Bhaskar herzlich empfangen wurden. Der Zufall
wollte es, dass seine Frau am 09. Dezember (ausgerechnet an meinem Geburi) einen
gesunden Knaben gebar.
Nach kurzem obligatem Verwandtenbesuch fuhreen wir mit dem „Luxury-Bus“(nur der
Name ist „Luxury“, ansonsten eine alte Klapperkiste) gleich weiter in unser „altvertrautes
Stammesgebiet“ bei den Lambadis(Volksstamm/Eingeborene). In Devarkonda, einem
alten Districtstaedtchen stellten wir fuers Erste unsere Zelte auf. Das heisst wir haben
einen eigenen wohl nackten Raum - ohne jegliches Inventar - mit vier Waenden und
einem Dach ueber dem Kopf. Der Mieter kann sich hier selbst nach eigenen Wuenschen
und Beduerfnissen einrichten. Dies taten wir in der Form, dass wir uns mal eine einfache
Matratze und 2 Plastikstuehle kauften. Man schaetzt es schon einigermassen, ein
Wasserfass und eine Latrine in unmittelbarer Naehe zu wissen. Devarkonda ist ein
romantisches Staedtchen am Fusse eines skurrilen Bergrueckens aus markanten
roetlichen Felsformationen. Im oberen Bereich ist der Berg rundum mit hohen Mauern
aus Granitbloecken – oft millimetergenau auf- und ineinandergeschichtet – befestigt.
Weisse Menschen, wie wir es nun mal genannt werden, sind hier wohl ein seltener
Besuch, somit wird auch jede unserer Bewegungen aufs genauste beobachtet. Ansonsten
sind die Leute sehr nett und gastfreundlich. Unsere Akzeptanz durch die Einwohner
manifestiert sich auch darin, dass zB bei einer naechtlichen Hindu-Prozession durchs
Dorf ein Hindu-Priester von seinem Gefaehrt stieg, sich durch die Menge draengte, auf
uns zukam und uns als grosse Ehre Prasad(Goetterspeise) in Form von einer Schale Reis
und einer halben Kokosnuss ueberreichte.
Von hier aus lassen sich alle unsere „Schuetzlinge“ besuchen, sei es in den jeweiligen
Schulen oder Zuhause. So haben wir denn in den letzten Tagen auf meist unwegsamem
Gelaende ueber 450 Km zurueckgelegt. Die dabei gemachten Erfahrungen und Erlebnisse
lassen sich etwa unter folgendem Motto zzusammenfassen:
Geteilte Freude = doppelte Freude
Geteiltes Leid
= halbes Leid
Vorgaengig unseren Besuchen besorgen wir fuer jedes Kind ein kleines Geschenk in
Form von: 1 Zahnbuerste, 1 Zahnpaste, 1 LUX-Seife, 1 Wasch-Seife(Kleider) sowie
einiger Suessigkeiten.
Freude und Dankbarkeit erleben wir hauptsaechlich bei den Kindern welche wir schon
seit einiger Zeit betreuen.
Da ist zB Dhivya, eine Vollwaise, vor einem Jahr bei ihren Grosseltern „aufgegriffen“.
Sie konnte in einem von der Weltbank finanzierten Projekt/Internat fuer ehem.
Kinderarbeiter und Tribals(Eingeborene) untergebracht werden. Der Unterschied in ihrer
Entwicklung ist augenfaellig. Aus dem schuechternen, traurigen Kind formt sich ein
selbstbewusstes und froehliches Maedchen. Auch die 3 Buben(Vollwaisen s. Prospekt
mit Grossmutter) konnten schulisch gut platziert werden und entwickeln sich praechtig.
Kiran, der Aelteste in der 10th-class(hoeh. Standard) geht meist morgens zur Schule und
hilft oft nachmittags seiner betagten Grossmutter auf dem Feld. Bei unserem Besuch
fraegt er uns ganz schuechtern, ob wir ihm 200 Rupien(ca CHF 6.00) geben koennten,
damit er als Pruefungsvorbereitung ein Buch mit den Pruefungsaufgaben der letzten Jahre
kaufen koenne - welch bescheidener Wunsch!
Da ist auch Manmohan(Waise, lebt bei Onkel + Grossmutter), welcher in der Schule von
Father Kishore eines der besten Resultate bei den Examen von den 200 Schuelern erzielt
hat.
Oder etwa Saraswathi, welche den Sprung von der 10th-class bei F. Kishore in die InterMittelschule mit Bestnoten geschafft hat. Bei unserem Besuch in der betreffenden Schule
erklaert uns der Principal stolz, dass er die hoechste Erfolgsquote bei den Pruefungen
seiner Schueler fuer ein Uni-Studium nachweisen koenne. Nicht umsonst ist er auf
aussergewoehnlich begabte Schueler/Innen wie Saraswathi erpicht, dies staerkt natuerlich
die Stellung und den Ruhm seiner Schule. So muessen wir - nicht zuletzt Saraswathis
Eifers und des Principals Stolzes wegen - nur den halben Betrag des effektiven
Schulgeldes hinblaettern. Andieser Schule studieren zZt. 340 Maedchen und etwa
ebensoviele Knaben streng getrennt auf engstem Raum in dem 3-stoeckigen Gebaeude.
Hier wird von morgen frueh bis spaetabends nur „gebueffelt“ und es weht ein Wind von
militaerischem Drill und eiserner Zucht. Sogar die Hundertschaften von Fahrraedern im
Hof, reihenweise dicht ineinandergeschichtet koennen betimmt nur „paketweise“ und
nach ganz bestimmten regeln entflechtet werden.
So liesse sich die Liste der positiven Erlebnisse noch um einiges erweitern. Bestimmt
hilft – nebst unseren Bemuehungen bzw. Dank ihrer Spenden – auch die Zeit mit,
Wunden zu heilen und Not etwas in den Hintergrund zu draengen.
Nebst vielen erfreulichen Erlebnissen mit unseren „Ehemaligen“ werden wir immer
wieder auch mit neuen tragischen Menschenschicksalen konfrontiert.
Wenn wir etwa in einem Dorf ankommen werden wir meist sofort von den Bewohnern
umringt – Leuten, welche meist nur das Noetigste zum Leben besitzen. So sind wir doch
immer wieder erstaunt, dass wir von diesen nicht in erster Linie auf die eigene Not
angesprochen werden; nein – man macht uns immer wieder auf Leute aufmerksam,
welche Hilfe noch dringender benoetigen als sie selbst.
Der 15. Dezember war wieder so ein Tag, welcher uns bestimmt noch lange in
Erinnerung bleiben wird. So werden wir bei unserem Besuch bei Kiran im Dorf
Charakonda gleich in ein weiteres nahegelegenes Haus gerufen. In dem hellgruen
bemalten Tuerrahmen des hellblau getuenchten Hauses stehen 2 Maedchen – Chaitanya +
Saviagnya (8th and 10th class) mit traurigen Gesichtern, in gruenen Jupes, weissen
Blusen sowie schwarz/weiss gestreiften Krawatten(typische Schuluniform). Sie sind
Vollwaisen und leben nun bei ihrem Onkel, einem Mann mittleren Alters und Statur. Sein
Gesicht stroemt viel Liebe und Geborgenheit aus. Als Kleibauer kommt er selbst bei
harter Arbeit nur schlecht ueber die Runden. Ohne zoegern werden wir auch diese
Familie unterstuetzen.
Wir besuchen noch Vijaykumar(2) in der Gaetano-Schule. Wegen finanzieller Probleme
musste er nach dem Tod seiner Eltern die 10th class abbrechen. Er lebt nun bei seinem
Onkel, welcher selbst eine Familie mit 2 Kleinkindern hat. Dank unserer Unterstuetzung
kann er nun den Schulunterricht fortsetzen und es scheint, dass er sich langsam vom
Schock ueber den Verlust seiner Eltern etwas erholt.
Nachdem wir den ganzen Tag mit einem Kleinwagen der Marke TATA(ind. Mercedes!)
mit Chauffeur auf holpriger Strasse unterwegs waren und sich nebst unseren Gliedern
auch unser Kopf nach einer Ruhepause sehnte, liess Bhaskar kurz vor Daemmerung den
Fahrer im Dorf Kurmade nochmals anhalten. Am Strassenrand befindet sich etwas
erhoeht ein kleines, bedientes Telefonhaeuschen, eine Art Bretterverschlag, wenig
groesser als unsere Telefonkabinen. Davor steht ein primitives, handbetriebenes 3-RadInvalidenfahrzeug. Viel Volk schart sich um die Bude, als man einen Jungen samt Stuhl
heraustraegt. Es ist Srinu(19 Jahre), den man etwas unsanft samt Stuhl vor uns hinstellt.
Etwas vornuebergeneigt mit verschraenkten Armen und herabhaengenden Beinchen, alles
in allem vielleicht um die 40 Kg. Sein Gesicht mit den strahlenden Augen und seinem
sanften Laecheln wird uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Als sein Vater im
letzten August starb musste er sein Studium aufgeben um die Familie zu unterstuetzen.
So versucht er mit der Vermittlung von Telefongespraechen etwas beizusteuern. Da aber
die Indischen Telefongesellschaften kaum mehr Festanschluesse erstellen und im
hartumkaempften Markt alles auf die Karte von Mobile/Handys gesetzt wird, wird auch
sein Job wohl nur noch eine Frage der Zeit sein. Wir besuchen seine Mutter im
nahegelegenen Dorf. Sie versucht mit einem kleinen Gemischtwarenladen die Familie
irgendwie „ueber Wasser“ zu halten. Das Problem sind aber noch die beiden Toechter,
wovon die eine nach dem Tode des Vaters aus psychischen Gruenden das Studim
abbrechen musste, die andere hat einen harten Job in einer Baumwollfabrik. Als wir in
gedrueckter Stimmung das Haus verlassen wischt sich die Mutter, eine leidgepruefte
Frau um die 45 Jahre, fast unbemerkt ein paar Traenen aus ihren Augen.
Die Tage vergehen wie im Flug und es gaebe da noch vieles zu berichten, besonders was
unsere „neuen Faelle“ anbetrifft. Ab und zu goennen wir uns auch einen Ruhetag im Dorf
oder Wandern auf einen Berg in der Umgebung.
Am 20. Dezember sind wir nach Vijayawada(1-Mio-Stadt) aufgebrochen um
Weihnachten im Kreise der Strassenkinder mitzuerleben. Hier erhalten wir von der
Organisation Navajeevan(Don Bosco-Salesianern) von Freunden wie Father Koshi
wertvolle Inputs in Bezug auf das weitere Vorgehen was unser Projekt SolidarAndhra
betrifft. Im Besondern moechten wir dieses nach indischem Gesetz rechtlich absichern.
Dies duerfte uns wohl noch einige Zeit und etwas Nerven kosten aber dank unserer guten
Beziehungen und Freunden sind wir diesbezueglich optimistisch.
Gegen Ende Dezember werden wir wieder ins Staedtchen Devarkonda zurueckreisen um
mit Bhaskar ueber die weitere Zukunft von SolidarAndhra zu verhandeln. Wir haben
seine Zusicherung dass er sich in Zukunft voll und ausschliesslich fuer SolidarAndhra
einsetzen wird. Dies bietet auch fuer uns eine gute Voraussetzung fuer den Fortbestand
und die Zukunft von SolidarAndhra.
Wir danken all unseren Freunden und Sponsoren fuer die bisherige moralische und
finanzielle Unterstuetzung und wuenschen euch allen frohe und besinnliche Weihnachen.
Ein paar strahlende Augen und ein stilles Laecheln „unserer/eurer Kinder“ moegen eure
Herzen durchs neue Jahr begleiten. Bestimmt werden sie euch in ihr taegliches Gebet
einschliessen.
Sepp und Hedy – SolidarAndhra
NB. Besuchen Sie unsere Website: www.solidarandhra.ch
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