(¨Uberblick 20. Jahrhundert) Vorbereitungsfragen zum 27.5.2008

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Technische Universität Dortmund, Sommersemester 2008
Institut für Philosophie, C. Beisbart
Grundprobleme der Wissenschaftsphilosophie
(Überblick 20. Jahrhundert)
Vorbereitungsfragen zum 27.5.2008
Textgrundlage: Ausschnitte aus Hempel, Studies in the logic of confirmation. Sie
müssen nur lesen: S. [4], Zeile 4 ( The concepts of confirmation“) – S. [5]
”
Zeile 15 ( confirmation and disconfirmation“) und Abschnitt 3 ohne letzten
”
Absatz, d.h. S. [10] Mitte – S. 12 unten.
1. Von welchem Vorverständnis von Bestätigung“ ( confirmation“) geht Hempel
”
”
aus (S. [4], Absatz, der mit Zeile 4 beginnt)? Wie verhält sich Bestätigung zu
Verifikation?
Bestätigung soll für Hempel umfassender als Verfikation sein ([4]). Eine Hypothese zu
verifizieren heißt sie wahr zu machen“ oder zu beweisen. Hempel erkennt aber an, dass
”
wir in der Praxis nicht in der Lage sind, bestimmte Allaussagen zu verifizieren. Er
interessiert sich daher für ein umfassenderes oder schwächeres Konzept, und das ist das
Konzept der Bestätigung. Was er unter einer Bestätigung verstehen will, das erläutert
Hempel anhand eines Beispiels. Wir können das Beispiel wie folgt ausführen. Gehen wir
von der Hypothese aus, alle Raben seien schwarz. Ein Forscher beobachtet nun Raben
in Europa und Amerika und stellt fest, dass alle, die er sieht, schwarz sind. Das ist
natürlich kein Beweis für die Hypothese, dass alle Raben schwarz sind – es ist ja etwa
möglich, dass es in Afrika schwarze Raben gibt. Trotzdem würden wir sagen wollen, dass
die Beobachtungen des Forschers gewisse Evidenz für die Wahrheit der Hypothese liefern
– sie liefern bestimmte Gründe, die Hypothese für wahr zu halten. Hempel sagt auch, die
Beobachtungen stimmen mit der Hypothese überein (ibid.). Genau an dieser Stelle soll
der Begriff der Bestätigung ansetzen. Dass Beobachtungen eine Hypothese bestätigen,
soll also in etwa heißen, dass sie mit der Hypothese übereinstimmen und damit gute
Gründe liefern, die Hypothese für wahr zu halten.
In seinem Aufsatz spricht Hempel nicht nur von Bestätigung, sondern auch von deren
Gegenteil – englisch disconfirmation“. Im Deutschen gibt es dazu keine gute Überset”
zung, wir wollen im folgenden von Schwächung sprechen. Beobachtungen schwächen eine
Hypothese, wenn sie nicht mit dieser übereinstimmen (Hempel: unfavourable data“, [4])
”
und daher Gründe liefern, die Hypothese für falsch zu halten. Im folgenden wollen wir
uns auf die Bestätigung konzentrieren (alles [4]).
2. Hempel möchte eine Theorie entwickeln, die sich mit der Bestätigung beschäftigt.
Was soll diese Theorie leisten?
Hempel möchte eine Theorie entwickeln, die allgemeine Kriterien dafür angibt, wann
eine Beobachtung eine Hypothese bestätigt bzw. schwächt. Eine solche Theorie ließe sich
als analog zur Logik auffassen. Analog wie die traditionelle Logik die Regeln des richtigen deduktiven Schließens enthält, so würde die neue Bestätigungstheorie Kriterien für
richtige Bestätigung angeben ([4]).
3. In Punkt (a) auf S. [5] kritisiert Hempel den Induktivismus, dem zufolge Wissenschaftler induktiv vorgehen sollten. Fassen Sie Hempels Kritik kurz zusammen.
Hempel zufolge scheinen einige induktivistische Ansätze in der Wissenschaftsphilosophie
von folgender Annahme auszugehen: Wissenschaftler können relevante Daten sammeln,
ohne bereits eine Hypothese formuliert zu haben ([5]). Beispiel: Ein Wissenschaftler sammelt in einem Tal Pflanzenteile, die er sich dann anschaut; auf dieser Basis entstehen
Daten, zu denen dann eine allgemeine Hypothese formuliert werden kann, die durch die
Daten gestützt wird. Dabei werden die Daten von vornherein als relevant angesehen.
Hempel zufolge ist die besagte Annahme aber falsch. Relevanz ist für ihn ein relativer
Begriff: Wenn jemand sagt, etwas sei relevant, dann kann man immer fragen: Wofür ist
es relevant? Daher könne die besagte Annahme, die mit Hilfe eines nicht relativierten
Begriffs von Relevanz formuliert ist, nicht wahr sein.
Für Hempel kann es bei der Relevanz von Daten nur um Relevanz von Daten für
eine Hypothese gehen. Das heißt aber: Zunächst muss die Hypothese formuliert sein, erst
dann können wir sagen, welche Daten für die Hypothese relevant sind. Das suggeriert,
dass die Formulierung einer Hypothese Vorrang vor dem Sammeln von Daten hat.
Ob Hempels Kritik an bestimmten Formen des Induktivisms berechtigt ist, muss
natürlich gesondert untersucht werden. Fraglich ist dabei, ob die kritisierten Spielarten des Induktivismus nicht einfach darauf verzichten können, Daten als relevant zu
bezeichnen, ohne dass sich damit viel ändert.
4. Wie lautet das Kriterium, das J. Nicod für Bestätigung angibt?
Wir geben das Kriterium in Hempels Rekonstruktion an ([10]–[11]):
Zunächst bezieht sich das Kriterium auf Hypothesen der Form: Allen Gegenständen,
denen das Prädikat P zukommt, lässt sich auch das Prädikat Q zuschreiben (logische
Form: ∀xP (x) → Q(x)). Beispiel einer solchen Hypothese: Alle Raben (i.e. alle Dinge,
denen das Prädikat zukommt, ein Rabe zu sein) sind schwarz.
Diese Hypothese wird nach Nicod durch jeden Gegenstand a bestätigt, dem die Prädikate P und Q zukommen (formal: P (a) und Q(a)). Im Beispiel wird die Hypothese also
durch einen schwarzen Raben bestätigt.
Die Hypothese wird durch einen Gegenstand geschwächt, dem P, aber nicht Q zukommt (formal: P (a) und ¬Q(a), wobei ¬ die Negation bezeichnet). Im Beispiel: Ein
lila Rabe schwächt die Hypothese.
Gegenstände, denen P nicht zukommt, sind nach Nicod neutral gegenüber der Hypothese (formal: ¬P (a)). Im Beispiel ist ein blauer Hut neutral gegenüber der Hypothese.
Wir können Nicods Theorie in folgender Tabelle zusammenfassen. Sie gibt an, wie
alle logisch möglichen Beobachtungen zu der oben genannten Hypothese stehen.
Kombination von Prädikaten
P (a) und Q(a)
P (a) und ¬Q(a)
¬P (a) und Q(a)
¬P (a) und ¬Q(a)
Beziehung zur Hypothese
Bestätigung
Schwächung
Neutralität
Neutralität
Nicod selbst formuliert das Kriterium in einer etwas anderen Weise. Nach ihm wird
eine Hypothese, der zufolge aus A B folgt, bestätigt, wenn folgendes gilt: In einem Fall
sind sowohl A als auch B gegeben ([12]). Nicods Formulierung ist jedoch nicht besonders
aufschlussreich, denn es fragt sich, was es heißt, dass A gegeben ist. Gemeint muss
hier sein, dass etwas Allgemeines im Einzelfall instantiiert ist (etwas ist ein Rabe, zum
Beispiel). Aber die Instantiierung eines Allgemeinen im Einzelfall beschreibt man am
besten mit der Prädikatenlogik, wie sie erst Hempel, nicht aber Nicod verwendet.
5. Warum funktioniert das Kriterium aus Hempels Sicht nicht?
Hempel notiert folgende Kritikpunkte.
Erstens (a) lasse sich das Kriterium nur auf Allsätze anwenden ([11]–[12]). Es gibt
aber auch wissenschaftliche Hypothesen, die nicht die Form eines Allsatzes haben (etwa:
Es gibt drei Quark-Flavours). Das ist ein Problem, weil Hempel ja nach einer allgemeinen Theorie der Bestätigung sucht ([4]).
Zweitens (b) mache das Kriterium die Bestätigung einer Hypothese davon abhängig,
wie die Hypothese formuliert sei. Das aber sei ein Problem, denn intuitiv gesprochen
sollte die Frage, ob eine Beobachtung eine Hypothese bestätigt, nur vom Gehalt der
Hypothese abhängen, und dieser ist unabhängig von der Formulierung ([12]).
Dass die Bestätigung nach Nicod von der Formulierung einer Hypothese abhängt,
zeigt Hempel anhand von folgendem Beispiel (ibid.):
Der Satz S1 Alle Raben sind schwarz“ (∀xP (x) → Q(x)) ist nach der Logik mit fol”
gendem Satz äquivalent: S2 Alle nicht-schwarzen Dinge sind nicht Raben“ (∀x¬Q(x) →
”
¬P (x)). Die beiden Sätze haben also dieselbe Bedeutung.
Betrachten wir nun einen schwarzen Raben. Nach Nicod bestätigt er eine die Hypothese, die durch S1 formuliert wird, ist jedoch neutral hinsichtlich der Hypothese, die
durch S2 formuliert wird (der Rabe ist nicht nicht-schwarz, fällt also in S1 nicht unter
das erste Prädikat). Damit hängt die Frage, ob ein Gegenstand eine Hypothese bestätigt,
von deren Formulierung ab.
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