Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer

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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
NAT/442
"Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer
Aktionsrahmen"
Brüssel, den 5. November 2009
STELLUNGNAHME
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
zu dem
Weißbuch "Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer Aktionsrahmen"
KOM(2009) 147 endg.
_____________
Berichterstatter: Frederic Adrian OSBORN
_____________
BNE/NAT/442 - CESE 1707/2009 (EN) JB/UR-JB/CD/js
Rue Belliard/Belliardstraat 99 — 1040 Bruxelles/Brussel — BELGIQUE/BELGIË
Tel. +32 25469011 — Fax +32 25134893 — Internet: http://www.eesc.europa.eu
DE
-1-
Die Kommission beschloss am 1. April 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss
gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
Weißbuch "Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer Aktionsrahmen"
KOM(2009) 147 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 13. Oktober 2009 an. Berichterstatter war Frederic Adrian
OSBORN.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 457. Plenartagung am 4./5. November 2009 (Sitzung vom
5. November) mit 183 gegen 3 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
*
*
*
1.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1
Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels durch Begrenzung der Treibhausgasemissionen
sind oberste Priorität. Es ist jedoch ebenso wichtig, die Anpassungen an diese inzwischen
unvermeidbar gewordenen Veränderungen rechtzeitig zu planen.
1.2
2007 veröffentlichte die Kommission ein Grünbuch zur Anpassung an den Klimawandel.
Nach einer umfassenden Konsultation zu diesem Dokument und einer weiteren Analyse hat
die Kommission nun ein Weißbuch "Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer
Aktionsrahmen" vorgelegt, mit dem sie den Ausschuss befasst hat.
1.3
In seiner Stellungnahme zu dem Grünbuch1 empfahl der EWSA, als Rahmen eine übergeordnete europäische Anpassungsstrategie zu schaffen, in der dann die Maßnahmen abgesteckt
werden, die auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene sowie durch andere Akteure zu
ergreifen sind. In dem Weißbuch wird nun genau ein solcher Rahmen vorgeschlagen; der
Ausschuss begrüßt den allgemeinen Ansatz des Weißbuchs.
1
ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 38.
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.../...
-21.4
Einige der von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen sind jedoch nach Auffassung des
Ausschusses weder dringlich noch spezifisch genug. Der Ausschuss drängt insbesondere auf

die Stärkung der Rolle der europäischen Strategie zur Koordinierung der verschiedenen
nationalen Anpassungsstrategien;

eine Verkürzung des Zeitplans für die Weiterentwicklung der Strategie unter besonderer
Berücksichtigung von Themen oder Bereichen mit dem dringendsten Bedarf an Anpassungsmaßnahmen;

die Einsetzung eines unabhängigen, hochrangig besetzten Ausschusses oder Gremiums,
um Fortschritte bei der Eindämmung des Klimawandels bzw. der Anpassung an seine
Auswirkungen in Europa zu messen und um öffentlich auf die Themen aufmerksam zu
machen, bei denen Fortschritte zu wünschen übrig lassen;

frühzeitige Bemühungen um die Berechnung der für die Anpassung in Europa wahrscheinlich erforderlichen Ausgaben (entsprechend den lobenswerten Bemühungen der
Kommission, den diesbezüglichen Bedarf der Entwicklungsländer zu berechnen);

die Intensivierung der Zusammenarbeit zumindest in der OECD, vorzugsweise aber auf
internationaler Ebene, da die Anpassung global erfolgen muss;

die Intensivierung der Bemühungen zur Einbindung der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft in die Entwicklung von Plänen und Maßnahmen für die Anpassung.
2.
Das Weißbuch und sein Kontext
2.1
Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels durch eine Begrenzung des Treibhausgasausstoßes müssen weltweit wie auch bei der anstehenden Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in Kopenhagen oberste Priorität erhalten. Es ist jedoch ebenso wichtig, die
Anpassung an die inzwischen unvermeidbar gewordenen Veränderungen rechtzeitig zu planen.
2.2
2007 veröffentlichte die Kommission ein Grünbuch zur Anpassung an den Klimawandel.
Nach einer umfassenden Konsultation zu diesem Dokument (einschließlich einer Stellungnahme des EWSA) und einer weiteren Analyse hat die Kommission nun ein Weißbuch
"Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer Aktionsrahmen" vorgelegt, mit dem sie
den Ausschuss befasst hat. Viele Punkte aus der Stellungnahme des Ausschusses haben ihren
Widerhall im Weißbuch gefunden.
2.3
Das Weißbuch geht von der Grundannahme aus, dass der Klimawandel bereits Wirklichkeit
ist und sich erheblich verschlimmern wird, weswegen für schwerwiegende Auswirkungen auf
viele Bereiche schon jetzt planerische Vorkehrungen getroffen werden müssen. Über das Aus-
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-3maß der Auswirkungen und ihre geografische Verteilung herrscht noch einige Unsicherheit;
zum Teil wird dies davon abhängen, wie erfolgreich die weltweiten Bemühungen um die Eindämmung des Klimawandels durch die Verringerung des Treibhausgasausstoßes sein werden.
Doch auch unter Voraussetzung des optimistischsten Eindämmungsszenarios müssen Anpassungen an große Veränderungen erfolgen und schon jetzt geplant werden.
2.4
Für die Region Europa werden im Weißbuch mehrere Bereiche herausgestellt, die vermutlich
besonders betroffen sein werden:







Land- und Forstwirtschaft
Fischerei und Aquakultur, Küsten und marine Ökosysteme
Infrastrukturen und ihre Anfälligkeit gegenüber Wetterextremen und dem Anstieg des
Meeresspiegels
Tourismus
gesundheitliche Auswirkungen auf Menschen und Pflanzen
Wasserressourcen
Ökosysteme und biologische Vielfalt.
2.5
Im Weißbuch wird davon ausgegangen, dass die Strategien die größte Wirkung entfalten werden, wenn auf die Fähigkeit der Natur, Belastungen aufzufangen oder unter Kontrolle zu
bringen, geachtet und der Schwerpunkt nicht nur auf physische Infrastrukturen gelegt wird.
Es wird auf die in der Folgenabschätzung erläuterten "grünen Infrastrukturen" verwiesen.
2.6
Im Weißbuch wird argumentiert, dass eine autonome Anpassung von Privatpersonen und
Unternehmen, die von diesen Auswirkungen betroffen sind, kaum zu einer optimalen Anpassung werden kann. Präventivmaßnahmen werden eindeutig für erforderlich gehalten, um
ungeeignete Maßnahmen ("Fehlanpassungen") zu verhindern und durch frühzeitiges Handeln
wirtschaftliche, ökologische und soziale Vorteile zu sichern und nicht durch Abwarten ins
Hintertreffen zu geraten.
2.7
Im Weißbuch wird zwar anerkannt, dass die meisten Anpassungsmaßnahmen auf nationaler,
regionaler oder lokaler Ebene zu treffen sind, doch wird dem Handeln auf EU-Ebene eine
klare Rolle zugemessen, und zwar in Bereichen, in denen Probleme nationale Grenzen überschreiten, und in Sektoren, in denen die EU bereits Kompetenzen und Tätigkeiten entwickelt
hat, die einen deutlichen Einfluss auf die Anpassung haben können.
2.8
Es wird vorgeschlagen, den Aktionsrahmen in zwei Phasen umzusetzen. Für die erste Phase
(2009-2012) werden vier Aktionsschwerpunkte jeweils mit Aktionen der EU und der Mitgliedstaaten vorgeschlagen:


Schaffung einer soliden Wissensgrundlage
Einbeziehung der Anpassungsfrage in die wesentlichen Politikbereiche der EU
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-4

Einsatz einer Kombination politischer Instrumente, um sicherzustellen, dass der Anpassungsprozess effektiv abläuft
Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit bei Anpassungsfragen.
2.9
Für die zweite Phase ab 2013 ist eine umfassendere Anpassungsstrategie geplant, doch enthält
das Weißbuch bislang noch keine Einzelheiten zu ihrem Umfang.
3.
Allgemeine Bemerkungen
3.1
In seiner Stellungnahme zu dem Grünbuch (NAT/368) empfahl der EWSA, als Rahmen eine
übergeordnete europäische Anpassungsstrategie zu schaffen, in der dann die Maßnahmen
abgesteckt werden, die auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene sowie durch andere
Akteure zu ergreifen sind. Mit dem Weißbuch wird nun genau solch ein Rahmen vorgeschlagen, in den viele der in der früheren Stellungnahme des Ausschusses empfohlenen Punkte
eingeflossen sind. Der Ausschuss begrüßt dies natürlich, ebenso wie den im Weißbuch skizzierten Ansatz.
3.2
Bei vielen der unter den Überschriften vorgeschlagenen Aktionen drängt sich jedoch das
Gefühl auf, dass sie erst angedacht sind. Mehrere Aktionen sollen "geprüft", "bewertet" oder
"ermutigt" werden. Keine Aktion ist verpflichtend oder verbindlich, und Rechtsvorschriften
für diesen Bereich scheinen keine baldige Option zu sein. Angesichts der zunehmenden Intensität der Auswirkungen des Klimawandels und der Bedeutung einer diesbezüglichen europäischen Vorreiterrolle hält der Ausschuss es für erforderlich, dass die Europäische Union
rascher eine verbindlichere Strategie mit spezifischeren Zielen entwickelt. Im weiteren Teil
dieser Stellungnahme werden einige wesentliche Elemente der kraftvolleren Strategie erläutert, die die Europäische Union nach Auffassung des Ausschusses anstreben sollte.
3.2.1
Die Rolle der Europäischen Union bei der Anpassung - Zwar werden viele der praktischen
Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel auf lokaler, regionaler oder nationaler
Ebene zu treffen sein, doch stimmt der Ausschuss der Kommission darin zu, dass auch deutlicher Bedarf an Handeln auf europäischer Ebene besteht. Hierfür gibt es vielerlei Gründe:

Eine Analyse der wahrscheinlichen Veränderungen und Auswirkungen bedarf umfangreicher Forschungs- und Überwachungsanstrengungen, die von einer Koordinierung auf
europäischer Ebene profitieren würden.

Einige der absehbaren Probleme werden nationale Grenzen überschreiten und eine konzertierte Reaktion erforderlich machen.

Die verschiedenen Regionen Europas werden auf unterschiedliche Weise betroffen sein,
wobei einige der ärmeren Regionen u.U. am stärksten betroffen sein könnten, was eine
Lastenteilung durch Kohäsionsinstrumente oder andere Mechanismen notwendig macht.
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-5
Mehrere der wesentlichen Politiken und Programme der Kommission - darunter die GAP
und die Strukturfonds - werden vor dem Hintergrund des Klimawandels angepasst werden müssen, um ihr Funktionieren zu gewährleisten.

Über Europa hinaus werden umfangreiche internationale Anstrengungen erforderlich
sein, um die am wenigsten entwickelten Länder im Süden zu unterstützen, die wahrscheinlich am stärksten unter dem Klimawandel zu leiden haben werden und deren Fähigkeiten für eine angemessene Anpassung geringer sind. Die EU wäre am besten geeignet,
um europäische Bemühungen in diesem Bereich zu koordinieren.

Vor allem erfordert die Herausforderung einer angemessenen und rechtzeitigen Anpassung an die künftigen Veränderungen unseres Klimas eine Zusammenarbeit der politischen Entscheidungsträger in Europa in einem gemeinsamen, nationale Grenzen überschreitenden Unterfangen.
Aus all diesen Gründen unterstützt der Ausschuss voll und ganz das Erfordernis der Entwicklung einer durchsetzungsstarken europäischen Anpassungsstrategie und fordert die Kommission auf, die Strategie so bald wie möglich entschlossener und mit spezifischeren Zielen auszugestalten.
Angesichts des globalen Charakters des Klimawandels müssen auch die Anpassungsprogramme global angelegt sein, zumal der Klimawandel sich am stärksten auf die am wenigsten
entwickelten Länder auswirken wird, die derzeit auch am anfälligsten sind. Diesbezüglich hat
die OECD eine weitreichende Initiative auf den Weg gebracht. Soweit wie möglich sollten
auch die europäischen Rahmenmaßnahmen und Programme auf dieser Ebene koordiniert
werden.
Neben der Entwicklung von Aktionen auf europäischer Ebene müssen auch energischere
Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene angeregt werden. Aus den Hintergrundinformationen zu dem Weißbuch geht hervor, dass die Ansätze auf nationaler Ebene
derzeit sehr verschiedenartig sind und dass einige Mitgliedstaaten mehr Fortschritte als andere
bei der Analyse ihrer Lage und der Entwicklung geeigneter Anpassungsstrategien aufzuweisen haben. Um dem Anpassungsprozess größeren Schwung zu verleihen, hielte der Ausschuss
eine europäische Initiative für hilfreich, um gemeinsame Parameter und Zeitpläne für die
Aufstellung nationaler Anpassungsstrategien vorzugeben.
3.2.2
Ziele und Zeitpläne - Die Kommission schlägt ein Vorgehen in zwei Phasen vor, wobei in
der ersten Phase von 2009 bis 2012 die Wissensgrundlage ausgebaut, der Aspekt der Anpassung in wichtige Politikbereiche der EU einbezogen, Maßnahmen entwickelt und die internationale Zusammenarbeit gestärkt würden. Erst in einer zweiten Phase ab 2013 würde eine
umfassende Anpassungsstrategie entwickelt.
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-63.2.3
Der Ausschuss erkennt die Logik dieses zweiphasigen Vorgehens. Er befürchtet jedoch, dass
dieses Vorgehen angesichts der Dringlichkeit des Problems zu lasch sein könnte. Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich allmählich innerhalb Europas sowie in stärkerem
Maße auch in anderen Weltteilen bemerkbar. Auch wenn im Anschluss an Kopenhagen weltweit erfolgreich Bemühungen um eine Eindämmung unternommen werden, wird die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre zwangsläufig mehrere Jahrzehnte weiter
ansteigen und zu zunehmend schwerwiegenderen Klimafolgen führen. Die Anpassungsmaßnahmen müssen jetzt eingeleitet werden und nicht irgendwann in der mittelfristigen Zukunft.
Auch Maßnahmen zur Vermeidung nicht angepasster Entwicklungen und Investitionen
("Fehlanpassungen") können nicht zu früh beginnen.
3.2.4
Der Ausschuss fordert die Kommission daher auf, im Rahmen ihrer Analyse in den kommenden drei Jahren besondere Aufmerksamkeit auf die Verbesserung der Methoden zur Vorhersage der Auswirkungen auf nähere Sicht (1-5 Jahre) zu richten, die in diesem Zeitraum die
dringendsten Anpassungsmaßnahmen und Aktionen erforderlich machen dürften. Welche
Küstengebiete sind am anfälligsten und erfordern die dringendsten Schutzmaßnahmen? Welche Gebiete werden vermutlich am stärksten von Wasserknappheit betroffen sein und wie
kann darauf reagiert werden? Welche gesundheitlichen Auswirkungen stehen unmittelbar
bevor und wie kann hierfür am besten vorgesorgt werden?
3.2.5
Ferner sollte die Kommission versuchen, möglichst rasch zu ermitteln, wo die größte Gefahr
nicht angepasster Investitionen ("Fehlanpassungen") besteht und wie solche Fehler vermieden
werden können. Ein Beispiel hierfür ist weitere Bautätigkeit in Gebieten, die einer zunehmenden Überschwemmungsgefahr ausgesetzt sein werden.
3.2.6
Die Kapazitäten für Analysen und Vorhersagen der wesentlichen Institutionen müssen dringend dahingehend weiterentwickelt werden, dass sie Entscheidungsträgern bei so grundlegend wichtigen Themen sinnvolle Orientierungshilfen geben können. Außerdem müssen die
CO2-Konzentration an verschiedenen repräsentativen Stellen in der EU sowie weltweit ständig überwacht und der Klimawandel und die Auswirkungen des Kohlendioxidgehalts der
Atmosphäre auf das Klima beobachtet werden.
3.2.7
Institutionelle Vorkehrungen - Im Weißbuch wird die Einsetzung zweier, die gesamte EU
umspannender Gremien vorgeschlagen: eine Lenkungsgruppe für Folgenbewältigung und
Anpassung zwecks Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Anpassung sowie ein Vermittlungsmechanismus, der als IT-Tool und Datenbank für Klimaauswirkungen, Anfälligkeit
und bewährte Anpassungspraktiken fungiert. Beide Vorschläge erscheinen an sich sinnvoll,
doch werden sie nach Auffassung des Ausschusses kaum ausreichen, die Art von Öffentlichkeitswirksamkeit und politischer Dynamik zu erzeugen, die notwendig ist, um Anpassungsmaßnahmen im erforderlichen Umfang und Tempo anzustoßen.
3.2.8
Der Ausschuss möchte daher erneut auf seine zu dem Grünbuch vorgebrachte Empfehlung
zurückkommen: Die EU sollte ein unabhängiges Überwachungsgremium mit einem unabhän-
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-7gigen Vorsitzenden einsetzen und damit beauftragen, die Fortschritte der gesamten Klimawandelstrategie (Anpassung und Eindämmung) zu überprüfen. Ein solches unabhängiges Gremium würde regelmäßige Fortschrittsberichte veröffentlichen sowie frühzeitig warnen, wenn
Maßnahmen in Verzug geraten, bzw. - im Falle der Anpassung -, wenn keine ausreichenden
Vorkehrungen gegen unmittelbare Auswirkungen des Klimawandels getroffen werden.
3.2.9
Nachdem der Ausschuss diese Empfehlung ausgesprochen hatte, veröffentlichte der im Vereinigten Königreich eingerichtete unabhängige Klimaausschuss einige eindringliche Empfehlungen, die zu weiteren Maßnahmen anspornten, was den Nutzen eines solchen Gremiums
erfolgreich belegt. Ein ähnliches Gremium auf europäischer Ebene wäre sinnvoll, denn es
könnte kontinuierlich Druck ausüben, dass auf dieser Ebene Maßnahmen ergriffen werden.
3.2.10 Finanzierung der Anpassung - Im Zusammenhang mit den Verhandlungen in Kopenhagen
muss Europa dringend eine Aufstellung der für die Unterstützung der Anpassung (und der
Eindämmung) in den Entwicklungsländern erforderlichen Mittel vornehmen und auch eine
Vorstellung seines eigenen möglichen Beitrags entwickeln. In einer separaten Mitteilung
(KOM(2009) 475/3) geht die Kommission davon aus, dass der Finanzierungsbedarf für
Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern besten Schätzungen
zufolge bis zum Jahr 2020 rund 100 Mrd. EUR jährlich erreichen könnte; ferner werden Vorschläge gemacht, welcher Anteil davon durch öffentliche Finanzströme aus Europa gedeckt
werden müsste. Der Ausschuss begrüßt diese frühzeitigen Vorschläge und fordert die Organe
und Institutionen auf, sich dringend mit ihnen zu beschäftigen, damit sie tatsächlich zu einem
erfolgreichen Ergebnis in Kopenhagen beitragen können.
3.2.11 Vor dem Hintergrund der Konferenz in Kopenhagen ist es zwar verständlich, aber dennoch
frustrierend, dass bislang sehr viel weniger Klarheit bezüglich der potenziellen Kosten für die
Anpassung in Europa selbst besteht. Das Weißbuch enthält enttäuschend wenig Angaben über
die wahrscheinlichen Kosten für die Anpassung in Europa und verspricht lediglich, dass zu
gegebener Zeit eine Einschätzung der Kosten für Anpassungsmaßnahmen vorgenommen
wird. Der Ausschuss hält es für eine dringliche Aufgabe, eine erste Einschätzung des
Umfangs der in Europa voraussichtlich erforderlichen Ressourcen vorzunehmen. Diese
Gesamteinschätzung müsste dann in Tranchen aufgeteilt werden: die obersten Prioritäten mit
einem Kostenbedarf innerhalb der ersten fünf Jahre, wodurch weniger dringliche Ausgaben
auf einen späteren Zeitpunkt verschoben würden. Bei der Bewertung müsste berücksichtigt
werden, welche Ausgaben dem Privatsektor zugemutet werden können, was von Versicherungen abgedeckt werden sollte und wo vermutlich öffentliche Mittel gebraucht werden.
Auch müsste darüber nachgedacht werden, wie die öffentlichen Ausgaben am besten zwischen den einzelstaatlichen Haushalten und dem EU-Haushalt aufgeteilt werden.
3.2.12 Solche Einschätzungen sind selbstverständlich nicht leicht vorzunehmen. Doch wenn sie für
die Entwicklungsländer vorgenommen werden können, sollte dies sicherlich auch für Europa
selbst möglich sein. Nach Auffassung des Ausschusses sind hier eine größere Dringlichkeit
und auch ein größeres Ausmaß der möglichen künftigen Probleme gegeben, als im Weißbuch
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-8anklingt. Der Klimawandel stellt die Welt vor ein völlig neuartiges Problem, bei Plänen für
Ausgaben für Vorbeugungs- und Anpassungsmaßnahmen kann nicht auf Erfahrungen aus der
Vergangenheit zurückgegriffen werden bzw. können auch solch altmodische Kenngrößen wie
die Bereitstellung von ausreichendem Schutz gegen Naturkatastrophen, die keine Jahrhundertereignisse sind, nicht herangezogen werden. In Zukunft werden früher als Jahrhundertereignis auftretende Naturereignisse sehr viel häufiger auftreten. Kriterien und Leitlinien für
die Notfallplanung und die sich hieraus ergebenden Ausgaben für Vorbeugungsmaßnahmen
werden entsprechend angepasst und in die entsprechenden Haushalte einbezogen werden
müssen.
3.2.13 Da die Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden Jahren zunehmend ernster werden, werden auch die Ausgaben für die Anpassung zwangsläufig steigen und einen größeren
Anteil der öffentlichen und privaten Haushalte ausmachen und sich auch in höheren Versicherungsprämien und -leistungen niederschlagen. Aus allen Untersuchungen geht bislang hervor,
dass es Vorteile bringen dürfte, rasch geeignete Maßnahmen sowohl für die Anpassung als
auch für die Eindämmung zu ergreifen, anstatt so lange abzuwarten, bis schwerer Schaden
entstanden ist.
3.2.14 Wenn jedoch rechtzeitig gehandelt wird und die Maßnahmen wirksam auf andere politische
Maßnahmen abgestimmt werden, dürfte zumindest in einigen Fällen die Möglichkeit bestehen, dass sich die Maßnahmen allseitig positiv auswirken werden und die Widerstandskraft
eines Gebiets oder einer Tätigkeit gegen die Folgen des Klimawandels gestärkt wird und
gleichzeitig andere politische Ziele vorangebracht werden. Die Suche nach diesen möglichen
Synergieeffekten muss möglichst rasch aufgenommen werden; außerdem müssen die
Gesamtkosten für die Anpassung allmählich öffentlich zur Debatte gestellt und genauer aufgeschlüsselt werden.
3.2.15 Teilhabe - Der Klimawandel wird zahlreiche Wirtschaftsbereiche und viele verschiedene
Unternehmen und Einzelpersonen treffen. Diese Auswirkungen sollten einer möglichst breiten Öffentlichkeit bekannt sein, und jeder sollte sich in die Umsetzung der für die Bewältigung der Auswirkungen erforderlichen Veränderungen eingebunden fühlen. Derzeit liegt der
Schwerpunkt der Klimawandeldebatte in der Öffentlichkeit vor allem darauf, was Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen tun können, um die Bemühungen um die Eindämmung
durch ihre Entscheidungen in ihrem privaten und beruflichen Alltag zu unterstützen.
3.2.16 Bald schon wird sich die breite Öffentlichkeit aber dazu noch mit Anpassungsfragen beschäftigen müssen, die sie selbst betreffen könnten, wie etwa:

die Frage des Wohn-, Arbeits- und Urlaubsorts angesichts der Klimaveränderungen;

die Frage, wie die Bewirtschaftung von langlebigen Baumarten und Wäldern unter sich
ständig ändernden klimatischen Voraussetzungen erfolgen kann;
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-9
die Frage, welche Pflanzen und Bäume unter veränderten Klimabedingungen in den Gärten gedeihen können und wie Kulturlandschaften in allen Teilen der EU erhalten werden
können;

die Frage, wie sich die Verbreitung von Gesundheitsrisiken verändern könnte und welche
Vorkehrungen zu treffen sind;

die Frage, wie wir uns eventuell auf andere Nahrungsmittel und andere Ernährungsgewohnheiten umstellen müssen.
Die Öffentlichkeit und die am stärksten betroffenen Gruppen müssen bezüglich des Auftretens dieser Art von Auswirkungen des Klimawandels und auch über künftig mögliche weitere
Veränderungen unbedingt auf dem jüngsten Wissensstand gehalten werden. Gleichzeitig
benötigen die Öffentlichkeit und insbesondere die am stärksten betroffenen Gruppen Unterstützung, damit sie die Art von Anpassungsmaßnahmen, die sie selbst ergreifen können,
durchdenken können. Europa könnte diese Art von öffentlichem Dialog und die Verbreitung
von Erkenntnissen als wesentlicher Akteur anstoßen. Die Kommission sollte diesen Aspekt
unbedingt näher in Betracht ziehen.
Brüssel, den 5. November 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschusses
Mario SEPI
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