Statement des Vorstandes und des wissenschaftlichen Beirates des Förderverbandes Humus e. V., des Vorstandes der Fördergesellschaft für Agrarwissenschaften e. V., des Vorstandes der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Dauerfeldversuche und der Internetplattform www.agrarfakten.de zur gegenwärtigen Situation auf dem Gebiet der praxisorientierten Humus- und Klimaforschung und zur Nutzung der nationalen und internationalen Dauerfeldversuche. __________________________________________________________________________ Die Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten die Erträge gesteigert, die Bodenfruchtbarkeit erhöht, den Aufwand an Mineraldünger und chemischen Pflanzenschutzmitteln gesenkt und wesentlich zur Landschaftsgestaltung beigetragen. Im Zusammenhang mit der CO2 - Konzentration der Atmosphäre und der Klimaänderung ist sie zunehmend in das öffentliche Interesse und in den Blickpunkt von Entscheidungsträgern auf politischer und wissenschaftlicher Ebene gerückt (vergl.www.agrarfakten.de). Gegenwärtig gibt es zwei schwerwiegende Irrtümer: 1. Es wird behauptet, dass die Klimaänderung einen Humusschwund verursacht. 2. Es wird behauptet, die CO2-Konzentration der Atmosphäre kann durch die Speicherung von Kohlenstoff im Boden verringert werden. So wird einerseits postuliert „Böden mit einem Gehalt an organischer Substanz von weniger als 3,6 % befinden sich im Vorstadium der Wüstenbildung“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaft, 2002), „Bei fast der Hälfte der europäischen Böden ist der Gehalt an organischer Substanz zu gering“ (Fraktionsbeschluss von BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN vom 16. 10. 2012) oder dass „…….Ackerböden der EU – 25 seit geraumer Zeit jährlich 3 % ihres Kohlenstoffs verlieren“ (Leopoldina Nationale Akademie der Wissenschaften, 2012 in „Bioenergie, Grenzen und Möglichkeiten“ – diese Aussage wurde inzwischen zurückgenommen). Andererseits wird der ackerbaulich genutzte Boden als Kohlenstoffsenke betrachtet und in einer Humusanreicherung die Lösung des Klimaproblems gesehen: „Nur 8 kg Kohlenstoff je m2 mehr in den landwirtschaftlichen Humusschichten gebunden und der CO2-Gehalt der Atmosphäre liegt wieder unter dem kritischen Wert von 300 ppm“(Raggam, 2008 u. a.). Derartige Verlautbarungen sind falsch, irreführend, zeugen von mangelnder Sachkenntnis und führen, nicht nur in der Praxis, zu großer Verunsicherung und zu Fehlschlüssen. 1 Die Humusforschung spielt sich überwiegend im Labor ab, die Ergebnisse gelangen kaum bis zur praktischen Anwendung. Gewertet wird heute nicht der Nutzen eines Forschungsergebnisses für die Praxis/Gesellschaft, sondern die mit Veröffentlichungen erzielte Punktezahl. Die Lösung des Problems liegt wegen der damit verbundenen methodischen Probleme nahezu ausschließlich in der Nutzung von Dauerfeldversuchen, sie ermöglichen die Quantifizierung der Kohlenstoff- und Stickstoffdynamik über Jahrzehnte unter verschiedenen Boden-, Klima- und Nutzungsbedingungen und sind durch keine anderen experimentellen Grundlagen zu ersetzen. In Deutschland gibt es noch etwa 40 Dauerfeldversuche mit einer Versuchsdauer von > 30 Jahren. Dauerfeldversuche sind zwar aufwendig und teuer, aber unentbehrlich. Die bisherigen Kosten für diese Versuche, in Deutschland ein mindestens zweistelliger Millionenbetrag, sind bereits „abgegolten“, es haben sich in den vergangenen Jahrzehnten unschätzbare Erkenntnisse akkumuliert die heute mit vergleichsweise geringem Aufwand für die Agrar-, Umweltund Klimaforschung genutzt werden können. Auswertungen von Dauerfeldversuchen unter sehr verschiedenen Standortbedingungen haben zweifelsfrei ergeben, dass es, entgegen offiziellen Verlautbarungen, - bisher keinen wissenschaftlich begründeten Nachweis gibt, dass der Klimawandel eine Verringerung des Humusgehaltes von Ackerböden bewirkt hat, im Gegenteil. - die Möglichkeit, den CO2 Gehalt der Atmosphäre durch landwirtschaftliche Humuswirtschaft („carbon sequestration“) sinnvoll zu verringern, auszuschließen ist. Bisherige Bemühungen, die Erhaltung und umfassende Nutzung der vorhandenen Dauerfeldversuche zu erreichen, waren erfolglos. Anlässlich der Internationalen Konferenz „Dauerfeldversuche als Forschungsbasis für eine nachhaltige Landwirtschaft“, welche die Humboldt - Universität 1997 in Berlin durchgeführt hat, haben die Teilnehmer der internationalen Konferenz in einem Memorandum an alle Entscheidungsträger in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft appelliert: - Tragen sie dazu bei, dass die europäischen Dauerfeldversuche als unentbehrliche Basis für die Agrar- und Umweltforschung erhalten werden! - Unterstützen sie die Bemühungen, die Dauerfeldversuche als Grundlage der experimentellen Forschung zur nachhaltigen Bodennutzung gemeinschaftlich besser zu nutzen! - Helfen Sie mit, anhand der Dauerfeldversuche wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, mit denen zu steigender Nahrungsproduktion, dauerhaften Erhalt der Bodenfunktionen und Schutz der natürlichen Ressourcen beigetragen wird! - Leisten sie einen Beitrag, um die Dauerfeldversuche als Wissenschaftserbe für künftige Generationen verfügbar zu halten. 2 Im Jahre 2005 wurde von der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Bodenfruchtbarkeit in der IUSS - heute Internationale Arbeitsgemeinschaft Dauerfeldversuche - an die verantwortlichen Entscheidungsträger in Politik und Wissenschaft eine Konzeption zum Erhalt und zur umfassenden Nutzung von Dauerfeldversuchen mit sehr konkreten Vorschlägen bis hin zu ökonomischen Berechnungen geschickt. Es ist bezeichnend, dass lediglich die Bundeskanzlerin dieses Schreiben beantwortet hat, allerdings mit dem Hinweis, dass die Zuständigkeit hierfür bei den Ländern liegt. Hier geht es aber nicht um einzelne Versuche, sondern um die umfassende, koordinierte Nutzung aller Dauerfeldversuche Deutschlands und darüber hinaus. Im Dezember 2014 wurde mit dem gleichen Anliegen und mit dem Hinweis auf die o. g. Fehlinformationen und Fehlentscheidungen vom Förderverband Humus e. V. ein offener Brief an die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Prof. Dr. Johanna Wanka, versandt und weiteren zuständigen Entscheidungsträgern zur Kenntnis gegeben. In keinem Falle gab es eine Antwort und schon gar keine Stellungnahme zu dem von zahlreichen kompetenten Wissenschaftlern vorgetragenen Anliegen. Es fällt schwer, hier nicht auf Desinteresse und/oder Handlungsunfähigkeit der zuständigen Institutionen zu schließen. Inzwischen hat die Universität Bonn ihre langjährigen, sehr wertvollen Dauerfeldversuche abgebrochen. Mit diesem Statement soll auf die gegenwärtig unbefriedigende Situation aufmerksam gemacht und um Unterstützung für den im o. g. Memorandum genannten Appell geworben werden. Vorstand und wissenschaftlicher Beirat des Förderverbandes Humus e. V. Prof. Dr. habil. Dr. h. c. Martin Körschens Ehrenvorsitzender, Dr. Rolf Schmidt, Vorstandsvorsitzender, Dr. Konrad Soyez, Vorsitzender des Wiss. Beirates Vorstand der Fördergesellschaft für Agrarwissenschaften Prof. Dr. habil. Wolfgang Merbach Vorsitzender Vorstand der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Dauerfeldversuche Prof. Dr. Hans-Richard Wegener Präsident Internetplattform www.agrarfakten.de Prof. Dr. habil. Gerhard Breitschuh Herausgeber und Autor Mai 2015 3