1 Sperrfrist: 01.10.29010, 12 Uhr. 2 3 4 5 6 7 8 9 Forderungen des 30. Deutschen Naturschutztages 01. 10 2010 Frischer Wind und weite Horizonte 10 11 Vorbemerkung 12 Durch gemeinsame Anstrengungen vieler Akteure ist der Naturschutz in den letzten 13 Jahrzehnten wichtige Schritte vorangekommen. Jedoch ist das Erreichte noch nicht 14 das Erreichbare. Die Abnahme der biologischen Vielfalt konnte weltweit aber auch in 15 Deutschland nicht gestoppt werden; eine enttäuschende Bilanz für das Jahr 2010, 16 dem „Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt“. Zum Sterben der Arten und dem 17 Verlust an Lebensräumen kommen Klimawandel und Rohstoffkrise. Eine Anpassung 18 der ökonomischen Rahmenbedingungen und Anreize für neue Lebensstile sind 19 daher zentrale Diskussionspunkte einer zukunftsorientierten, auf den Erhalt 20 natürlicher Ressourcen ausgerichteten und gesellschaftlich gerechten Umweltpolitik. 21 Der Deutsche Naturschutztag greift aktuelle Fragen auf und dient als lebendige 22 Plattform zur Vermittlung von aktuellem Fachwissen, der Schärfung unseres 23 Problembewusstseins und zum Erfahrungsaustausch. Der Deutsche Naturschutztag 24 ist damit wichtiger Impulsgeber in einer Zeit, die auch im Naturschutz die Entwicklung 25 von Innovationen verlangt. Der 30. Deutsche Naturschutztag reagiert mit seinen 26 Forderungen zu den diesjährigen Schwerpunkthemen Flusslandschaften und Moore, 27 Meeres- und Küstennaturschutz, ökologische Netzwerke, nachhaltige Landnutzung 28 sowie ökonomische Leistungen der Natur und möchte mit frischem Wind die 29 notwendige Neuausrichtung gesellschaftspolitischer Horizonte vorantreiben. 30 31 Flusslandschaften und Moore: Lebensadern und natürliche Speicher erhalten! 32 In Deutschland sind fast alle Flusslandschaften dramatisch verändert worden. Dies 33 hat nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt gravierende Folgen, sondern auch 34 massive Auswirkungen auf den Wasserhaushalt. Die großen Überflutungen an Oder, Seite 1 von 6 35 Elbe oder Rhein sind hier deutliche Warnsignale. Moore gehören in Deutschland zu 36 den am meisten gefährdeten Ökosystemen. Durch eine großflächige, nicht 37 nachhaltige Nutzung und die dadurch verursachte Torfzersetzung tragen sie zudem 38 erheblich zur Belastung der Atmosphäre mit klimarelevanten Gasen und zur 39 Eutrophierung von Oberflächengewässern bei. 40 Intakte und regenerierte Moore können ergänzend zu ihrer Bedeutung für die 41 Biodiversität aufgrund ihrer Kohlendioxid- und Stickstoff-Speicherfunktion einen 42 erheblichen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. 43 Der DNT fordert daher, dass alle noch intakten Flussauen dauerhaft gesichert 44 werden; überall dort, wo es noch möglich ist, gilt es den Flüssen wieder deutlich 45 mehr Raum einzuräumen. Hierdurch werden nicht nur positive Effekte zum Erhalt der 46 Biodiversität erreicht, sondern auch ein wichtiger Beitrag zu Wasserrückhaltung und 47 Hochwasserschutz geleistet. 48 In allen betroffenen Bundesländern sollten effektive Moorschutzprogramme (wie z. B. 49 in Mecklenburg-Vorpommern) entwickelt und umgesetzt werden. Darüber hinaus 50 muss die Agrarförderung der Gestalt modifiziert werden, dass geschädigte Moore 51 soweit möglich regeneriert und nicht nachhaltige, Moor zerstörende Nutzungen 52 umgestellt oder aufgegeben werden können. Die Moorzerstörung und besonders 53 auch der Torfabbau müssen auch international gestoppt werden. Hierzu muss z. B. 54 im Gartenbau umgehend auf Ersatzstoffe umgestellt werden. Gegebenenfalls 55 müssen dazu finanzielle Anreizinstrumente geschaffen werden. Moor zerstörende 56 Nutzungen (z. B. Palmölanbau vor allem in Südostasien) dürfen keinerlei 57 Unterstützung erfahren und müssen international geächtet werden. 58 59 Meeres- und Küstennaturschutz: Plünderung der Meere stoppen! 60 Alle Weltmeere sind steigenden Belastungen durch Schad- und Nährstoffe und einer 61 kontinuierlich zunehmenden Industrialisierung ausgesetzt. Am Beispiel der 62 Ölkatastrophe im Golf von Mexiko oder der riesigen Blaualgenteppiche in der Ostsee 63 wird die ganze Dimension des Problems deutlich. Darüber hinaus findet eine fast 64 flächendeckende Plünderung der natürlichen marinen Ressourcen vor allem durch 65 die umfassende Überfischung statt. Vieler Orts leiden auch die Küstenökosysteme 66 unter diesen Belastungen oder sind weiteren Beeinträchtigungen ausgesetzt. Seite 2 von 6 67 Der DNT fordert daher, dass umgehend alle verfügbaren Instrumente dafür 68 eingesetzt werden, umfangreiche Schutzbestimmungen für die Weltmeere und ihre 69 Küsten international zu verhandeln und völkerrechtlich verbindlich in Kraft zu setzen. 70 Darüber hinaus bedarf es einer der Nachhaltigkeit verpflichteten Reglementierung 71 der Fischerei und sonstiger Meeres- und Küstenressourcennutzungen, insbesondere 72 auch durch die EU-Staaten. Schließlich wird es als unverzichtbar erachtet, ein 73 repräsentatives Meeres- und Küstenschutzgebietsnetz auch in internationalen 74 Gewässern auf der Hohen See zu etablieren, zu managen und zu kontrollieren und 75 insbesondere marine Säugetiere besser zu schützen. Außerdem ist beim 76 anstehenden Ausbau der Offshorewindenergie sicherzustellen, dass er 77 naturverträglich gestaltet wird. 78 79 Ökologische Netze: Aufbau einer grünen Infrastruktur für Europa! 80 Jeden Tag werden auch heute noch mehr als 100 ha Landfläche für Siedlung, 81 Gewerbe, Verkehr usw. neu in Anspruch genommen. Dadurch werden naturnahe 82 Lebensräume stetig weiter auf inselartige Restbestände zurückgedrängt und 83 ökologische und genetische Austauschprozesse vor allem durch Zerschneidung 84 weiter eingeschränkt. Auf der anderen Seite stellt ein funktionierender Biotopverbund 85 eine mögliche Anpassungsstrategie dar, um den Auswirkungen des Klimawandels zu 86 begegnen. Aufgrund umfangreicher Vorarbeiten sind die für den Biotopverbund 87 benötigten Flächen, die national bedeutsamen Korridore und die prioritär zu 88 entschärfenden Konfliktpunkte mit der Verkehrsinfrastruktur hinreichend bekannt. 89 Der DNT fordert daher, dass die bereits im Jahre 2002 im 90 Bundesnaturschutzgesetz eingeführte Bestimmung, nach der ein 91 länderübergreifendes Biotopverbundsystem auf mindestens 10 % der Landfläche zu 92 entwickeln und rechtlich zu sichern ist, zügig umgesetzt wird. Flankierend sollen 93 bestehende Zerschneidungseffekte, vor allem durch die Verkehrsinfrastruktur, auf 94 der Grundlage einer überregionalen Prioritätensetzung zügig durch geeignete 95 Maßnahmen gemindert oder ganz beseitigt werden. Schließlich gilt es, den Aspekt 96 des Biotopverbunds bei allen künftigen raumrelevanten Planungen besonders zu 97 beachten. 98 99 Ökonomische Leistungen der Natur: Perspektiven für Neue Märkte! Seite 3 von 6 100 Ohne die Leistungen der Natur wäre kein Leben auf der Erde möglich. Diese 101 Leistungen der Ökosysteme inklusive der biologischen Vielfalt werden als 102 Ökosystemleistungen bezeichnet. Wegen ihres Charakters als öffentliches Gut 103 kommt es zur Übernutzung und Naturzerstörung. Politik, Unternehmen sowie 104 Verbraucherinnen und Verbraucher berücksichtigen noch viel zu wenig den 105 vielfältigen Nutzen des Erhalts der biologischen Vielfalt bei ihren Entscheidungen. 106 Am Beispiel des Hochwasserschutzes kann verdeutlicht werden, dass vorbeugende 107 Maßnahmen volkswirtschaftlich dann einen erhöhten Nutzen erbringen, wenn sie 108 multifunktional angelegt sind, indem sie auch die verschiedenen 109 Ökosystemleistungen der betroffenen Landschaften angemessen berücksichtigen. 110 Der DNT fordert daher, den Wert der Ökosystemleistungen und der biologischen 111 Vielfalt zu erfassen, bekannt zu machen und zu honorieren. Dies gilt insbesondere 112 für die Berücksichtigung in den gesamtwirtschaftlichen Bilanzierungen. Es bedarf im 113 stärkeren Maße auch ökonomischer Anreize für den Erhalt und den pfleglichen 114 Umgang mit Natur. Die ökonomischen Instrumente für Ökosystemleistungen sind 115 deshalb weiter zu entwickeln. Beispiele ergeben sich im Vertragsnaturschutz, 116 Produktmarketing oder im Markt für Kohlenstoffzertifikate. Ein enormes zusätzliches 117 Potenzial liegt in der kritischen Überprüfung umweltschädlicher Subventionen. Die 118 Festlegung übertragbarer Rechte und Pflichten, wie etwa bei der Eingriffsregelung, 119 bietet weitere Möglichkeiten, um auch Marktkräfte zur Erhaltung des Naturkapitals 120 künftig besser zu nutzen. Unternehmen und Regionen sind darin zu unterstützen, 121 sich Märkte für Ökosystemdienstleitungen zu erschließen – Ökonomie mit der Natur 122 ist das Zukunftsthema. 123 124 Nachhaltige Landnutzung: Agrarpolitik reformieren – naturnahe Waldwirtschaft 125 stärken! 126 Die Land- und Forstwirtschaft in Deutschland ist in weiten Teilen nicht 127 naturverträglich. Die anhaltende Intensivierung und Spezialisierung (z. B. 128 eingeschränkte Fruchtfolgen, Ertragssteigerungen, Erweiterungen des Ackerbaus auf 129 Kosten des Grünlandes, Zunahme der Flächenkonkurrenz mit der 130 Bioenergieerzeugung, Holzwirtschaft). Notwendig ist daher eine Weiterentwicklung 131 der Landnutzungspolitik, die sowohl einen positiven Beitrag zur Erhaltung der 132 biologischen Vielfalt als auch effektive und kostengünstige Beiträge zum Klima- und 133 Gewässerschutz leistet. Einen Schlüssel hierzu bietet die Reform der Gemeinsamen Seite 4 von 6 134 Agrarpolitik (GAP) ab 2014. Die derzeitige Debatte um die GAP-Reform ist geprägt 135 von der Notwendigkeit, die Bereitstellung „öffentlicher Güter“ (u. a. Erhalt von 136 Biodiversität, Klima- und Gewässerschutz) stärker zu honorieren. Auch in der 137 Waldpolitik ist die Integration des Naturschutzes zu fördern und die Umsetzung der 138 Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt fortzuführen. 139 Der DNT fordert daher eine ökologische Neuausrichtung der Gemeinsamen 140 Agarpolitik ab 2014. Dabei muss das Ziel verfolgt werden, eine flächendeckende 141 Grundsicherung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft zu erreichen und 142 Naturschutzmaßnahmen stärker als bisher in landwirtschaftliche Intensivregionen zu 143 integrieren. Hierfür sollte eine künftig einzuführende Basisprämie an die 144 verpflichtende Bereitstellung eines Mindestanteils an ökologischen Vorrangflächen 145 gebunden werden. Darüber hinaus können Zusatzprämien für weitere ökologische 146 Leistungen (z. B. für ökologischen Landbau, Natura 2000, Grünlanderweiterung, 147 extensive Beweidung, Gewässer- und/oder Klimaschutz) gezahlt werden. Der Anbau 148 von Biomasse zur Energiegewinnung muss mit klaren Regeln (z. B. bei der 149 anstehenden EEG-Novelle) zum Erhalt der Biodiversität flankiert werden. Dabei ist 150 auch auf eine für Naturschutzmaßnahmen förderliche Ausgestaltung des Bonus für 151 nachwachsende Rohstoffe zu achten. 152 Zudem fordert der DNT im Bereich Forstwirtschaft eine verstärkte Förderung der 153 naturnahen Waldwirtschaft und eine konsequente Fortführung des Waldumbaus hin 154 zu standortheimischem Laubmischwäldern, dieser ist u. a. auch durch 155 Waldumweltmaßnahmen im Rahmen der GAP-Reform zu fördern. Die Nationale 156 Strategie zur biologischen Vielfalt ist im Bereich Wald zügig umzusetzen, wonach 157 5 % der Wälder einer natürlichen Waldentwicklung zu überlassen sind. 158 Naturerbe: Nationales Naturerbe sichern und fortschreiben 159 Ein Meilenstein für den Naturschutz war der Beschluss der Bundesregierung zur 160 Sicherung des Nationalen Naturerbes 125.000 ha national bedeutsame 161 Naturschutzflächen („Tafelsilber der Deutschen Einheit“) vor der Privatisierung zu 162 schützen. 163 Der DNT fordert daher eine zügige Übertragung der noch nicht übertragenen 164 Flächen der in dieser und der vergangenen Legislatur festgelegten 165 Gesamtflächenkulissen des Nationalen Naturerbes. Das betrifft insbesondere die Seite 5 von 6 166 bereits fachlich abgestimmte „C- Liste“ (25.000 ha, hier u. a. auch Flächen des 167 Grünen Bandes und weitere BVVG- Flächen). 168 Der DNT fordert eine Fortschreibung bei der Sicherung des Nationalen Naturerbes. 169 Zusätzlich zu der o. g. beschlossenen Flächenkulisse muss aktuell eine Lösung für 170 die Sicherung der national bedeutsamen Flächen (14.000 ha) der Kyritz- Ruppiner 171 Heide (sog. Bombodrom) gefunden werden. 172 173 174 Die Sicherung der biologischen Vielfalt als unverzichtbare Grundlage für alles 175 menschliche Wirtschaften und alle gesellschaftlichen Entwicklungen ist 176 Staatsaufgabe. Die Erfüllung dieser Staatsaufgabe erfordert einen Stopp des 177 Personalabbaus in den Naturschutzverwaltungen von Bund, Ländern und 178 Kommunen und eine ausreichende Ausstattung mit notwendigen Ressourcen. 179 Der 30. DNT appelliert an alle gesellschaftspolitischen Akteure (u. a. Kirchen, 180 Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Sportorganisationen) ihre 181 Potenziale und Stärken einzubringen und die hier gestellten Forderungen zu 182 unterstützen. Seite 6 von 6