Forderungen des 30. Deutschen Naturschutztages 01

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Sperrfrist: 01.10.29010, 12 Uhr.
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Forderungen des 30. Deutschen Naturschutztages
01. 10 2010
Frischer Wind und weite Horizonte
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Vorbemerkung
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Durch gemeinsame Anstrengungen vieler Akteure ist der Naturschutz in den letzten
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Jahrzehnten wichtige Schritte vorangekommen. Jedoch ist das Erreichte noch nicht
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das Erreichbare. Die Abnahme der biologischen Vielfalt konnte weltweit aber auch in
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Deutschland nicht gestoppt werden; eine enttäuschende Bilanz für das Jahr 2010,
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dem „Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt“. Zum Sterben der Arten und dem
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Verlust an Lebensräumen kommen Klimawandel und Rohstoffkrise. Eine Anpassung
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der ökonomischen Rahmenbedingungen und Anreize für neue Lebensstile sind
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daher zentrale Diskussionspunkte einer zukunftsorientierten, auf den Erhalt
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natürlicher Ressourcen ausgerichteten und gesellschaftlich gerechten Umweltpolitik.
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Der Deutsche Naturschutztag greift aktuelle Fragen auf und dient als lebendige
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Plattform zur Vermittlung von aktuellem Fachwissen, der Schärfung unseres
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Problembewusstseins und zum Erfahrungsaustausch. Der Deutsche Naturschutztag
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ist damit wichtiger Impulsgeber in einer Zeit, die auch im Naturschutz die Entwicklung
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von Innovationen verlangt. Der 30. Deutsche Naturschutztag reagiert mit seinen
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Forderungen zu den diesjährigen Schwerpunkthemen Flusslandschaften und Moore,
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Meeres- und Küstennaturschutz, ökologische Netzwerke, nachhaltige Landnutzung
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sowie ökonomische Leistungen der Natur und möchte mit frischem Wind die
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notwendige Neuausrichtung gesellschaftspolitischer Horizonte vorantreiben.
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Flusslandschaften und Moore: Lebensadern und natürliche Speicher erhalten!
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In Deutschland sind fast alle Flusslandschaften dramatisch verändert worden. Dies
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hat nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt gravierende Folgen, sondern auch
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massive Auswirkungen auf den Wasserhaushalt. Die großen Überflutungen an Oder,
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Elbe oder Rhein sind hier deutliche Warnsignale. Moore gehören in Deutschland zu
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den am meisten gefährdeten Ökosystemen. Durch eine großflächige, nicht
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nachhaltige Nutzung und die dadurch verursachte Torfzersetzung tragen sie zudem
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erheblich zur Belastung der Atmosphäre mit klimarelevanten Gasen und zur
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Eutrophierung von Oberflächengewässern bei.
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Intakte und regenerierte Moore können ergänzend zu ihrer Bedeutung für die
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Biodiversität aufgrund ihrer Kohlendioxid- und Stickstoff-Speicherfunktion einen
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erheblichen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten.
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Der DNT fordert daher, dass alle noch intakten Flussauen dauerhaft gesichert
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werden; überall dort, wo es noch möglich ist, gilt es den Flüssen wieder deutlich
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mehr Raum einzuräumen. Hierdurch werden nicht nur positive Effekte zum Erhalt der
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Biodiversität erreicht, sondern auch ein wichtiger Beitrag zu Wasserrückhaltung und
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Hochwasserschutz geleistet.
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In allen betroffenen Bundesländern sollten effektive Moorschutzprogramme (wie z. B.
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in Mecklenburg-Vorpommern) entwickelt und umgesetzt werden. Darüber hinaus
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muss die Agrarförderung der Gestalt modifiziert werden, dass geschädigte Moore
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soweit möglich regeneriert und nicht nachhaltige, Moor zerstörende Nutzungen
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umgestellt oder aufgegeben werden können. Die Moorzerstörung und besonders
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auch der Torfabbau müssen auch international gestoppt werden. Hierzu muss z. B.
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im Gartenbau umgehend auf Ersatzstoffe umgestellt werden. Gegebenenfalls
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müssen dazu finanzielle Anreizinstrumente geschaffen werden. Moor zerstörende
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Nutzungen (z. B. Palmölanbau vor allem in Südostasien) dürfen keinerlei
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Unterstützung erfahren und müssen international geächtet werden.
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Meeres- und Küstennaturschutz: Plünderung der Meere stoppen!
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Alle Weltmeere sind steigenden Belastungen durch Schad- und Nährstoffe und einer
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kontinuierlich zunehmenden Industrialisierung ausgesetzt. Am Beispiel der
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Ölkatastrophe im Golf von Mexiko oder der riesigen Blaualgenteppiche in der Ostsee
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wird die ganze Dimension des Problems deutlich. Darüber hinaus findet eine fast
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flächendeckende Plünderung der natürlichen marinen Ressourcen vor allem durch
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die umfassende Überfischung statt. Vieler Orts leiden auch die Küstenökosysteme
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unter diesen Belastungen oder sind weiteren Beeinträchtigungen ausgesetzt.
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Der DNT fordert daher, dass umgehend alle verfügbaren Instrumente dafür
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eingesetzt werden, umfangreiche Schutzbestimmungen für die Weltmeere und ihre
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Küsten international zu verhandeln und völkerrechtlich verbindlich in Kraft zu setzen.
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Darüber hinaus bedarf es einer der Nachhaltigkeit verpflichteten Reglementierung
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der Fischerei und sonstiger Meeres- und Küstenressourcennutzungen, insbesondere
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auch durch die EU-Staaten. Schließlich wird es als unverzichtbar erachtet, ein
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repräsentatives Meeres- und Küstenschutzgebietsnetz auch in internationalen
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Gewässern auf der Hohen See zu etablieren, zu managen und zu kontrollieren und
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insbesondere marine Säugetiere besser zu schützen. Außerdem ist beim
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anstehenden Ausbau der Offshorewindenergie sicherzustellen, dass er
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naturverträglich gestaltet wird.
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Ökologische Netze: Aufbau einer grünen Infrastruktur für Europa!
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Jeden Tag werden auch heute noch mehr als 100 ha Landfläche für Siedlung,
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Gewerbe, Verkehr usw. neu in Anspruch genommen. Dadurch werden naturnahe
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Lebensräume stetig weiter auf inselartige Restbestände zurückgedrängt und
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ökologische und genetische Austauschprozesse vor allem durch Zerschneidung
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weiter eingeschränkt. Auf der anderen Seite stellt ein funktionierender Biotopverbund
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eine mögliche Anpassungsstrategie dar, um den Auswirkungen des Klimawandels zu
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begegnen. Aufgrund umfangreicher Vorarbeiten sind die für den Biotopverbund
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benötigten Flächen, die national bedeutsamen Korridore und die prioritär zu
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entschärfenden Konfliktpunkte mit der Verkehrsinfrastruktur hinreichend bekannt.
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Der DNT fordert daher, dass die bereits im Jahre 2002 im
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Bundesnaturschutzgesetz eingeführte Bestimmung, nach der ein
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länderübergreifendes Biotopverbundsystem auf mindestens 10 % der Landfläche zu
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entwickeln und rechtlich zu sichern ist, zügig umgesetzt wird. Flankierend sollen
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bestehende Zerschneidungseffekte, vor allem durch die Verkehrsinfrastruktur, auf
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der Grundlage einer überregionalen Prioritätensetzung zügig durch geeignete
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Maßnahmen gemindert oder ganz beseitigt werden. Schließlich gilt es, den Aspekt
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des Biotopverbunds bei allen künftigen raumrelevanten Planungen besonders zu
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beachten.
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Ökonomische Leistungen der Natur: Perspektiven für Neue Märkte!
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Ohne die Leistungen der Natur wäre kein Leben auf der Erde möglich. Diese
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Leistungen der Ökosysteme inklusive der biologischen Vielfalt werden als
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Ökosystemleistungen bezeichnet. Wegen ihres Charakters als öffentliches Gut
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kommt es zur Übernutzung und Naturzerstörung. Politik, Unternehmen sowie
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Verbraucherinnen und Verbraucher berücksichtigen noch viel zu wenig den
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vielfältigen Nutzen des Erhalts der biologischen Vielfalt bei ihren Entscheidungen.
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Am Beispiel des Hochwasserschutzes kann verdeutlicht werden, dass vorbeugende
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Maßnahmen volkswirtschaftlich dann einen erhöhten Nutzen erbringen, wenn sie
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multifunktional angelegt sind, indem sie auch die verschiedenen
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Ökosystemleistungen der betroffenen Landschaften angemessen berücksichtigen.
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Der DNT fordert daher, den Wert der Ökosystemleistungen und der biologischen
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Vielfalt zu erfassen, bekannt zu machen und zu honorieren. Dies gilt insbesondere
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für die Berücksichtigung in den gesamtwirtschaftlichen Bilanzierungen. Es bedarf im
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stärkeren Maße auch ökonomischer Anreize für den Erhalt und den pfleglichen
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Umgang mit Natur. Die ökonomischen Instrumente für Ökosystemleistungen sind
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deshalb weiter zu entwickeln. Beispiele ergeben sich im Vertragsnaturschutz,
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Produktmarketing oder im Markt für Kohlenstoffzertifikate. Ein enormes zusätzliches
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Potenzial liegt in der kritischen Überprüfung umweltschädlicher Subventionen. Die
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Festlegung übertragbarer Rechte und Pflichten, wie etwa bei der Eingriffsregelung,
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bietet weitere Möglichkeiten, um auch Marktkräfte zur Erhaltung des Naturkapitals
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künftig besser zu nutzen. Unternehmen und Regionen sind darin zu unterstützen,
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sich Märkte für Ökosystemdienstleitungen zu erschließen – Ökonomie mit der Natur
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ist das Zukunftsthema.
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Nachhaltige Landnutzung: Agrarpolitik reformieren – naturnahe Waldwirtschaft
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stärken!
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Die Land- und Forstwirtschaft in Deutschland ist in weiten Teilen nicht
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naturverträglich. Die anhaltende Intensivierung und Spezialisierung (z. B.
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eingeschränkte Fruchtfolgen, Ertragssteigerungen, Erweiterungen des Ackerbaus auf
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Kosten des Grünlandes, Zunahme der Flächenkonkurrenz mit der
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Bioenergieerzeugung, Holzwirtschaft). Notwendig ist daher eine Weiterentwicklung
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der Landnutzungspolitik, die sowohl einen positiven Beitrag zur Erhaltung der
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biologischen Vielfalt als auch effektive und kostengünstige Beiträge zum Klima- und
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Gewässerschutz leistet. Einen Schlüssel hierzu bietet die Reform der Gemeinsamen
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Agrarpolitik (GAP) ab 2014. Die derzeitige Debatte um die GAP-Reform ist geprägt
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von der Notwendigkeit, die Bereitstellung „öffentlicher Güter“ (u. a. Erhalt von
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Biodiversität, Klima- und Gewässerschutz) stärker zu honorieren. Auch in der
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Waldpolitik ist die Integration des Naturschutzes zu fördern und die Umsetzung der
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Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt fortzuführen.
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Der DNT fordert daher eine ökologische Neuausrichtung der Gemeinsamen
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Agarpolitik ab 2014. Dabei muss das Ziel verfolgt werden, eine flächendeckende
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Grundsicherung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft zu erreichen und
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Naturschutzmaßnahmen stärker als bisher in landwirtschaftliche Intensivregionen zu
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integrieren. Hierfür sollte eine künftig einzuführende Basisprämie an die
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verpflichtende Bereitstellung eines Mindestanteils an ökologischen Vorrangflächen
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gebunden werden. Darüber hinaus können Zusatzprämien für weitere ökologische
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Leistungen (z. B. für ökologischen Landbau, Natura 2000, Grünlanderweiterung,
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extensive Beweidung, Gewässer- und/oder Klimaschutz) gezahlt werden. Der Anbau
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von Biomasse zur Energiegewinnung muss mit klaren Regeln (z. B. bei der
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anstehenden EEG-Novelle) zum Erhalt der Biodiversität flankiert werden. Dabei ist
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auch auf eine für Naturschutzmaßnahmen förderliche Ausgestaltung des Bonus für
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nachwachsende Rohstoffe zu achten.
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Zudem fordert der DNT im Bereich Forstwirtschaft eine verstärkte Förderung der
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naturnahen Waldwirtschaft und eine konsequente Fortführung des Waldumbaus hin
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zu standortheimischem Laubmischwäldern, dieser ist u. a. auch durch
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Waldumweltmaßnahmen im Rahmen der GAP-Reform zu fördern. Die Nationale
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Strategie zur biologischen Vielfalt ist im Bereich Wald zügig umzusetzen, wonach
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5 % der Wälder einer natürlichen Waldentwicklung zu überlassen sind.
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Naturerbe: Nationales Naturerbe sichern und fortschreiben
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Ein Meilenstein für den Naturschutz war der Beschluss der Bundesregierung zur
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Sicherung des Nationalen Naturerbes 125.000 ha national bedeutsame
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Naturschutzflächen („Tafelsilber der Deutschen Einheit“) vor der Privatisierung zu
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schützen.
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Der DNT fordert daher eine zügige Übertragung der noch nicht übertragenen
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Flächen der in dieser und der vergangenen Legislatur festgelegten
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Gesamtflächenkulissen des Nationalen Naturerbes. Das betrifft insbesondere die
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bereits fachlich abgestimmte „C- Liste“ (25.000 ha, hier u. a. auch Flächen des
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Grünen Bandes und weitere BVVG- Flächen).
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Der DNT fordert eine Fortschreibung bei der Sicherung des Nationalen Naturerbes.
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Zusätzlich zu der o. g. beschlossenen Flächenkulisse muss aktuell eine Lösung für
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die Sicherung der national bedeutsamen Flächen (14.000 ha) der Kyritz- Ruppiner
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Heide (sog. Bombodrom) gefunden werden.
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Die Sicherung der biologischen Vielfalt als unverzichtbare Grundlage für alles
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menschliche Wirtschaften und alle gesellschaftlichen Entwicklungen ist
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Staatsaufgabe. Die Erfüllung dieser Staatsaufgabe erfordert einen Stopp des
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Personalabbaus in den Naturschutzverwaltungen von Bund, Ländern und
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Kommunen und eine ausreichende Ausstattung mit notwendigen Ressourcen.
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Der 30. DNT appelliert an alle gesellschaftspolitischen Akteure (u. a. Kirchen,
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Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Sportorganisationen) ihre
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Potenziale und Stärken einzubringen und die hier gestellten Forderungen zu
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unterstützen.
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