Pressebericht Über 130 Betriebs- und Personalräte beim Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr „Das hier ist praktische Lebenshilfe für den Betrieb“ Pietro Coladangelo hat da, wo es hilft, eine ganz einfache Sicht der Dinge. Was in der Firma falsch läuft, ärgert den Betriebsrat, der auch Problemlöser sein will. Wie rund 120 Kolleginnen und Kollegen aus Betrieben und Verwaltungen nutzte er den Arbeitsrechtstag, den Arbeit und Leben Nordrhein-Westfalen am 29. Juni 2011 in Essen veranstaltete, um arbeitsrechtlich auf dem Stand zu bleiben - und natürlich auch, um seinen Ärger abzubauen. Die erste Referentin des Tages konnte ihm denn auch gleich einen Fingerzeig geben. Es ging um zwei Kollegen, die, so Coladangelo, "2010 komplett krank waren". Und denen die Firma ihren Urlaub verweigerte. "Der Urlaub ist zu nehmen", konstatierte die zum Thema "Entwicklungen im Urlaubsrecht" referierende Richterin Alexandra Rüter, "wenn die Firma das blockiert, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch." Den er allerdings selbst einklagen müsse. "Das ist das Problem", brummt Coladangelo, "er will gegen seinen Arbeitgeber nicht klagen." Betriebsabläufe, Arbeitszeitregelungen, Lohn, Urlaub - immer geht es für die Personal- und Betriebräte um das Händeln mal großer, mal kleiner Probleme. Und besonders schwierig wird es, wenn betriebliche Praxis auf aktuelle Rechtsprechung trifft - und die Betriebe den aktuellsten Arbeitsgesetzen hinterherhinken. Solche Beispiele wusste fast jeder aus seinem Betrieb zu berichten. Und daher kennt auch jeder den Druck. "Die Tendenz zu mehr Konflikten ist da", stellt Wolfgang Haase fest, "und es wird immer schwieriger, auf dem Laufenden zu bleiben." Allein bei den Arbeitszeiten: "Früher hast Du Fünf-Tage-Woche gehabt und fertig." Heute werde sie weiter und weiter ausgedehnt. "Da ist nichts gegen zu sagen", meint er - nur es müsse geregelt werden. "So was wie das Seminar hier", stellt Werner Mosdzien, stellv. Betriebsratschef eines Krankenhauses fest, "ist eine praktische Lebenshilfe für den Betrieb." Gerade hatte Arbeitsgerichtsdirektor Gerhard Stiens über "Krankheit und verhaltensbedingte Kündigung" gesprochen, da hatte Mosdzien schon ein Beispiel parat. "Krankmeldungen sind immer ein Thema", meint er. Bis Tag 3, aber unbedingt vorher bereits telefonisch. Und wenn in der Firma keiner drangeht, dann einen Zeugen anrufen lassen. Die lässige Art des Umgangs mancher damit ist das eine, das andere sei allerdings die stark gestiegene Arbeitsbelastung. Jedenfalls seien in der Klinik zahlreiche Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz festgestellt worden. 2 "Entwicklungen im Befristungsrecht" machte Arbeitsgerichtsdirektor Olaf Klein zum Thema. Ein gehörig vermintes Gelände, es gilt vieles zu beachten und Fristen nicht zu verpassen. "Unsere Arbeit geht schon in Richtung Spezialistentum", sinniert Betriebsrat Ulrich Schröder. Auch er spricht von größer werdendem Druck für die Betriebsräte - der gehe indes nicht nur vom Arbeitgeber, sondern inzwischen auch von den Kolleginnen und Kollegen aus. Die seien heute durchaus gut informiert. Dann heißt es: "Wir wollen das nicht mehr!" Mach mal . . ., folgert Schröder daraus. Den Einsatz von Internet und Email in den Betrieben spielten die Arbeitsgerichtsdirektoren Albrecht Kleinschmidt und Wilfried Löhr-Steinhaus in einem Rollenspiel durch. Wer wann und wie lange Zugriff auf den Betriebsrats-PC haben darf, die Fragen gilt es wohl in manchem Betrieb noch zu klären, während es darüber längst richterliche Entscheidungen gibt. Nämlich nicht nur der Betriebsratsvorsitzende und seine Stellvertreter, sondern jedes BR-Mitglied. Auch auf Facebook dürften sie zugreifen. Wenn es auch noch keine richterliche Entscheidung darüber gibt, vertritt Arbeitsrechtler Dr. Frank Lorenz die Meinung: "Facebook ist ein Sammelsurium, von daher stehen auch BR-Infos darauf. Und wenn man darauf keinen Zugriff haben darf, wäre das aus meiner Sicht ein Verstoß." Lorenz referierte noch zum Thema "Arbeitnehmerdatenschutz". Der Vorsitzende des DGB NRW, Andreas Meyer-Lauber, machte in seinem Schlusswort gegen Ende der Tagung deutlich, warum es in Wirtschaft und Politik gerade jetzt um Druck und Gegendruck gehen müsse. Der Kündigungsschutz werde permanent unterlaufen, die Risiken immer mehr auf die Beschäftigten abgewälzt, Lohndrückerei an allen Ecken und Enden. "Qualifizierte, aber arbeitslos gewordene Menschen werden heute in die Leiharbeit gezwungen. Mit der Folge, dass sie auf den Jobs der Geringerqualifizierten sitzen - für die dann gar nichts bleibt", schimpft er. So gehe es rund 800.000 der eine Millionen Leiharbeiter in Deutschland. Zwei Drittel der sieben Millionen Minijobber hätten diesen als einzige Einkommensmöglichkeit. All das sei "ein Einfallstor für Lohndrückerei"! Dann fand MeyerLauber von der Politik zurück in den Betrieb und damit zu den Kolleginnen und Kollegen im Plenum. Ob Leiharbeit oder untertarifliche Bezahlung: "Es kommt keiner drum herum, sich mit der Geschäftsleitung auseinanderzusetzen." Pietro Coladangelo weiß das längst. Wenn's auch nur um Urlaub ging. "Aber dass da gegen geltendes Recht verstoßen wird, das ärgert mich." Man ahnt es: Wird wohl doch nichts mit Frustabbau. Aber Coladangelo weiß jetzt Bescheid und will mit dem Kollegen noch mal sprechen. [email protected]