Henne oder Ei

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Henne-Ei-Problem
Das Henne-Ei-Problem bezeichnet im engeren Sinn die Redewendung:
„Was war zuerst da: die Henne oder das Ei?“
Heute umschreibt man im Allgemeinen die Frage nach dem ursprünglichen Auslöser einer
Kausalkette, deren Gegenstände bzw. Ereignisse wechselseitig Ursache und Wirkung
darstellen, mit dem Begriff Henne-Ei-Problem. Da letzteres öfters vorkommt, ist der Ausdruck
mittlerweile zu einer feststehenden und, z. B. in Ansprachen, immer wieder gebrauchten
Redensart für ein solches Paradoxon geworden. Mathematisch liegt ein Henne-Ei-Problem
vor, wenn sich Beziehungen nicht topologisch sortieren lassen, also keine Halbordnung
bilden. Das Henne-Ei-Problem und die Entwicklung des Lebens.
Als Charles Darwin seine Evolutionstheorie als Begründung für die Entwicklung der
unterschiedlichen Lebensformen auf der Erde propagierte und diese Vorstellung sich in der
Wissenschaft und im Laufe des 20. Jahrhunderts allmählich auch in der theologischen
Lehrmeinung immer mehr durchzusetzen begann, wurde die Frage, was wohl zuerst da war,
die Henne oder das Ei, zu einem vieldiskutierten Thema.
Die konkrete Frage nach der Herkunft des Tieres Huhn stellt allerdings aus heutiger
wissenschaftlicher Sicht kein Henne-Ei-Problem mehr dar, da die Mehrheit der
Wissenschaftler annimmt, dass es sich evolutionär aus Vorläufern entwickelt hat, also im
biologischen Sinn weder ein „erstes Huhn“ noch ein „erstes Hühnerei“ existierte.
Die Fragestellung taucht in der Biologie erst im Zusammenhang mit der Entschlüsselung der
Details der Entstehung des Lebens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als
präbiotisches Henne-Ei-Problem wieder auf:
Heutiges Leben beruht sowohl auf Proteinen, die als Katalysatoren für die RNA-Replikation
benötigt werden, als auch auf RNA, die die Protein-Synthese aus Aminosäuren steuert. Für
die Synthese der Nukleinsäuren werden in den einfachsten heute bekannten Zellen mehr als
hundert Enzyme (also Proteine) gebraucht. Zur Proteinbiosynthese wird in den Zellen
wiederum die genetische Information benötigt, die auf der DNA abgelegt ist. Welcher der
beiden Molekültypen sollte zuerst entstanden sein? Ohne die gleichzeitige Existenz von
Proteinen und Nukleinsäuren kommen heutige Lebensprozesse nicht aus.
Heute wird meist die RNA-Welt als elegante Erklärung angesehen. Besonders die
Entdeckung der Fähigkeit von RNA-Molekülen andere RNA-Moleküle zu katalysieren
(Thomas R. Cech, Sidney Altman, Nobelpreis für Chemie 1989) ist hier von Bedeutung.
Dadurch wurde klar, dass RNA, welche sowohl katalysierende Eigenschaften wie die
Proteine als auch Informationsspeichernde Fähigkeiten wie die DNA besitzt, das Potential
zur Selbstreplikation besitzt; RNA-Moleküle sind als "Alleskönner" also praktisch Henne und
Ei in Einem. Unterstützt werden solche Vorstellungen von der Entdeckung der enzymfreien
Selbstreplikation von kurzen Nukleinsäuren (Kiedrowski, 1986) sowie mehrerer anderer
selbstreplizierender Systeme.Hier sind wiederum besonders solche Replikations-Systeme
mit nahezu exponentiellem Wachstum von Bedeutung, da diese Eigenschaften für die
weitere Evolvierbarkeit der Systeme, letztlich hin zu zellulärem Leben, wichtig ist. Auch die
Entdeckung, dass PNA oder TNA als mögliche RNA-Vorläufermoleküle für Entstehung der
RNA-Welt von Bedeutung sein können, unterstützt diese Vorstellung.
Das Henne-Ei-Problem der Lebensentstehung aus Sicht des Schöpfungsglaubens
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein galt die Schöpfungsgeschichte im 1. Buch Mose
(Genesis), mit der der Kanon der Bibel beginnt, als in der christlichen Welt weithin
akzeptiertes Modell der Entstehung des Lebens auf der Erde. Für die christlichen Kirchen
und die meisten christlichen Menschen hatte Gott alle Arten von Tieren geschaffen und
damit auch die Henne. Nach der Begattung durch den ersten Hahn legte die Henne das
erste Ei, aus denen dann der erste Nachwuchs in Form von Hühnerküken schlüpfte (mit
derselben Begründung wird auch argumentiert, dass Adam und Eva wohl keine Bauchnabel
hatten). Ein „Henne-Ei-Problem“ existierte damit noch gar nicht. An dieser traditionellen
Sichtweise halten gegenwärtig nur noch stark mit dem Kreationismus verbundene Christen,
wie z.B. die meisten freikirchlichen und/oder evangelikalen Gruppen sowie die Zeugen
Jehovas, fest.
Henne-Ei-Problem als Metapher in der Philosophie
Logik
In der Logik steht das Henne-Ei-Problem als Metapher und hinterfragt, ob es eine letzte
Begründung gibt. Also ein "Grund an sich" wie es Arthur Schopenhauer formuliert. Als
Beispiel wird bei Schopenhauer das Fallen eines Gegenstandes genannt. Warum fällt ein
Stein runter? Wegen der Anziehungskraft. Warum gibt es eine Anziehungskraft? Usw. Das,
was hier auf den ersten Blick nach der Frage nach dem Grund aussieht, ist in Wahrheit nur
die Frage nach der Ursache.
Der Unterschied zwischen Ursache und Grund wird deutlich, wenn man sich klar macht,
dass eine Ursache immer nur denkbar in einer Kausalkette mit Zeitschiene ist. Der Grund ist
nur dann einer, wenn er das Fundament bildet und nicht selber Folge von etwas ist.
Ausführlich wird das Problem in "Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden
Grunde" von Schopenhauer dargestellt. (In der Rowohlts Monographie wird der schwer
verständliche Text gut aufgearbeitet.)
Ethik
In der Ethik steht das Henne-Ei-Problem in der Nachbarschaft zum Tautologie(-Problem) in
der (fehlenden) Begründbarkeit ethischen Handelns, die in einem Zirkelschluss endet oder
sich aus sich selbst begründet.
Z.B. sucht Immanuel Kant die Begründung für moralisches Handeln nicht in der Kausalität,
wie etwa der Satz "wie du mir, so ich dir", weil er feststellt, dass die (Be-)Gründung
unbefriedigend ist, sondern im "kategorischen Imperativ". Bei dem "wie du mir, so ich dir"
(biblisch Auge um Auge, Zahn um Zahn) kann nicht wirklich von moralischem Handeln
gesprochen werden, weil ich mein Verhalten immer mit dem Verhalten des Anderen
begründe und dieser es (wohl möglich) genauso tut. Wenn beide schlechtes tun und es
damit begründen, dass es der andere auch tut, ist das ohne Zweifel kein moralisches
Handeln und muss somit als Grundlage moralischen Handelns verworfen werden. Es
mündet in dem Henne-Ei-Problem. Kant rettet sich in den "kategorischen Imperativ", der
dann aber in einem anderen Tautologie(-Problem) stecken bleibt.
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