Stellungnahme des VDAB zu den Kontrollen der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter in Deutschen Altenpflegeheimen Zu den Kontrollen der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter und den damit einhergehenden öffentlichen Diskussionen um die Missstände in den Altenpflegeeinrichtungen gibt der VDAB als Vertreter der privaten professionelle Pflege die vorliegende Stellungnahme ab. Die professionelle Pflege hat es nicht verdient, einmal mehr unter Generalverdacht zu stehen. Angemessener wäre es, ihr Vertrauen und Wertschätzung für ihre tägliche Arbeit entgegen zu bringen. Der Verband möchte zu diesem Zweck dazu beitragen, die Arbeit der Stelle in der öffentlichen Diskussion richtig einzuordnen. 1. Kontrollen haben nichts mit Verdachtsmomenten zu tun, sondern sind Folge internationalen Vereinbarungen. Der VDAB findet es wichtig festzustellen, worum es sich bei den Kontrollen der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter eigentlich geht. Es ist ein Missverständnis zu glauben, die Kontrollen würden auf Basis eines konkreten Verdachtsmoments durchgeführt. Die Aktivitäten der Stelle gehen auf ein internationales Abkommen der Vereinten Nationen zurück. Das Hauptaugenmerk dieses Abkommens liegt in der Verhütung von Folter in solchen Ländern, in denen Folter durch staatliche Institutionen bedauerlicherweise noch an der Tagesordnung ist. Länder wie Deutschland gehen lediglich mit gutem Beispiel voran. Hier prüft die Stelle Orte und Einrichtungen, wie Polizei, Bundeswehrkasernen etc., an denen freiheitsentziehende Maßnahmen vorkommen können. 2. Praxis und Motiv freiheitsentziehender Maßnahmen in Altenpflegeheimen haben nichts mit Folter zu tun. Der VDAB fordert dazu auf, in der öffentlichen Diskussion sensibel mit dem Begriff „Folter“ umzugehen und nicht leichtfertig in den Dienst populistischer Skandalisierung zu stellen. Dies kann dazu führen, eine ganze Berufsgruppe unbegründet in Verruf zu bringen. Der VDAB bezweifelt, ob die Praxis freiheitsentziehender Maßnahmen, die Anlass für die Kontrollen in Altenpflegeheimen sind, überhaupt Kontrollen durch die Antifolterstelle rechtfertigen. Denn während sich Folter über systematischen und willkürlichen Gewalteinsatz zum Zweck des Folternden oder seiner Auftraggeber definiert, dienen freiheitsentziehenden Maßnahmen einem anderen Zweck: sie dienen dem Schutze der Gesundheit und des Wohlbefindens der Pflegebedürftigen. Des Weiteren gibt es irreführende Vorstellungen darüber, was in der professionellen Pflege die übliche Praxis solcher Maßnahmen ist. Häufig ist dies eben nicht die „Fixierung“ des Bewohners am Bett. Eine weitaus größere Rolle spielen technologische Nachverfolgungssysteme bspw. durch den Einsatz von Funkarmbändern und Sensormatten. Diese Maßnahmen anzuwenden liegt außerdem nicht im Ermessen der Pflegenden, sondern braucht die richterliche Genehmigung. Der VDAB stellt in Frage, ob sich aus Motiv und Praxis dieser Maßnahmen rechtfertigen lässt, dass Altenpflegeeinrichtungen überhaupt in den Katalog der von der „Antifolterstelle“ zu prüfenden Institutionen gehören. 3. Der Schutz von personenbezogenen Daten und Persönlichkeitsrechten muss gewährleistet bleiben. Der VDAB fordert dazu auf, die Kontrollen der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter nicht über die im Gesetz verankerten Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte der Heimbewohner zu stellen. Es ist unklar, welche konkreten Zugriffsrechte vor Ort durch das Fakultativprotokoll des Übereinkommens der Vereinten Nationen, auf die die Einrichtung der Nationalen Stelle zurückgeht, resultieren. Es ist bedenklich, dass die Stelle bei den Landesministerien die Einsicht in die Daten aus den Versorgungsverträgen anfragt oder laut dem Fakultativprotokoll ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen personenbezogene Daten erheben darf. Es kann auch nicht sein, dass die Stelle uneingeschränkt Zugang in die Einrichtungen und bspw. in die Wohnbereiche der Heimbewohner hat. 4. Auch in der Pflege muss gelten, dass von Einzel- nicht auf Regelfälle geschlossen werden kann. Der VDAB leugnet nicht Einzelfälle, bei denen es zu widerrechtlichen Maßnahmen in Altenpflegeheimen gekommen ist. Die Unternehmen der professionellen Pflege stehen allerdings an vorderster Front bei dem Bemühen, solche Fälle von persönlichen Fehlverhalten aufzuklären und unbedingt zu verhindern. Allein die Wahrnehmung der unternehmerischen Verantwortung gebietet es, solche Fälle aufzuklären. Der Verband verwahrt sich jedoch dagegen, dass Misshandlung in der Pflege der Regelfall sein soll. 5. Die überbordenden bürokratischen Anforderungen an die Pflege in Deutschland führen zu einer Fehlsteuerung vorhandener Ressourcen. Der VDAB fordert dazu auf, die strukturellen Defizite der Pflege wieder verstärkt öffentlich zu diskutieren. Medien, Politiker und Verbände laufen zu häufig Gefahr, aus Einzelfällen von Misshandlungen in der Altenpflege auf fehlende oder mangelhafte Kontrollen zu schließen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Kontrollen sind mangelhaft, aber nicht, weil es ihnen an Frequenz oder Ausführlichkeit fehlt. Das Gegenteil ist der Fall. Die sachgerechte Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen in Altenpflegeheimen, die Anlass der Kontrollen der „Antifolterstelle“ ist, wird bereits doppelt durch Heimaufsicht und Medizinischen Dienst (MDK) kontrolliert. Und dies ist nur ein Bruchteil einer Unmenge an Kontrollen und bürokratisch betriebenem Aufwand, die jene Mittel aufzehren, die andernorts fehlen, um der professionellen Pflege wieder Luft zum Atmen zu geben. Ein Blick auf die Zahlen zeigen, dass dies derzeit nicht so ist: Allein 100 Millionen Euro fließen jährlich allein in die Kontrollen der Heime durch den MDK. Die von der Fachzeitschrift Care konkret im letzten Jahr veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes zum Bürokratieaufwand in der Pflege zeigen, dass täglich deutschlandweit 68.000 Pflegekräfte ausschließlich für die Bewältigung bürokratischer Aufwände eingesetzt werden müssen, ohne überhaupt eine tatsächliche Pflegeleistung erbringen zu können. Die Attraktivität des Berufes wird durch diese Zustände deutlich verringert und leidet zusätzlich an der Misstrauenskultur gegen die Pflegenden. Fazit: Mit Blick auf diese Hintergründe erinnert der VDAB all jene, die die zusätzlichen Kontrollen der Antifolterstelle begrüßen, daran, dass das bürokratische und mentale Budget der Pflege zur Genüge ausgeschöpft ist. Der Verband wünscht sich in Zukunft eine um Sachlichkeit bemühte öffentliche Begleitung der Arbeit der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter durch Politik und der Medien. 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