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# 2004/27 Ausland
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Nachrichten
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Integration statt Konfrontation
Irak. Während sunnitisch-islamistische und nationalistische Gruppen in der Woche vor der
Übergabe der Macht an eine irakische Regierung ihre Angriffe verstärkten, hat die
radikale schiitische Miliz des Geistlichen Muqtada al-Sadr eine Kehrtwende vollzogen.
»Wir wollen, dass die Machtübergabe friedlich verläuft«, erklärte Sadrs Sprecher Naim alKaabi. Vor dem Freitagsgebet wurde eine Waffenstillstandserklärung verlesen. Wegen der
»besonderen Umstände« bot die Miliz sogar an, öffentliche Gebäude und die Infrastruktur
zu schützen.
Sadr, dessen Miliz sich seit April zahlreiche Feuergefechte mit den Besatzungstruppen
geliefert hat, strebt nun offenbar eine politische Integration an. Dies dürfte zum Teil eine
Folge des Drucks der von Ayatollah Ali al-Sistani geführten hohen Geistlichkeit und der
schiitischen Parteien Sciri und Da’wa sein, die Sadr dazu drängten, seinen
Konfrontationskurs aufzugeben. Eine Weiterführung des Kampfes könnte die Miliz zudem
isolieren, denn einer Umfrage zufolge vertrauen 68 Prozent der Irakis der neuen
Regierung. Den von der Besatzungsbehörde eingesetzten Übergangsrat dagegen haben
nur 28 Prozent unterstützt.
Stehen und aussitzen
USA. Das Urteil renommierter US-amerikanischer Juristen über die Arbeit des
Justizministeriums fällt nicht sehr positiv aus. »Abscheulich«, »peinlich« und
»extremistisch« nennen von der New York Times befragte Experten die Memoranden, die
Präsident George W. Bush das Recht zusprechen, die Genfer Konvention zu suspendieren,
und Zwangsmethoden bei Verhören legitimieren. Einige Vorschläge hat die Regierung
zwar zurückgewiesen, andere von der Genfer Konvention verbotene Methoden wie den
Einsatz von Hunden und den Zwang, mehrere Stunden in unbequemen Positionen zu
stehen, hat Verteidigungsminister Donald Rumsfeld jedoch genehmigt.
Nun bleibt als zweite Verteidigungslinie nur die Behauptung, es handele sich gar nicht um
Folter. »Ich stehe täglich acht bis zehn Stunden«, rechtfertigte Rumsfeld seine
Entscheidung, und Bush behält sich auch »in zukünftigen Konflikten« das Recht vor, die
Genfer Konvention zu suspendieren. Allerdings ist fraglich, ob Bush dazu die Gelegenheit
haben wird. Umfragen zufolge hat John Kerry derzeit vier Prozent Vorsprung, und erstmals
betrachtet eine knappe Mehrheit der US-Amerikaner den Irakkrieg als »Fehler«.
Kampagne gegen Folter
Ägypten. In einigen arabischen Staaten haben die Enthüllungen über die USFolterpraktiken auch zu einer Debatte über die Zustände in den Gefängnissen im eigenen
Land geführt. Ägyptische Menschenrechtsorganisationen haben ihre Kampagne gegen die
Folter verstärkt. »Die Leichen und die Fotos der Opfer sind da. Die Zeugenaussagen jener,
die die Folter überlebten, sind auch da«, erklärte Abdallah Mansour von der Egyptian
Association Against Torture (EAAT) in der vergangenen Woche bei der Übergabe eines
Berichts an die Presse. Misshandelt werden vor allem politische Gefangene, deren Zahl
auf 17 000 geschätzt wird.
Das Innenministerium bestreitet weiterhin alle Vorwürfe. Doch auch Teile des politischen
Establishments haben sich nun der Kritik an den vor allem vom Geheimdienst
praktizierten Methoden angeschlossen. Der Tod Akram Zuheiris Anfang Juni im Gefängnis
Torah wurde von einer Parlamentsdelegation untersucht. Die Abgeordneten stellten fest,
dass Zuheiri starb, weil seine Verletzungen »nach achttägiger schwerer Folter« nicht
behandelt wurden.
General gegen Generalstreiks
Nigeria. Vertrauen ist gut. »Obwohl ich noch keine Kopie des Gesetzes gesehen habe,
werde ich ihm zustimmen, weil es den Arbeitern Freiheit gibt«, erklärte Senator Victor
Ndoma-Egba. Um die nigerianischen Arbeiter zu befreien, legte Präsident Olusegun
Obasanjo in der vergangenen Woche ein Gesetz vor, das die Auflösung des
Gewerkschaftsverbands NLC (Nigerian Labour Congress) vorsieht. Nur in einer
komplizierten Prozedur unter staatlicher Kontrolle sollen sich Gewerkschaften künftig
zusammenschließen dürfen. Auch das Streikrecht will der ehemalige General Obasanjo
einschränken.
Die Reform sei eine Bedingung für die Reduktion der Auslandsschulden, und »die
Nigerianer sollten fähig sein, dieses Opfer zu bringen«, meint Senatspräsident Adolphus
Wabara. Das wichtigste Motiv dürfte jedoch sein, dass der NLC allein in den vergangenen
neun Monaten drei Generalstreiks gegen die Benzinpreiserhöhungen organisiert hat.
Isolierte Branchen- und Betriebsgewerkschaften könnten der Regierung, die auch
umfassende Privatisierungen plant, nicht mehr gefährlich werden.
Mörderische Patrioten
Russland. Bislang waren die Opfer faschistischer Überfälle meist »Schwarzhaarige« aus
dem Kaukasus. Am vorletzten Samstag wurde Nikolai Girenko, einer der renommiertesten
russischen Experten für Rassismus und Rechtsextremismus, in St. Petersburg erschossen.
Eine faschistische Gruppe veröffentlichte auf ihrer Website ein »Urteil«, dass Girenko
hingerichtet werden müsse, weil er »Patrioten« ins Gefängnis gebracht habe. Girenko, der
eine Methode zur Klassifizierung von hate crimes entwickelt hat, trat in mehreren
Prozessen gegen rassistische Gewalttäter als Gutachter auf. In dieser Woche sollte einer
dieser Prozesse gegen Mitglieder der Russischen Nationalen Einheit (RNE) in Nowgorod
fortgesetzt werden.
Obwohl alles auf ein rechtsextremes Attentat hindeutet, sprach die Staatsanwaltschaft
von Hooliganismus, eine häufig gebrauchte Formel bei faschistischen Straftaten. Der Mord
sei nur möglich gewesen, weil die Stadtverwaltung »die Existenz von Skinheads und
Extremisten ignoriert hat«, urteilte Juri Vdovin von der Menschenrechtsorganisation
Citizens Watch.
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