Mudrâ 1 Mudrâ Symbolische Handgestik sowie Thron- und Sitzformen und Attribute der göttlichen Wesen des buddhistischen Pantheon Japans Die symbolische Gestik, genannt Mudrâ, kann generell in zwei Bedeutungsgruppen unterteilt werden: - Die Mudrâ als symbolische Zeichen metaphysischer Aspekte der esoterischen Zeremonie und - die Mudrâ, die besonders in der Ikonographie verwendet wird, um eine spezielle Episode der buddhistischen Legende wachzurufen oder zur Identifizierung von Göttern. Die Gestik der ersten Gruppe ist ein Teil einer rituellen Handlung. Sie stellt einen integralen Teil der religiösen Zeremonien dar, die während dieser von Priestern durchgeführt wird. Für diese Mudrâ gibt es die größte Zahl an Formen. Z. B. ein Handbuch für die Durchführung von Shingon-Ritualen nennt 295 Gesten, 164 für die Mutterleibswelt (taizokai) und 131 für die Diamantene Welt (kongôkai); dazu kommen noch zahlreiche Variationen. Die Mudrâ der zweiten Gruppe, der ikonographischen, wird in Skulptur und Malerei angewandt, besonders auch in der graphischen Repräsentation des Kosmos, genannt Mandala. Die Murimandarajukyô – entstanden ungefähr im 6. Jh. – ist wahrscheinlich eine der ersten Sutren, die die Gestik kodifizierte; sie spricht von ca. 16 verschiedenen Gesten. Etwa ein Jahrhundert später werden in der Daranijikkyô mehr als 300 aufgelistet; zu diesen gehören viele, die für „niedere“ Götter, daher von geringerem Interesse sind. Es verbleiben an die 15 – 20 Grundgesten, die für das Studium der buddhistischen Ikonographie wichtig sind und dies sind die Mudrâs der Hauptgottheiten des buddhistischen Pantheons. Die japanische Skulptur wurde als Basis dieses Studiums deswegen gewählt, da Japan den Endpunkt in der Entwicklung der buddhistischen Tradi-tion darstellt und die japanische, buddhistische Kunst auch die ikonographische Mutation veranschaulicht. Definition der Termini Ein weites Feld von Meinungen und Interpretationen unter Bezugnahme auf den Terminus Mudrâ existiert unter den Fachleuten, die sich mit der buddhistischen Ikonographie beschäftigen. Die meisten gehen mit der ursprünglichen Bedeutung des Wortes konform, das soviel wie Handgestik bedeutet und im weiteren Sinne „Siegel“. Im Bukkyô Daijiten wird es als „verschiedene Formen mit den Fingern machen“ (Katachi) definiert, auch als mystische Geste der Hand oder mit den Händen wird es übersetzt. Die Verwendung des Wortes „Mudrâ“ wurde von Kûkai (mit dem posthumen Titel Kôbô Daishi), dem Begründer der Shingon-Sekte, in Japan eingeführt. Das Wort Mudrâ erscheint in der postvedischen Literatur Indiens bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt und hier bedeutet es „Siegel“ bzw. „Abdruck, der von einem Siegel hinterlassen wird“. In den esoterischen Riten hat das Wort die Bedeutung, „die Art, die Finger zu halten“, d. h. dass diese Gestik eine ganz spezielle Bedeutung in sich trägt, nämlich eine magische und rituelle; es übernahm das gesprochene Wort durch die Bewegung. Auch in späterer Zeit war es in einer engen Verwandtschaft zum gesprochenen Wort. Die Gestik war gefüllt mit mystischen und magischen Werten, zwischen dem Amulett und der göttlichen Autorität und über all dem stand die rituelle Gestik und magische Kraft. Ein späterer Beitrag des Tantrismus sollte noch erwähnt werden: Mudrâ als Sakti, das feminine Gegenstück eines Gottes. All diese Interpretationen zusammengefasst: 1. Siegel oder der Abdruck, der durch ein Siegel entsteht 2. Art, die Finger zu halten 3. Pendant (Sakti) eines Gottes Unter den verschiedensten Bedeutungen des Wortes Mudrâ ist die Idee eines Zeichens als Siegel dominant im esoterischen Denken. Diese Idee kam von Indien mit dem Vajrayâna nach China und später nach Japan. Die ersten chinesischen Übersetzer verwendeten auch das Wort Yin (sinojap.: In), was soviel wie Siegel Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 2 bedeutet und darauf hinweist, dass dies die eigentliche Bedeutung in den kanonischen Schriften war. Die Idee, die durch das chinesische Ideogramm Yin ausgedrückt wird – zurzeit, als der Buddhismus nach China kam und vom Buddhismus übernommen wurde, reicht weit in die chinesische Geschichte zurück. Schon während der Shang-Dynastie wurden Ideogramme als Siegel, die auf Bronze gesehen werden können, verwendet. Sogar heute noch, ob in der Kunst, Literatur oder für einfache Dokumente, steht das Siegel für Authentizität des Dokumentes, auf dem es gesetzt wurde. So spielte das Siegel seit frühesten Zeiten eine Hauptrolle in der chinesischen Tradition und dies auch in Japan, wohin die chinesischen Konzepte transferiert wurden. Es ist nicht überraschend, dass eine Idee, die so tief in der Tradition verwurzelt war, auch vom esoterischen Buddhismus adaptiert wurde. So, wie das Siegel (In) die Authentizität eines Dokumentes garantiert, garantiert die Mudrâ (In) auf einem mystischen, religiösen Niveau die Eliminierung jeder Möglichkeit einer Lüge oder eines Fehlers. Eine Mudrâ auszuführen heißt, dass man die Authentizität der Doktrin anerkannt hat, als auch die Kraft und die Effektivität der rituellen Magie. Die Gestik ist ein Zeichen, ein rituelles Siegel. Das Siegel impliziert Authentizität und in Analogie steht die Effektivität der Mudrâ in direkter Proportion für das Nichtvorhandensein von Fehlern. Die Mudrâ, deren Wert durch die Doktrin festgelegt wird, dient dazu, die Magie der Riten zu festigen. Da das Wort „In“ die Bedeutung einer starren Resolution annimmt, ist es die Gestik, die es ermöglicht, den feierlichen Kontrakt des Rituals mit einem metaphysischen Gütesiegel zu beschließen. Es ist das Zeichen eines Paktes, eines heiligen Kontraktes, das den amtierenden Geistlichen mit der Welt der Götter verbindet und das im erlaubt, in diese Welt integriert zu werden. Als Begleiterin der mystischen Formeln (Dhâranî) garantiert die Mudrâ, die Absenz von Fehlern und den richtigen Weg zu weisen sowie die Effektivität der mystischen Worte. Die alten indischen Konzepte waren die Basis dieser Ideen. Der Terminus „In“ selbst führt wieder zu einer breiteren Interpretation: Beginnend mit der ursprünglichen Bedeutung des Siegels als ein Zeichen oder eine Bestimmung der Identität. „In“ in den Sutren, speziell des esoterischen Buddhismus wie z. B. Dainichikyô, bezieht sich nicht alleine auf die symbolische Gestik der Hände, sondern auch auf die Objekte und Attribute, die die Buddhas und Bodhisattvas halten. Dieses „In“ bezeichnet z. B. Lotos, Schwert, Stupa, kurz all die Attribute der Göttlichkeit, durch die die ursprünglichen Eide der Buddhas und Bodhisattvas symbolisiert werden. Sie sind ein Zeichen der göttlichen Identität. In diesem Konzept erscheint wieder die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Mudrâ. Zu diesen zwei Bedeutungen von „In“-Gestik und Symbolik kommt ein weiteres Merkmal – die Symbolisierung der mystischen Formeln DhâranÎ und des Bildes Buddhas. Zusammenfassend seien die drei Bedeutungen von „In“ genannt: 1. Symbolische Gestik der Hände, die als Siegel verwendet werden, was die Effektivität und Aussagekraft des gesprochenen Wortes garantiert 2. Die symbolischen Objekte als auch die Bilder und Statuen, die als Bestimmung der „Identität“ verwendet werden 3. Dhâranî – gesprochene, mystische Formeln -, die die Magie der Riten „versiegelt“. Originale und die ersten Repräsentationen Beim Studium der Ikonographie ist man von zahllosen, mehr oder weniger plausiblen Erklärungen über den Ursprung der symbolischen Gestik konfrontiert. a) Die rituelle und ikonographische Mudrâ hatte ihren Ursprung in der natürlichen Gestik, die unter bestimmten Konditionen entstand und bekannte Aktionen oder einen Teil von diesen repräsentierte. b) Beruhigen durch das Erheben der Hand, beschenken durch das Ausstrecken des Armes usw.; was immer auch der Ursprung gewesen sein mag, im esoterischen Buddhismus symbolisieren diese Gesten metaphysische Bedeutungen und sie vervielfachten sich unter dem Einfluss des Tantrismus. Etwa am Beginn unserer Zeitrechnung entstand die Mudrâ als ein ikonographisches System (sanskr.: Pratîka). Es scheint, als wäre sie zur gleichen Zeit wie die Bildnisse des Buddhas entstanden. Dies war eine Frage verschiedenster Handhaltungen, die speziell dazu gedacht waren, den symbolischen Charakter einer Statue festzulegen sowie an Episoden aus den buddhistischen Legenden zu erinnern. Zu Beginn waren diese Gesten nur auf das Leben des historischen Buddhas bezogen. Später, unter dem Einfluss des Tantrismus, formten sie einen erweiterten Symbolismus. Mit der Entwicklung des esoterischen Buddhismus wurden sie immer stärker mit magisch religiösen Attributen versehen. Aber es ist schwierig, die Antwort darauf zu finden, von welchen fernen Quellen der Buddhismus das System der Gestik aufnahm und entwickelte. Ein Faktum ist jedenfalls, dass dieses ikonographische System eine lange Evolution hinter sich hatte. Dies manifestiert sich auch in den stereotypen Formen der frühen Gandhara-Statuen. Es gibt keinen Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 3 Zweifel, dass schon sehr früh eine genaue Kenntnis über zahlreiche Gesten vorausgesetzt wird, da für die Manjusrîkalpa, die Mahâvairocana-Sûtra und die Guhyasamâja dieses Wissen notwendig war. Entsprechend der indischen Tradition war der Tanz ein Geschenk Brahmas an die Menschen. Im ersten Kapitel der Nâtya Sâstra von Bharata lesen wir: „ … wendet sich ab von Indra, der die Essenz allen Wissens in sich vereinigt, sitzt in der Yogahaltung, sprach zu sich, an die vier Vedas denkend, ich soll eine fünfte Veda machen, sie soll Nâtya (Drama) genannt werden, kombiniert mit epischen Geschichten, die zur Tugend, Reichtum (Freude und geistige Freiheit) tendieren, Ruhm bringend … „ – eine präzise Anleitung, um all die Ereignisse der Welt fortzusetzen, beinhaltend die Signifikanz der Schriften und der zukünftigen Kunst. Dieses Rückbesinnen auf die Vedas, der göttliche Brahma entwickelte die Nâtya Veda von den einzelnen Teilen der vier Vedas. Von der Rg Veda nahm er die Worte, von der Sâma Veda das Singen, von der Yajur Veda die Gestik und von der Atharva Veda die Würze. Die Erwähnung dieser choreographischen, dramatischen Gesten in dieser traditionellen Literatur bescheinigt die Bedeutung dieser Art von Symbolen zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Seit undenklichen Zeiten spielte der Tanz eine besondere Rolle im Leben des Menschen, bei dem Magie und Mysterien durch frühe Riten ausgedrückt wurden. Unbestreitbar spielte auch in der präbuddhistischen Zeit die Choreographie eine wichtige Rolle in der primitiven Religion Indiens. Die Verwendung von Gesten, um sowohl religiöse als auch säkulare Ideen auszudrücken, geht auf alte Quellen zurück. Zu einem sehr frühen Zeitpunkt wurde der Tanz in den Ritus miteinbezogen, welche ihm die ursprüngliche Freiheit der Bewegung entzog und ihm hierarchische Zwänge auferlegte – eine Klassifikation entsprechend dem Kult, der im Laufe der Jahrhunderte dazu tendierte, die Abläufe zu stabilisieren und zu kodifizieren. Spätere Religionen hatten für den Ablauf der heiligen Handlung nur mehr die choreographische Gestik für ihren Ritus zu adaptieren. Aber das bloße Faktum, dass der Tanz so früh wie die vedische Periode existierte, gibt noch keine Hinweise, wann Form und Symbolismus stilisiert wurden. Die Mudrâ, die dem Bereich der Bewegung angehört, konstituiert in der Ikonographie ein aktives Symbol, das zu einem gewissen Teil den Endpunkt der Evolution markiert, der mit der ursprünglichen Idee der choreographischen Rhythmen begann. Diese Gestik, die den Tanz begleitet, ist ein integraler Teil des rhythmischen Ausdrucks. Sie stellten bereits im Tanz eine konventionelle Methode des Ausdrucks dar, der das Wort oder den Gesang unterstützt. Die Materialisierung dieser Gestik in der Ikonographie durch die Vermittlerrolle der Riten tendierte dazu, den früheren rhythmischen Charakter zu verwischen. Nichtsdestotrotz verbleibt die „elementare Handgestik der Heiligen in der Ikonographie nicht mehr als die Mudrâ in einem unterentwickelten Stadium“. Die Form, der künstlerische Rhythmus, auch der Symbolismus der buddhistischen Statuen sind eine visuelle Manifestation der unzweifelhaften Verbindung zwischen der Ikonographie und dem Tanz. Diese Gestik, ein integraler Bestandteil des indischen Erbes, wurde vom Buddhismus adoptiert. Sie bilden eine Gruppe von symbolischen Bewegungen mit einem magisch mystischen Wert, der immer spürbar blieb, aber während der Zeit der Gandhara-Skulpturen etwas verwischt wurde. Im Tantrismus kam es dann zu einer bedeutenden Wiederbelebung dieser Symbolik. Im vedischen Sanskrit ist den Fingern eine besondere Rolle zugesprochen worden. Z. B. bedeutet der Daumen, durch seine Form den Lingam und repräsentiert Bhairava, die Respekt gebietende Erscheinung von Shiva. Der Mittelfinger repräsentiert Candikâ, die gewalttätige Erscheinung von Durgâ. Für die Bereicherung der Mudrâ diente zuletzt der Brahmanismus als eine günstige und permanente Quelle für die buddhistische Ikonographie. Der Buddhismus übernahm die Mudrâ, verlieh ihr entsprechend seinem eigenen Genius neue mystische Bedeutungen. Eine bekannte Jâtaka (Geschichten aus dem Leben des frühen Buddhas) des 5. Jh. beweist die Verwendung der Mudrâ im früheren Leben Buddhas. „Sâkyamuni traf eine Frau, die er zum Weibe nehmen wollte. Er wusste nicht, ob sie verheiratet war oder nicht. So beschloss er, sich „durch die Gestik seiner Hand“ (Hatthamoddâya) zu befragen. Wenn sie gebildet ist, dachte er bei sich selbst, wird sie das verstehen und mir antworten. So erhob er seine geschlossene Faust und die Frau antwortete ihm mit ihrer offenen Hand.“ Anhand dieses Berichtes kann es keinen Zweifel mehr geben, dass Buddha eine voll entwickelte Handgestik anwandte, deren konventionelle Modalitäten bereits bekannt waren, als diese Jâtaka geschrieben wurde. Generell wird der Ursprung der indischen Skulpturen in das 3. Jh. v. Chr. angesetzt. Dies war zu einer Zeit in Mathurâ, in der die indische Ikonographie an ihrem Beginn war. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Darstellung des historischen Buddhas in menschlicher Gestalt erst im 2. Jh. n. Chr. Form annahm. Bis zu jenem Zeitpunkt wurde Buddha nur durch Symbole repräsentiert wie dem Rad des Gesetzes, dem Thron, der Säule und dem Bodhibaum. Die Darstellung Buddhas im Bild oder in der Skulptur war zu unterlassen. Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 4 Durch das Zusammentreffen und Verschmelzen griechisch-indischer Kultur ungefähr im 2. Jh. n. Chr. kam es zu den ersten Bildnissen Buddhas, entwickelt an zwei Orten: Gandhara im Nordwesten Indiens und Mathurâ im Zentrum des Kusâna-Imperiums im Norden von Indien. Die Statuen, die Buddha repräsentieren, wurden in einem griechisch-römischen Stil ausgeführt, d. h. in einem Stil, der dem griechisch-römischen Ideal entsprang. Diese ersten Figuren waren im Typus dem hellenistischen Apolle als Redner bzw. Prediger sehr ähnlich. Der griechisch-römische Einfluss war von grundlegender Bedeutung für die buddhistische Ikonographie. In der Tat bezog die Gandhara-Schule Inspirationen aus beiden Richtungen, sowohl aus der griechisch-römischen als auch aus der indischen. Von der ersten borgt sie die menschliche Form, von der zweiten den komplexen Symbolismus, der bereits – wie erwähnt – vor unserer Zeitrechnung in Indien existierte. So spielte die buddhistische Kunst von Gandhara eine Vermittlerrolle zwischen Ost und West. Diese skulpturale Mudrâ wurde vom Buddhismus angenommen und mit der Expansion dieser Religion über ganz Asien verbreitet. Trotz des griechischen Einflusses überwog der indische Symbolismus und die Statuen des historischen Buddhas waren konsequenterweise, obwohl als menschliche Entsprechung eines Gottes dargestellt, nie dazu gedacht, dass sie eine anatomisch funktionierende Einheit repräsentierten sollten. Wie bereits erwähnt, wurden zu Beginn der buddhistischen Skulptur Stilmerkmale einer voll entwickelten Symbolsprache übernommen. Der Kopf z. B. erfährt die Form eines perfekten Ovals – eines Eis –, die Augenbrauen haben die kurvelineare Form eines indischen Bogens, die Augen die eines Lotosblattes, die Ohren die einer graphischen Form eines bestimmten Sanskrit-Zeichens und der Hals mit seinen drei Falten den einer Muschelschale. Die weite Brust und die enge Taille haben die Form eines Löwenkörpers, darüber gestellt der Kopf eines Stiers. Die Arme sind Elefantenrüssel, die Hände Lotosblätter etc. Die Symbolik der buddhistischen Statuen und ihrer Bildnisse ist ein integraler Bestandteil der Repräsentation und keine nachträgliche Interpretation. So wie die Griechen versuchten, in ihren Götterdarstellungen eine Perfektion in der Anatomie zu erreichen, versuchten die Inder eine reine intellektuelle Kreation eines Buddhas darzustellen. Es scheint, dass es zu Beginn der Gandhara-Kunst keine wie immer geartete präzise Beschreibung bzw. Bewertung der einzelnen symbolischen Gesten gab. Regeln und Kodizes entwickelten sich langsam bis hin zum 5. Jh. Mit der Geburt des esoterischen Buddhismus (Vajrayâna) wurde die Mudrâ formalisiert und durchdrungen von einem magischen und metaphysischen Symbolismus. Dadurch ist es nicht überraschend, dass die wenigen Mudrâs, die in der greco-buddhistischen Art von Nordwest-Indien verwendet wurden, eine mehrfache Bedeutung hatten. Z. B. eine einzelnen Mudrâ, die Semuiin (sanskr.: Abhayamudrâ) konnte für das Empfangen von Geschenken oder Verehrungen verwendet werden, genauso wie für den Ausdruck des Willkommens, der Unterwerfung des Elefanten, der Aussage des Gesetzes und auch für das Drehen des Rades des Gesetzes. Die unterschiedliche Rolle der Persönlichkeiten, die diese Gesten ausführten, wurden durch ihre Attribute klar definiert oder bei Vorhandensein einer Mudrâ durch eine symbolische Struktur bzw. einen Rahmen. So konnte ein und dieselbe Episode einer buddhistischen Legende durch mehrere Mudrâs ausgedrückt werden. Um z. B. die Aussage des Gesetzes zu repräsentieren, konnte der Gandhara-Buddha verschiedene symbolische Gesten formen: die Jôin, die später den Eintritt Buddhas in die vollkommene Meditation repräsentierte; die Semuiin als Mudrâ der Furchtlosigkeit; die Seppôin (Tembôrinin), die alleine angewendet als Mudrâ kodifiziert war, drückte den Akt der Predigt oder der Verbreitung des Gesetzes aus. Nichtsdestotrotz kann man in der Gandhara-Kunst bereits die Einteilung erkennen, einzelne Mudrâs zur Gänze bestimmten Persönlichkeiten zuzuordnen. Zweifelsohne in der Absicht, die verschiedenen Buddhas und Bodhisattvas unterscheiden zu können. Später wurde es notwendig, um die Fülle von Gottheiten im esoterischen Buddhismus zu identifizieren, dass die Mudrâ eine präzisere Aussage erhielt. Z. B. beschränkte sich die Semuiin auf die Aussage der Furchtlosigkeit, die Seganin auf Nächstenliebe, die Tembôrinin auf die Verbreitung und Aussage der Doktrin. Der Beitrag des Tantrismus: Zu Beginn unserer Zeitrechnung entstand die Symbolik aus dem traditionellen Buddhismus. Aber es war der Verdienst des Tantrismus, dem ihre volle Entwicklung zu verdanken ist. Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 5 Asangá (jap.: Mujaku), ein Meister der Yogâcâra-Schule (jap.: yugagyôha) – eine der zwei Hauptrichtungen des Mahâyâna-Buddhismus, gegründet von Maitreya (jap.: Miroku) und weiterentwickelt von Asangá und Vasubandhu (jap.: Sheshin auch Tenjin) – hatte bereits Gedankenmodelle entwickelt, die auf mystischen Konzepten des Yoga und prinzipiellen Ideen des Mahâyâna-Buddhismus gegründet waren. Diese Doktrin wurde in zahlreichen religiösen Texten, genannt Tantra, zusammengefasst. Sie dienten hauptsächlich der Erhöhung der Göttlichkeit. Mit einer Anzahl von beigefügten Lehren, wie philosophischen und kosmischen Aspekten, beinhalten sie zahlreiche Elemente wie Dhârani und Mudrâ usw., die größtenteils esoterischer Natur sind und sie werden in Hinblick darauf, dass es zu einer Identifikation des Gläubigen mit der „großen Einheit“ kommt, praktiziert. Diese Glaubensrichtung entstand im 4. Jh. und erreichte im 8. Jh. ihren Höhepunkt. Sie entwickelte sich in zwei Hauptrichtungen, die als linkshändiger und rechtshändiger Tantrismus bezeichnet werden. Die linkshändige Richtung postuliert feminine Ebenbilder, die sowohl den Buddhas und Bodhisattvas gegenüberstehen als auch anderen Gottheiten. Man glaubt, dass sie unter anderem den aktiven Aspekt gegenüber den männlichen Gottheiten repräsentierten. Die Vereinigung der beiden wird beim sexuellen Akt symbolisiert. Der rechtshändige Tantrismus betont hingegen die Verehrung der maskulinen Götter. Aber auch auf magische Riten und Praktiken wird großer Wert gelegt. Dieser tantristische Zweig lehnt den sexuellen Akt und dessen Symbol, der für den linkshändigen Zweig charakteristisch ist, ab. Der rechtshändige Tantrismus wurde in China übernommen und kam dann nach Japan, wo er heute als Shingon-Sekte noch aktiv ist. Diese Richtung des Buddhismus, der großen Wert auf magische Formeln und Riten legt, wird in Sanskrit auch Mantrayâna genannt. Der esoterische Buddhismus beschränkte sich nicht nur auf die Gestik als metaphysisches Symbol, sondern teilte ihm einen besonders hohen Stellenwert in Kult und Ritus bei. Er sah in der Mudrâ die aktive Bindung, die es dem Gläubigen ermöglichte, mit Hilfe der Dhâranî und Mantra, den mystischen Formeln und Phrasen, sich mit der höchsten Einheit zu identifizieren. Die Basis des esoterischen Buddhismus, auf der die magisch symbolische Struktur aufgebaut ist, beruht auf dem Konzept der drei Mysterien: Gedanke, Wort und Handlung. Sie repräsentierten die drei Wege, um dem „Einen“ nahe zu kommen und sind drei unzertrennliche Aspekte der großen Einheit. Die Doktrin dieser drei Mysterien behauptet, dass Gedanken, Wort und Handlung nur drei verschiedene Ausdrücke für ein und dieselbe Realität sind. Die Doktrin der fundamentalen Einheit (Samatâ) besagt: Diese drei Aktionen sind ein essentielles Dogma des esoterischen Buddhismus. Die Mudrâ wurde Dank dieser Dreieinigkeit mit einer Bedeutung ausgestattet, die gleich war mit der „wahren Welt“. Sie war Kontrolle und Garantie der Übermittlung. Drei in einem, alles eins, Gleichheit in den drei Mysterien und konsequenterweise auch Realität – dies ist die Essenz der esoterischen Lehre. Der Shingon-Ritus zielt in Bezug auf Dhâranî und Mantra, die durch die Mudrâ begleitet werden, auf die Vereinigung des Gläubigen mit dem höchsten Geist. Es wird vervollständigt durch ein System von Meditationen, die nur dem Tantrismus eigen sind, in der Kräfte vom Objekt der Meditation an den Meditierenden übertragen werden. Die Riten wurden zu den wichtigsten Elementen des esoterischen Buddhismus. Die rituelle Basis war der traditionelle Buddhismus, da alle die Formeln und Zeremonien nicht mehr als der visuelle Ausdruck der Gedankenwelt, die sich durch die Kraft der Konzentration zusammensetzt. Die Tantra zeigt eine exzessive Vorliebe für das rituelle Detail – mit all ihren Aktionen und Worten, mystischen wie magischen; mit dem Glauben, dass man dadurch die Macht und Fähigkeit der okkulten Magie erreicht. Das Material dafür waren hauptsächlich die Verwendung der Dhârani (magische Texte), das Mantra (die „Sprüche“ – mystische Silben) und die Mandala (psycho-kosmische, geometrisch aufgebaute Gebilde, Bilder usw.). Einige dieser Riten, die in Japan zelebriert werden, sind eindeutig indischer Herkuknft, wie z. B. der der Ninnô-Sutra („der wohltätigen Königssutra“), die bereits im 7. Jh. vollzogen wurde. In all den Ländern, in denen der Tantrismus Verbreitung fand, drückte seine Ikonographie die mystische Form der Riten aus – manchmal in der phantastischen expressiven Erscheinungsform wie in Tibet, manchmal friedfertig wie in Japan. Jedenfalls manifestiert die Esoterik, ungeachtet ihrer Komplexität und exzessiven Hierarchisierung, ein hoch entwickeltes künstlerisches Gefühl für den Mystizismus, der die Essenz ihrer Doktrin ist. Im esoterischen Buddhismus wurde die Mudrâ, die ursprünglich die buddhistischen Legenden ausdrückte, auf eine weitere Ebene gehoben – ein neuer Symbolismus der Hände entstand, begründet auf magisch- Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 6 religiösen Ideen und vervollkommnet durch Einflüsse anderer philosophischer Systeme. Die Hand wurde zu einer Art Universum in Miniaturformat, die das gesamte kosmologische System mit ihrem partikularen Vokabular repräsentiert. Die „Flügel“ (Hände) stellten die Sonne (rechts) und den Mond (links), Intelligenz und Meditation, dar. Die Finder werden die 10 Stufen, die 10 Räder, die 10 Lotos, die 10 Welten des Gesetzes, die 10 Shinnyo („Soheit“ oder auch „Sosein“, sanskr.: Tathatâ), die 10 Tugenden. Sie werden nicht nur mit den fünf Elementen und den zehn Stufen assoziiert, sondern auch mit magischen Zeichen (Sanskrit und chinesisch). Die Kombination von Ideen, die die Finger repräsentieren, ist sehr komplex. Eine Passage vom Fudarakukaieki („Potala“ – Sitz des Avalokitesvara) ist die linke Hand Mitleid (Jakujô – Eliminierung von Hindernissen) und wird Prinzip (Ri, „Ideal“) genannt: Dies ist die Mutterleibswelt. Die rechte Hand unterscheidet diverse Dinge und wird daher „Wissenshand“ (Chi) genannt – die Diamantwelt. Die fünf Finger der linken Hand stehen für die „5 Wissen“ (Gochi) der Mutterleibswelt; die fünf Finger der rechten Hand, die „5 Wissen“ (Gochi) der Diamantwelt. Die linke Hand ist Konzentration, die rechte Weisheit. Der linke kleine Finger repräsentiert Mitgefühl (Dan), der Ringfinger Disziplin (Kai, der Mittelfinger Geduld (Nin), der Zeigefinger Energie (Shin), der Daumen Kontemplation (Zen). Der rechte kleine Finger repräsentiert Weisheit (E), der Ringfinger den Weg oder das Gesetz (Hô), der Mittelfinger Eid (Gan), der Zeigefinger Kraft (Riki), der Daumen Wissen (Chi). Weiters verkörpert der kleine Finger die Erde, der Ringfinger das Wasser, der Mittelfinger das Feuer, der Zeigefinger die Luft und der Daumen die Leere. Entsprechend dem Text kann eine Tabelle vom Zusammenhängen der Finger mit ihrer Symbolik hergestellt werden. Jede Mudrâ wird durch die Details der Fingerhaltung stark beeinflusst. Gemäß der Kongôchôkyô (Diamantweltsutra) werden unter vier Mudrâs unterschieden: 1. großes Zeichen oder große Mudrâ (DAIIN) 2. Mudrâ der unterschiedlichen Symbole (Sanmayagyôin) 3. Karma-Mudrâ (Kommain) 4. Essenz-Mudrâ (Hôin) Die genannten Mudrâs gründen sich auf zwei Gruppen von Handzeichen, die als „Mutterzeichen“ (Inmo) bezeichnet werden. 1. Gruppe: Die vier Typen der Faust (Shishuken) sind die Lotosfaust (Rengekein), die Diamantfaust (Kongôkein), die nach außen verschränkte Faust (Gebakukenin) und die nach innen verschränkte Faust (Naibakukenin). Diesen vier grundsätzlichen Fausttypen werden noch die Zornesfaust (Funnukenin) und dieTathâgata-Faust (Nyoraikenin) zugeordnet. Lotosfaust Diamantfaust die nach innen verschränkte Faust die nach außen verschränkte Faust Zornesfaust Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Tathâgata-Faust Mudrâ 7 2. Gruppe: Diese stellt die 12 Handhaltungen („Gebetshaltungen“ – Jûnigasshô) dar. 1. Nebinagasshô – wahres, reines Herz (Kenjisshin) 2. Sanfuta (sanskr.: Samputa) – das leere Herz (Koshin) 3. Kunma(n)ra (sanskr.: Kamala?) – nicht geöffnete Lotosblüte 4. Boda (sanskr.: Pûna) – frisch geöffnete Lotosblüte 5. Ottawasha (sanskr.: Uttânaja) – steht für die klare Exposition (Kenrô) 6. Adara (sanskr.: Âdhâra) – Falten des Wassers 7. Haranama (sanskr.: Pranama) Gasshô – Zuflucht 8. Miharita (sanskr.: Viparîta) Gasshô – Rückhandschlag (vertikal) 9. Bihararifisata (sanskr.: Viparyasta) Gasshô – Rückhandschlag (horizontal) 10. Teiriei Gasshô – Schlag der Unterstützungshand 11. Adara (sanskr.: Âdhâra) nur Daumen und Mittelfinger berühren sich 12. Fukushu – Hände nebeneinander 1 5 2 3 6 4 7 8 9 10 11 Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK 12 Mudrâ 8 Mudrâformen 8 Hauptformen 1 2 SEGANIN Mudrâ der Erfüllung des Buddha-Eides; die Hand ist gesenkt, der Handballen nach außen gedreht Mudrâ, die Furchtlosigkeit zusichert; die Hand (meist die rechte) ist erhoben, mit den Fingerspitzen nach unten zeigend, die Handflächen nach außen. Diese Gestik hat ihren Ursprung in der Legende der böswilligen Devadatta, der einen Elefanten betrunken machte und ihn auf Buddha hetzte, um ihn zu zertrampeln; Buddha hob die rechte Hand und stoppte ihn. Der Elefant fiel auf die Knie und betete ihn an. SEMUIIN SEGANSEMUIIN Kombination von 1 und 2 Mudrâ der Beschwichtigung, Befriedigung Die Hand (meist die Rechte) ist erhoben, mit der Handfläche nach außen, die Finger gestreckt, mit Ausnahme des Daumens, der vom Zeige- oder Mittelfinger (manchmal auch vom Ringfinger) berührt wird, um einen Kreis zu bilden. Oft wird diese Mudrâ auch mit beiden Händen durchgeführt. Die Mudrâ – der Kreis (Rad), eine perfekte Form – symbolisiert das „Gesetz Buddhas“, das perfekt und ewig ist. Eine aktuelle Form des Aniin repräsentiert sechs der neun esoterischen Amidas – die so genannten Amidas der „mittleren“ und „niederen“ Klassen. 3 ANIIN Varianten von 3: Typisch für Gôzanze Myôô Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 4 KONGÔGASHHÔ 9 Niedriges Leben Mittlere Klasse: Mittleres Leben Höheres Leben Niedriges Leben Niedrige Klasse: Mittleres Leben Höheres Leben der diamantene Handschlag Mudrâ der Anbetung – die Hände sind verbunden, um das Gesetz zu verehren. Die Welt Buddhas (rechte Hand) vereinigt sich mit der Welt des Diesseits (linke Hand) und repräsentiert die fundamentale Einheit der Kôngôkai (Diamantsutra) mit der Taizôkai (Mutterleibsweltsutra). Mudrâ der Erd-(Boden-)berührung Eine Gestik (für Sitzstatuen) mit der rechten Hand, die vor dem rechten Knie liegt und mit gestreckten Fingern (Handrücken nach außen) zum Boden zeigt. Eine Variante (Handfläche auf den Boden zeigend) heißt Anzanin. 5 SOKUCHIIN Die Symbolik bedeutet einer Legende zufolge: „Nachdem der historische Buddha seine Buddhaschaft überprüfen wollte, warnten ihn die Erdgötter, dass ihn Dämonen attackieren wollten. Er beruhigte sie, indem er sagte, er werde die Dämonen mit seinem Bodhi-Wissen besiegen. Zu diesem Zeitpunkt erschien der Dämonenfürst und forderte Buddha auf, seine Worte in Aktion treten zu lassen. Buddha zeigte mit seinen Fingern zum Boden, um die Erdgötter zu rufen, die kamen und töteten die Dämonen“, d. h. die Mudrâ symbolisiert den Sieg über die Dämonen. Varianten von 5 Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 10 Mudrâ der Konzentration für Sitzstatuen, bei denen die traditionelle Sitzposition – genannt Kekkafuza – eingenommen wird. Dabei liegen die Füße so gekreuzt übereinander, dass der rechte Fuß mit der Fußsohle nach oben auf dem linken Oberschenkel ruht. Die Jôin-Mudrâ kann in drei Grundtypen unterschieden werden: Typ A: Gandhara-Stil – in Japan in der Zeit vom 8. – 10. Jh., kaum mehr danach; auch nicht die Variante. Typ B: ist wahrscheinlich die älteste Form Typ C: ist die letzte Form und wurde hauptsächlich bei Statuen des esoterischen Buddhismus – dem so genannten esoterischen Amida – angewandt; diese Art der Gestik ist in Indien unbekannt. Jede dieser drei Formen entspricht einem speziellen Rang in der Amida-Hierarchie. 6 JÔIN Die Mudrâ symbolisiert die komplette Absorbierung der Gedanken durch äußerste Kontemplation und Konzentration in der Meditation – so dass die Grenzen der „realen Phänomene“ überschritten werden und der Meditierende ist nun fähig, sich mit der „Höchsten Einheit“ zu vereinen. Der Legende nach fand man Buddha in dieser Mudrâ meditierend unter dem BodhiBaum, wo er von den Dämonen der Mâra attackiert wurde. Typ C Typ B 7 TEMBÔRININ Typ A/Variante 2 Typ A/Variante 1 Mudrâ der Drehung des Rades Diese Gestik ist charakterisiert durch eine Vielfalt von Mutationen bis sie Japan erreichte. Allgemein wird die rechte Hand in Höhe der Brust, mit der Handfläche nach außen, gehalten. Zeigefinger und Daumen bilden den mystischen Kreis (Rad), diese berühren einen Finger der linken Hand, dessen Handflächen nach innen zeigen. Die esoterische Signifikanz dieser Mudrâ basiert auf dem Symbol des Rades, das wiederum mit einem früheren, vorbuddhistischen, indoeuropäischen Symbol der Sonne korrespondiert. Buddha Vairocana, der dieses Attribut trägt, zeigt klar seine solare Natur; er löst Lügen und Fehler auf, zerstreut sie, so wie die Sonne die Morgennebel zerstreut. Die Gestik des Tembôrinin ist, mit Ausnahme des Bodhisattva Miroku (Maitreya), Buddha vorbehalten. In Indien ist diese Mudrâ assoziiert mit Maitreya, der auf einem Thron sitzend, mit übereinander geschlagenen Beinen (europäische Sitzposition), dargestellt wird. Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 11 Varianten von 7: 8 CHIKENIN Mudrâ der Wissensfaust Statuen des Dainichi (in der Kongôkai – Diamantenen Welt), für den diese Gestik hauptsächlich ist, wird in sitzender Position, mit gekreuzten Beinen, den Fußsohlen nach oben, dargestellt – dies ist die Position der inneren Meditation. Die rechte Hand umschließt den linken Zeigefinger, der Daumen der rechten Hand schließt den oberen Bereich ab. Die Faust wird als Diamant-Faust, der umschlossene Zeigefinger als Diamantfinger bezeichnet, wobei der Zeigefinger die Welt des Diesseits symbolisiert, der von der Welt der Buddhas (Faust) umgeben und beschützt wird. 6 Nebenformen und die Âsana 9 10 11 KANJÔIN Mudrâ der Einweihung (Wasser über den Kopf gießen) Diese Mudrâ wird niemals von einem Buddha gemacht, manchmal von Bodhisattvas, und weist nur auf heilige Persönlichkeiten untergeordneter Stellung, um auf die Einweihung hinzuweisen, die dem Zelebranten das „Wissen Buddhas“ garantiert. BUPPATSUIN Mudrâ von Buddhas Almosenschale Um diese Mudrâ zu formen, sitzt der Zelebrant in Yogâsana – die Fußsohlen nach oben gekehrt. Die zwei Hände werden übereinander in Höhe des Bauchnabels gehalten. Die Symbolik dieser Gestik deutet darauf hin, dass jemand, der kein „Gefäß“ (das ist jemand, der nicht das „Kaliber“ dazu hat, das „Gute Gesetz“ zu erringen) ist, wird zum Gefäß des Gesetzes. Diese Mudrâ ist auf Shakamuni beschränkt. BASAKA UN KONGÔIN Basaraun – Diamant-Mudrâ Diese Mudrâ ist charakteristisch für Vajra-Hûm, dessen diamantähnliche Härte und Stärke seinen wutentbrannten Grimm (gegen alles den Buddhismus Bedrohende) durch die vor der Brust gekreuzten Fäuste kennzeichnet, wobei die Handgelenke nach außen gedreht werden. Die rechte Hand hält ein Vajra (Symbol des Wissens), die linke eine Glocke (Symbol des Gesetzes). Das Vorhandensein dieser beiden Gegenstände ist für den Meditierenden jedoch nicht notwendig. Varianten von 11: Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 12 Mudrâ Allgegenwart (der drei Mysterien) Die Geste wird durch das Aneinanderlegen der beiden Handflächen geformt, wobei Mittel-, Ring- und kleiner Finger gestreckt sind und sich berühren. Die Zeigefinger sind abgewinkelt und ihre Spitzen treffen auf die Daumen, die aneinander liegen. 12 13 14 MUSHOFUSHIIN Dieser Anordnung liegt folgender Symbolismus zugrunde: - die gestreckten Finger repräsentieren die „Sechs Originalsubstanzen“, - die Daumen und Zeigefinger die „Vier Arten der Mandala“; - die zwei Daumen (Hôsho – links, Shaka – rechts). Die drei Öffnungen – Dreiecke – die durch die Finger geformt werden, symbolisieren die „Drei Mysterien“ Wort, Gedanke und Körper, die die Dreieinigkeit formt. Diese Mudrâ ist Dainichinyorai zugeordnet, der das „Höchste Prinzip“ darstellt. ONGYÔIN Mudrâ der versteckten Form Die linke Hand ist zur Faust geballt – die „Faust der Leere“ – darüber die offene Rechte mit horizontal gestreckten Fingern. Die magische Kraft dieser Geste ist, die Form (des Körpers) zu verbergen, sich von den Blicken anderer zu lösen. Die Vorstellung, sich zu verbergen, ist eng mit der Göttin Marishiten, der Göttin des Lichts verbunden, unterstützt von Sonne und Mond, die laut japanischer Vorstellung in einem der Sterne des Großen Bären residieren. GEBAKUKENIN Mudrâ der nach außen gebundenen verschränkten Fäuste Diese Gestik wird durch das Verschließen bzw. Verschränken der beiden Hände geformt. Diese Gestik kann auch mit der Mudrâ der nach innen verbundenen Fäuste verglichen werden. Die Mudrâ signalisiert Befreiung von den Fesseln der Leidenschaften und drückt die Vollkommenheit der „zehn Stufen“ aus. Diese Gestik kann mit der Mudrâ Naibakukenin (Gestik der nach innen verschränkten Finger) verglichen werden. Entsprechend zur Stellung der Finger unterscheiden sich die beiden Mudrâs auch auf der symbolischen Ebene: - Das Gebakukenin repräsentiert den Eid der Lebewesen zur Erleuchtung (Buddha); - das Naibakukenin, den Eid Buddhas, um den Lebewesen zur Erleuchtung zu verhelfen. Im esoterischen Buddhismus der Shingon-Sekte symbolisiert das Gebakukenin das Herz und Mitgefühl Buddhas. Die Öffnung, die zwischen Daumen und Zeigefinger besteht, ermöglicht Lebewesen, sich in der Faust Buddhas zu versammeln. Diese Mudrâ wird oft von heiligen Persönlichkeiten, meist von niederem Rang verwendet, niemals von Buddha. Naibakukenin Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 13 Zu den Mudrâformen kann man auch noch die Sitzpositionen und die dazugehörigen Thronformen zählen. 15 15a 15b 15c 15d 15e ZA (sanskr.: ÂSANA) RENGEZA HANKAZA Dies ist eine der ältesten Sitzpositionen, die bereits in den Upanischaden und in den Veden erwähnt wird. Der „Zweck“ dieser Sitzposition ist immer derselbe: Das Ende allen Übels bzw. das Bewusstsein wird nicht mehr gestört durch die „Präsenz des Körpers“. Lotosposition (und Thron) Sie ist als Sitz oder für einen Sockel gedacht und wurde hauptsächlich im nördlichen Buddhismus verwendet, wo fast alle göttlichen Wesen, mit wenigen Ausnahmen, auf einer Lotosblüte stehend oder auf dem Lotosthron sitzend dargestellt werden. Der frühe Buddha stand als greifbarer Mensch auf dem Boden, aber im Mahâyâna-Buddhismus wurde er zur Epiphanie einer transzendentalen Wesens und dadurch auf den Lotosthron (der kosmischen Blume) gehoben. Dieses Lotossymbol, das ursprünglich mit der Göttin Padmâ-Laksmî assoziiert wurde, bedeutete göttliche physische Lebenskraft. Wenn die Rengeza-Sitzposition ausgeführt wird, sind beide Beine eingeschlagen, mit den Fußsohlen nach oben, die jeweils auf dem gegenüber liegenden Oberschenkel aufliegen. Obwohl diese Sitzposition stark mit Buddha Shakamuni verbunden ist, ist sie aber auch bei zahlreichen Bodhisattvas, Heiligen, Mönchen usw. zu sehen. Der „Halb“-Lotossitz (Attitüde des Helden) ist eine Variante der vorherigen und symbolisiert den über die Dämonen siegreichen Bodhisattva, der Souverän, der das Gesetz verbreitet und die Kräfte des Bösen unterdrückt. LALITÂSANA Position der Entspannung In dieser Haltung wird eine Persönlichkeit, sitzend auf einem Lotospodium, dargestellt, wobei ein vom Podium hängender Fuß (meist der Rechte) vom anderen auf dem Podium liegenden unterstützt wird. Diese Sitzposition ist charakteristisch für Bodhisattvas. MAHÂRÂJALÎLÂSANA Position der königlichen Muse Diese Position ist üblich für Bodhisattvas wie Monju (Manjus’ri) und Kannon (Avalokitesvara), aber auch für den frühen asketischen Sakyamuni in Indien. In dieser Position liegt das linke Bein abgewinkelt auf dem Lotosthron, mit nach oben zeigender Fußsohle; der rechte Fuß steht am Rand des Throns, der rechte Unterschenkel aufrecht, wobei das Knie als Auflager für den rechten Arm fungiert. Der linke Art stützt sie Skulptur ab. Diese Position ist für Mönche formell verboten. Sitzposition von Maitreya Bei dieser Sitzposition hängen herab und berühren den Boden, überkreuzt. Als Sitzposition sie eng verbunden mit der Mudrâ des Drehens des Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK beide Beine oftmals Maitreyas ist Tembôrinin, der Gesetzesrades. Mudrâ 14 Varianten zu 15e: 15f 16 Sitzposition der Nachdenklichkeit Diese Position dürfte keinerlei Rückhalt in den buddhistischen Texten haben. Statuen in dieser Haltung zeigen den Ellbogen aufgestützt auf dem (meist rechten) erhabenen Knie, der Fuß bzw. das Fußgelenk auf dem anderen Knie des herunter hängenden Beines aufliegend. Die meist rechte Hand ist erhoben, angelegt an die Wange, das Kinn, des leicht geneigten Kopfes oder die Stirn in der Art der „Halb-„Meditation bzw. „wie in Gedanken versunken“. Die andere Hand ruht auf dem aufliegenden Fußgelenk. Thron Einige typische dekorative Elemente müssen im Zusammenhang mit der dargestellten Skulptur gesehen werden. Das sind: 16a der Schildkrötenthron Kûrmâsana; oval in der Form wie die eines Spiegels und hat Kopf und Füße wie die einer Schildkröte; 16b Makarâsana – Thron, der gestützt wird durch Makarâ (Monster, die wie Fische aussehen); 16c Simhâsana – Löwenthron (ein königliches Symbol) 16d Elefantenthron – Symbol der Souveränität und Weisheit b, c, d) formen die drei Elemente, die assoziiert sind mit Maitreya und der Dharmazakra-Mudrâ, die mit den königlichen Symbolen durchdrungen ist. Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 16e KONGÔZA 15 Weitere übliche Thronformen sind: Der Sitz Buddhas unter dem Baum der Weisheit; gewöhnlich in Form einer quadratischen Plattform; Thron in Form eines Löwen oder auf Löwen ruhend; „der König der Tiere trägt Buddha, den König des Gesetzes“. Buddha, der ein „Löwe unter den Menschen“ ist, dessen Predigten wie das „Brüllen eines Löwen“ sind (Simhanâda). Der Löwenthron ist assoziiert mit Dainichinyorai und dem Bodhisattva Monzu (repräsentiert Weisheit und Realisierung aller Buddhas – links von Shakamuni), etc. Ichijikinrin Butchô („Eine Silbe Goldrad“ – aus Buddhas Kopf entsprungen; sein Zauberspruch Bhrum hilft bei verschiedenen Krankheiten und leichter Geburt) hat sieben Löwen. 16f SHISHIZA 16c TENIZA Eine Plattform, die mit himmlischem Gewebe überspannt ist 16d RENGEZA 8-blättriger Lotosthron, aber auch Lotos mit 1000 Blättern kommen vor Eine Art des Thrones in Form eines Felsens oder aus kurios aussehenden Holzstücken; charakteristisch für Fudô Myôô, den Wächterkönigen, die den Buddhismus und dessen Anhänger beschützen; oft mit grimmigem Aussehen. 16e BANJAKUZA 16f KAYÔZA Ein Thron in der Form einer auf den Kopf gestellten Wasserlilie; wird verwendet für verschiedene göttliche Wesen. SENDAIZA Ein Thron in Form des mystischen Berges Sumeru – quadratisch in seiner Form, besteht er aus mehreren Schichten, die von unten nach oben zur Mitte hin kleiner und von der Mitte nach oben größer werden – 16 Schichten (X-Form in der Ansicht); diese 32 Schichten korrespondieren mit 32 göttlichen Wesen der Kongôkai (Diamantwelt). Diese Form des Thrones wird speziell für die Statuen des Buddha („große Erleuchtung“) Dainichi Nyorai verwendet. 16g Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 16 auf einem Tier, mystischen Vogel, Dämon reitend oder stehend 1. Elefant für Bodhisattva Fugen (der die immanenten Prinzipien, Meditation und Praktiken aller von allen Buddhas repräsentiert) – rechts von Buddha Shakamuni und Taishakuten (Indra) – Gott, der den Buddhismus und seine Anhänger beschützt. 2. Pfau von Kujaku Myôô (dem „Großen Pfauen-Weisheitskönig“), der den Eid schwor, sämtliche Hindernisse und Kalamitäten, die die Lebewesen beeinträchtigen, zu entfernen; der Pfau, der giftige Pflanzen und giftiges Gewürm frisst und deren Gift in Nektar umwandelt. 3. Pferd – assoziiert mit Nichiten (Sûrya); 4. Karuka bzw. Garuda (mystischer Vogel) ist verbunden mit Fukûjôju Nyorai (Buddha des Nordens – einer der fünf Buddhas der Diamantwelt-Sutra); Kujaku Myôô 5. 16h CHÔJÛZA oder KINJÛZA 6. 7. 8. Nichiten Garuda Büffelthron – ist mit Dai Itoku Myôô (Wasserbüffel), Enmaten (weißer Wasserbüffel) verbunden; Dämonen für Daigen Myôô (einer der Weisheitskönige, der den Staat und die Bevölkerung beschützt); Schildkröte für Suiten; Hirsch bzw. Reh für Fûten; Enmaten Suiten Fûten 9. Wildschwein für Marishiten; 10. Gans für Gatten. Marishiten Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Gatten Mudrâ 17 Attribute Das sind jene Dinge, die die göttlichen Wesen, Bodhisattvas mit Ausnahme Buddhas, in ihren Händen halten und dienen als Symbole, um die einzelnen Wesen zu unterscheiden. Einige Attribute (8 - übernommen aus indischer Königsverehrung) werden als aniconische Repräsentationen des historischen Buddhas verwendet wie: Muschel (ruft zur Predigt) Baldachin (beschirmt die Lebewesen) Lotos (Reinheit) Goldfische (stehen für Erlösung) Rad (versinnbildlicht die Predigt, das Gesetz) Schirm (überdacht alle Heilkräuter) Vase (versinnbildlicht vollkommene Weisheit) Knoten (ewiges Leben) Weiters in der Folge die wichtigsten Attribute (18) der göttlichen Wesen im japanisch-buddhistische Pantheon: 1 HACHI Almosenschale eine der „6 persönlichen Dinge“ eines Mönches – ein einfaches Utensil, das mit den Gaben der Spender korrespondieren soll. Am Beispiel der Stupa wird die Almosenschale als Behälter zum Symbol von Dharma (Hô, „Essenz“). Die Almosenschale ist als einzige Ausnahme ein charakteristisches Attribut für Amida und Shakamuni in China – bei Amida liegt sie auf beiden Händen (in der Jôin-Mudrâ); bei Statuen von Shakamuni wird sie von einer seiner Hände gehalten. Nicht so in Japan, mit Ausnahme des Yakushi (Medizinbuddha), der manchmal eine Medizinschale aus Lapislazuli in Form der Almosenschale hält, aber oft fehlt die Schale und nur durch die Handhaltung der Yakkoin-Mudrâ wird sie angedeutet. 2 ONO Axt – Symbol des Aufbauens, der Entwicklung, auch als Waffe zur Verteidigung, zum Schutz sowie das Böse, das das Gesetz beeinträchtigt zerhacken KANE Glocke Die Glocke steht für Unbeständigkeit. Dies wird durch den Gedanken ausgedrückt: „Der Laut, den sie aussendet, ist vergänglich; er wird wahrgenommen aber er kann nicht behalten werden.“ Die phänomenale Welt ist wie der Laut einer Glocke. Alle Dinge sind vergänglich. Die Glocke ist ein Attribut einiger göttlicher Wesen aber die wichtigsten sind die 5 Myôô (Wächterkönige) und die vielarmige Kanon; meist in der linken Hand gehalten, was die diesseitige Welt bedeutet aber auch Weisheit. YUMI Bogen und Pfeil Der Pfeil repräsentiert eine buddhistische Waffe gegen das Böse. Bei Aizen Myôô (Gott der Liebe) vertreiben Bogen und Pfeil Vergesslichkeit, die sich aus Sorglosigkeit gegenüber buddhistischen Prinzipien und Negation des Gesetzes zusammensetzt. Auf der anderen Seite symbolisiert der Kontakt von beiden – Liebe oder Konzentration und Weisheit. 3 4 Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 5 6 7 8 18 HORA Tritons(schnecke)horn Sie diente im alten Indien als Signaltrompete für die Armen. Im Brahmanismus war die Trompetenschnecke eines der meist verwendeten Attribute göttlicher Wesen wie Vishnu und mit ihm assoziierte Götter. Er symbolisierte im frühen Indien Autorität und Souveränität des Königs. Die Verwendung im Buddhismus ist nur eine Adaption dieser frühen Symbolik – war sie die Überträgerin der Botschaften in der Armee des alten Indien, so war sie im Buddhismus das Symbol für die Verbreitung des Gesetzes und dessen Universalität und Stärke. HOSSU Wedel Durch die Berührung des Novizen an Kopf und Körper mit dem Wedel durch den Priester wird alles Böse, alle Missliebigkeit, die die Erleuchtung stören könnte, abgewehrt. Es symbolisiert Gehorsam gegenüber dem Gesetz, speziell Gehorsam im Besonderen dem Grundsatz des „Nicht Verletzens“. Für den historischen Buddha waren der Wedel wie auch der Schirm (beide weiß) ein Zeichen seiner königlichen Würde. Der Wedel wird oft auch von kirchlichen Würdenträgern getragen, um ihre Aufgabe – den ihnen Untergeordneten den Weg zur Erleuchtung zu weisen – anzuzeigen. NYOISHU HOKO/ SANKOGEKI Juwel bzw. Perle Auf der symbolischen Ebene existieren mehrere Gruppen von Pretiosen: - die Gruppe der 9 Juwelen des Brahmanismus - die Gruppe der 7 Juwelen (oft in China und Tibet) a) das goldene Rad – steht für die Universalität des Gesetzes b) die Perle, welche Wünsche gewährt c) die königliche Partnerin oder ideale Frau d) den Schimmel e) den weißen Elefanten oder das königliche Reittier, das für die Propagierung der Lehre gilt f) den perfekten Beamten g) den perfekten General - in Japan die 3 Juwelen – Buddha, Dharma (das Gesetz) und Saigha (die Gemeinschaft). Diese drei Juwelen werden in Japan meist zu einer zusammengefasst, die von einem 3-zügigen Feuer umgeben ist, das die Perle in drei Zonen teilt. Im Taoismus wird das Juwel zum Symbol des Reichtums und der Prosperität – dies findet sich in der Legende der feurig leuchtenden Perle, die der Drachenkönig des Meeres an Miao Chen sandte. Im Buddhismus ist das Juwel durch ihre Leuchtkraft und Brillanz zum Symbol Buddhas und der Lehre, als Perle zum Emblem der Reinheit und repräsentiert die Wahrheit Buddhas und die Richtigkeit des Gesetzes. Lanze – Dreizack Diese beiden Attribute, die im gesamten asiatischen Bereich Kriegs- als auch Jagdwaffen waren, waren entsprechend der buddhistischen Ikonographie symbolische Waffen gegen das Böse. Der Dreizack galt als aniconische Repräsentation, als das Wesen Buddhas. Im tantrischen, lamaistischen Buddhismus gilt der Dreizack als exorzistisches Instrument, eine magische Wand, die Kraft über die Dämonen bewirkt. In China erscheint der Dreizack bei taoistischen Heiligen. Der Dreizack kann auch mit dem Pfeiler, der Himmel und Erde „auseinander“ hält, identifiziert werden – der Achse des Universums. Oft wird der Dreizack in den Händen der „Wächterkönige“ gesehen, die die Dämonen in die Flucht schlagen, um die Lehre zu beschützen und zu verteidigen. Bei Monzu symbolisiert der Dreizack die Verbreitung des Wortes durch seine drei Aktionen (Werke, Rede, Gedanken) und bei der Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 19 mehrarmigen Kannon die Verbreitung ihres Mitgefühls. Lotos Dies ist eines der ältesten buddhistischen Symbole und das am meisten verwendete. Die Lotosblume, die sich eher aus sich selbst erzeugt („Die Buddhas, wie der Lotos existieren durch sich selbst.“ – Svayambhû.) als vom Boden des Teiches, ist ein Symbol der Spontaneität. Und der Lotos, der als Sitz oder Thron für Buddha dient, indiziert deshalb göttliche Geburt. Der Âdi-Buddha (Urbuddha) manifestiert sich als eine, aus dem Lotos entspringende Flamme. Im Amida-Buddhismus wird die Lotosblume als Manifestation göttlicher Wesen gesehen. Die von den Gläubigen geopferte Lotosblüte zeigt den Willen der Opfernden, sein Ich aufzugeben, die Aufgabe seiner eigenen Natur für Buddha, Verzicht auf eine unabhängige Existenz. Anhänger des „nördlichen Buddhismus“ glauben an die Existenz eines Lotosteiches im westlichen Paradies Amidas. Man glaubt, dass sich nach der Geburt eines Buddhisten auf der Wasseroberfläche eine Knospe zeige und entsprechend der Lebensführung desjenigen kommt sie zum Erblühen oder Verwelken. Ähnlich wie Lotos, der im Schlamm wurzelt und unbefleckt zur Wasseroberfläche wächst, um zu erblühen (symbolisiert Reinheit und Vollkommenheit), wird Buddha in der Welt der Lebewesen geboren, existiert aber über dieser Welt. Weiters wird der Lotos zum Symbol des Sommers, der Fruchtbarkeit, Stärke (spirituell sowie auch materiell). Im Tantrismus wird der Lotos zum Symbol des weiblichen Prinzips, das in Folge dann zum weiblichen Geschlechtsorgan wird, wie dann auch das Vajra (der „Donnerkeil“, der Blitz – die magische Waffe Indras) zum männlichen wird und die Darstellung des Vajra auf der Lotosblüte, symbolisiert die Vereinigung des Masculinen mit dem Femininen, von Wissen und Prinzip, als Ausdruck der Identifizierung mit der Gottheit. 9 RENGE Der Lotos wird als Symbol der Mutterleibswelt (Taizôka) erscheint in der Mantra „Om Mani Padme Hûm“, wobei der Lotos das materielle Element (Taizôkai) und das Juwel (Mani) das spirituelle (Kngôkai) darstellt. Dasselbe stellt der Lotos in der Vase dar, wobei Lotos und Vase die Vereinigung des Spirituellen mit dem Materiellen repräsentiert. Die Lotosblüten werden in drei Farben unterschieden: - der rote Lotos mit abgerundeten Blättern, - der blaue Lotos mit spitzen Blättern, - der weiße Lotos (im Besonderen das Symbol der Reinheit). Der rote Lotos ist eines der Symbole, die auf dem Fuß Buddhas gesehen werden kann, es bedeutet „Rote Lotos Hölle“ (Kuren Jigoku) – die siebte der acht kalten Höllen, wobei der blaue Lotos auf die sechse dieser Höllen hinweisen kann aber auch das „Auge des blauen Lotos“ kann auch das wunderbare, phantastische Auge Buddhas bedeuten. Die Darstellung der Lotusknospen an Stielen erfolgt in drei Formen: 3 Lotos: Dreiteilung der Mutterleibsmandala (Buddha = Vairocana, Lotus und Vajra) wie auch die drei Tugenden Buddhas (Daijô – große Konzentration, Daichi – großes Wissen, Daihi – großes Mitgefühl). 5 Lotos: bedeuten die fünf Wissensgebiete der Diamantweltmandala (der TendaiSekte und der Daigo-Schule der Shingon-Sekte). 1 Lotos mit Chrysanthemen (Blume der japanischen Kaiserfamilie) repräsentiert Dharmakâya (jap.: Hosshin) – Körper der ultimativen Realität (Gesetzeskörper). Die 8-blättrige Lotosblüte zeigt den „8-fachen Pfad“ – die Gesamtheit von Buddhas Lehre – an. In China wurde die Lotosblume ein Attribut der Kuanyin (jap.: Kannon) – sie hält in ihrer rechten Hand eine Lotosknospe an einem langen Stiel, in der linken oft eine Vase. Vom 6. Jh. an kann der Lotos durch einen Weidenzweig ersetzt sein. Aber auch für andere göttliche Wesen wie dem Jizô Myôô ist der Lotos zugeordnet, wobei ein gelber Lotos sich unter einem Fuß, ein weißer sich unter Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 20 dem anderen befindet. Der Lotosthron sei nochmals erwähnt als Sitz des historischen Buddha Amida aber auch anderer göttlicher Wesen. 10 11 KAGAMI SOTOBA/TÔ Spiegel Der Spiegel symbolisiert die Leere; er spiegelt alle Dinge der Welt, aber das Spiegelbild bleibt substanzlos, d. h. jede Substanz ist Illusion. Der Spiegel sollte darauf aufmerksam machen, dass ein vergänglicher Faktor der Existenz (Dharma) nicht mehr Realität hat, als das Bild im Spiegel. Der Spiegel wird von der vielarmigen Avalokitesvara (jap.: Kannon) in der fünften rechten Hand gehalten. Weiters ist er ein Attribut von Ashuku (dem Buddha des Ostens, der Diamantweltmandala) – Daienkyôchi „die große, perfekte Spiegel-Weisheit“ (erste der vier Weisheiten der Hossô-Sekte (Dharma-Aspekt) bzw. zweite der fünf Weisheiten des esoterischen Buddhismus entsprechend den fünf Buddhas. - Dainichi (Mahâvairocana) im Zentrum repräsentiert „die Weisheit, das Wissen über die Quintessenz aller Existenzen) - Ashuku (Aksobhya) im Osten repräsentiert Daienkyôchi s. o. - Hôshô (Ratnasambhava) im Süden repräsentiert Syôdôshôchi (die Weisheit, das Wissen über die Gleichheit aller Dinge) - Amida oder auch Muryôju (Amitâyus) im Westen repräsentiert Myôkan Zatchi (die Weisheit, das Wissen über die distinktiven Merkmale aller Phänomene) - Fukûjôju (Amoghasiddhi) im Norden repräsentiert Jôshosachi (die Weisheit, das Wissen über das Verwollständigen der Metamorphose) Sotoba (Grabmal – Grabtafel); Tô (Hôtô – „kostbarer Turm“; Turm für kostbare Reliquien); sanskr.: Stupa Die Bedeutung der kleinen Reliquiare, die von einigen göttlichen Wesen in Form einer Pagode gehalten werden, hat ihre Inspiration vom Symbolismus der großen Reliquien-Stupa in Sanchi (Indien). Es ist nicht mehr als ein riesiges Reliquiar, gebaut, um die verehrungswürdigen Reliquien des historischen Buddhas aufzubewahren. In Sanchi kam es sehr bald zur Festlegung von Regeln, Riten (z. B. Umrunden der Stupa). Der Tatsache, dass materielle Dinge Buddhas in der Stupa aufbewahrt wurden, folgte die Identifikation der Stupa mit Buddha, mit seinem spirituellen Leib auch als König des Universums, auf natürliche Art und Weise. Der Symbolgehalt erweiterte sich stetig – die Stupa wurde als Repräsentant Buddhas zum Objekt der Meditation; ihre Basis stellte die Erde und ihre Kuppel (Hügel) das magische Universum dar. Die Form der Stupa „stammt“ von Shakamuni selbst, indem er die umgedrehte Almosenschale auf seine quadratisch gefaltete Kleidung stellte. Er formte so Basis und Kuppel des Heiligtums. Die gesamte Anlage wurde zur Repräsentation des Universums – die Basis (Berg Sumeru) ist umgeben von der himmlischen Kuppel und beide sind verbunden durch eine zentrale Stütze, die die kosmische Achse darstellt. Später, unter dem Einfluss des tantrischen Buddhismus entstand eine Art stilisierter Stupa, die sich aus geometrischen Formen und Körpern zusammensetzt. Entsprechend der Shingon-Sekte symbolisiert diese Stupa den Buddha Dainichi (Mahâvairocana – die große Illumination, höchste Helligkeit ultimativer Realität, der alle Dinge unterliegen und sich in den fünf Elementen der Welt und dem nicht vorhandenen Gewissen, da es unsichtbar ist, wie das sechste Element, manifestiert. Anders als die klassische Stupa symbolisiert die fünfstöckige geometrische Stupa folgende Elemente: Quadrat oder Würfel – Erde; Kreis oder Kugel – Wasser; Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 21 Dreieck oder Pyramide – Feuer; Halbkreis oder Halbkugel – Luft; Dreieck über Halbkreis oder Pyramide über Halbkugel – Leere. Die beiden letztgenannten geometrischen Körper formen die Basis der Stupa und repräsentieren die fundamentalen Elemente der realen Welt (Jitsu Zaikai) – die drei weiteren, die sich darüber erheben, repräsentieren die „Transmutation der Substanzen der Welt der Phänomene (Genshôkai). Diese Verbindung betont die Koexistenz der spirituellen und phänomenalen Welt Kongôkai (Diamantwelt) und Taizôkai (Mutterleibswelt). 12 KENSAKU Fallstrick Das Kensaku wurde ursprünglich als Waffe bzw. zur Jagd verwendet. Im esoterischen Buddhismus symbolisiert sie ein Mittel zur Eindämmung schlechter Eigenschaften und auch zur Unterdrückung der vier Arten von Dämonen (Shima): 1. Bonnôma – schlechte Angewohnheiten; 2. Onma – die fünf konstituierenden Elemente des Lebens, die zahlreiche Schmerzen hervorrufen; 3. Shima – Tod; 4. Takejizaitenshima – König der Dämonen; im Takejitai – Himmel (sechster Himmel im Reich des Verlangens – Yokkai) -, der versucht, die Gläubigen von guten Taten abzuhalten. Das Kensaku ist eines von vierzehn Hauptattributen von Fudô, der es dazu benützt, um Dämonen und Gesetzesbrecher zu fesseln, um das Gesetz zu schützen. Meist hat er das Seil in seiner Linken, in der anderen Hand das Schwert. Schwert und Kensaku repräsentieren zusammen die Unteilbarkeit von Wissen und Prinzip. In Japan ist das Seil auch eines der Attribute von Fukûkensaku Kannon – Avalokitesvara „der unfehlbaren Fischerleine“ – d. h. seine Leine ist niemals leer (Fukû) – mit der er gefühlsbetonte, denkende Wesen zur Erlösung führt. 13 NENJÛ „Gedankenperlen“ – so genannter Rosenkranz Das Nenjû spielt eine wesentliche Rolle im lamaistischen Buddhismus, erreicht aber in Japan seine volle Entwicklung, auch in seiner symbolischen Bedeutung. Der kurze, mit 18 Perlen besetzte Rosenkranz symbolisiert die 18 Arhat, wird aber weniger verwendet als der mit 108 Perlen. (Es gibt sie auch 9, 21, 42 oder 54 Perlen.) Zu dieser jeweiligen Anordnung kommen noch die 4 Perlen der 4 Shitenno (Himmelskönige, die den Rosenkranz teilen). Das Nenjû mit 108 Perlen wird hauptsächlich von der Shingon-Sekte verwendet – die 108 Perlen symbolisieren die 108 göttlichen Wesen der Kongôkai-Sutra, auch die 108 Wissensformen bzw. Karma-Fesseln. Im Hinduismus spielt die Zahl 18 eine wichtige Rolle, weiters 108, 1008. (Die Zwischensumme ergibt jeweils 9, die potenzierte 3; aber auch 9 multipliziert mit 12. Es gibt 108 Upanishaden („geheime Sitzungen“ – Sammlung von Texten, die das in „vertraulichen Sitzungen“ von Lehrern ihren Schülern mitgeteilte esoterische Wissen wiedergeben), 108 Namen für Vishnu ind er Mahâbhârata (eine der beiden indischen Nationalepen) und 108 Namen für Shiva. Auch im tibetischen Buddhismus hat die Zahl 108 einen heiligen Bezug – 108 Volumen stark ist bei manchen Ausgaben das Rangyur, 108 Merkmale der Buddhaschaft, 108 Votivlampen, 108 Namen für Buddha … 108 ist die Anzahl der Perlen eines Shivaitischen Rosenkranzes und die Zahl 108 wird allgemein als quasi-magische Zahl in einer Anzahl von indischen Religionen verwendet. Ihren Ursprung hat sie von den 10800 (das Dreißigfache der Zahl 360 und die Anzahl von Versen in der Rigveda; Veda = das Wissen, Sammelname der ältesten religiösen Literatur der Inder – ca. 2000 v. Chr.). Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 22 Am Ende des tibetischen Nenjû befinden sich drei größere Perlen, die die BuddhaTrinität (Buddha, Lehre, Gemeinschaft) symbolisieren. Das Nenjû war im buddhistischen Indien ein Attribut des zweihändigen Avalokitesvara (Kannon) aber später war es nur mehr das Attribut der zweihändigen Kannon – dazu kamen die Wasservase, der rote Lotos und der Nenjû. Die 108 Perlen repräsentieren die Leidenschaften (Bonnô), die den Geist und Körper vergiften. Der Rosenkranz, der von der Kannon gehalten wird, zeigt an, dass die Gottheit selbst mit ihrem Mitgefühl die Leidenschaften übernimmt, die den Gläubigen an die Welt binden und befreit ihn dadurch von den Hindernissen seiner Begierden. Auch die rote Schnur, auf der die Perlen aufgereiht sind, symbolisiert das Mitgefühl der Kannon. 14 15 OKYÔ/FUDE SHAKUJÔ Schriftrolle und Pinsel werden generell gemeinsam dargestellt, aber, ähnlich wie Bogen und Pfeil, können sie auch separat dargestellt werden. Die Schriftrolle verkörpert die heiligen Texte des buddhistischen Kanons – Aufbewahrung der Wahrheit. Anstatt der Schriftrolle kann auch ein Buch dargestellt werden – Indien, Tibet, auch in China und Japan – aber aufgrund der Tatsache, dass in China auf Schriftrollen geschrieben wurde – auch die buddhistischen Texte – kam es zur Transformation in der Darstellung. In Japan werden Schriftrolle und Pinsel zum Attribut des Wächterkönigs Kômokuten, der in seiner Rechten den Pinsel und in seiner Linken die Schriftrolle hält, um zu symbolisieren, dass er das Gesetz schützt. Manchmal wird auch die Senju Kannon – „eintausend Hände und eintausend Augen“-Kannon mit diesen Attributen ausgestattet. 1000 symbolisiert nur unendlich viel, aber die Darstellungen haben gewöhnlich an die 40 Arme. Die vielen Arme und Augen zeigen ihre unbegrenzten Möglichkeiten, die Seelen zu erretten und manchmal von göttlichen Wesen niedriger Rangordnung. („Kupferstab“) Sistrum Das Sistrum folgte dem langen Weg des Buddhismus von Indien bis Japan. Die erste Darstellung findet sich in den Wandmalereien von Dunhuang. Der historische Buddha selbst befahl den Bettelmönchen, ein Sistrum zu verwenden, um damit ihre Gegenwart (da sie das Gebot des Schweigens nicht brechen dürfen) vor der Tür eines Hauses anzuzeigen. Weiters verbietet der Buddhismus Lebewesen zu verletzen und so soll das Sistrum diese verscheuchen, um nicht während des Gehens vom Mönch verletzt oder getötet zu werden. In derselben Art soll es gefährliche Tiere abschrecken, den Mönch auf seinem Weg zu töten. Weiters soll ihr Lärm die Ablenkungen des irdischen Lebens, der der Mönch entfliehen möchte, vertreiben. Das buddhistische Sistrum besteht meist aus einem hexagonalen, hölzernen Griff, auf der eine Metallspitze verschiedenster Form aufgesetzt ist. In diesem Metallteil, in dem die „vitalen Kräfte“ gebunden sind, befinden sich an jeder Seite der zentralen Achse eine gerade Anzahl (4, 6, 12) Ringe, die durch Schütteln aneinander geschlagen werden und dadurch Lärm erzeugen – „der Stock mit der Stimme“ (Ushôjô). Das Sistrum mit 4 Ringen repräsentiert die 4 Wahrheiten, jenes mit 6 Ringen die 6 Vollkommenheiten. Jener Buddha – Pratyekabuddha (jap. Engaku) – der ein Sistrum mit 12 Ringen trägt, erlangte ohne eines Meisters Wegweisung, Leitung, die Erleuchtung durch die Beachtung der 12 Kausalitätsprinzipien (Jûniinnen). Das Sistrum hat auch noch weitere Bedeutung, die ausgedrückt wird durch: Chijô – Wissenschaft, da es heiliges Wissen enthüllt Tokujô – Akkumulierung von Verdiensten. Es ist Symbol der heiligen Männer, Bezeichnung der Weisen und das „wahre Banner“ des Gesetzes (Dharma). Im Tantrismus wird das Sistrum auch zur Bannung böser Geister verwendet. In Japan ist das Sistrum eines der „16 Objekte“, die unentbehrlich für die okkulten Riten der Yamabushi („Bergschläfer“ – Mönch des Bergbuddhismus) sind. Weiters Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 23 ist es einer der 16 Gegenstände, die ein buddhistischer Mönch bei sich tragen sollte. Unter den göttlichen Wesen, deren Attribut es ist, sei Bodhisattva Jizô („Erdspeicher“ – hauptsächlich populär als Erlöser toter Kinder) genannt – hier symbolisiert es seine Nächstenliebe, bei Monzu seine Weisheit, bei der 1000armigen Kannon ihr Mitgefühl und zuletzt Buddha Yakushi, der es manchmal in seiner rechten Hand hänlt sowie die Bettelschale in der linken (vorwiegend in China). 16 KEN Schwert Das Schwert bedeutet mehr als nur Schutz für die Lehre. Es ist Symbol für den Sieg des Wissens über die Unwahrheit und Fehler, über die Erleuchtung der Welt durch das Wissen, das die Vernichtung aller Unwahrheiten und Fehler zur Folge hat. Das Schwert als Waffe ist gegen jegliche Angriffe auf das Gesetz gerichtet, aber es repräsentiert auch die Intelligenz: Das Schwert durchdringt die komplizierten festen Knoten, so wie der Intellekt alle abstrusen doktrinären Gedanken durchdringt und auflöst. Das Schwert der Weisheit (Eken) ist das charakteristische Symbol für Fudô, der in der rechten Hand (Weisheitshand) das Schwert trägt und in seiner linken das Seil – er fängt und tötet das Böse. Das Schwert kann auch Gômanoken – Dämonen unterdrückendes Schwert – sein. An Stelle des Schwertes kann Fudô auch ein Vajra halten, das seine unerbittliche Entschlossenheit ausdrückt, die Illusionen und Hindernisse auf dem Weg zu den 9 Welten, Reiche der Kukai (die ersten neun von zehn Stadien der Existenz: Das Reich der 1. Hölle, 2. Hungergeister, 3. Tiere, 4. Asuras-Dämonen, 5. Menschen, 6. himmlischen Wesen, 7. Shravakas – Anhänger des Hinayana-Buddhismus, der dem 4-fach Pfand folgt, um das Nirvana zu erreichen, 8. Prateyeka Buddhas – Engaku, 9. Bodhisattvas; das zehnte ist das Reich Buddhas. Monju hält das Schwert des Wissens (Riken), das Ignoranz zerstört; sein Schwert über einer Lotosblume symbolisiert in zweifacher Hinsicht seinen Eid, alles Böse, das gegen den Buddhismus gerichtet ist, zu zerstören. 17 KONGÔSHOVAJRA „Donnerkeil“, diamantener Zerstampfer Es ist schwierig, genau zu sagen, woher der Vajra stammt – ob von Jupiters blitzendem Donnerkeil oder vom antiken Sonnensymbol. Jedenfalls findet es sichbei Darstellungen von Göttern des Nahen Ostens, die eine Art Dreizack halten, die Blitze darstellen, sowie auch Doppeldreizack. In der Rigveda war der blitzende Donnerkeil Vajra bereits eine Waffe Indras. Einer buddhistischen Legende nach hatte Buddha die Waffe Indra weggenommen und machte es zum buddhistischen Symbol, in dem er die Spitzen der Strahlen zusammenbrachte (die indische Version des dreistrahligen Vajra ist flach und die Spitzen sind unabhängig voneinander; die tibetische Version ist rund und die Spitzen sind so zusammengeführt, dass sie einer Lotosknospe ähneln). Indra als Gott des Donners und des Blitzes hält ein Szeptervajra, die Waffe mit der die Feinde des Buddhismus zu Tode kommen; folglich symbolisiert der Vajra auch die siegreiche Kraft des Gesetzes. Im esoterischen Buddhismus, im Besonderen der Shingon-Sekte, gilt der Vajra als Emblem der Härte wie der Diamant; es symbolisiert das Gesetz, welches ähnlich wieder Diamant unzerstörbar ist, unantastbar, ewiglich. Er wird auch mit der mystischen Wahrheit verglichen, die nicht zerstört werden kann und dem Wissen, dass alle Leidenschaften unterdrückt, die die Lebewesen behindern. Der Vajra repräsentiert das Absolute ebenso wie auch das Dharma und die Erleuchtung, weil das Absolute ist unzerstörbar, unerschütterlich wie der Diamant. Die vier Punkte wie das Zentrum der Kongôkai (Diamantwelt) sind konsequenterweise durch einen Gokovajra (fünfzackiger Vajra) gekennzeichnet. Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK Mudrâ 24 Die fünf Zacken symbolisieren die fünf Wahrheiten. Im Shakti („Macht“ – bezeichnet im Indischen die weibliche Potenz oder Energie)Kult wird der einzackige Vajra zum Gegenstück des Lotos, zum Symbol des männlichen Geschlechtsorgans. Auch symbolisiert der einzackige Vajra (Tokosho) die Einheit des Universums, die Übereinstimmung Buddhas mit allen Dingen. Es wird damit auch zur zentralen Achse des Universums. Er ist eines der 40 Attribute der 1000-armigen Kannon und eines der 108 Attribute des Kongôzô-Bosatsu. Unter den mehrzackigen Formen des Vajra – zwei-, drei-, vier-, fünf- und neunzackig – ist der dreizackige (Sankosho) die am häufigste verwendete; in den fünf Mandala-Sektionen steht er für die Karma-Sektion und wird im Norden platziert. Der über Kreuz angeordnete Vajra (sanskr.: Karmavajra, jap.: Jûjikongô) wird regelmäßig an den vier Ecken des Altars aufgelegt. Die drei Spitzen stehen für die drei Mysterien (Handeln, Wort, Gedanke). Die kreuzförmige Anordnung symbolisiert, dass die drei Mysterien für alle vier Himmelsrichtungen zugleich gelten. Dieser Vajra korrespondiert mit dem Rad und repräsentiert das ursprüngliche kreative Werk des „exemplarischen Prinzips“. Der Vajra ist ein Attribut einiger göttlicher Wesen, wovon unzweifelhaft auch Kongôsatta (sanskr.: Vajrapâni) – er, der den Vajra in seiner Hand hält – der wichtigste ist. 18 BYÔ Vase Die Vase ist eines der ältesten buddhistischen Symbole. Einerseits war es Gebrauchsgegenstand, andererseits mystisches Symbol. Die Symbolik dieses Gegenstandes basiert auf dem Gebrauch als Behälter. „Der Gläubige, der sein Herz wie das Innere einer Vase leert, ist fähig zur Aufnahme der Wahrheit und Lehrmeinung. So wie die Leere der Vase soll die Leere des Herzens eine positive und aktive Leere sein. Die Vase ist dazu gedacht, Wasser oder Nektar des Lebens zu beinhalten; als solche ist sie ein charakteristisches Element der Kannon und hält in diesem Fall den Nektar ihres Mitgefühls. Manchmal ersetzt die Vase auch den Lotos, mit dem sie assoziiert wird. Als Zeichen für höchste Intelligenz, die über Tod und Wiedergeburt triumphiert steht sie am Fuß von Buddha. Im esoterischen Buddhismus spielt die Vase eine wichtige Rolle. Fünf kostbare Vasen repräsentieren die „Fünf Buddhas der Weisheiten“ (Gochi Hyorai), das sind die fünf Dhyâni-Buddhas, die sich auf den Kardinalpunkten des Altars befinden (auch die Farben der Vasen korrespondieren mit den 5 Punkten). Die Vase ist gefüllt mit den 5 Getreidesorten (Koku), den 5 Arzneien (Yaku); den „Vierundzwanzig Arten von Dingen“; weiters mit parfumiertem Wasser und Blumen. Einige göttliche Wesen tragen die Vase als Attribut. Die Kannon mit zwei oder mehreren Armen ist der Bodhisattva mit dem die Vase vielleicht am stärksten verbunden ist. Wird die Vase von der 1000-armigen Kannon getragen, ist es ein Symbol für Brahmâ. Oft hält die Kannon eine Vase in der sich eine Lotosblüte befindet – dies symbolisiert die beiden Welten, die materielle (Muterleibswelt Taizôkai) und die spirituelle (Diamantwelt – Kongôkai) sowie die Einheiten, die zwischen beiden besteht. Die Vase ist auch assoziiert mit Miroku. Für diesen stellt sie ein Subsidiarelement zum Rad dar und repräsentiert den Konventionskörper (Sanmayashin). Univ. Doz. D. I. Dr. techn. Werner FRANK