Kommunikation oder „Cheap talk“ - Wann lohnt sich Kommunikation? Zeigen, wann Kommunikation sich lohnt anhand spieltheoretischer Methoden 1.)„Cheap Talk“ Kommunikation wird in vielen Büchern auch als cheap talk bezeichnet bzw. abqualifiziert. Cheap talk daher, daß aus Kommunikation keine direkten Konsequenzen folgen, da sie keine Tat ist, sondern nur „Gerede“ ist. Wenn zum Beispiel jemand behauptet, gut kochen zu können, können wir das glauben oder nicht, jedenfalls kann man die Behauptung selbst nicht essen oder schmecken. Er muss also wirklich etwas kochen, damit seine Behauptung Folgen haben kann und die Behauptung überprüfbar ist. 2.) Nullsummenspiel - Moriatti-Holmes Holmes flieht vor Moriatti von London aus. M. folgt ihm, allerdings in einem anderen, schnelleren Zug. Er weiss, daß Holmes Zug in Canterbury Zwischenstation macht. Holmes weiß, daß M. ihm folgt. Beide haben sie nun die Möglichkeit, in Canterbury auszusteigen oder bis Dover zu fahren. Beide haben also diese beiden Möglichkeiten und müssen sich überlegen, was wohl der andere tun wird. Dies lässt sich anhand des folgenden Spiels darstellen: Holmes Moriatti 2.1) Gewinnverteilung beim Nullsummenspiel: C Canterbury D Dover C Canterbury 3,0 1,2 D Dover 2,1 3,0 Gewinn Moriatti Gewinn Holmes Es handelt sich hier um ein Nullsummenspiel (auch wenn die Summe der payoffs nicht 0 ergibt, sie ist aber jedesmal 3). Des einen Gewinn ist also des anderen Verlust, da sie den Gewinn (den Kuchen) untereinander aufteilen müssen. 2,2) Lösungen dieses Spiels: 2.2.1) Spieltheoretisch: Da es sich um ein Nullsummenspiel handelt, ist die spieltheoretische Lösung dieses Spiels das MaxiMinTheorem. (MaxiMin=Maximiere dein Minimum) Mögliche payoffs für Moriatti: Fährt Moriatti nach Canterbury, und Holmes fährt nach C 3,0 Fährt Moriatti nach Canterbury, und Holmes nach Dover 1,2 4,2 Wenn Moriatti nach Dover fährt, und Holmes nach Dover 3,0 Wenn Moriatti nach Dover fährt, und Holmes nach Canterbury 2,1 5,1 Man erkennt, daß es daher für Moriatti rationeller ist, nach Dover zu fahren. Da Holmes das weiß, wird er wohl schon in Canterbury aussteigen (Die Frage ist dann nur wieder, ob nicht Moriatti weiß, daß Holmes weiß...). 2.2.2) Lösung durch Kommunikaton? Hätte Kommunikation in diesem Spiel einen Sinn? Würde sie sich lohnen? Moriatti könnte zum Beispiel Holmes verraten, wo er hinfährt („Hallo Holmes, alter Freund, wollte Dir nur noch den Hinweis geben, daß es für mich spieltheoretisch am sinnvollsten ist, nach Dover zu fahren, aber das weißt du ja sicher schon“). Dabei könnte er lügen oder die Wahrheit sagen. Aber: Sagt Moriatti hier die Wahrheit, dann ist das keine neue Information für Holmes. Lügt Moriatti, dann wird ihm Holmes ohnehin keinen Glauben schenken, warum auch? Daher lohnt sich Kommunikation in diesem Spiel nicht. 2.2.3) Kommunikation in Nullsummenspielen: Wie im Beispiel mit Moriatti und Holmes gezeigt, ist Kommunikation in Nullsummenspielen also sinnlos. Wenn beide das Spiel kennen, dann ist Kommunikation hier „cheap talk“, also ohne Auswirkung auf das Spiel. Ein anderes Beispiel wären Gesellschaftsspiele, z.B. Schach (außer man bringt das Spiel gerade einem Anfänger bei). Denn, warum sollte man seinen Zug verraten? Das brächte einem nur Nachteile. Andererseits, warum sollte der Gegenspieler glauben, was man ihm verrät? Zudem ist Kommunikation hier überflüssig, weil der Gegenspieler meist sowieso schon weiß, wie man ziehen wird, er würde also keine neue Information erhalten. 3.) Nash-Gleichgewicht Nach John Nash, der damit diese Lösung für „noncooperative games“ eingeführt hat. Hier gilt: Mit steigendem Gewinn des einen steigt auch der Gewinn des anderen. 3.1) Gewinnverteilung bei Nash-Gleichgewicht Gewinn Spieler 1 Gewinn Spieler 2 3.2) Elchjagd Zwei Jäger sind zusammen auf Jagd. Sie können Hasen oder einen Elch jagen. Einen Hasen können sie allein erlegen, den Elch müssten sie jedoch gemeinsam erjagen. Wollen sie den Elchkopf über dem Kamin hängen haben, müssen sie sich absprechen -> kommunizieren. Hubertus Jäger 1 Diana Elch Hase Elch 5,5 3,0 Hase 0,3 3,3 Jägerin 2 Beim Nash-Gleichgewicht ist Kommunikation sinnvoll und hilfreich. So ist es möglich, sich auf die Lösung zu einigen, die für beide am Besten ist. Die Spieler müssen hier gut zusammenpassen bzw. zusammenarbeiten. Sollte man seine Entscheidung nach dem Spiel bereuen, dann war es kein Gleichgewicht. 4.) Dominante Strategie - Prisoners Dilemma Prisoner 1 Prisoner 2 C Gesteht D Hält dicht C Gesteht 3,3 4,0 D Hält dicht 0,4 1,1 Da es sich nicht um ein Nullsummenspiel handelt, ist die MaxiMin Lösung nicht empfehlenswert. (Außer für Paranoide). Es ist sowohl für 1 als auch für 2 besser, zu gestehen = Dominante Strategie Kommunikation lohnt sich hier nicht, denn das Ergebnis steht (zumindest spieltheoretisch) schon fest. Es hat sich aber durch Experimente (z.B. der Psychologie) gezeigt, daß man auch hier Kooperation fordern kann. - wenn sich die Spieler vor dem Spiel unterhalten können, sind sie kooperativer, da sich Vertrauen aufbauen kann. Man sollte jetzt annehmen, daß ein rationeller Spieler, wovon wir ja ausgehen, das ihm entgegengebrachte Vertrauen mißbrauchen sollte. Dies ist aber meistens nicht der Fall, sei es aus Nettigkeit oder vielleicht auch, weil ein Spieler den anderen nicht enttäuschen möchte. - Es lässt sich auch ohne direkte Kommunikation der Wille zur Kooperation stärken, zum Beispiel dadurch, welchen Namen man dem Spiel gibt (und ihn die Spieler wissen lässt). „Wallstreet“ lässt z.B. erahnen, daß es darum geht, möglichst hart zu kämfen und zu konkurrieren sollte, also defektieren, während zum Beispiel ein Name wie „Vertrauensspiel“ erahnen lässt, daß man dem andern Vertrauen und daher kooperieren sollte. Dem Spieltheoretischen Zugang scheint hier also etwas zu fehlen. 4.1) Evolutionstheoretische Betrachtung des PD: Angenommen, die Population besteht aus zwei Phenotypen, der eine hält immer dicht, der andere gesteht sofort. Welcher ist der erfolgreichere (fittere) der beiden? Der Verräter bekommt 3 Jahre, wenn er auf einen anderen Verräter trifft, und 0, wenn er auf einen trifft, der dicht hält. Summe: 3 Jahre Der Nicht-Gesteher bekommt 4 jahre, trifft ar auf einen Denunzianten, und 1, wenn er einen anderen Schweiger erwischt. Das sind 5 Jahre. Damit ist klar, dass sich die Verräter in der Population (was hier die freie Welt außerhalb des Gefängnisses ist) durchsetzen, oder anders ausgedrückt: dass die meisten Schweiger bald fast alle im Gefängnis sitzen. Die Population entwickelt sich dahin, daß sie großteils aus Denunzianten besteht. 5.) Wann lohnt sich Kommunikation? Sie lohnt sich bei Nash-Gleichgewicht, da sich mit ihr das Verhalten der Spieler koordinieren lässt. Außerdem kann sie sich auch bei Nullsummenspielen lohnen. Enerell lässt sich sagen, daß, je deutlicher man es mit einem Koordinationsproblem zu tun hat, Kommunikation umso sinnvoller wird. 6.) Glaubhaftigkeit – Voraussetzung für Kommunikation Glaubhaftigkeit erfordert ein gewisses Risiko oder eine Benachteiligung. Um glaubhaft zu sein, muss es denjenigen, der glaubhaft signalisieren will, etwas kosten. 6.1) Bewerbungsspiel Angenommen, eine Firma hat 5 Stellen zu vergeben. Es handelt sich um verschieden hoch eingestufte Jobs. Job 1 ist hochbezahlt, erfordert aber auch eine hohe Qualifikation (z.B. Berater der Chefetage), Job 5 ist schlecht bezahlt und erfordert eine geringe Qualifikation (Stelle der Reinigungskraft). Ein Bewerber muss sich jetzt also überlegen, wie hoch seine Qualifikation ist und für welche Stelle er sich also bewerben soll. Daraufhin kann sich der Chef überlegen, welche Stelle er für den Bewerber für geeignet hält.Dies lässt sich folgendermaßen darstellen: 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 12 3 4 5 12 3 4 5 1 2 3 4 5 Dabei gibt es aber einige Probleme: Wenn der bewerber um seine Qualifikation weiß, und sich dementsprechend für den Posten bewirbt, wird er vermutlich einen niedrigeren Posten bekommen, da der Chef weiß, daß sich Bewerber normalerweise besser darstellen, als sie sind. Da dies aber auch der Bewerber weiß, wird er sich besser darstellen, als er wirklich glaubt zu sein, sozusagen als „Superman“. Dieses Problem entsteht, weil die Situation für den Bewerber billig und nicht glaubhaft ist. Um sich glaubhaft zu machen, wählt man eine entsprechende Ausbildung, da die verbale Präsentationder eigenen Fähigkeiten normalerweise nicht ausreicht. Vorhandene Titel oder Zeugnisse sollen den Bewerber glaubhaft machen. Versichern, daß er etwas weiß und auch bereit ist, etwas zu leisten, was dann sein hohes Gehalt rechtfertigen würde. Der Bewerber signalisiert mit seiner Ausbildung, daß er bereit war, Zeit und Geld in seinen zukünftigen Beruf zu stecken. Glaubhaft ist also, was etwas kostet (z.B. ein Studium). 6.2) ALDI-Spiel Es gibt eine Reihe von Supermärkten in best. Städten. Jetzt überlegt sich ein Konkurrent, ebenfalls einen oder mehrere Supermärkte in diesen Städten aufzumachen. ALDI kann dann als Antwort auf die Konkurrenz dagegen kämpfen (mit Preissenkungen etc.) oder es hinnehmen. Für ALDI ist es am sinnvollsten, glaubhaft zu versichern, in der Lage zu sein, notfalls über lange Zeit einen gnadenlosen Preiskampf zu führen, damit sich der Konkurrent, vielleicht dadurch eingschüchtert, garnicht erst traut, einen Supermarkt in dieser Stadt zu bauen. Tut er es doch, dann muss ALDI den Preiskampf beginnen und durchhalten. Dieser Sieg dient dann auch als Warnung für alle übrigen möglichen Konkurrenten und macht glaubhaft, daß man auch beim nächsten mal kämpfen würde. 6.3) The Handycap-principle (Zahavi) Auch die Biologie beschäftigt sich mit Kommunikation und Glaubwürdigkeit, da auch Tiere glaubhaft sein müssen, damit Kommunikation sinnvoll wird. 6.3.1) Warum tragen Männer Bärte? Bartträger sind verwundbarer und angreifbarer, da der Bart eine Angriffsfläche für Feinde bildet. Ein Mann mit Bart signalisiert also seinen möglichen Feinden, daß er so stark ist, daß er sich sogar einen Bart wachsen lassen kann. Der Bart dient also der Abschreckung von Feinden. Er symbolisiert Kraft, weil er ein Hindernis ist. Der Bart ist eigentlich eine kostspielige Investition, ein Handycap, aber dennoch nötig, um die Kraft des Bartträgers glaubhaft zu machen. (Beispiel ist aber heute irgendwie nicht mehr so richtig gültig) 6.3.2) Wird eine Herde Gazellen von Löwen bedroht, fliehen sie, und einige machen dabei hohe Sprünge. Wie ist das zu erklären? Vielleicht eine Warnung für die anderen Gazellen? Laut Zahavi will die Gazelle dem Löwen damit signalisieren, wie fit und quicklebendig und schnell sie ist und zeigt ihm damit, daß er sie ja sowieso nicht kriegen kann. Dies wird ihm glaubhaft versichert. Die Gazelle ist deshalb glaubhaft, weil sie ein gewisses Risiko eingeht. 7.) Theorien der Entstehung von Kommunikation und Signalen Es kommt durch positive Rückkopplung zur Profilierung von zum Teil absurden Signalen. 7.1) Reziprozität = Gegenseitigkeit wird erleichtert durch Kommunikation 7.2) Kin selection 7.2.1) Taucht ein Adler am Himmel auf, dann fangen einigeMurmeltiere an zu piepsen. Das ist zwar vielleicht schlecht fürs einzelne Murmeltier, aber gut für die Murmeltierfamilie und damit fürs Überleben der Gene dieser Familie. Es wird vielleicht nur der erwischt, der piepst, aber alle anderen können sich durch diese Warnung noch in Sicherheit bringen. Diese Gene (die Murmeltiere piepsen lassen) sind gut und helfen dem Fortbestand der Familie und setzen sich daher durch, bis fast alle Murmeltiere bei drohendem Adlerangriff piepsen. 7.2.2) Noch stärker ausgeprägt findet man ein solches Verhalten bei Insekten, z.B. opfern sich Ameisen gerne für das Gemeinwohl ihres Staates. 7.2.3) Wird dem eigenen Kind Schmerz zugefügt, so schmerzt dies auch die Eltern. Die Evolution hat alle Familien ausgeschaltet, wo dies nicht so war. 7.3) Sexual selection (Zahavi) 7.3.1) Pfauen haben so lange bunte Schwanzfedern als ein Signal, um Weibchen zu beeindrucken. Schwanzfedern sind für die Weibchen also eine Hilfe bei der Partnerwahl. Für den männlichen Pfau ist es also wichtig, möglichst prächtige Federn zu haben, was Zwangsläufig zu einer Art „Wettrüsten“ zwischen den Pfauen führt. Die Pfauen mit den prächtigeren Federn können sich öfter und leichter fortpflanzen. Der Schwanz ist also hilfreich, auch wenn er eigentlich eine Behinderung für den Pfau ist. 7.3.2) Bei Fröschen hat sich das Quakorgan immer stärker ausgebildet, weil Fröschinnen laute und tiefe Töne wohl besser hören können (oder attraktiver finden) und als Partner lieber einen Frosch wählen, der wunderbar laut und tief quaken kann. 7.3.3) Beim Menschen ist dies nicht so genau untersucht. Allerdings geht Geoffrey Miller in „The mating minds“ davon aus, daß das menschliche Hirn als Nebeneffekt des Brunftverhaltens erst seine jetzige Größe erreichen konnte, mit all den Tätigkeiten, die der Mensch besitzt, z.B. singen, malen... Alle diese Fähigkeiten sind zum Überleben nicht wichtig, für Geoffrey Miller sind sie dasselbe wie die Federn des Pfaus. 8.) Evolutionsstabile Strategie (Gleichgewichtstheorie) 8.1) Hawk-Dove-Spiel Angenommen, es gibt einen guten Nistplatz, um den zwei Vögel konkurrieren müssen. Es gibt wieder zwei Phenotypen von Vögeln, die einen sind Doves, geben den Nistplatz also kampflos auf, wenn ein Hawk auftaucht, der um den Nistplatz kämpft. Daraus ergibt sich folgendes Spielschema: Vogel 1 Vogel 2 Hawk Dove Hawk V/2-K 0,V Dove V,0 V/2 Dabei ist V der ganze Nistplatz, und K ist ein Abzug für die Kosten des Konflikts und die verlorenen Federn. Eine andere Strategie bei diesem Spiel wäre, daß der Besitzer immer Hawk spielt, dann würde das Signal, Besitzer des Nestes zu sein, meist genügen, um den anderen abzuschrecken. Besteht die Population nun aus 100% Doves , dann kann sich ein zufällig durch Mutation entstandener Hawk leicht durchsetzen und es werden immer mehr, bis eine gewisse Grenze erreicht ist, wo sich das Verhältnis zwischen Hawk und Dove einpendelt. Besteht sie andererseits aus 100% Hawks, dann können sich mögliche Dove-Mutationen durchsetzen, weil die Hawks sich das eben schwer machen und ständig am kämpfen sind. 8.2 Chicken game Auch bekannt als Angsthasenspiel oder James-Dean-Spiel. Es geht darum, daß zwei Autofahrer aufeinander zurasen, wer als erster ausweicht, hat verloren, ist das chicken. Spieltheoretische Darstellung des chicken game: Typ A Typ B James Dean Chicken James Dean -1,-1 3,0 chicken 0,3 1,1 Bei diesem Spiel wäre im Vorteil, wer als irrational gilt (z.b. ein Sturzbetrunkener, jemand auf Amphetaminen oder mit Todessehnsucht). Das würde genügen, um dem anderen zu signalisieren, daß man selbst keinesfalls ausweichen wird. Eine mögliche Gegenmaßnahme des anderen Fahrers wäre dann, z.B. sein Lenkrad abzumontieren oder seinerseits eine größere Menge Koks und eine halbe Flasche Whiskey zu vernichten. 8.2.1) Evolutionstheoretische Betrachtung: Die Population wird sich auf einen Wert in der Mitte einpendeln. Es muss sowohl chicken als auch James-Deans geben. Denn gibt es nur chickens, dann kann ein plötzlich (wie im Film) in einer Population auftretender JamesDean-Typ ständig seinen Mut beweisen, und dann alle Mädchen abschleppen und sich vermehren. Wodurch sich die James-Deans ausbreiten. Besteht die Population aber nur aus James Deans, dann gehen die langsam aber sicher alle bei Unfällen drauf oder liegen im Krankenhaus, sodaß die Mädchen sich mit einem plötzlich auftauchenden chicken beschäftigen müssen, was dann wiederum zur Vermehrung der chickens führt.