Text_Bernhardt_Geschichte_Landwirtschaft_und_Naturschutz

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Die Geschichte des Verhältnisses zwischen Landwirtschaft und Naturschutz
Vortrag von Theresa Bernhardt
Gliederung
1) die mitteleuropäische Kulturlandschaft
2) der Beginn des Naturschutzes
3) die industriellen Kulturlandschaft
3.1) Interessen der Landwirtschaft und des Naturschutzes
3.2) Ablauf der Beziehung Landwirtschaft und Naturschutz
3.3) Ursachen und Folgen der Konflikts
4) Resümee
1. die mitteleuropäische Kulturlandlandschaft
Natur: „natura (lat.): Geburt, natürliche Beschaffenheit, Schöpfung. Zentraler Begriff der europäischen
Geistesgeschichte im Sinne von dem, was wesensgemäß von selbst da ist und sich selbst reproduziert.“
(Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, 1991) oder „das ohne fremde Zutun Gewordene, Gewachsene“
(Duden, das Herkunftswörterbuch, 3. Auflage, 2001). Daraus ergibt sich eine erste Schlussfolgerung: es
gibt sehr wenig reine Natur. Natur ist, ganz wörtlich genommen, ohne jeglichen anthropogenen Einfluss.
Der Begriff Kulturlandschaft bedeutet: „die durch den Menschen umgestaltete
Naturlandschaft“(Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, 1991). Demnach gibt es überall eine Form der
Kulturlandschaft. Es ist heute ein zentraler Begriff des Naturschutzes. „Die mitteleuropäische
Kulturlandschaft ist als Ergebnis menschlicher Arbeit in einem mehr tausendjährigen Prozess aus den
hier natürlicherweise vorherrschenden Wald- und Moorlandschaften entstanden.“ (SUCCOW,
JESCHKE, KNAPP, 2001)
2. Beginn des Naturschutzes
In der vorindustrieller Kulturlandschaft gab es keinen Naturschutz, denn die Landnutzung blieb über
viele Jahrhunderte konstant. Mitte des 19. Jahrhunderts häuften sich Aktivitäten im Sinne des
Naturschutzes. Sie fallen zeitlich ungefähr zusammen mit Beginn des Industriezeitalters.
Stadt- und Dorfbilder veränderten sich, Agrarreformen führten zu einer rationelleren Landnutzungsform.
So wurden z.B Entwässerungen, Flurzusammenlegungen und Nadelholzanbau durchgeführt.
Wie kam es zur Naturschutzbewegung? Dem Menschen am nächsten stehend sind Vögel. Als sicht-und
hörbare Lebewesen fiel auf, dass die Vögel weniger wurden. Die Vogelschutzbewegung war deutlich
ästethisch und emotional geprägt. Die damals angegebene Gründe für den beobachteten Vogelschund
waren zum einen Ernährung und (Hut-)Mode und zum anderen die Beseitigung ihrer Lebensstätten. Es
wurde beobachtet, dass die Randhecken an Wäldern beseitigt wurden im Zuge der Agrarreformen und
damit verschwand ein wichtiger Lebensraum der Vögel. Des weiteren kam es zu einer frühzeitige Kritik
an der gesteigerter Ausnutzung des Bodens durch Intensivierungsmassnahmen der Landwirtschaft.
Die erste Erkenntnis der Bewegung war, dass der Vogelschutz die einzige Möglichkeit einer
wirtschaftlich erfolgreichen Schädlingsbekämpfung ist. An diesem Punkt war das Interesse der
Landwirtschaft geweckt und es kam zu einer ersten guten Zusammenarbeit, besonders im Obstanbau. In
den Mitglieder- und Sammlerlisten des Bundes für Naturschutzes waren damals auffällig viele Förster,
Landwirte, Gärtner neben Adligen, Pfarrern, Ärzten, etc. vertreten. So wurden z.B. Nistthilfen
aufgehängt. Die Zusammenarbeit war erfolgreich, die Vögel vermehrten sich dort, wo Vogelschutz
betrieben wurde. So kam es 1906 zu einem Zugeständnis des preussischen Staates und eine staatliche
Stelle für Naturdenkmalpflege wurde geschaffen. Unter Naturschütern war dieses Zugeständnis in der
Kritik, dennn hier wurde Naturschutz in detail betrieben, während die Naturverschmutzung en gros
passierte. Die Naturdenkmalpflege bezog sich hauptsächlich auf alte Bäume und besonderer Arten. So
waren die Naturschutzgebiete der 1. Generation: Naturerscheinungen und -schöpfungen wie Moore,
Felsen, Naturwälder, die wegen ihrer Eigenart und Schönheit vor menschlichen Zugriff und -zerstörung
bewahrt werden sollten. Zusammenfassend kann die Intensivierung der Landwirtschaft als Grund für das
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Entstehen der Naturschutzbewegung betrachtet werden.
3. die industrielle Kulturlandschaft
3.1.
Interessen der Landwirtschaft:
Produktionssteigerung durch Ausnutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse
Vergrößerung der landwirtschaftlichen Nutzfläche
Interessen des Naturschutzes:
ausgeprägtes Naturbewusstsein gehen zurück an die Anfänge der Menschheit
Schutz und Erhaltung der natürlichen Pflanzen und Tierwelt, typische Lebensstätten- und
Gemeinschaften, Naturdenkmälern und Landschaftsteilen
3.2. geschichtlicher Ablauf der Beziehung Landwirtschaft und Naturschutz
1.Phase 1890-1945
Kooperation: besonders im Obstanbau kam es zu einer erfolgreichen Kooperation mit der
Vogelschutzbewegung. (siehe 2. Beginn des Naturschutzes)
Konflikt: Zwei Weltkriege prägten diese Zeit. Die Landwirtschaft hatte dass Ziel, die Produktion zu
steigern. Naturschutz hatte wenig Einfluss. Er beschränkte sich praktisch auf nicht landwirtschaftlich
genutzte Flächen und kam über den naturästhetischen Aspekt nicht hinaus.
2. Phase 1945-1970
Nach dem 2. Weltkrieg hatte der Landwirt vor allem ein Ziel: Ernährungssicherung. Damit ging eine
weitere Produktionssteigerung einher. Die Landwirtschaft erlebte in dieser Zeit eine technische und
wirtschaftliche Revolution. Methoden und Wirtschaftsformen wandelten sich stärker als in den
vergangen 2000 Jahren. Der Naturschutz gewann erst über die Anti- Atom- Bewegung wieder an
Bedeutung. Der Naturschützer wollte vor allem Natur bewahren und war damit in der Gesellschaft
weitgehend isoliert. Dem Naturschutz fehlten ökonomischen Argumente um größere Flächen aus der
Intensivierung der Landnutzung herauszuhalten. Er konzentrierte bzw. musste sich konzentrieren auf
die Sicherung von Sonder- und Grenzstandorten mit artenreichsten Ökosystemen. Es wurden vor allem
vom Mensch geschaffene „Biotope“ als Naturschutzgebiete ausgewiesen, z.B. Steinbrüche mit
zahlreichen Tier- und Pflanzengesellschaften, die sich dort angesiedelt hatten.
Kooperation:
Besonders im Obstbau gelingen weitere Kooperationen zwischen Landwirten und Naturschützern.
Konflikte:
Die Produktionssteigerung und Flurbereinigung in Deutschland wurde erfolgreich vorangetrieben.
Allmählich profilierten sich die Naturschutzverbände. Breite Kreise der Bevölkerung wurden auf den
Chemieeinsatz aufmerksam gemacht. Die Naturschutzverbände forderten ein erstes Verbot des Einsatzes
persistenter Pestizide in der Landwirtschaft. Außerdem wurde die zunehmende Mechanisierung der
Landwirtschaft mit kritischen Augen betrachtet.
3. Phase: 1970-1984
Die Spannungen zwischen Naturschutz und Landwirtschaft nahmen ab Mitte der 70er Jahre deutlich zu:
Der Landwirt: „vor lauter Naturschutz geht nichts mehr“ und der Naturschützer: „die Flurbereinigung
hat eh schon alles in unserem Land zerstört“ Was war passiert? Das zunehmendes Umweltbewusstsein
der bürgerlichen Schicht und der Städter führte zu einem vermehrtes Engagement für Natur- und
Umweltschutz. Die Landnutzer fühlten sich von den vermehrt romantischen, tierschutzgeprägten oder
nutzerfeindlichen Positionen in die Defensive gedrängt. Der Naturschutz musste zunächst weiterhin
seine Erfolge in Schutzgebietsausweisungen suchen. Die nächste Generation der Naturschutzgebiete
waren vor allem kleinräumige Relikte traditioneller bäuerlicher Kulturlandschaft, z.B. Kalkmagerrasen.
Hier wurde eine Pflege notwenig. Es waren die ersten Gebiete, die sich nicht mehr nur sich selbst
überlassen waren.
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Anfang der 70er Jahre gingen verschiedene Greifvogelarten drastisch zurück. Die Auswirkungen des
Pestizid- Einsatzes in der Landwirtschaft auf die Umwelt wurden neu thematisiert und führten u.a. zum
DDT.- Verbot.
Es gab in dieser Zeit auch konkrete Versuche aufeinander zuzugehen: Von Seiten des Naturschutzes
wurde zunächst vor allem die Sympathie zum Ökologischen Landbau bekundet. Von Seiten der
Landwirtschaft wurde z.B 1982 im Rahmen der Grünen Woche vom DBV ein Forum gemacht mit dem
Thema „Landwirtschaft und Naturschutz“.
(Andererseits: Ein Vertreter der BASF- Versuchsstation Limburger Station: „Nur wenn wir auf der
heute uns zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Fläche intensiv wirtschaften, haben wir die
Chance, andere Flächen freizustellen für den Artenschutz. Deshalb fördern indirekt Mineraldünger und
Pflanzenschutzmittel den Erhalt von Flora und Fauna“)
4. Phase: 1984 bis 1996/heute
Kooperation:
Vor dem Hintergrund der eigenen Erfolglosigkeit begannen im Naturschutz vermehrt Diskussionen um
die Richtigkeit der bisherigen Strategien. Kooperationen begannen.
Modelle zur Honorierung ökologischer Leistungen wurden erarbeitet, sogenannte „Aufpreismodelle“.
Sie gelangen nicht immer, ein erfolgreiches Modell ist der Streuobstwiesenapfelsaft mit
Naturschutzlogo. Nun kam es zu jährlichen „Meilensteinen“ in der Zusammenarbeit, so u.a. der kritische
Agrarbericht. Ein weiteres Beispiel ist das 2002 gegründete Kompetenzzentrum Ökolandbau
Niedersachsen (KÖN), die eine Stelle für Naturschutzberatung hat. Dies wird von Landwirten gern
angenommen, da es von den eigenen Reihen kommt und nicht aus denen des Naturschutzes.
Konflikt:
Artenschutz- und Extensivierungsprogramme sowie Gebietszukauf führen zu neuen Problemen
Die Tendenz des Naturschutzes der 80er Jahre ist, im größeren Umfang landwirtschaftlich genutzte
Flächen unter Naturschutz zu stellen, in der Regel Grünland. Das brachte Konflikt mit sich. Ein
Beispiel: Die Dannenberger Marsch liegt an der Elbe und ist eine mosaikartige Landschaft mit seltenen
Pflanzengesellschaften und einer schützenswertenVogelwelt, ein ästethisch reizvolles Landschaftsbild.
Es sollte unter Schutz gestellt werden mit Auflagen für die Landwirte, die diesen Bedingungen nicht
zustimmten. Es folgte ein 5-jähriges Tauziehen. Dort wurde der Konflikt mit einem Kompromiss gelöst.
Doch generell waren solche Konfliktegeprägt durch festgefahrene Positionen, gegenseitiges Misstrauen
und Unflexibilität. Das führte oft zu Verlusten auf beiden Seiten. (Landwirte geben ihre Landwirtschaft
auf und die Artenvielfalt, die die Naturschützer erhalten wollten, geht verloren)
3.3 Ursachen und Folgen des Konflikts
Unterschiedliche Motive von Landwirt und Naturschützer, sich mit Natur und Landschaft zu befassen,
führen zu Zielkonflikten. Während für den Landwirt Produktionserträge seine Lebensgrundlage sichern
ist der Naturschützer nicht existenziell vom Erreichen seiner Ziele abhängig. Zum Zielkonflikt kommt
es, weil in die Wirtschaftlichkeitsrechnung des Landwirtes ökologische Leistungen nicht mit
einberechnet werden.
„Auch Bauern hätten ein Existenzrecht, nicht nur Orchideen und Schmetterlinge“- solche Aussagen
sind Zeichen eines erschreckenden Unverständnisses. Man will doch nicht anstatt Landwirtschaft nur
Naturschutz betreiben, sondern Ziel sollte im Grunde sein, dass der Schmetterling auf der
landwirtschaftlich genutzten Flächen leben kann, indem eine natürliche Vielfalt vorhanden ist.
Es gibt zwei unterschiedliche Strategien für eine erfolgreiche Zusammenarbeit: Auf der einen Seite
staatliche Bezahlung von ökologischen Leistungen und auf der anderen Seite die Honorierung über den
Markt durch Aufpreismodelle
Der Naturschutz mischt sich ein, er beschränkt sich nicht mehr auf nichtlandwirtschaftlich genutzte
Flächen
Resümee
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Beide Seiten sehen dieselbe Landschaft mit unterschiedlichen Augen.
Ein Naturschutz im Sinne einer neuen Landnutzungspolitik wird von der Konfrontation zur Kooperation
übergehen können. Das heißt im Interesse der Naturschützer müsste es eigentlich unbedingt sein, dass
die Landwirte bleiben. Denn: Die Landwirtschaft ist in zweierlei Hinsicht Schuld daran, dass die
Artenvielfalt zurückgeht: Zum einen, weil die Landwirtschaft intensiviert wird und zum anderen weil
die Landwirtschaft aufgegeben wird. Besonders markant ist das an Extremstandorten zu beobachten:
Kalkmagerrasen und feuchte Wiesen erhalten ihre Artenvielfalt nur durch Bewirtschaftung. Dieses
Interesse ist bis auf weiteres ausgeblieben, sollte aber unbedingt geweckt werden und sich gerade auf
kleinbäuerliche Betriebe beziehen. Hier kann eine tiefe Symbiose entstehen.
Kulturlandschaften sind Ausdruck einer Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur, von kultureller
und biologischer Evolution.
Quellen:
Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, 1999
Duden, das Herkunftswörterbuch, 3.Auflage, 2001
Arbeitsergebnisse FB06 Uni Kassel, Nr. 31, Sept.1995
Arbeitsergebnisse FB06 Uni Kassel, Nr. 35, Sept.1996
Der kritische Agrarbericht 2005
Der kritische Agrarbericht 2004
SUCCOW, M; JESCHKE, L, KNAPP, H.D. (2001): die Krise als Chance - Naturschutz in neuer
Dimension. (Findling)
MARSCHALL, I. (1998): Wer bewegt die Kulturlandschaft? (Wissenschaftsreihe Bauernblatt Verlag
(AbL))
mündlich: Poppinga,O.
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