16504 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 (A) in Deutschland vorkommenden Biotoptypen sind als gefährdet eingestuft, über zwei Drittel. Ich denke, mit diesen wenigen Daten deutlich gemacht zu haben, dass es in puncto Naturschutz wirklich keinerlei Anlass gibt, in den Anstrengungen um den Naturschutz nachzulassen; wir vielmehr über die Stärkung bewährter, aber auch über neue Wege und Instrumente des Naturschutzes nachdenken müssen und über neue Allianzen zwischen Naturschützern und Naturnutzern. Wichtig ist, dass Menschen Natur und Wildnis auch erleben und erfahren können, sich begeistern an den vielfältigen Schönheiten unserer Heimat. Wer die Natur erlebt hat, wird sie lieben und deshalb auch schützen wollen. Deshalb werden wir mehr für Image und Marketing bezüglich unserer Nationalparke, Biosphärenreservate und Naturparke tun. Die Koalitionsfraktionen haben die grundlegende Neugestaltung des deutschen Naturschutzrechts in der Koalitionsvereinbarung von 1998 vereinbart und die Arbeiten am Regierungsentwurf können – wie wir hoffen und wünschen – demnächst abgeschlossen werden. Vonseiten der Koalitionsfraktionen wurden umfangreiche inhaltliche Vorarbeiten geleistet und es wurde auch eine Fülle von Fachgesprächen mit allen relevanten Interessengruppen geführt. Die Erwartungen an das Neuregelungsgesetz sind hoch und ich hoffe, dass in der derzeit noch laufenden Ressortabstimmung alle Bundesministerien auf der Höhe unserer Zeit agieren – nicht nur das Umweltministerium. Einige, nur wenige Sätze nun zur Philosophie unserer (B) Novellierungsvorstellungen. Wirksame Schutzgebiete sind im Rahmen einer Naturschutz-Gesamtstrategie von entscheidender Bedeutung. Landschaftsmodelle mit einer Trennung von Produktionsflächen und von Naturschutzflächen sind zweifelsfrei erforderlich. Dabei wissen wir, dass die vom Menschen genutzten, veränderten und geprägten Teile unserer Landschaften entscheidende Träger von Artenvielfalt sind. Deshalb kann auch ein Artenschutz, reduziert auf Schutzgebietaktivitäten, nicht erfolgreich sein. Was wir brauchen, ist eine flächenhafte Berücksichtigung von Schutzzielen in allen Landnutzungsbereichen: also in Landwirtschaft, in Forstwirtschaft, in Fischereiwirtschaft, bei Natursport-, Erholungs- und Freizeitaktivitäten. Das ist für uns die Kernfrage eines nachhaltigen Naturschutzes. Obwohl die Notwendigkeit des Schutzes der Natur von niemandem ernsthaft bestritten wird, zeigt die Praxis, dass Naturschutz nur zu oft hinter andere Ziele zurückgestellt wird. Ob es um den Bau neuer Straßen geht, um die Ausweisung von Gewerbegebieten oder um land- und forstwirtschaftliche Nutzungen oder auch touristische Großprojekte – ökonomische und soziale Gründe wiegen in Entscheidungsprozessen zumeist mehr als Naturschutzaspekte. Prominenter Präzedenzfall für das Wegwägen von Schutzbestimmungen ist das Mühlenberger Loch, Europas größtes Süßwassenwatt, das der Erweiterung der DASA-Flugzeugwerft in Hamburg-Finkenwerder geop- SEITE ZURÜCK fert werden soll, ein Ansinnen, das auch insofern bedau- (C) erlich ist, als es in Deutschland alternative Produktionsstandorte gäbe. Solche Entscheidungen werden uns nicht nur ökologisch teuer zu stehen kommen: Unzureichender Naturschutz wird mittel- und langfristig auch zu erheblichen finanziellen Folgekosten für die gesamte Gesellschaft führen. Auch die Fraktion der Demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten erkennt den Novellierungsbedarf des Bundesnaturschutzgesetzes an und legt heute diesem Hause einen eigenen Entwurf vor. Dass dieser Entwurf stark die Handschrift der Umweltverbände trägt, ist für Kenner der Szene unübersehbar, insgesamt aber sicherlich nicht von Nachteil für den Antrag, im Einzelnen aber gelegentlich auch problematisch spätestens dann, wenn sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite des Hauses, Gespräche auch mit anderen Akteuren des Naturschutzes führen werden – zum Beispiel den Ländern. Da reifen dann nicht alle Träume. Ich bin gespannt auf den Debattenbeitrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern, spätestens im Bundesrat, wenn es um die Beratung unseres Neuregelungsgesetzes gehen wird. Wir werden uns mit Ihrem Antrag im Ausschuss und bei Anhörungen zu unserem Novellierungsvorschlag konkret auseinander setzen. Um es aber hier an dieser Stelle deutlich zu sagen: Ich finde es erfreulich, dass die PDS sich in dieser überaus wichtigen Frage so konstruktiv engagiert – wie ich generell meine, dass die Fragen der Zukunft von Natur und Landschaft so wichtig sind, dass sie das volle Engagement (D) aller Fraktionen dieses Hauses verdienen. Auf die konstruktiven Beiträge von der rechten Seite des Hauses allerdings werden wir – nach allem, was im Vorfeld der Debatte von dort zu vernehmen war – wohl vergebens warten. Marita Sehn (F.D.P.): Die Qualität einer Demokratie zeigt sich in ihrem Umgang mit Minderheiten! Unsere Bauern sind eine Minderheit in unserem Land. Und die Politik lässt sie dieses deutlich spüren. Was macht eine Regierung, die einerseits kein Geld ausgeben will, andererseits aber große Ideen verwirklichen möchte? Sie macht Auflagen und Verordnungen und lässt andere die Zeche zahlen. Verordnungen sollten immer das letzte Mittel sein, wenn alle Versuche, einen Konsens zu finden, gescheitert sind. Sie sollten aber nicht am Anfang eines Dialogprozesses stehen. Diese Regierung geht aber genau den umgekehrten Weg. Sie schreibt zuerst einmal vor und schaut dann, ob es auch durchführbar ist. Das höchste Gut des Naturschutzes ist die Akzeptanz bei allen Beteiligten. Dieses Gut ist ein sehr empfindliches und es kann sehr leicht zerstört werden. Maßnahmen und Vorschriften, die über das Ziel hinausschießen, zusätzliche Auflagen ohne Entschädigung, das ist die Kettensäge am Baum der Akzeptanz. Aber nur Bestimmungen, die akzeptiert sind, werden auch respektiert. Werden Verordnungen als ungerecht empfunden, so werden sie SEITE VOR