Erweiterung der Mitbestimmungsmoeglichkeiten im politischen

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Erweiterung der Mitbestimmungsmöglichkeiten im politischen System und in den Teilbereichen der Gesellschaft?
Text 1 (Gruppe 1):
A)
Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürger im politischen System der Bundesrepublik Deutschland
Schematische Darstellung der Beteiligungsformen
B) Mitwirkungsmöglichkelten nach dem Grundgesetz
Im Grundgesetz wird das plebiszitäre Element vor allem in den Kategorien plebiszitärer Wahlentscheidung und Mitwirkung ausformuliert:
Artikel 38 postuliert dabei die Direktwahl des Bundestages, Artikel 28 Abs.1 in Verbindung mit Artikel 51 Abs. 1 die indirekte Wahl und
Bestellung des Bundesrates. Für die plebiszitäre Mitwirkung werden grundlegende Partizipationswege vom Grundgesetz aufgezeigt und
rechtlich geschützt: Artikel 21 verweist auf die Parteien (er bildet die Verfassung des „Parteienstaates"), Artikel 9 auf die Vereinigungsfreiheit, Artikel 17 auf das individuelle und kollektive Petitionsrecht (sie bilden die Verfassung des „Verbändestaates"), Artikel 5 und 8
auf das Recht der freien Meinungsäußerung, das Demonstrationsrecht und die Versammlungsfreiheit. Unter all diesen plebiszitären Mitwirkungsmöglichkeiten kommt im parlamentarischen System der Bundesrepublik neben den Verbänden insbesondere den Parteien eine
zentrale Bedeutung zu.
(Winfried Steffani: Pluralistische Demokratie, Opladen 1980,S. 159 f.)
Beschreiben Sie die Partizipationsmöglichkeiten der Bürger im politischen System der Bundesrepublik Deutschland:
a) Charakterisieren Sie die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger nach den Gesichtspunkten ihrer Art, Form, Ebene und ihrer Adressaten.
b) In welcher Weise ist im Grundgesetz die Wahrnehmung plebiszitärer Sachentscheidungen geregelt?
c) In welchen Regelungen drückt sich die plebiszitäre Wahlentscheidung und Mitwirkung aus? Ergänzen und überprüfen Sie die im Streitgespräch genannten Argumente.
Sollten nach Ihrer Meinung die direkten Partizipationsmöglichkeiten erweitert werden?
Text 2 (Gruppe 2): Argumente für und gegen eine Demokratisierung der Teilbereiche der Gesellschaft
• Pro:
Demokratie, soll sie nicht unvollkommen sein, darf nicht auf den staatlichen Sektor beschränkt bleiben. Partizipation und Mitbestimmung
müssen auch die gesellschaftlichen Bereiche (wie Schule, Kirchen, Betriebe usw.) erfassen, da in ihnen ebenfalls Herrschaft ausgeübt wird.
Die Demokratie benötigt den mündigen Bürger, der Engagement und Aktivität zeigt, sich an den Entscheidungsprozessen direkt beteiligt,
um Selbstbestimmung zu erlangen und vordemokratische, vielfach noch autoritäre und herrschaftsverschleiernde Strukturen aufzubrechen.
Dies kann vor allem dann geschehen, wenn das Prinzip der unmittelbaren Entscheidung der Betroffenen stärkere Berücksichtigung findet.
Herrschaft soll - soweit wie möglich - abgebaut werden; ist sie unumgänglich, hat sie sich demokratisch zu legitimieren. Das Grundgesetz
wird erst dann erfüllt, wenn die Gleichheit der Bürger annähernd erreicht ist.
• Kontra:
Unbegrenzte Mitbestimmung gefährdet die Freiheitssphäre des Bürgers. Wer undifferenziert Demokratie auf alle gesellschaftlichen Bereiche zu übertragen sucht, unterhöhlt letzten Endes die Demokratie. Demokratisierung zieht eine fragwürdige Politisierung nach sich, die auch
ehedem unpolitische Bereiche erfaßt und nicht mehr an der Sache orientierte Entscheidungen hervorruft. Da zudem nur ein begrenzter Teil
der Bevölkerung Interesse für politische Fragen aufbringt, erhalten kleine, zumeist extreme Gruppen Gelegenheit, viele ihrer Vorstellungen
durchzusetzen. Demokratisierung wird zum Privileg für Minderheiten. Bestimmte Bereiche der Gesellschaft, von Systemveränderern unterwandert (wie einige Fachrichtungen mancher Universitäten), fühlen sich nicht mehr an die demokratischen Spielregeln gebunden und
entwickeln sich zu einer antidemokratischen Bastion („Staat im Staate"). Leistungsfähigkeit und Demokratisierung vertragen sich in vielen
Fällen nicht. Durch uferlose Diskussionen und Mitbestimmung aller kommen Fehlentscheidungen zustande, weil Sachverstand und berufliche Qualifikation nicht ausreichend Berücksichtigung finden... Da zwischen Gleichheit und Freiheit, die beide zu den unentbehrlichen
Grundelementen der Demokratie gehören, ein unauflösliches Spannungsverhältnis besteht - ein Übermaß an Freiheit gefährdet die Gleichheit, eine durchgängige „Gleichmacherei" reduziert die Freiheit -, müssen in einer demokratischen Gesellschaft die Grundforderungen der
Freiheit und der Gleichheit in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Die „richtige" Gewichtung von Freiheits- und Gleichheitselementen ist kontrovers. Vereinfacht ausgedrückt: Anhänger der weitgehenden Demokratisierung betonen stärker die Gleichheit, die
Gegner eher die Freiheit. Abgestufte Partizipation, die den Sachverstand berücksichtigt und die Leistungsfähigkeit nicht senkt, läßt sich in
vielen gesellschaftlichen Bereichen verwirklichen.
(Eckhard Jesse: Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1981, S. 26 f.)
1. Beschreiben Sie das Ziel der „Demokratisierung" und geben Sie die im Text angeführten Argumente für und gegen die Demokratisierung
der Teilbereiche der Gesellschaft wieder.
2. In welchen theoretischen Sachzusammenhang wird die Kontroverse gestellt?
3. Ergänzen und überprüfen Sie die im Streitgespräch genannten Argumente.
4. Sollten nach Ihrer Meinung die Partizipationsmöglichkeiten in den Teilbereichen der Gesellschaft erweitert werden?
Text 3 (Gruppe 3) Argumente für eine ,,komplexe Demokratie"
A Es geht... um die inhaltliche Veränderung jener sozialen Beziehungen, denen sich der einzelne am wenigsten entziehen kann, um
den qualitativen und quantitativen Abbau unnötiger Schranken menschlicher Selbstentfaltung und um die systematische Ausweitung
des Raumes individueller und kollektiver Selbstbestimmung. Soweit dafür formalisierte Mitbestimmungsmodelle überhaupt in Betracht kommen, sind sie eher Mittel als Selbstzweck... Es ist deshalb ein fundamentales Problem der politischen Demokratie, o b und
auf welche Weise dem einzelnen die Chance geboten werden kann, Zusammenarbeit zu erlernen, an Entscheidungsprozessen mitzuwirken, Meinungsverschiedenheiten auszutragen oder durch die gemeinsame Suche nach akzeptablen Kompromissen zu überbrücken,
auch Einfluß auszuüben und sich durchzusetzen, kurz: demokratische Verhaltensweisen und politische Fähigkeiten auszubilden ...
B Auch die breitere Partizipation in Betrieben und Organisationen wird nichts daran ändern, daß bestimmte Interessen - und gerade
die am meisten benachteiligten, etwa der Alten, der Kranken, der geistig und körperlich Behinderten, der Kinder aus »bildungsfernen« Elternhäusern oder auch der Sparer oder der Konsumenten - kaum oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten so zu organisieren sind, daß sie sich in einer pluralistischen Konkurrenz um politischen Einfluß durchsetzen könnten ... Über den pluralistischen
Strukturen muß eine politische Ebene vorhanden sein, auf der Entscheidungen in relativer Unabhängigkeit von den Pressionen der organisierten Interessengruppen und ihrer Verbündeten in den politischen Institutionen beschlossen und durchgesetzt werden können.
Zum zweiten muß erwartet werden können, daß die Politik auf dieser Ebene gerade auf jene Bedürfnisse, Interessen, Probleme und
Konflikte reagieren kann, die innerhalb der pluralistischen Entscheidungsstrukturen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Verlangt wird also zugleich eine höhere Entscheidungsfähigkeit und ein höheres Wertberücksichtigungspotential, als es in einem rein
pluralistischen Modell vorausgesetzt werden kann ...
Hier kommt es zunächst nur darauf an, eine zentrale Entscheidungsinstanz mit einer von den pluralistischen Gruppen relativ unabhängigen
Legitimationsbasis zu etablieren, die es ihr erlaubt, Entscheidungen auch gegen den Widerstand einzelner oder vieler Gruppen durchzusetzen. Diese Voraussetzung kann in einem Modell der strikten Zwei-Parteien-Konkurrenz von der Führungsgruppe der jeweiligen Regierungspartei näherungsweise erfüllt werden. Sie verdankt ihr Mandat unmittelbar dem Wahlergebnis und nicht den nach der Wahl stattfi ndenden - notwendigerweise pluralistischer strukturierten -Koalitionsverhandlungen...
Sobald sich die Wahl zu einem Plebiszit für eine der beiden konkurrierenden Führungsgruppen entwickelt, hängen auch die politischen
Chancen von Gruppierungen innerhalb der Mehrheitsfraktion in erster Linie vom Erfolg oder Mißerfolg der eigenen Führungsgruppe ab.
Die Politik dieser Führungsgruppe könnte darum auch auf nicht organisierte Interessen, auf verschleppte Probleme und verdrängte Konflikte reagieren.
(Fritz W. Scharpf: Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, Kronberg 1976,S. 68ff.)
1. Beschreiben Sie Scharpfs Konzeption einer komplexen Demokratie:
a) Welche Vorschläge macht der Autor zu der Partizipation in den Teilbereichen der Gesellschaft? b) Beschreiben Sie die Forderung zur
Erweiterung der Partizipation der Bürger im politischen System (Begründungen und Argumente).
2. Ergänzen und überprüfen Sie die im Streitgespräch genannten Argumente.
3. Beurteilen Sie die Forderungen Scharpfs nach einer komplexen Demokratie.
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