Universität Leipzig Institut für Romanistik Grammatikographie und die Questione della lingua Dozentin: Prof. Dr. Burr Referentinnen: Andrea Lehmann/ Lisa Wölfel 20.12.2005 Die Kontroverse Manzoni - Ascoli Erste kritische Stimmen gegen Manzonis Sprachpraxis - vorrangig aus kulturellem Sektor der Lombardei - wichtige Vertreter: Cattaneo und Tenca - Cattaneo: Nationalsprache muß allen zugänglich sein u. gemeinsame Charakterzüge besitzen - Tenca: gegen Verbreitung der neuen Sprache in Abhängigkeit von einem Wörterbuch Graziadio Isaia Ascoli (1829 – 1907) Vertieft diese Hauptargumente weiter und stellt bemerkenswerte sprachliche Überlegungen an - ital. Sprachforscher; Dialektologe u. einer der führenden Komparatisten seiner Zeit - Mitbegründer und Hrsg. der Zeitschrift Archivio Glottologico Italiano (1873) - durch ihn gewann die Questione della lingua erstmal nach der politischen Einigung von 1861 wieder an Aktualität und Dringlichkeit Ascolis Kritik an Manzoni - übt scharfe Kritik an Manzonis Theorie und Praxis 1. - Kritik an Manzonis Werk „I promessi sposi“, ungenügende Florentinischkenntnisse – nur aus Wörterbüchern angeeignet 2.- Kritik an Entscheidung für modernes Florentinisch- willkürlich - lehnt die von M. vorgegebene Sprachlösung ab allen Italienern den zeitgenössischen Dialekt einer Stadt vorzuschreiben Warum sollte man Formen mit Diphthong uo durch solche mit Monophthong o ersetzen, obwohl die Literatur seit Jh. den Diphthong verwendet? -verurteilte rein synchronische Entscheidung für z.B. novum -> novo - typisch für untere Schichten/ lingua familiare della borghesia von Florenz - Ascolis diachronische Lösung: novum -> nuovo Toskana: „ una terra così fertile d’analfabeti“ und „il serbatoio toscano è limpido e terso perché la cultura ha ristagnato“ 1 Standpunkt Ascolis - nach der polit. Einigung Italiens noch keine sprachl. Einheit erreicht - Grund: „...doppio inciampo della civiltà italiana” - Schwierigkeit der Verbreitung einer Mundart innerhalb historisch gewachsener Sprachlandschaft - ist für Bilinguismus, Koexistenz von Dachsprache und vernacoli ► Wiederaufnahme der Idee der lingua cortigiana mista - die Entstehung von Nationalsprachen ist ein von sozialen und kulturellen Faktoren abhängiges, komplexes historisches Phänomen - Gemeinsprache setzt sich mit der Zeit durch; ein natürlicher „ processo di consenso creativo“ - er berief sich auf den Darwinismus, Kraft der „natürlichen Auslese“ - kritisierte „ die ungenügende Dichte der Sprache und den übertriebenen Kult der Form“ innerhalb Italiens - einzige mögliche Lösung des Sprachproblems: - Anhebung des Bildungsniveaus - und Aufbau einer nationalen Interessen- und Arbeitsgemeinschaft mit Beteiligung des ganzen Landes ►Trennung von gesprochener und geschriebener Sprache - schwächte später seine Kritik ab und schloss sich 1890 den Verfechtern des Toskanischen an Vergleich - oft als Vertreter entgegengesetzter Positionen dargestellt (Wissenschaft vs. Praxis) - dennoch keine antithetische Gegenüberstellung, da beide bemüht Fragen der Sprache unter Einbezug der Gesellschaft zu lösen - Ablehnung Ascolis gegenüber willkürlichem Lösungsversuch - Ascolis Lob an Manzoni: „ quel Grande, che è riuscito, con l’infinito potenza di una mano che non pare aver nervi, a estirpar dalle lettere italiane, o dal cervello l’antichissimo cancro della retorica” -betrachten die Sprache nur von außen; sie gehen von einem „Reinheitsideal“ aus Quellen: - BLASCO FERRER, Eduardo (1993): Handbuch der italienischen Sprachwissenschaft. Berlin/ Bielefeld/ München: Erich Schmid - BOCHMANN, Klaus (ed.) (1993): Sprachpolitik in der Romania. Zur Geschichte sprachpolitischen Denkens uns Handels von der französischen Revolution bis zur Gegenwart. Berlin u. a.: DeGruyter - DURANTE, Marcello (1993): Geschichte der italienischen Sprache: vom Latein bis heute. Stuttgart: Steiner - GECKELER, Horst/ KATTENBUSCH, Dieter (1987): Einführung in die italienische Sprachwissenschaft. Tübingen: Niemeyer - KREFELD, Thomas (1988): „ Italienisch: Sprachbewertung. Guidizi sulla lingua“: in HOLTUS, Günter/ METZELTIN, Michael/ SCHMITT, Christian (eds.): Lexikon der Romanistischen Linguistik IV: Italienisch/ Italiano. Tübingen: Niemeyer S. 312-326 - LEPSCHY, Anna Laura/ LEPSCHY,Giulio (1986): Die italienische Sprache. Tübingen: Francke - PETRONIO, Giuseppe (1993): Vom Verismus bis zur Gegenwart. Geschichte der italienischen Literatur 3. Tübingen: Francke 2 3