WS 06/07 Ostasiatisches Seminar Moderne China Studien Proseminar Grundzüge der modernen chinesischen Geschichte Leitung: Björn Alpermann Referat zum Thema: „Dritter Weg“ und Bürgerkrieg, 1945-1949 Referent: Claus Esch 1. Semester Regionalwissenschaften China Höhenberger Str. 28 51103 Köln Inhalt I. Einleitung II. Hauptteil 2.1 Hauptmitglieder des Demokratischen Bundes 2.1.1 Jungchina Partei 2.1.2 Vereinigung zur Nationalen Rettung 2.1.3 Nationale Sozialistische Partei 2.1.4 Aktionskomitee zur Befreiung des chinesischen Volkes 2.1.5 Die Gesellschaft für Berufsausbildung 2.1.6 Die Gesellschaft für die Erneuerung des Dorfes 2.2 Scheitern des „Dritten Weges“ 2.2.1 Gründungslegitimation im Wandel 2.2.2 Das Streben nach Macht Einleitung: Mit dem Demokratischen Bund (im folgenden DB) und seinen Vorläufern (1939-1949) galt der Versuch, eine dritte Kraft zu etablieren, die zwischen den beiden großen Parteien Chinas als Vermittler agieren sollte. Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Frage, warum der DB diese Aufgabe nicht erfolgreich ausführen konnte. Hierzu sind vor allem Informationen über den innerparteilichen Aufbau, sowie Kenntnisse über den Wandel der Beziehung zwischen DB und GMD und DB und KPCh nötig, ebenso wie die Einordnung in den zeitgeschichtlichen Kontext, aus dem sich die Legitimation einer Partei ergibt, deren Mitgliederideologien das politische Spektrum in seiner kompletten Breite abdeckt. So lassen sich die innerparteilichen Divergenzen, die bis zur Spaltung und Radikalisierung der Partei führten, besonders gut nachvollziehen. 2.1 Die wichtigsten Mitgliederparteien des Demokratischen Bundes 2.1.1 Jungchina Partei Im Dezember 1923 von chinesischen Studenten in Paris in Opposition zur KPCh gegründet, war die Jungchina-Partei, unter allen Parteien des DB, die am straffsten organisierte. Im Frühjahr 1925 schlossen sich ihr viele patriotische und nationalistische Gruppen an. Ihre Mitgliederzahl belief sich gegen Ende der 40er Jahre auf ca. 30.000, darunter vor allem großbürgerliche Intellektuelle, Beamte und einige Geschäftsleute sowie Grundbesitzer. Sie ist, durch ihre nationalistische, konservative und anti-kommunistische Haltung klar an den rechten politischen Rand zu ordnen.1 2.1.2 Vereinigung zur Nationalen Rettung Die Vereinigung zur Nationalen Rettung wurde 1936 als Organisation patriotischer Kreise in Shanghai gegründet, die eine Einheitsfront gegen Japan forderten. Erst mit Ausbruch des sino-japanischen Krieges konnte die Vereinigung zur Nationalen Rettung Teile ihrer Arbeit ohne Verfolgung durch die GMD aufnehmen, da sie vorher beschuldigt wurde als Frontorganisation der KPCh zu fungieren und sieben ihrer Führer verhaftet und erst später wieder freigelassen wurden. Mit Zweigbüros in allen größeren Städten und durch ihr starkes Engagement für das Ende des Bürgerkrieges, den Schutz der Bürgerrechte, der Bildung einer Koalitionsregierung und für die Durchsetzung eines demokratischen 1 Vgl. Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S.42- Systems gewann sie insbesondere unter Professoren, Studenten, Schriftstellern und Journalisten starken Zulauf. Die politische Gesinnung kann man en gros als links-liberal bezeichnen.2 2.1.3 Nationale Sozialistische Partei Im Gegensatz zur Vereinigung zur Nationalen Rettung oder der Jungchina Partei brachte es die Nationale Sozialistische Partei auf einen eher kleinen Mitgliederkreis von ca. 1000, unter ihnen hauptsächlich Professoren und Studenten. Sie wurde 1933 gegründet und sprach sich in ihrem ersten Parteitag 1934 gegen das Fortdauern des Bürgerkriegs und gegen die Alleinherrschaft der GMD aus. Nach Ausbruch des zweiten sino-japanischen Krieges forderte sie im April 1938 Chiang Kai-Shek zur Bildung einer Einheitsfront gegen die Japaner auf und beschuldigte im Dezember desselben Jahres die KPCh der Sabotage einheitlicher Kriegsanstrengungen.3 2.1.4 Das Aktionskomitee zur Befreiung des Chinesischen Volkes Nach dem Bruch der ersten Einheitsfront und dem Auseinanderfall der Wuhan-Regierung 1927 schlossen sich Teile der GMD-Linken, die eine weitere Zusammenarbeit mit der KPCh forderten, zusammen. Ab 1928 gab sich dieser Kreis den Namen Chinesische Revolutionspartei, welcher 1930 in Provisorisches Aktionskomitee der Guomindang. Nach einer Teilung in regional agierende Splittergruppen im selben Jahr reformierte sich die Partei unter dem endgültigen Namen Aktionskomitee zur Befreiung des Chineschen Volkes auf einem Kongress 1935 in Hongkong. Seine Mitgliederzahl wurde 1948 auf ca. 6000 geschätzt. Trotz ihrer stark linksgerichteten Haltung (1928 Veröffentlichung eines Manifests in Moskau durch die Chinesische Revolutionspartei) suchte sie nach Ausbruch des sino-japanischen Krieges auch die Zusammenarbeit mit der GMD, ihr wurde aber, im Gegensatz zur Jungchina Partei und Nationalen Sozialistischen Partei, die Teilnahme an den Beratungen verwährt.4 2 Vgl. Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S. 4748. 3 Vgl. Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S. 4445. 4 Vgl. Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S. 4647 2.1.5 Die Gesellschaft für Berufsausbildung Die Gesellschaft für Berufsausbildung wurde 1917 in Shanghai gegründet. Ihr gehörten vor allem Intellektuelle aus den Bereichen Erziehung, Industrie und Handel an, die eine Berufsausbildung nach amerikanischem Vorbild anstrebten. Die Mitgliederzahl der Gesellschaft für Berufsausbildung betrug 1940 ca. 25.300, wobei der größte Teil sich aus Absolventen der von ihr geleiteten Berufsschulen zusammensetzte. Ihr Führer Huang Yenp’ei, Leiter des Erziehungsministeriums, bekleidete nach dem Ausbruch des sinojapanischen Krieges Ämter in der Einheitsfront, woraufhin sich die Gesellschaft auch allgemeinpolitischen Fragen zuwandte. Aus diesem Wandel folgte 1945 die Gründung einer neuen Partei, der National-Demokratischen Aufbauvereinigung, welche sich vor allem für den Rechtsstaat, die Modernisierung der Wirtschaft und eine friedliche, legale Landreform einsetzte.5 2.1.6 Die Gesellschaft für die Erneuerung des Dorfes 2.2 Gründung des DB, seine Legitimation im zeitgeschichtlichen Kontext Dem Demokratischen Bund gehen zwei Organisationen voraus: Die Vereinigung der Genossen für Einheit und Nationalen Aufbau sowie der Bund Demokratischer Gruppen. 5 Vgl. Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S.48-49 Mit der Ankündigung einer Nationalversammlung zum November 1940 im Jahre 1939 kam die GMD den Forderungen nach Beendigung der Erziehungsdiktatur der politischen Mittelgruppen entgegen. Daraufhin trafen sich die in 2.1 beschriebenen Parteien und Organisationen, sowie einige Unabhängige Einzelne, zu Konferenzen in Chungking und Chengtu. Im Zuge der Koordination der Teilnehmer wurde die Vereinigung der Genossen für Einheit und Nationalen Aufbau gegründet. Da diese Vereinigung aber nur ein „loses Zweckbündnis ohne eigene Organe“6 darstellte, beließ man seinen Mitgliedern weiterhin ihre Eigenverantwortlichkeit bzw. Selbstbestimmung. Ein politischer Konsens wurde in Form einer 12-Punkte Eingabe formuliert, welcher vor allem auf die Bildung einer Einheitsfront und den Aufbau eines demokratischen Staates appellierte. Durch weitere Konflikte zwischen GMD und KPCh Ende 1939 rückte die Nationalversammlung wieder in weite Ferne, wodurch sich die Vereinigung auf eine Vermittlerrolle zwischen den beiden großen Parteien beschränkte. Zwar wurden die Vorschläge angenommen und anerkannt, fanden allerdings keine Umsetzung. Zu diesem Zeitpunkt war die politische Teilnahme der Vereinigung seitens Chiang Kai-Sheks ausdrücklich erwünscht.7 Der nächste Schritt hin zum Demokratischen Bund war der Bund Demokratischer Gruppen (BDG), welcher im Januar und Februar 1941 auf mehreren Konferenzen aus der Vereinigung der Genossen für Einheit und Nationalen Aufbau hervorging. Schon vor diesem Zeitpunkt äußerte sich die GMD Führung missbilligend gegenüber dem Ausbau der politischen Mittelgruppen, weshalb der BDG anfangs aus dem Hongkonger Untergrund handelte. Ein halbes Jahr nach seiner Gründung erst trat der BDG in Form der Kuang-ming Pao in die Öffentlichkeit. Einen Monat später veröffentlichte der BDG sein Gründungsmanifest, sowie ein 10-Punkte-Programm, in welchem er seine politischen Vorstellungen näher erläuterte. Als wichtigste Punkte seien hierzu genannt: Wiederstand gegen Japan, Wiederherstellung chinesischer Souveränität, Beendigung der Erziehungsdiktatur und Beginn der Demokratisierung, Aufnahme diplomatischer Verhandlungen zwischen GMD und KPCh, Verstaatlichung des Militärs, geistige und akademische Freiheit, Rechtsstaatlichkeit (u.a. Abschaffung der Geheimpolizei). Diese Forderungen wurden im November 1941 dem Politischen Nationalrat, „dem einzigen 6 Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S. 23. Vgl. Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S. 2224. 7 Gremium zur relativ freien Meinungsäußerung“8, in Form eines 10-Punkte Antrags vorgelegt, fanden aber keine Zustimmung, mit der Begründung der Antrag „untergrabe die Kriegsanstrengungen gegen Japan und rüttele an den Wurzeln des Staates“.8 Trotz der Annahme eines umformulierten Antrages fanden die Vorschläge keine Umsetzung, woraufhin der BDG die Sitzungen des Rates bis September 1943 boykottierte. Aufgrund der faktischen Negierung eigener Anträge, sowie der Repression u.a. durch Vertriebsverbote der Kuang-ming Pao und Behinderung der politischen Arbeit durch Geheimpolizei und Spitzel entfernte sich der BDG immer weiter von politischer Neutralität. So wurde bereits im April 1943 ein „Programm für den Fall des Zusammenbruchs der Regierung“9 vorbereitet. Auch in anderen Veröffentlichungen wurden immer deutlicher die Missstände, vor allem die Korruption, der GMD-Regierung angeprangert. Der BDG suchte ab 1944 immer wieder die Unterstützung der USA, da diese, vor allem auf ökonomischer Seite, Einfluss auf Chiang Kai-Shek ausübten. Wenn auch nicht direkt der Sturz des GMD-Regimes geplant bzw. geäußert wurde, so sprach man sich doch offener als zuvor gegen sie aus. Im August 1944, bei einer Unterredung mit dem amerikanischen Konsul bezeichnete man Chiang Kai-Shek und seine Clique als „faschistisch, chauvinistisch und anti-westlich“10. Die USA verhielten sich der GMDRegierung gegenüber jedoch loyal, u.a. auch wegen ihrer skeptischen Haltung zu einer starken Opposition. Ab 1944 nahm der BDG seine Öffentlichkeitsarbeit in verstärktem Maße wieder auf, indem er viele Diskussionsforen veranstaltete und im Mai 1944 eine weitere, in ihrem Ton härtere, Kritik an der Erziehungsdiktatur der GMD, in der er die Früchte dieser Erziehung als „Niedergang der Moral, Korruption und Verfall“11 darstellte.12 Mit finanzieller Unterstützung durch die KPCh formierte sich der BDG auf einem Parteitag im September 1944 zum Demokratischen Bund. Mit diesem Schritt entfernte man sich von der losen Parteienallianz, hin zu einer Partei mit individueller Mitgliedschaft. Die erste Veröffentlichung des DB waren die ‚Politischen Ansichten zur letzten Etappe im 8 Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S. 27. 9 Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S.28. Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S.29. 11 Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S.31. 12 Vgl. Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S.2431 10 Wiederstandskrieg’, deren Hauptforderung die Einberufung einer Allparteienkonferenz mit einer Koalitionsregierung aller Parteien war. Dieser Gedanke wurde im Februar 1945, nach dem Scheitern von Verhandlungen mit Hilfe des US-Botschafters Hurley, durch die GMD wieder aufgegriffen. Besonders die Annullierung der Wahlen zur Nationalversammlung von 1936 wurde vom DB gefordert, da sie nicht den gegenwärtigen Willen des Volkes repräsentierten. Zu dieser Zeit näherten sich der DB und die KPCh weiter an. So wurden im April 1945 auf der San Francisco Konferenz mit Delegierten die Anstrengungen beider Parteien für Demokratie und Frieden hervorgehoben, was durch Abkommen zur Kooperation im Pressewesen und beim taktischen Vorgehen in den politischen Verhandlungen mit der GMD weiter ausgebaut wurde.13 Der Bruch, der sich innerhalb des DB durch die schrittweise enger werdende Kooperation mit der KPCh andeutete, erfuhreinen vorläufigen Höhepunkt während eines Parteitags im Oktober 1945. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges traten Chiang Kai-shek und Mao Tsetung zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Die Hoffnung auf Frieden schien greifbar, wodurch eine klare Stellungnahme zum Wiederaufbau Nachkriegschinas seitens des DB verlangt wurde. Das erstellte Programm lässt sich allerdings eher als ein für keine Gruppe innerhalb des DB befriedigender Kompromiss deuten. Besonders die Jungchina-Partei versuchte einen anderen Kurs als das Plenum zu verfolgen. Zum Eklat zwischen Jungchina-Partei und DB kam es schließlich, nachdem Tso Shun-sheng, Jungchina-Parteimitglied und Generalsekretär des DB, wesentliche Kompetenzen seines Postens im DB entzogen wurden und die Mitglieder der Jungchina-Partei aus dem Bund austraten. 13 Vgl. Scharping, Thomas: Der demokratische Bund und seine Vorläufer 1939-1949, Hamburg 1972, S.33.