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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
Waltraud Ulshöfer
Februar 2011
Bauer sucht Zukunft
Landwirtschaft und Slow Food
Beitrag zur Diskussion des RATSCHLAGES
Der Beitrag befasst sich mit den Themen:
 Ernährung und Verantwortung
 Landwirtschaft
 Folgen der falschen EU-Agarpolitik:
Welthunger, Agrotreibstoff, Gentechnologie, Massentierhaltung
 Reform der EU-Agrarpolitik
 kritisch-konstruktive Agrar-Plattform
 Lebensmittelkennzeichnung
 Ernährungsmuster
 Was kann Slow Food tun?
Ernährung und Verantwortung
Slow Food setzt sich für die Kultur des guten Essens ein. Die Produktion hochwertiger
gesunder Nahrungsmittel ist Voraussetzung für geschmackvolles genussreiches Essen. Aus
diesem Grund befasst sich SF auch mit Landwirtschaft und den Themen, die heute komplex
damit verknüpft sind. Es sind die „hot spots“ der global geführten Diskussion: die
Welternährung, der Klimawandel, die Knappheit von Energie, Wasser, fruchtbaren Böden
und Rohstoffen, der Verlust der Artenvielfalt und der Kulturlandschaften und die AgroGentechnologie.
Als verantwortungsvolle Konsumenten stellen wir uns mehrere Fragen gleichzeitig.Wie kann
die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung gesichert werden? Wie kann die Qualität der
Nahrungsmittel für alle gesteigert werden? Und wie schützen wir langfristig unsere
natürlichen Lebensgrundlagen, das Klima und die Erdökologie?
Im Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung ungefähr 9 Mrd Menschen umfassen. Würden wir
uns weiter in der Weise ernähren wie wir das in Mitteleuropa heute tun, und würden Länder
wie Indien und China im Zuge ihrer nachholenden Modernisierung unsere heutige
Ernährungsweise weitgehend nachahmen, dann müssten in 40 Jahren 30 Mrd. Nutztiere
gehalten werden. Das würde unser Planet wegen der damit einhergehenden hohen
Schadstoffproduktion weder klimatisch verkraften noch würden dafür die Anbauflächen für
die notwendigen Futtermittel ausreichen. Wir bräuchten allein für die Ernährung mindestens
zwei Planeten.
Der Weltagrarbericht fasst die kritische Einschätzung so zusammen:
„Fast 1 Mrd Menschen hungern auf diesem Planeten, während ebenso viele an krank
machender Fettleibigkeit leiden. 2,3 Milliarden Tonnen Getreide werden weltweit geerntet
mehr als je zuvor. Doch nur 47 % dieser Ernte dienen der menschlichen Ernährung. Der Rest
wird zu Tierfutter, Sprit und Industrierohstoff. Unser Ernährungs-System ist eine der
wichtigsten Ursachen für den Klimawandel, das Artensterben, für Umweltvergiftung,
Wasserknappheit, vermeidbare Krankheiten, Kinderarbeit, Armut und Ungerechtigkeit.“
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
Slow Food hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit guten Mahlzeiten und guten Argumenten
den Zusammenhang bewusst zu machen zwischen der Art, wie wir uns ernähren und den
großen globalen Fragen. Daraus folgt, dass wir uns den interessenabhängigen und
ideologischen Auseinandersetzungen stellen müssen, wie die Antworten auf die globalen
Fragen lauten.
Landwirtschaft
Slow Food hat seit seiner Gründung die Entwicklung der Landwirtschaft ab Mitte des letzten
Jahrhunderts kritisiert. Auf der homepage von Slow Food Italia ist die Analyse heute so
zusammengefasst:
„Fünfzig Jahre, in denen die Logik industrieller Produktion auf die Landwirtschaft und auf die
Ernährungswirtschaft übertragen wurden, haben zu Umweltschäden, zum Verlust der
Artenvielfalt sowie zur Vereinheitlichung der Produktionsformen von Lebensmitteln geführt.
Dabei ist die Ernährung der westlichen Welt immer einseitiger und geschmackloser geworden
und gleichzeitig bleibt das Problem des Hungers in der Dritten Welt ungelöst“ (eigene
Übersetzung).
Landwirtschaft ist ein für den Verbraucher wenig transparenter Wirtschaftszweig zwischen
Agrarsubventionen der EU und Interessen einer riesigen Verarbeitungs- und
Vermarktungsindustrie von Lebensmitteln geworden. Wenn Slow Food sich für eine
möglichst naturnahe Lebensmittelproduktion einsetzt, dann bedeutet das, den Weg genau in
die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen. Ist das realistisch?
Geistesgeschichtlich hat schon der Philosoph Ernst Bloch diese gesellschaftliche Vision eines
umweltbewussten Lebensstils entworfen. Im „Prinzip Hoffnung“ spricht er davon, dass die
von Ingenieuren entwickelte Technik mit der Natur umgehe, als stünde sie in Feindesland.
Bloch argumentiert dagegen für ein Umdenken hin zu einer Allianztechnik, die Natur nicht
bloß als Objekt, sondern als Verbündeten begreift. Was bedeutet das für die Landwirtschaft
heute? Ist die Allianz mit der Natur eine Idylle, ein unrealistischer Rückschritt zum
Holzpflug?
Die Agrarpolitik der Bundesrepublik ist eingebunden in die Gemeinsame Agrarpolitik
(GAP) der Europäischen Gemeinschaft.
Anfängliche Zielsetzungen der gemeinsamen EU-Agrarpolitik waren durchaus zu
befürworten. Beispielsweise hat die GAP in den letzten Jahrzehnten durch marktregulierende
Schritte die Landwirte innerhalb der EU vor Preisextremen geschützt, die durch die
Liberalisierung des Welthandels entstehen.
Andererseits verkehrten sich gute Absichten in völlig falsche Entwicklungen. Zum Beispiel
führte die Schaffung eines Lebensmittelangebotes zu einem Preis, den sich alle leisten
können, zum Irrweg der Massenproduktion billiger Waren, deren Qualität immer weiter
verfällt.
Eigentlich könnte die GAP ein sehr wirksames, weil über alle europäischen Länder hinweg
reichendes Instrument zur Steuerung der Landwirtschaft sein. Die GAP kostet die
Verbraucherinnen und Verbraucher verhältnismäßig viel Steuergelder. Derzeit umfasst die
GAP 40 % des EU-Haushaltes. Das sind 60 Mrd Euro im Jahr. Wenn man die Ausgaben der
einzelnen Staaten der EU noch hinzunimmt, dann hat der Landwirtschaftsetat in der EU eine
Höhe von rund 100 Mrd. Euro. Aber zurecht wird die Frage zunehmend lauter gestellt, was
wir alle als Verbraucherinnen und Verbraucher von diesen Ausgaben haben. LebensmittelSkandale, die einen um die Gesundheit bangen lassen, Massentierhaltung und genveränderte
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
Lebensmittel, die von der Mehrheit der Verbraucher abgelehnt werden. Die Lebensmittel
werden immer billiger, aber ihre Qualität immer zweifelhafter. Tomaten und Champignons
haben zwar noch eine unterschiedliche Form, aber beides ist ähnlich geschmacklos. Man kann
ganz allgemein festhalten, dass das Geld für Ziele eingesetzt wird, die ökologisch und sozial
zu immer größeren Schäden führen, anstatt zu Lösungen.
Folgen der falschen EU-Agrapolitik
Welternährung
Wenn wir vom Welthunger sprechen, dann ist zunächst zu unterscheiden zwischen der
Bewältigung der gegenwärtigen Hungerkrise einerseits und der Ernährungssicherheit für die
wachsende Weltbevölkerung andererseits.
Die Hungerkrise ist im Kern ein Krise des Welthandels und der Lebensmittelpreise, die
durch Subventionen in den Industrieländern verzerrt werden. Die Exportstrategie der
Bundesrepublik und der EU gehören zu den Mitverursachern der Hungerkrise und behindern
eher deren Bewältigung als dass sie Abhilfe schafften. Die Marktmechanismen kann man
folgendermaßen skizzieren. Die EU- Subventionen sind ursprünglich konzipiert worden, um
das Überleben der Bauern auch unter schwierigen Produktionsbedingungen zu sichern.
Tatsächlich profitieren heute außer den Bauern in hohem Maße auch Konzerne und
Großbetriebe der Lebensmittelindustrie von den EU-Subventionen, wie z. B. Nestlé, MüllerMilch oder Südzucker. Sie werden finanziell darin unterstützt, die im Weltmarktvergleich
relativ teuren Produkte der EU-Bauern zu kaufen und diese Produkte dann zu niedrigen
Preisen auf dem Weltmarkt anzubieten. Dieser Konkurrenz können die Bauern in den ärmeren
Ländern der Welt nicht gewachsen sein.
Der World Food Report der FAO, der Ernährungsorganisation der UNO, kommt zu dem
Schluss, dass es keinen objektiven Mangel an Nahrungsmitteln gibt. Der Bericht geht mit
einem Blick auf die zukünftige Ernährungssicherheit noch weiter. Er behauptet, wenn es eine
kohärente, das heißt über national- und EU-Grenzen hinweg verantwortliche Handelspolitik
und die Achtung vor der Ernährungssouveränität aller Länder gäbe, dann könnten wir mit der
globalen Landwirtschaft auf dem heutigen Stand der Technik in Zukunft auch 12 Mrd.
Menschen ernähren. Tatsächlich werden schon heute nach Maßgabe der Exportorientierung in
Deutschland täglich wesentlich mehr Lebensmittel produziert als wir verbrauchen, nämlich
2700 Kilokal/Kopf/Tag. Tatsächlich brauchen wir nur durchschnittlich 2200 Kilokal. Vor
allem Fleisch wird überproduziert: zum Beispiel 30 % mehr Schweinefleisch als wir hier bei
uns kaufen und essen. Die EU ist seit 2003 weltweit der größte Exporteur von Agrarprodukten
und drängt in die neu entstehenden Fernost-Märkte, zum Beispiel mit langfristigen Verträgen
über Fleischexporte nach China.
Auf berechtigte Kritik der FAO stößt auch der absurde Widerspruch, dass Indien, das Land
mit den meisten Hungernden, zu den 10 größten Getreideexporteuren der Welt gehört – ein
weitere Beleg dafür, dass Hunger ein Problem falscher Markmechanismen sowie ein
politisches Problem versäumter Agrarreformen und gerechterer Landverteilung ist.
In den Industriestaaten treiben die Billigpreise für Grundnahrungsmittel und gleichzeitig die
Vorstellung, man könne immer und überall alle Lebensmittel zur Verfügung haben, ganz
bizarre Blüten. Bei uns kann man jederzeit alles kaufen. Die Supermärkte und Bäckereiketten
bieten den ganzen Tag über frisches Brot an. Das ganz Jahr über werden uns von irgendwo
her auf der Welt frische Erdbeeren angeboten. Um die Dauerverfügbarkeit aller Waren zu
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
gewährleisten, wird in Deutschland sehr viel mehr produziert und sehr viel mehr auf dem
Weltmarkt eingekauft als je konsumiert werden könnte. Und wenn die Lebensmittel ästhetisch
nicht mehr ganz makellos und perfekt sind oder einfach zu viel davon vorrätig gehalten
wurden, werden sie weggeworfen. Ungefähr ein Viertel der Lebensmittel landet in
Deutschland auf dem Müll! Die Lebensmittelverschwendung hat wiederum schlimme
Auswirkungen auf die Produktion klimaschädlicher Treibhausgase, auf die Verschwendung
von Energie und Wasser. Das rücksichtslose Wegwerfen von Nahrung ist wie eine böse
Karikatur des Welthungers.
Für Slow Food ist es eine wichtige Aufgabe, diese Zusammenhänge sichtbar zu machen und
die Wirkung anonymer Märkte auf unser Konsumverhalten aufzuzeigen. Wer den Bauern
kennt, der die Lebensmittel herstellt und wer Einblick hat in seine Arbeit, der wirft nicht so
leicht Lebensmittel weg. Wenn Slow Food Landwirte und Verbraucher zusammenbringt,
dann tragen wir dazu bei, dass der Wert von Lebensmitteln wieder mehr geschätzt wird.
Mit Blick auf die zukünftige Ernährungssicherheit für die wachsende Weltbevölkerung hat die
Bundesregierung im Jahr 2009 einen sogenannten Bio-Ökonomierat eingesetzt. Er hat die
Aufgabe, Forschungswege zu suchen, wie die Erträge in der Nahrungsmittelproduktion
gesteigert werden können.
Die Mehrheit des Bio-Ökonomierates favorisiert technologiebasierte Lösungen. Noch immer
gehen die Konzeptionen von einer Intensivierung der konventionellen Landwirtschaft aus,
also von einem Getreide- und Gemüseanbau, bei dem auf besten Böden mit üppiger Düngung
und Hochertragssorten die Ernteerträge erhöht werden, von der Fleischproduktion, die durch
Futtermittelimporte unabhängig von den bewirtschafteten Flächen erfolgt. Gleichzeitig gilt
der Einsatz grüner Gentechnik als notwendiges Mittel, die Welternährung zu sichern.
Vertreter des ökologischen Landbaus stellen ihre Alternative dagegen. Vorrangiges Ziel ist
die Herstellung von gesunden Lebensmitteln auf der Grundlage naturschonender
Produktionsmethoden. Die Produktion von Nahrung hat gleichzeitig zum Ziel, die
ökologischen Systeme zu erhalten. Nachhaltig wirtschaftenden Höfe sollen jedoch keine
Marktnische bedienen. Es geht auch im Ökolandbau um die Steigerung der Erträge. Demnach
muss sich die Forschung darauf ausrichten, Nutzpflanzen und Tierhaltung robuster zu
machen. Sie muss im Landbau an die ersten Erfolge krankheitsresistenter Züchtungen ohne
Gentechnologie anknüpfen, wie es sie schon für Kartoffeln, Reben und Äpfel gibt. Intelligente
Technologie zur mechanischen Bekämpfung von Unkraut soll auf den Äckern zum Einsatz
kommen.
Ökologisch orientierte Agrarwissenschaftler sprechen von Forschung in Richtung „Quality
Low Input Food“. Ziel ist die Produktion von Qualitätsprodukten und dabei gilt die
Ökonomie der Ressourcenknappheit. Der ökologisch und ökonomisch sparsame Gebrauch
von Wasser und Energie von Düngemitteln und Zusatzstoffen bei Produktion und
Verarbeitung sowie kurze Transportwege tragen dazu bei, dass die Produkte preiswert – nicht
billig – angeboten werden können.
Auch für den Aufbau und die Stützung einer nachhaltigen Landwirtschaft in den
Entwicklungsländern braucht man keinen „technology push“. Die Lösungsansätze liegen
dagegen in Konzepten der Effizienzsteigerung einer kapitalschwachen und weitgehend ohne
Fremdmittel arbeitende Landbewirtschaftung: „Low External Input Sustainable Agriculture“,
„Eco Farming“. Dabei wird auf das indigene Wissen der Bäuerinnen und Bauern
zurückgegriffen und auf standortgemäße und sozialverträgliche Maßnahmen gesetzt. Dazu
gehören die systematische Erschließung landwirtschaftlicher Flächen für die Produktion
lokaler Grundnahrungsmittel, die Unterstützung der Bauern bei der Saatgutgewinnung und
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
bei der Verbesserung der Züchtung, die Verbreitung des Wissens über lokale
Anpassungsstrategien an den Klimawandel – wie zum Beispiel den Aufbau urbaner Gärten
oder die Förderung dezentraler Technologien der Energieversorgung.
Der Landbau folgt den Regeln des „Conservation Farming“, bei dem so wenig wie möglich in
die ökologische Regenerationsfähigkeit der Böden eingegriffen wird. Es wird beispielsweise
nicht zu tief gepflügt, auf leichtlösliche Mineraldünger und chemisch-synthetishe Pestizide
wird ganz verzichtet. Feldfrüchte werden in rotierendem Wechsel angebaut.
Darüber hinaus brauchen die Subsistenzbauern Unterstützung, damit sie ihre Höfe
entsprechend den regionalen Märkten ausbauen und zu gewerbliche Kleinbauern werden
können. Der Aufbau lokaler und regionaler Märkte über eine dezentrale Infrastruktur, wie
Straßen, Kühlhäuser, Kommunikationswege muss gefördert werden. Die Grundrichtung zur
Ernährungssicherheit in den armen Ländern ist eindeutig. Sie folgt einem afrikanischen
Sprichwort: „Der Topf kocht von unten.“
Agro-Treibstoff
Die europäischen Industrieländer aber auch Brasilien und die USA fördern den Anbau von
Energiepflanzen für die Treibstoffgewinnung. Diese Förderung steht im Widerspruch zu dem
Ziel, landwirtschaftliche Flächen für die weltweit ausreichende Produktion von Lebensmitteln
zu nutzen. Außerdem führt der Anbau von Energiepflanzen auf großen Flächen zu
umweltschädlichen Monokulturen und zum Verlust traditioneller Kulturlandschaften. Und
schließlich ist noch nicht nachgewiesen, dass die Nutzung von Biomasse als Treibstoff
tatsächlich zu einer positiven Klimabilanz führt. Im Konflikt zwischen Tank und Teller wird
die Landwirtschaft für eine falsche Energie- und Mobilitätspolitik in Dienst genommen,
anstatt gesunde Lebensmittel zu produzieren.
Gentechnologie
Im Wechselspiel zwischen Markt und Produktion können wir als kritische Verbraucher
Einfluss nehmen darauf, was wir selbst unter Lebensmittelsicherheit verstehen.
Für Slow Food gilt: Lebensmittelsicherheit umfasst den absoluten Verzicht auf die AgroGentechnologie.
70 % der Verbraucher in Europa lehnen Gentechnologie im Landbau und in Futtermitteln für
Nutztiere ab. Der Hauptgrund der Ablehnung liegt in der nicht kalkulierbaren Gefährdung, die
von den transgenen Varianten des Tierfutters, von gentechnologisch veränderten Hilfsstoffen
bei der Verarbeitung oder Konservierung von Produkten oder von gentechnisch veränderten
Nahrungsmitteln ausgehen kann. Einmal freigesetzte gentechnisch veränderte Organismen
sind aus der Natur nicht mehr rückholbar. Die ungewollte Auskreuzung von gentechnisch
veränderten Sorten kann nicht ausgeschlossen werden. Die Folgewirkungen auf den
menschlichen Organismus und ebenso auf Tiere sind bislang überhaupt noch nicht erforscht.
Zum Beispiel weiß man inzwischen, dass gentechnisch veränderter Mais insektenresistent ist.
Die Pflanzen sind aufgrund der gentechnischen Umrüstung als Ganzes wie ein Insektizid. Sie
produzieren in allen Pflanzenanteilen – also von den Blättern bis zu den Pollen – ein
Insektengift. Welche Folgen das für Mensch und Umwelt hat, weiß keiner. Auch der in
Deutschland bis 2009 zugelassene Gentechnik-Mais MON810 gehört zu diesen
insektenresistenten Sorten. Die EU-Kommission will die Genehmigung von MON810
verlängern und den Anbau weiterer Sorten zulassen.
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
Unabhängige Risikoforschung wird so gut wie gar nicht staatlich finanziert. Die AgroGentechnikkonzerne wie Monsanto oder BASF können über ihre Patentansprüche verhindern,
dass die Folgen des Einsatzes von Gen-Saatgut wissenschaftlich untersucht werden. Es wird
also nur das geprüft, was die Gentechnik-Konzerne zur Prüfung freigeben. Gentechnologie ist
eine Risikotechnologie, für die gilt: „Wir werfen weiter, als wir sehen können.“ (Günther
Anders).
Hinzu kommt dass die Agro-Gentechnikkonzerne vor allem die Bauern in den
Entwicklungsländern über die Patentgebühren in Abhängigkeit und Verschuldung treiben und
damit die Ernährungssicherung eher unterlaufen als fördern. Das sind genügend Gründe, um
die Gentechnik auf dem Acker und im Essen grundsätzlich abzulehnen.
Massentierhaltung
Die Mast von Nutztieren in gigantischen Ställen und unter tierquälerischen Bedingungen ist
ebenfalls eine Konsequenz der aggressiven Exportstrategie auf nationaler und auf EU-Ebene.
20 % der Tiermastbetriebe erwirtschaften heute 80 % der gesamten Fleischproduktion. Eine
ganz besondere Spitze erreicht die Konzentration bei der Geflügelmast. Insgesamt gibt es über
60.000 Geflügelhöfe in Deutschland. Aber in nur 9000 Betrieben werden über 64 % der Tiere
gehalten. Die großen Tiermastbetriebe beherrschen den Markt und die Preise. Fleisch wird
als Billigprodukt hergestellt. Profite entstehen aus der Masse.
Entsprechend sehen die Mega-Tierhaltungsbetriebe auch aus. Es übersteigt oft die
Vorstellungskraft der Verbraucherinnen und Verbraucher, dass es in Ostdeutschland
Schweineställe mit 80.000 Mastplätzen gibt und Schlachthöfe, in denen bis zu 25.000
Schweine am Tag verarbeitet werden.
Die gigantischen Mastbetriebe sind abgeriegelte Hochsicherheitstrakte. Die Tiere werden dort
in krassem Widerspruch zu ihrem arteigenen Verhalten gehalten. Schweine werden auf
Zement-Spaltenböden ohne Stroh-Einstreu unter Dauerdämmerlicht zusammengepfercht. Sie
können sich kaum bewegen, haben Parasiten und Hautkrankheiten. Antibiotika und
Hormonzugaben zur Leistungssteigerung führen dazu, dass Mastputen unter ihrem eigenen
Gewicht zusammenbrechen. Tausende Tiere sterben noch vor der Fahrt zum Schlachthof.
Die gigantischen Mastbetriebe sind auch für die Menschen in der Region eine große
Belastung durch Lärm, Gestank und Gesundheitsgefahren. In der Intensivtierhaltung
entwickeln sich multiresistente Bakterien (Staphylokokkus aureus, MRSA), die gegen
Desinfektionsmittel und Antibiotika resistent sind und bei Menschen zu horrorartigen
Krankheitsbildern führen. Mitarbeiter in den riesigen Ställen tragen die Keime an ihrer
Kleidung. Erhöhte Konzentrationen wurden im Umkreis von 500 m um Anlagen in der Luft
gemessen.
Nur um beispielsweise den Unterschied zu Neuland-Richtlinien einmal anzudeuten: für die
Mastgeflügelhaltung gelten bei Neuland Bestandsobergrenzen von 6.000 Hähnchen und eine
Flächenbindung von 1,5 GVE (Groß-Vieh-Einheiten) je ha Land.
(GVE ist ein Umrechnungsschlüssel im Verhältnis von Tierbestand zu bewirtschafteter Fläche
auf der Basis des Lebendgewichtes. 1 GVE = 500 kg = das Gewicht eines ausgewachsenen
Rindes. Der Viehbesatz ist ein wichtiger Maßstab für artgerechte Tierhaltung und auch für
ökologische Kriterien. Zum Beispiel kann zu hoher Viehbesatz zur Überweidung oder
Überdüngung der Wiesen und Äcker führen.)
In den Neuland-Richtlinien ist ein ganzjähriger Auslauf vorgeschrieben, die Hähnchen
müssen Gelegenheit zum Sandbaden haben (!), bodendeckende und trockene Einstreu ist
vorgeschrieben, in den Ställen muss ein Fenster-Boden-Verhältnis von 1:20 gewährleistet
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
sein, eine ununterbrochene Nachtruhe ohne Kunstlicht von mindestens 8 Stunden muss
eingehalten werden usw. Es gibt präzise Regeln für die Futtermittel, für den Transport und für
die Kontrollen durch externe Kontrolleure. Im Kontrast wird verständlich, was artgerechte
Tierhaltung und die Produktion sauberer Lebensmittel bedeutet.
Die Tierhaltungsindustrie verdrängt bäuerliche Betriebe und mittelständische
Lebensmittelhandwerker und damit auch die regionalen Wirtschaftskreisläufe. Umwelt,
Klima und die Kulturlandschaft werden beschädigt. Die Höhe des volkswirtschaftlichen
Schadens ist noch nie errechnet worden.
Nirgendwo in der EU ist Fleisch so billig und zum Teil auch so minderwertig wie in
Deutschland. Aber es gibt immer mehr Verbraucher, die bereit sind, für geschmackvolleres
und hochwertiges Fleisch mehr zu bezahlen. Für sie hat Fleisch auch eine ethische Qualität.
Slow Food macht sich für die artgerechte Tierhaltung stark, bei der die Anzahl der Mastplätze
an die bewirtschaftete Fläche der Höfe gebunden ist. Die flächengebundene Tierhaltung mit
Futterproduktion aus hofeigenem und ersatzweise regionalem Anbau muss eine
Voraussetzung für die Agrarförderung werden. Außerdem sollte das Baugesetz, das bisher
Bauvorhaben im Außenbereich der Gemeinden privilegiert, so schnell wie möglich verändert
werden, um weitere Genehmigungen industrieller Tierhaltungsanlagen zu verhindern.
Die Reform der EU-Agrarpolitik
In den vergangenen 10 Jahren sind bereits 4 Reformversuche der Europäischen Agrarpolitik
unternommen worden. Keine der Reformen stellte die Weichen tatsächlich neu. In aller Regel
sind die Reformen an nationalen Widerständen gescheitert. Erstaunlich ist zudem, dass die
Ziele der gemeinsamen EU-Agrarpolitik im Kern seit der Gründung der Gemeinschaft 1958
wortwörtlich gleich geblieben sind: Technisierung, Rationalisierung, Marktstabilisierung,
Ernährungssicherheit. Übersetzt heißt das: die Politik des „Wachsen oder Weichen“ ist
unbeirrt über Jahrzehnte verfolgt worden, obwohl die ökologischen und sozialen Schäden
längst nicht mehr zu übersehen sind.
Die Landwirtschaftszählung des Statistischen Bundesamtes 2010 kommt zu folgenden
vorläufigen Ergebnissen: Zwischen 1999 und 2007 ging die Zahl der landwirtschaftlichen
Betriebe um rund 21 % zurück. Seit 2007 sind 21.000 Bauernhöfe (das entspricht 7 % aller
landwirtschaftlichen Betriebe) aufgegeben worden. Der sogenannte „Strukturwandel“ setzt
sich also fort. Schaut man auf die letzten 20 Jahre zurück, dann stellt man fest, dass sich in
Deutschland die Zahl der Höfe halbiert hat.
Heute bewirtschaften weniger als 10 % der Betriebe über die Hälfte der Fläche.
Die Wachstumsschwelle der landwirtschaftlichen Betriebe ist immer höher geworden. Sie
liegt heute bei 75 ha . Nur die Höfe können langfristig bestehen, die diese Grenze der
Betriebsgröße übersteigen.
Auch in den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze in der
Landwirtschaft weiter gesunken, nämlich um 5 %.
Die Lebensmittelherstellung steht unter den Vorzeichen von Preisdruck und Wettbewerb auf
Kosten ökologischer Zielsetzungen. Der Schutz der Bodenfruchtbarkeit und der Landschaften
bleibt auf sogenannte Ausgleichsflächen beschränkt. Die „terms of trade“ des Weltmarktes
sind der Maßstab für Tierhaltung und Lebensmittelherstellung. Die Bauern haben an der
Wertschöpfung der Lebensmittelkette immer weniger Anteil. Ungefähr 20 - 30 % des
Endpreises kommt noch beim Bauern selbst an.
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
Der EU-Agrakommissar Dacian Ciolos will jetzt die Talfahrt aufhalten.
Die Europäische Kommission hat für die GAP bis 2020 den Schutz der Gemeingüter, den
Klimaschutz, die Biodiversität, das nachhaltige Wasser- und das Energiemanagement zur
Zukunftsaufgabe erklärt.
Die Landwirtschaft soll grüner und sozial gerechter werden. Dafür soll die sogenannte 2Säulen-Architektur der Agrarsubventionen zwar grundsätzlich beibehalten, die Säulen aber
anders definiert werden.
Die erste Säule, die den größeren Teil der Subventionen ausmacht, besteht in den
Direktzahlungen an die Bauern. Ursprünglich sollten die Direktzahlungen wie ein
Teilausgleich für Preissenkungen bei ganz bestimmten Produkten wirken. Beispielsweise sind
die Preise für Getreide, Rindfleisch Zucker oder Milch instabil. Die Direktzahlungen sollen
auch den Aufwand für höhere Umwelt-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards
gegenüber nicht EU-Saaten ausgleichen.
Heute sind die Direktzahlungen an die bewirtschaftete Fläche gebunden. Jeder bekommt für
einen ha Hoffläche gleich viel. Diese hektarbezogene einheitliche Flächenzahlung bedeutet
für den deutschen Bauern rund 340,- Euro/ha im Jahr. Wer pro ha Fläche rechnerisch mehr
Arbeitskraft benötigt, weil er zum Beispiel umweltschonender produziert, ist relativ im
Nachteil.
Die Reform sieht vor, die Direktzahlungen zukünftig an soziale und ökologische Kriterien zu
knüpfen. Die Landwirte, die mit ihrer Arbeit die Umwelt bewahren, sollen mehr Geld
bekommen. Kleine Höfe sollen höher subventioniert werden als Großbetriebe. Bei dieser neu
eingeführten Staffelung wird zudem die Zahl der Arbeitskräfte pro ha berücksichtigt.
Die zweite Säule, die es erst seit ungefähr einem Jahrzehnt gibt, umfasst Zahlungen für die
Umstellung auf Ökolandbau, für Maßnahmen zum Erhalt des ländlichen Raumes sowie für
die Einhaltung von Umweltstandards. Die Kriterien für diese Umwelt-Auflagen sind bisher
allerdings so lasch, dass jeder Hof sie erfüllen kann. Die Zahlungen der zweiten Säule
bedürfen einer Co-Finanzierung durch die einzelnen EU-Staaten, also des nationalen
Engagements in Sachen Ökologie. Die Reform will an dieser zweiten Säule nichts verändern.
Der deutsche Bauernverband hat die Reform-Vorschläge heftig kritisiert und einen „besseren
Gleichklang“ zwischen marktorientierter Landwirtschaft und Umweltschutz gefordert. Es ist
zu befürchten, dass Deutschland und Frankreich wie bei den vergangenen Reformen auf die
Beibehaltung des Status quo dringen.
Kritisch-konstruktive Agrar-Plattform
Inzwischen formiert sich in der Bundesrepublik eine gemeinsame Opposition, die den Ansatz
der EU-Agrarkommission zwar für nicht ganz ausreichend, aber für grundsätzlich richtig und
unterstützenswert hält.
Seit Frühjahr 2010 gibt es eine Agrarplattform, in der 27 Verbände ( u. a. die Verbände des
ökologischen Landbaus, Neuland, BÖLW, AbL, BUND, Schweisfurth-Stiftung, WWF
Deutschland, Misereor) ihre kritische Analyse der Agrarpolitik formuliert und einen
umfassenden Reformvorschlag der Agrarpolitik in der EU vorgelegt haben.
www.boelw.de/uploads/media/direkt/Positionspapier_Agrarpolitik.pdf
Das Leitbild ist eine multifunktionale, bäuerlich-ökologische Landwirtschaft mit globaler
Verantwortung.
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
„Multifunktional“ bedeutet, dass die Landwirtschaft darin anerkannt und gefördert wird,
dass sie zusätzlich zur Produktion von Lebensmitteln gesellschaftliche Leistungen erbringt.
Dazu gehören zum Beispiel die Erhaltung der Kulturlandschaft, der Schutz der regionalen
Produktvielfalt, die flächendeckende umweltgerechte und klimaschonende Erzeugung von
Nahrungsmitteln und der Tierschutz. Außerdem gehört dazu die Schaffung von
Arbeitsplätzen und der Beitrag zur sozialen Entwicklung und Stabilisierung des ländlichen
Raumes. Diese Leistungen sollen zukünftig untrennbar mit der Bewirtschaftung des Landes
verbunden sein.
Und Slow Food fügt an dieser Stelle noch hinzu, dass nicht geringzuschätzen ist, in welchem
Umfang Landwirtschaft auch so etwas wie Heimat produziert. Sie schafft die Vielfalt,
Schönheit, Eigenheit der Landschaften und der Produkte, die Geschmäcker, ihre Geschichte
und ihre Traditionen., die die Grundlage unserer Identität bilden. Kaum eine menschliche
Zivilisation ist ohne ihre besondere Agrarkultur denkbar. Alle diese zusätzlichen
ökosystemaren Leistungen nachhaltiger Anbaumethoden bleiben derzeit vom Markt
weitgehend unbezahlt. Deshalb müssen Mechanismen für die Wertschätzung und Bezahlung
der multifunktionalen Landwirtschaft gefunden werden.
Die „bäuerliche“ Landwirtschaft bezeichnet nicht die Betriebsgröße, sondern die Art und
Weise, wie auf den Höfen gewirtschaftet wird: Ausrichtung am Erhalt des Hofes und der
Arbeitsplätze, Einbindung in Dorf und Region, Wirtschaften in verflochtenen und sich
ergänzenden, möglichst hofnahen Kreisläufen, Verantwortung für Mensch, Natur und Tier.
Für die „ökologische“ Lebensmittelherstellung und die Tierhaltung sind die Werte und
Richtlinien des Ökologischen Landbaus wegweisend. Die Wertebasis des Ökologischen
Landbaus bilden 4 Prinzipien, die auf Mensch und Tier und alle Arbeitsmittel auf dem Hof in
gleicher Weise und zu gleicher Zeit bezogen werden: das Prinzip der Gesundheit, das Prinzip
der Ökologie, das Prinzip der Gerechtigkeit, das Prinzip der Fürsorge. Den
Produktionsmethoden liegt eine ganzheitliche Sichtweise aller sozialen und ökologischen
Zusammenhänge eines Hofes und die bewusste Nutzung von ökologischen Synergien
zugrunde. Das wichtigste Betriebsmittel ist der gesunde Boden. Geschlossene
Nährstoffkreisläufe, der Anbau stickstoffbindender Hülsenfrüchte, ausgewogene
Fruchtfolgen, biologischer Pflanzenschutz und die Verbindung von Pflanzenproduktion und
Tierhaltung gehören zu den flexibel aufeinander abgestimmten Bewirtschaftungsmaßnahmen,
um dem Ziel der Nachhaltigkeit zuzuarbeiten.
„Globale Verantwortung“ bedeutet, dass sowohl Bauern als auch Verbraucher sich dessen
bewusst sind, dass die Art der Landbewirtschaftung untrennbar zusammenhängt mit den
Antworten auf die Fragen zum Klimaschutz, zum Erhalt der Ressourcen sowie mit der
Bekämpfung des Welthungers. Politisches Ziel in Europa muss es demnach sein, den
innereuropäischen Markt genauso wie das Agieren der EU auf dem Weltmarkt an diesen
Kriterien auszurichten.
Slow Food kann die von der Verbände-Plattform beschriebenen Schritte zu einer
grundlegenden Agrarreform mittragen. Das Leitbild der bäuerlich-ökologischen
Landwirtschaft zeigt die Richtung, in die sich die gesamte Landwirtschaft verändern muss.
Die beiden Säulen der Agrarsubventionen können als Umsteuerungs-Instrumente für die
grundsätzliche Richtungsänderung dienen. Die zweite Säule muss zur tragenden Säule
werden, um die biologische und die kulturelle Vielfalt der ländlichen Räume, die nachhaltige
Nutzung der Ressourcen und den Tierschutz zu stärken. Die Vergabebedingungen für die
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
Direktzahlungen der ersten Säule müssen weiter präzisiert und zum Beispiel an
klimafreundliche Anbaumethoden mit vielfältigen Fruchtfolgen gekoppelt sein. Eine wichtige
Rolle wird dabei dem Anbau von Eiweißpflanzen zukommen, um die ProteinEigenversorgung für die Futtermittelherstellung auf heimischem Boden voranzutreiben.
Die Richtung ist eindeutig: Förderung soll konsequent an die Leistung für die Gesellschaft
und ökologisch wirksame Kriterien gebunden sein. Das Ziel ist eine für Verbraucherinnen und
Verbraucher transparente Struktur der Landwirtschaft und des Lebensmittelhandwerks in
ökonomisch funktionsfähigen vitalen ländlichen Räumen.
Im Zusammenhang mit dem Dioxin-Skandal wird häufig argumentiert, dass auch in Bio-Eiern
Dioxin sei, weil die Hühner im Freiland unkontrolliert auf möglicherweise
schadstoffbelasteten Böden picken. Das Argument widerlegt aber nicht, dass der Biolandbau
das Leitbild für die zukünftige Landwirtschaft sein soll. Auch unter den Bio-Bauern gibt es
Ausreißer und schwarze Schafe, nicht nur Gutmenschen. Außerdem leben und wirtschaften
Ökolandwirte nicht auf schadstofffreien Inseln. Sie arbeiten unter den üblichen Belastungen
von Luft, Wasser und Böden, denen wir alle ausgesetzt sind, zum Beispiel aufgrund der
Schadstoffe, die wir mit Autos, Lastwagen und Flugzeugen produzieren. Aber grundsätzlich
verfolgen Biobauern das Ziel, auf guten und gesunden Böden saubere und so weit wie
möglich rückstandsfreie Lebensmittel herzustellen. Die industrielle Landwirtschaft hat dieses
Ziel aufgegeben oder sie hat es zumindest nicht mehr vorrangig, weil Export und
Billigproduktion in der Masse einen größeren Stellenwert haben.
In der Auseinandersetzung über die Zukunft der Landwirtschaft geht es nicht um die
ideologische Alternative: Öko ist gut, konventionell ist schlecht. Vielmehr geht es um die
Größenordnungen und die Strukturen, um den strukturellen Aufbau von Arbeits- und
Handelswegen des Wirtschaftszweiges Landbau. Die multifunktionale, bäuerlich-ökologische
Landwirtschaft in globaler Verantwortung bedeutet Wirtschaften in kleineren Betrieben,
Verarbeiten und Vertreiben in kleinen Kreisläufen, die überschaubar bleiben, risikoärmer sind
und in denen sich die Mitglieder des Netzes kennen und damit zumindest die
Wahrscheinlichkeit der zuverlässigen Kooperation wächst. Und wie das Wirtschaften in
kleinen Kreisläufen und mit dem primären (weil ökonomisch durchaus profitbringenden)
Interesse an intakter Umwelt und guten Lebensmitteln konkret aussehen kann, das zeigt uns
derzeit der Ökolandbau. Deshalb dient er zur Orientierung.
Lebensmittelkennzeichnung
Wir wollen genau wissen, was wir essen. Das wird uns aber nicht leicht gemacht. Bei der
Kennzeichnung von Produkten wird viel Etikettenschwindel betrieben. Aufdrucke wie „aus
kontrolliertem Anbau“ , „unabhängig kontrolliert“, „aus nachhaltiger Landwirtschaft“,
„umweltschonender Anbau“ sind reine Vermarktungs-Schlagworte. So etwas wie
„naturbelassene“ Produkte gibt es ohnehin nur noch in der Werbung. Dagegen gilt: Wo „Bio“
draufsteht, ist auch „bio“ drin. Die Bezeichnungen „Bio“ und „Öko“ sind nämlich durch EURecht geschützt.
Viele wissen auch nicht, wie man herausfindet, welche Lebensmittel gentechnikrei sind.
Grundsätzlich gilt, dass alle Lebensmittel, die ein Siegel der Öko-Anbauverbände haben,
immer gentechnisch unverändert sind. Das Öko-Siegel umfasst auch die Garantie, dass die
Futtermittel für Tiere gentechnikfrei sind.
Im Unterschied dazu sind konventionell hergestellte Lebensmittel und Produkte mit dem EU
Bio-Siegel nur dann ganz und gar gentechnikfrei, wenn ausdrücklich auf der Packung das
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
Label steht: „Ohne Gentechnik“. Ohne dieses Label können die Verbraucherinnen und
Verbraucher bei konventionellen Produkten und Waren mit dem EU Bio-Siegel nicht
hundertprozentig sicher sein. Es gilt nämlich die gesetzliche Regelung, dass eine zufällige
oder technisch nicht vermeidbare Beimischung von gentechnisch veränderten Organismen –
auch hier handelt es sich vor allem um gentechnisch veränderte Futtermittel - bis zu einer
Toleranzgrenze von 0,9 % erlaubt ist. Auf diesen Toleranzspielraum muss auf den
Verpackungen nicht gesondert hingewiesen werden. Das betrifft vor allem Milchprodukte,
Eier, Fleisch und Wurst. Eine solche Kennzeichnungslücke muss zuallererst geschlossen
werden. Dafür muss sich Slow Food einsetzen.
Der Lebensmittelmarkt ist voller Kennzeichnungen, Siegel und Labels. Für Lebensmittel, die
sowohl ökologisch als auch sozial nachhaltig produziert werden gibt es derzeit 2 staatliche
Siegel (sechseckiges Biosiegel, neues Europasiegel), nationale Siegel von Anbauverbänden (
Bioland, Demeter, Naturland, Gäa, Biopark), produktspezifische Kennzeichen ( Ecovin,
Neuland, Marine Stewardship Council, Rainforest Alliance), regionale Biosiegel und
zusätzlich Siegel im konventionellen Landbau, die darauf hinweisen, dass ein Produkt aus der
Region stammt..
Das EU-Siegel, das seit 1. Juli 2010 auf allen verpackten Lebensmitteln sein muss, garantiert
einen ökologischen Mindeststandard der Produkte; zum Beispiel wird auf Insektizide und
Pestizide verzichtet, die Stickstoffmenge aus Dünger aus der Tierhaltung wird begrenzt. Aber
im Ausnahmefall sind einzelne chemisch-synthetische Spritzmittel erlaubt, wie zum Beispiel
Kupfer gegen Mehltau. Solche Ausnahmefälle werden dann laufend genutzt und schnell zur
Regel. In der Summe bedeutet die Zertifizierung mit dem EU-Siegel eine leichte Senkung des
ökologischen Standards gegenüber dem bereits bestehenden deutschen Bio-Siegel.
Dieses 6-eckige nationale Biosiegel gewährleistet, dass die Menge der Zusatzstoffe bei der
Verarbeitung von Lebensmitteln stark eingeschränkt wird - anstatt der 300 Zusatzstoffe sind
nur 47 erlaubt. Aber zu den erlaubten Zusätzen zählen auch umstrittene Stoffe. Zum Beispiel
gehört Carrageen = E 407 dazu, das bei der Milchverarbeitung eingesetzt wird, um das
Aufsetzen von Rahm zu verhindern. Der Stoff aus der Rotalge hat im Tierversuch zu
Darmkrankheiten und Immunschwächung geführt.
Sowohl das EU-Siegel als auch das nationale Bio-Siegel wird für einzelne Produkte
vergeben. Ansonsten kann der Hof, von dem das Produkt stammt, auch ganz ungeachtet aller
Richtlinien produzieren. Im Unterschied dazu garantieren die privatrechtlichen Siegel der
ökologischen Anbauverbände, dass der ganze Betrieb auf ökologische Bewirtschaftung
umgestellt ist und dass das Prinzip der Regionalität für Produktion und Verarbeitung
eingehalten wird. Die gesamte Herstellung von Lebensmitteln ist durch exakte Richtlinien
festgelegt.
Sowohl die Vielfalt der Siegel als auch ihre unterschiedliche Aussagekraft machen die
Orientierung für die Verbraucher schwierig. Aus diesem Grund wäre es wichtig, dass sich
Slow Food für die aufrichtige Volldeklaration einsetzt wie sie bei Produkten aus kontrolliert
ökologischem Anbau schon zum Standard gehören. Die Volldeklaration umfasst die Nennung
aller Inhalts- und Zusatzstoffe als auch die Angabe, wo das Produkt herkommt.
Sinnvollerweise muss die Herkunftsinformation tatsächlich den Ort der Erzeugung nennen,
nicht den Ort der Verarbeitung und Verpackung. Die Volldeklaration muss in einer
allgemeinverständlichen Sprache gehalten sein. Abkürzungen aus chemischen Fachsprachen
nützen nichts.
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Die Ampel-Kennzeichnung von Lebensmitteln hat eine andere Zielrichtung. Sie ist ein
Mittel im Kampf gegen die Fehlernährung, insbesondere gegen die Fettleibigkeit. Mit den
Ampelfarben und zusätzlich in Ziffern angegebenen Werten wird der Gehalt an Fett,
gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz in 100 gr eines Produktes angegeben. Den
Verbrauchern ermöglicht sie mit einem Blick eine schnelle Einschätzung, wie gesund oder
ungesund ein Lebensmittel ist.
In Großbritannien ist die Ampel seit 2004 eingeführt und hat zum Ergebnis, dass sich sowohl
das Konsumverhalten der Verbraucher in Richtung auf nährstoffbewussteres Essen verändert
hat, aber auch die Rezepturen der Lebensmittelhersteller, weil die Ampel verhindert, dass die
Werbung und die Industriekennzeichnungen auf den Verpackungen verschleiert, um welche
unsinnigen Kalorienbomben es sich bei manchen Produkten handelt.
In Deutschland hat die Bundestagsmehrheit den Antrag auf Einführung der Ampel im März
2008 abgelehnt. Im Juni 2010 wurde auch in der EU entschieden, dass die Ampel weder
verpflichtend noch freiwillig innerhalb der EU eingesetzt werden soll – ein Sieg der
europäischen Lebensmittelwirtschaft gegen den Rat der Gesundheitsorganisationen, der Ärzte
und gegen die Interessen einer 2/3 Mehrheit der Bundesbürger. Slow Food sollte sich auch
weiterhin für die Ampel als schnell greifendes Instrument zum bewussteren Umgang mit
Lebensmitteln stark machen.
Ernährungsmuster
Gegenwärtig spielt bei der Art, wie wir uns ernähren, was wir für gesund und schmackhaft
halten, Fleisch eine zentrale Rolle. Alle anderen Lebensmittel gelten als Beilagen.
1960 hat der durchschnittliche Deutsche noch 64 kg Fleisch und Wurst pro Jahr gegessen.
Heute verzehren wir rund 88 kg Fleischwaren im Jahr. Selbst die BSE-Krise hat den
Aufwärtstrend beim Fleischkonsum nicht wesentlich verändert. Es gibt aber viele gute
Gründe, zukünftig weniger Fleisch, Eier und Milch zu essen. Mit unserem hohen
Fleischkonsum hängen Umweltprobleme, aber auch ethische Probleme wie der Welthunger
und die tierquälerische Massentierhaltung eng zusammen.
Die billige Massenproduktion von Nutztieren in den Industrieländern führt zu einer
Nutzungskonkurrenz von Agrarflächen in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Auf
ungefähr einem Drittel der Weltagrarfläche werden Futtermittel für die Massentierhaltung in
Mitteleuropa angebaut anstatt Nahrungsmittel für die lokale Bevölkerung.
Das hat Auswirkungen auf die Klimaveränderung. Bei der Futtermittelproduktion wird
Kunstdünger eingesetzt, aus dem auf den Feldern relevante Mengen Lachgas entstehen.
Lachgas ist noch viel klimaschädlicher als beispielsweise das Methan, das die Rinder, Schafe
und Ziegen bei der Verdauung produzieren. Auch die Kohlendioxidbilanz spricht gegen die
Massenproduktion von Fleisch. Wenn 1 kg Rindfleisch erzeugt wird, dann entstehen dabei bis
zu 45 Mal soviel Kohlendioxid wie beim Anbau von 1 kg Gemüse. Insgesamt entstehen 18 %
der globalen Treibhausgase in der Tierhaltung. Hinzu kommt, dass die sogenannte grüne
Lunge der Erde, der Amazonas-Regenwald, in immer größerem Ausmaß für den
Futtermittelanbau gerodet wird. Das bedeutet eine weitere Gefährdung des Klimas.
Die Energiebilanz der Fleischerzeugung im industriellen Maßstab ist schlecht, weil z. B.
Rinder nicht - wie es eigentlich ihrer Art entspricht - vorwiegend mit Grünfutter gefüttert
werden, sondern mit Futtermitteln, zu deren Bestandteilen Getreide, Soja, Raps oder Trester
aus Zitrusfrüchten gehören. Dazu gibt es Zahlen des Weltklimarates IPPC und der
Welternährungsorganisation FAO. Um 1 kg Rindfleisch herzustellen, braucht man eine
Anbaufläche für Futtermittel, die ausreichen würde um 19 kg Reis oder 50 kg Gemüse
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anzupflanzen. Auf den Nährwert von Lebensmitteln umgerechnet bedeutet das: 60 bis 90 %
der Energie gehen bei der Fleischerzeugung verloren.
Alle diese Gründe sprechen dafür, dass wir unsere Essgewohnheiten verändern. Das bedeutet,
dass wir weniger Fleisch und Wurst essen, dafür aber qualitativ hochwertigeres Fleisch
aus artgerechter und umweltverantwortlicher Tierhaltung. Der Grundsatz lautet: Weniger ist
mehr! Ernährungswissenschaftler empfehlen eine Menge von 300 gr. Fleisch pro Woche (das
wären dann also 15,6 kg im Jahr).
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es ist nicht von einem radikalen Wandel, schon gar
nicht von dogmatisch begründeter absoluter Abkehr von Fleischgerichten die Rede, sondern
von einer besonnen graduellen Hinwendung zur Ernährung mit weniger, aber gutem Fleisch.
Der Erhalt alter Nutztierrassen gehört auch weiterhin zu den Zielen von Slow Food und ist ein
Beitrag zum Schutz der Biodiversität. Und es gibt noch ein weiteres wichtiges Argument: wir
wollen nicht ganz und gar auf Fleisch verzichten, weil hochwertiges Fleisch gut schmeckt!
Und dieses Geschmackserlebnis wollen sich viele von uns nicht nehmen lassen.
Völlig widersinnig ist es allerdings, das Fleischessen mit dem Argument zu verteidigen, dass
der Regenwald genauso gerodet werden müsste, wenn für die Vegetarier weltweit dann
riesige Mengen Soja angebaut werden müssten, um die gesteigerte Nachfrage zu decken.
Schon die Annahme, dass nur Sojaprodukte die alternativen Eiweißlieferanten zum Fleisch
sind, ist falsch.
Vielmehr sollte Slow Food darüber sprechen, was wir statt Fleisch essen können, und zwar
mit Genuss und ohne die Vorstellung, es fehle unserer Ernährung an Substanz und an
notwendigen Nährstoffen. In diesem Zusammenhang ist noch weithin Aufklärungsarbeit und
auch sozialpsychologische Anstrengung gefragt, denn die Nahrungsgewohnheiten haben viel
mit Prestige und Wertigkeit von Lebensmitteln zu tun und sind rational begründeter
Veränderung nur eingeschränkt zugänglich. Zum Beispiel hat das archaische Bild vom Mann
als Jäger, der mit seiner Beute die Ernährung für sich und seine Familie sichert, feine Spuren
bis heute hinterlassen. Leistungsfähigkeit wird mit Fleischessen assoziiert. Da verstärkt der
Werbespruch die gängigen Annahmen: „Fleisch – ein Stück Lebenskraft.“ Die Statistiken
bestätigen, dass Männer doppelt so viel Fleisch essen wie Frauen.
Für die Veränderung der Ernährungsgewohnheit wird demnach viel Fantasie und
Durchhaltevermögen gefragt sein.
Obwohl es lange schon bekannt ist, dass vor allem Hülsenfrüchte, Ölsaaten und Nüsse
hinsichtlich ihres Nährwertes mit Fleisch vergleichbar sind und gleichzeitig auch genügend
pflanzliches Eiweiß liefern, gelten diese Lebensmittel nicht als reizvolle und attraktive
Bestandteile unserer Ernährung. Wirklich Fantasie anregende und alltagstaugliche
Rezeptsammlungen dazu fehlen. Es ist eine Aufgabe für Slow Food, eine möglichst große
Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass eine Ernährung mit weniger, aber hochwertigem
Fleisch nicht beim Dinkelbratling stehen bleiben muss.
Was kann Slow Food tun?
Wie kann Slow Food seine Interessen in der Agrar- und Verbraucherpolitik möglichst
wirksam vertreten?
Thema: Erzeuger und Verbraucher, Ländlicher Raum
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
Die Convivien haben sich schon immer bemüht, den Kontakt zwischen den Verbraucherinnen
und Verbrauchern, den Bauern und den Lebensmittel-Handwerkern in der Region
aufzubauen.Vielleicht können wir noch verbindlichere Formen der Kooperation zwischen
Erzeugern und Verbrauchern herstellen und unterstützen:
a)
Traditionellerweise wurden bäuerliche Familienbetriebe über mehrere Generationen
vererbt. Die Politik des „Wachsen oder Weichen“ war auf ihre Weise erfolgreich.
Es gibt viele verwaiste, ungenutzte Höfe. Andererseits suchen junge ausgebildete
Landwirte nach einem Hof, den sie bewirtschaften können, haben aber kein
Startkapital.
In den USA wird schon seit 20 Jahren in inzwischen ca 2000 landwirtschaftlichen
Betrieben ein neues Betriebsmodell realisiert: CSA = Community Supported
Agriculture.
Eine Gruppe von Verbrauchern stellt einen Bauern (oder eine Gruppe, eine Familie)
dafür ein, dass er Lebensmittel nach ihren Qualitätsvorstellungen produziert. Das
Eigentum ist in Form von Vereinen, Stiftungen, gemeinnützigen GmbHs oder
Aktiengesellschaften organisiert. Interessanterweise sind die amerikanischen Höfe fast
ausschließlich Bio-Höfe, da dies wohl die Art ist, wie die Verbraucher ihre Produkte
angebaut wissen wollen.
In Deutschland gibt es inzwischen 8 solche Hofgemeinschaften, sogenannte
„Freihöfe“. Slow Food kann diese Bewegung stärken.
b)
In der Region um Freiburg gibt es eine Regionalwert AG (RWAG), die
landwirtschaftliche Betriebe miteinander vernetzt und die Region mit Lebensmitteln
aus ökologischem Anbau versorgt. Die Bürger-Aktiengesellschaft beteiligt sich an
landwirtschaftlichen Betrieben oder kauft stillgelegte Höfe, um sie zu verpachten.
Durch die gegenseitige Unterstützung im Netzwerk sinken die Betriebskosten und
kleinbäuerliche Strukturen werden wieder rentabel. Die Partner stützen sich
gegenseitig. Die Gemüsegärtnerei versorgt den Milchviehbetrieb mit Futter und liefert
dem Catering-Unternehmen frische Zutaten.
Ziel ist es, 20 bis 25 Betriebe im Netz zusammenzuschließen. Derzeit gibt es 470 Aktionäre.
Das Kapital wird in der Region gebunden und Arbeitsplätze geschaffen. Der Unternehmer,
der die RWAG gegründet hat, Christian Hiß, wurde vom Rat für Nachhaltige Entwicklung der
Bundesregierung 2009 als „Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet. Die
RWAG möchte die Gründung weiterer solcher Netzwerke unterstützen. Slow Food könnte
sich da engagieren.
Thema: Weniger Fleisch, dafür aber von hoher Qualität
Veranstaltungen mit Köchen, die die fleischarme Küche attraktiv machen.
Einer unserer Förderer in Berlin, der Koch Michael Hoffmann im Restaurant Margaux
leistet Pionierarbeit für die Aufwertung des vegetarischen Essens. Einen MichelinStern hat er sich mit seiner vegetarischen Küche erkocht, 18 Gault-Millau-Punkte und
den Titel „Koch und Gärtner des Jahres 2010“ vom Feinschmecker. Er zieht fast alles,
was er am Herd kreiert, auf seinen Beeten und in seinen Gewächshäusern in seinem
mehr als 2000 m² großen Garten. Fleisch und Fisch sind bei seinen Menüs allenfalls
noch Beilagen. Er gilt also gerade als die Avantgarde.
Slow Food sollte sich darum bemühen, diesen avantgardistischen Ansatz in eine
möglichst breite Öffentlichkeit zu tragen.
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Landwirtschaft und Slow Food, Waltraud Ulshöfer
Hoffmann oder andere Beispiele für gute fleischarme Küche sollten im Magazin
vorgestellt werden.
Die Tafelrunden oder Schneckentreffen könnten zwischendurch auch mal zu
vegetarischen oder fleischarmen Menüs einladen.
Slow Food könnte dazu beitragen, dass die Traditionen vegetarischer Küche aus den
Regionen wieder belebt werden – also Innovation und Tradition.
Thema: Wissen über Ernährung und den Zusammenhang mit der Ökologie.
Slow Food sollte sich dafür stark machen, dass Ernährungsbildung ein Schulfach
wird
Es gibt heute in einigen Bundesländern (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen,
Niedersachsen, Hessen, Bayern) einen sogenannten Ernährungsführerschein. Der
Bonner Infodienst für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (aid) hat das
didaktische Konzept dazu für die dritten Grundschulklassen entwickelt. Der Deutsche
Landfrauenverband unterstützt das Projekt personell. Der Kurs zum Führerschein
besteht aus sechs Doppelstunden, in denen die Kinder lernen mit Küchengeräten
umzugehen, Rezepte zu lesen und einfache Gerichte zuzubereiten.
Das ist ein Anfang. Die Ernährungsbildung müsste viel weiter ausgebaut werden.
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