Ministerium für Bildungswesen und Wissenschaft Wolyner Lessja-Ukrainka-Staatsuniversität Zu Problemen der Abkürzung in der deutschen Gegenwartssprache (von Werner Hofrichter) Vortrag Fakultät für Germanistik Snishanas Bileras Luzk 2011 1 Das Werk „Zu Problemen der Abkürzung in der deutschen Gegenwartssprache“ von Werner Hofrichter schließt eine Lücke in der deutschsprachigen Linguistikforschung; es ist hier die erste zusammenfassende, theoretisch begründete und den ganzen Bestand von der deutschen Abkürzungen der Gegenwartssprache überschauende und im einzelnen_charakterisierende_Darstellung. Im Unterschied zu anderen Schichten der Lexika werden die Abkürzungen als spezifische sprachliche Erscheinung in ihrer Eigenständigkeit erfasst, in ihrer Verschiedenartigkeit beschrieben und in ihrer Wechselbeziehung mit anderen sprachlichen_Erscheinungen_charakterisiert. Dabei werden semasiologische und onomasiologische, textlinguistische und stilistische Gesichtspunkte berücksichtigt. Es wird nicht nur die Eigenart der Abkürzungen als sprachlicher Wortbildungskonstruktionen herausgearbeitet, sondern die Darstellung ist kommunikativ-pragmatisch orientiert und erfasst die spezifischen Möglichkeiten der Abkürzungen_in_Satz_und_Text. Nach einem Überblick über Geschichte und Hauptprobleme der Abkürzungsforschung, der insbesondere die reiche Forschung dem deutschsprachigen Leser erschließt, werden das Wesen der Struktur Abkürzung als sprachlicher Erscheinung erläutert und die innere verschiedener Arten von Abkürzung beschrieben. Der Autor gibt eine kritische Übersicht über vorliegende Klassifikationen und stellt nach Abhebung die Klassifikation der Abkürzung nach den genetischen und orthographischen Prinzipien der Abkürzungseinteilung in den Mittelpunkt. Das Verhältnis von Abkürzungen und Vollformen wird nicht nur unter dem Benennungsaspekt und dem Gesichtspunkt paradigmatischer Relationen dargestellt, sondern es wird den Wechselbeziehungen nachgegangen, und der Autor greift auch in die aktuelle Diskussion über das Problem der Häufigkeit und Gattungsstil der Abkürzungen in verschiedenen Arten und gesellschaftswissenschaftlichen Texten und Fachgebieten_von_ein. Abschließend werden strukturalistische, semantisch-grammatische Aspekte der Abkürzungen erörtert: funktional differenzierte Verwendung, wortbildende Potenzen, morphologische Besonderheiten der Abkürzungen, semantische Besonderheiten wie 2 Homonymie,?Polysemie_und_Synonimie_von_Abkürzungen. Die gesamte Darstellung ist durch reiches Beispielmaterial, vor allem aus Presse und Publizistik sowie Belletristik, illustriert. Dem Thema dieser Arbeit entsprechend beschäftigt sich Untersuchung mit den Abkürzungen der deutschen Gegenwertssprache. Ein Teil dieser Arbeit dient der Untersuchung der Groß- und Kleinschreibung der Kurzformen in Relation zur Schreibung der entsprechenden Vollformen. Und das Korpus, das für diesen Zweck zusammengestellt würde, umfasst nur Abkürzungen, die auf deutschsprachigen Vollformen zurückführen sind. Schon die antiken Inschriften waren reich an Abkürzungen. In der römischen Epigrafik herrschte ein System vor, bei dem die Wörter auf den ersten Buchstaben verkürzt wurden. Ein doppelter Buchstabe zeigte den Plural an. Der Sekretär Ciceros, Tiro, entwickelte eine Kurzschrift. In Büchern wurden Kürzungen zurückhaltender gebraucht. Ein kleiner hochgestellter Strich für ein ausgefallenes abschließendes M und strichpunktartige Zeichen an B (für -BUS) und Q (für -QUE) waren die einzigen verbreiteten Abkürzungen. Bereits im 2. Jh. n. Chr. werden Abkürzungen für heilige Begriffe verwendet, sog. Nomina sacra zum Beispiel ds für deus. Vor allem in juristischen Texten werden bis zum 6. Jh. diverse Kurzschreibweisen gebraucht – eine Inflation, der 535 durch ein formelles Verbot dieser sog. „notae iuris“ begegnet wird. Die Konventionen für Abbreviaturen in mittelalterlichen Handschriften führen z. T. die antiken Prinzipien, die gebräuchlichen nomina sacra und einige der „tironischen Noten“ fort, erweitern den Gebrauch und führen diverse zusätzliche Kurzschreibweisen ein, die teilweise nur von einzelnen oder wenigen Schreibern gebraucht werden. Bekannt ist etwa der übergeschriebene Strich, der sich als Verdoppelungszeichen von m in der deutschen Kurrentschrift noch bis ins 20. Jahrhundert gehalten hat. (Näheres zu mittelalterlichen Abbreviaturen im entsprechenden Hauptartikel.) Besonders reich wurde das Abkürzungssystem mit dem hohen Bücherbedarf in den spätmittelalterlichen Universitäten. Obwohl beim Druck mit beweglichen Lettern der Abkürzungsbedarf 3 deutlich sinkt, umfasst der Typensatz der Gutenberg-Bibel noch viele Abkürzungszeichen. Außer diesen eher technischen Abkürzungen waren Abkürzungen mit Initialen im gesellschaftlichen oder politischen Leben selten. Den Verein zur Abwehr des Antisemitismus nannte man kurz den Abwehr-Verein, die Nationalliberale Partei nicht etwa NLP, sondern Nat. Lib. Noch Konrad Adenauer, geboren 1876, kürzte in seinen Aufzeichnungen die FDP mit Dem. und die SPD mit Soz. Dem. ab. Wohl war es gängig, Vornamen abzukürzen, die man wegen der geringen Auswahl oft leicht entschlüsseln konnte: Frd. für Friedrich, Joh. für Johann usw. Gegen Ende des 19 Jahrhunderts begann die stürmische Entwicklung der Abkürzungen, die unvermindert anhält. In vielen Sprachen finden die Abkürzungen heute eine breite Anwendung. Abkürzungen werden in alle Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verwendet, eine besondere Bedeutung haben sie aber vor allem für jene Gebiete, die im Rahmen der wissenschaftlich-technischen Revolution eine hervorragende Position einnehmen, so zum Beispiel für die Weltraumforschung, die Kernenergetik, Die Elektronik und andere. Die stürmische Entwicklung und die breite Verwendung der Abkürzungen sind das Resultats Wirkens des Gesetzes der Ökonomie sprachlicher Zeichen. Eine Reaktion auf das ins unübersehbare gestiegene Angebot an informationen in Form einer Konzentration von Informationen der Abkürzungen. Die Bedeutung der Abkürzungen für die gesellschaftliche Kommunikation ist unbestritten. Die vorhandenen Untersuchungen widmen sich in der Regel Teilproblem, zum Beispiel der Klassifikation der Abkürzungen, einer theoretischen Grundlegung wird meistens aus dem Wege gegangen. Der Autor will mit seinen Arbeitversuchen dazu beizutragen diese Lücken zu schließen. Notwendiger Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes „Abkürzung“, die in der linguistischen Literatur in der Regel vorausgesetzt oder nur in Ansätzen gegeben wird. 4 An den Anfang seiner Analyse stellt der Autor die im Duden gegebene Bestimmung „Abkürzungen sind einzelnen Buchstabenfolgen, die für ein Wort stehen“ Aber solche globale Formulierung lässt viele Fragen offen, und bei der Anwendung dieser Bestimmung auf die konkreten Abkürzungen zeigt sich, dass die gegebenen Kriterien nicht gültig sind. Beispielweise können Einzelnbuchstaben auch für mehr als ein Wort stehen – D. – doctor Theologie, f. – und folgende (Seite). Prinzipiell halt der Autor es für richtig die Abkürzungen als Stellvertreter der Vollformen zu bezeichnen. Bei einem Vergleich der einzelnen Ansichten zum Begriff Abkürzung lassen sich zwei grundsätzliche Verwendungsweisen des Begriffes feststellen 1. Abkürzung steht als Bezeichnung für die nicht gesprochenen so genannten grafischen Kurzformen. 2. Abkürzung steht als Oberbegriff für die Gesamtheit der Typen von Kurzformen. Der Autor geht bei der Entwicklung seiner Anfassung vom Begriff „Abkürzung“ davon aus, dass die Abkürzungen zu den kommunikativen Mitteln zu zählen sind, derer sich die menschliche Gesellschaft im Rahmen der gesellschaftlichen Kommunikation zur Gewinnung, Speicherung und Übermittlung von Informationen bedient. In erster Linie meint der Forscher mit diesen kommunikativen Mitteln die sprachlichen Zeichen. Der Autor betont, das man muss folgende Begriffe „Abkürzung“, „Symbol“, „Kurzwort“ durcheinander unterscheiden denn sie nicht identisch sind. Symbole sind nichtsprachliche Zeichen und sie sind motiviert und basiert auf einem realen Zusammenhang, der zwischen Zeihen und Bezeichnetem besteht. Die Zeichen für die chemischen Elemente sind aber durch einen Abkürzungsprozess aus lateinischen Vollformen entstanden und sind in Sinne des Autors als Kurzformen bezeichnen, das heißt als besondere Formen sprachlichen Zeichen. Die Kurzwörter nehmen nach der Ansicht des Autors eine Zwischenstellung zwischen Abkürzungen und Vollformen und auf Grund lautlicher, semantischer und morphologischer Besonderheiten zu de Vollformen tendieren, aber wegen ihrer speziellen strukturellen Merkmale nicht ohne 5 weiteres zu den Vollformen gerechnet werden können, so das sie zwischen beiden Kategorien stehen. Zu den Abkürzungen gehören Akronyme, Kurzwörter, Initialwörter, Buchstabenketten und Kürzel. Was man abkürzt, ist auch gesellschaftlich bedingt. So erscheinen Abkürzungen wie AB für Anrufbeantworter oder HP für Homepage als regional, national oder durch die Textsorte begrenzt. Weiterhin sind auch Abkürzungen gebräuchlich, die nur in einem bestimmten Umfeld verwendet werden, wie zum Beispiel in Kleinanzeigen von Zeitungen oder in einem Fachgebiet. Abkürzungen sind Schreib- und Leseerleichterungen, sie dienen der schnelleren und konzentrierteren Kommunikation. Des Weiteren dienen Abkürzungen auch der Platzersparnis. Im nichtliterarischen Umgangsdeutsch umschreibt das Wort Abkürzung auch einen verkürzenden Weg, der nicht unbedingt den gängigen Regeln entspricht. Ausgangpunkt des Autors Betrachtungen zur Klassifikation der Abkürzungen ist die Analyse des gegenwärtigen Forschungsstandes. Dazu wird er einige unterschiedliche Auffassungen zur Einteilung der Abkürzungen vorstellen und die Kriterien seiner Klassifikation herausarbeiten versuchen. Der Autor betrachtet die Klassifikationen angegebenen in der Duden-Grammatik, die Klassifikation der Abkürzungen von Fletscher, die auf dem Prinzip der Aussprache der Kurzformen basiert. Diesen Klassifikationen liegen zwei Prinzipien zugrunde: 1. das Prinzip der Aussprache der Kurzformen, auf dessen Grundlage die Abkürzungen in graphische Abkürzungen und in Initialwörter, Kombinationen, Silbenwörter, Kurzwörter eingeteilt werden. 2. das Prinzip der Einteilung der Abkürzungen nach strukturellen Merkmalen, d. h. nach dem Verhältnis der Grapheme der Kurzformen zu ihrer Position in dem entsprechenden Vollformen. Danach werden die Kurzformen im Prinzip in Initial Abkürzungen. Nichtinitialabkürzungen und Mischformen eingeteilt. 6 G. V. Pavlov teilt die Abkürzungen nach der Form in graphische und lexikalische Kurzformen ein. Abkürzungen werden von G. P. Pavlov folgendermaßen unterteilt: 1. Buchstaben-Initialabkürzungen 2. Laut- Initialabkürzungen 3. unvollständige Abkürzungen 4. Kurzwörter 5. Von Zusammensetzungen gebildete Kurzwörter 6. Rahmenwörter (blends) Bei A. Iriskos und A. Lenkowa findet der Autor eine Klassifikation der Abkürzungen, die von den vorgestellten Einteilungen in einigen Punkte abweicht: 1. Die einfachste Art der Abkürzungen besteht in dem Weglasse nur eines Teils des Wortes und in der Erhaltung des Übriggebliebenen. Solche Abkürzungen nennt der Autor Stummel. So gebraucht man z. B. statt gestern Abend – gest. Ab. Solche Abkürzungen sind meistens schriftlichen Charakters. Dabei gibt es aber solche, die mündlichen Charakters sind, der Art wie – Uni, Auto, Photo. 2. Sehr verbreitete ist, aber nur in der schriftlichen Form der Sprache, die zweite Art der Abkürzungen – die Abkürzung durch Zusammenziehung des Wortes infolge des Verschwindens der Vokale und mancher Konsonanten. Solche Abkürzungen heißen Kontraktionen. Sie werden mündlich nur in der vollen Form ausgesprochen – mtl. Statt monatlich. 3. Die dritte Art der Abkürzungen ist die Abkürzung nach den Anfangsbuchstaben der Komponenten einer Zusammensetzung oder Wortverbindung. Unter Kurzwörter dieser Art unterscheidet man aber solche, die nach den lauten der Bestandteile der Abkürzungen ausgesprochen Lautkurzwörter z. B. die Hapag. 7 werden – die sogenannten 4. Die vierte Art der Abkürzung ist die Kürzung ach dem Anfangssilben der Komponenten, nämlich die Silben – Kürzwörter z. B. die Mapi – die Maschinen Pistole. 5. Die fünfte Art der Abkürzung ist die Buchstabenkürzung des ersten Elementes der Zusammensetzung bei Beibehaltung des Grundwortes – die U-bahn. Außer diesen für de deutsche Sprache typischen Arten der Kürzungen gibt es auch andere Möglichkeiten der Kürzwörterbildung, die aber nur ausnahmsweise gebraucht werden, z. B. Fluma aus Flugmeldeabteilung. Das genetische Klassifikationsprinzip bildet die Grundlage des Vorschlages des Autors für eine Klassifikation der Abkürzungen. Dabei geht der Autor davon aus, dass zwischen den einzelnen Buchstaben der Abkürzung und de Buchstaben der entsprechenden Vollform bestimmte Relationen bestehen, dass die graphische Struktur der Vollform von entscheidender Bedeutung für den Aufbau der entstehenden Kurzform ist. Für die Untersuchung dieser Relationen zwischen Kurzform und Vollform stehen dem Autor zwei gegensätzliche Methoden zur Verfügung, die wir als synthetische beziehungsweise analytische Methode bezeichnen können. Auf Grund der genetischen Besonderheiten unterscheidet der Autor folgende Klassen von Abkürzungen: 1. Lineare Abkürzungen – sind die Kurzformen, deren Buchstaben in ihrer Aufeinanderfolge mit der ununterbrochenen Kette von Buchstaben der entsprechenden Vollform oder aus mehreren Buchstaben bestehen, die mit ersten, zwei, drei, vier usw. Innerhalb der linearen Abkürzungen unterscheidet der Autor – Initialabkürzungen (DDR-Deutsche Demokratische Republik, ZISW – Zentralinstitut für Sprachwissenschaft, JM – Ministerium der Justiz), Nichtinitialabkürzungen (INEX – Industrieanlagen-Export, TEXTIMA - Textilmaschinenaufbau) 2. Nichtlineare Abkürzungen – sind die Kurzformen, deren Buchstaben nicht die regelmäßige, ununterbrochene lineare Kette von Buchstaben der entsprechenden Vollform widerspiegeln. Dabei unterscheidet der Autor – Kontraktionen (Bd. – Band, Bf. - Brief ), Gerüstabkürzungen (Pkt. – Punkt, abds. –abends), Isolierungen( ff. –sehr 8 fein, Bll. - Blätter), Kombinationenformen (DEWAG – Deutsche Werbe - und Anzeigen- Gesellschaft) Das zweite Klassifikationsprinzip, das auch in der Literatur Verwendung findet, beruht auf Merkmalen „plus eigene Lautform“ bzw. „minus eigenen Lautform“. Nach diesem Prinzip unterscheidet der Autor zwei Hauptklassen von Abkürzungen 1. Graphische Abkürzungen, die nur in der geschriebenen Sprache existieren (usw. – und so weiter, nd. -niederdeutsch) 2. Graphisch ß phonische Abkürzungen. Diese Kurzformen besitzen wie die Vollformen eine eigenständige Schrift und Lautform. Die Lautform dieser Abkürzungen basiert auf der graphischen Struktur der Kurzformen. Bei der Verwendung der graphisch-phonischen Abkürzungen in der gesprochenen Sprache werden die Bestandteile dieser Kurzformen im prinzip nach zwei Varianten ausgesprochen. Danach unterscheidet man - Buchstabierabkürzungen. Die einzelnen Buchstaben dieser graphischphonischen Abkürzungen werden entsprechend ihrer Buchstabenbezeichnung ausgesprochen, z. B. DDR, SED. - Akronyme. Die Bestandteile dieser Kurzformen werden nach ihrem lautwert ausgesprochen, das heißt wie Wörter, z. B. – iga –Internationale GartenbauAusstellung. Abkürzungen werfen somit ein helles Licht auf die komprimierende Wirkung der symbolischen Tätigkeit, die in der Sprachwissenschaft bisher noch nicht erkannt und beschrieben wurde (Symbol = Zusammengehäuftes = Komprimiertes). Jede Datenkomprimierung beruht auf einem mathematischen Verfahren (Algorithmus). Aus dieser Tatsache lässt sich eine mathematisch beschreibbare Grundlage, ein Algorithmus, auch für die Existenz sprachlicher Abkürzungen vermuten. Die durch extreme Datenkomprimierung charakterisierte „Abkürzung“ kann somit als eine Brücke von der Sprachwissenschaft zur Mathematik betrachtet werden, die den Weg zum 9 (mathematischen) Verständnis der algorithmischen Grundlage symbolischer Tätigkeiten herstellt. Bei der Betrachtung der morphologischen Besonderheiten der Kurzformen beschränkt der Autor sich auf die graphisch-phonischen Abkürzungen, denn die graphischen Abkürzungen besitzen keine morphologisch-grammatischen Spezifika. Abkürzungen haben nominalen Charakter. Aus diesem Grunde beschränkt sich der Autor auf die morphologisch-grammatischen Kategorien des Substantivs. Genus Entsprechend der Gliederung der morphologisch-grammatischen Kategorie Genus beim deutschen Substantiv sind auch die Abkürzungen in Maskulina, Feminina und Neutra zu unterteilen. In diesem Zusammenhang sind die folgende Besonderheiten zu berücksichtigen – bei den von Komposita gebildeten Abkürzungen richtet sich das grammatische Geschlecht der Kurzform nach dem Genus des Grundwortes. Bei der Kürzung einer Wortverbindung erhält die Kurzform das Genus der Komponente der Verbindung, die den semantischen Kern bildet. Numerus und Kasus Die morphologisch-grammatische Kategorie Numerus des deutschen Substantivs basiert auf der Gegenüberstellung von Singular und Plural. Während der Singular das merkmallose Glied dieser Kategorie und die indifferente Grundform darstellt, trägt der Plural als das merkmalhaltige Glied das Kennzechen der Vielfalt oder Gegliedertheit. Die Pluralbildung der Kurzformen ist die äußere Flexion von Bedeutung. Es besteht auch die Tendenz, die Pluralformen auf –s zu beschränken ind in der Hochsprache die entsprechenden Vollformen zu verwenden. Der Plural von Abkürzungen wird auch noch gelegentlich durch eine Buchstabenverdopplung ausgedrückt (z. B. Jgg. (= Jahrgänge), ff. (= folgende)). Im Übrigen wird der Plural, sofern die Abkürzung nicht unverändert verwendet wird, immer durch ein angehängtes s gebildet (z. B. CDs), selbst wenn die Vollform eine 10 andere Pluralendung hat (z. B. AGs, Pkws). Eine Ausnahme bilden nur wenige (meist fachsprachliche) Abkürzungen, die nie in der gesprochenen Sprache verwendet werden (z. B. RAe (= Rechtsanwälte)). Gerade bei weiblichen Abkürzungen empfiehlt sich die Verwendung des Plural-s, um Verwechslungen mit dem Singular vorzubeugen (z. B. die GmbH/GmbHs). Bei den graphisch-grammatisch Kurzformen zeigt sich deutlicher als bei den Vollformen die Tendenz zum Einheitskasus. Aus diesem Grunde spielt im Bereich der Kasusflexion der Kurzformen besonders eine strukturell-grammatischen Funktion des Artikels eine wichtige Rolle, die Kennzeichnung des Kasus. Die Deklination von Abkürzungen ist eher unüblich, aber grundsätzlich möglich. Bei Abkürzungen mit Punkt wird unterschieden: Enden sie (undekliniert) mit dem letzten Buchstaben der Vollform (z. B. Hr.), so wird die Deklinationsendung unmittelbar angehängt (z. B. Hrn. (= Herrn)), ansonsten wird die Endung hinter dem Punkt angefügt (Jh. wird z. B. zu Jh.e (= Jahrhunderte)), bei Abkürzungen ohne Punkt wird die Endung schlicht angehängt (z. B. des BGBs). Dieselben Regeln gelten für die Bildung der weiblichen Form (z. B. Prof.in (= Professorin)). Schreibstil Übermäßiger Gebrauch von Abkürzungen in normalen Lesetexten (im Unterschied beispielsweise zu technischen oder juristischen Referenztexten) gilt als schlechter Schreibstil. Parodierend wird dann vom „Aküfi“, dem Abkürzungsfimmel, gesprochen. Stattdessen sollen Abkürzungen in normalem Text eher ausgeschrieben werden. Oft sind das aber auch reine Floskeln („u. a.“) oder Füllwörter, die man bei eleganterer Formulierung ganz vermeiden kann. Bei Kurzwörtern handelt es sich - wie der Name schon verrät - um Wörter, womit nicht nur bestimmte Eigenschaften verbunden sind, sondern auch eine klare Abgrenzung zu Abkürzungen gegeben ist. So sind Wörter 11 eigenständig, wortbildungsfähig (Atomkraftwerkausstieg/AKW-Ausstieg) und einige Wortarten sind flektierbar (so etwa Substantive wie Atomkraftwerke/AKWs) etc. Für Abkürzungen treffen keine der genannten Eigenschaften zu: Sie sind weder eigenständig (zumindest nicht phonisch: *['eː'teː'tseː]), noch lassen sich mit ihnen neue Wörter bilden (*etc.-Manie), und sie sind auch nicht flektierbar (die vielen *Etc.s, aber die vielen Etceteras). Das erste Kriterium stellt das einfachste zur Differenzierung dar: Ist eine Reduktionsform auch in der Kurzform artikulierbar, handelt es sich um ein Kurzwort; wird hingegen nur die Vollform ausgesprochen, tritt also die Kurzform nur als grafische Realisierung auf, liegt eine Abkürzung vor. Aus diesem Grund werden Abkürzungen auch als "grafische Kürzungen" bezeichnet. In der Konsequenz ist die Kurzwortbildung ein Wortbildungsprozess und steht neben anderen wie Komposition, Derivation, Konversion und Wortkreuzung. Bedenkenswert ist die Hypothese, demzufolge Kurzwörter sich aus Abkürzungen entwickeln bzw. häufig gebrauchte Abkürzungen im Laufe der Zeit Kurzwörter werden. Bei einigen Belegen ist dies sehr wahrscheinlich, was sich auch an der Tilgung der Abkürzungszeichen zeigt (T.Ü.V. > TÜV; ähnlich F.A.Z., F.D.P. > FAZ, FDP), bei anderen kann dies ausgeschlossen werden, da entweder Vollform und Kurzform parallel gebildet worden sind oder das Kurzwort mehr oder weniger allein besteht (WASG < Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative). Damit tritt ein weiteres Merkmal von Kurzwörtern hervor: Im Regelfall stellt die Kurzform eine semantische Dublette zur Vollform dar, womit also eine synonyme Relation zwischen Vollform und Kurzform besteht. Allerdings kommt es in seltenen Fällen zu einer Aufhebung dieser Beziehung, einer Verselbstständigung der Kurz- oder Vollform. So ist die ursprüngliche Bedeutung von ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland' der Bedeutung 'Erstes Deutsches Fernsehen' gewichen (vgl. auch Bafög). Auch diese Möglichkeit grenzt wiederum Kurzwörter 12 von Abkürzungen ab. Darüber hinaus weisen Kurzwörter in der Regel keine Varianten auf, Abkürzungen hingegen schon (hierzu mehr). Übereinstimmende Definitionskriterien bestehen jedoch ebenfalls: So ist etwa die Kurzform kürzer als die Vollform und sowohl Abkürzung als auch Kurzwort sind aus dem Zeichenmaterial der Vollform gebildet. Damit stellen sich allerdings auch Probleme bei der Abgrenzung ein: Zu den Kurzwörtern werden im Regelfall Bildung auf -i und -o gezählt (Fascho, Sponti), obwohl weder Faschist ein o, noch Spontaner Mensch ein i enthält. Eine weitere Frage bei diesem Bildungstyp ist, ob sich zu der Kurzform tatsächlich eine eindeutige Vollform angeben lässt, was bei Sponti bereits schwierig ist (ein Spontaner, ein spontaner Mensch, ...; ähnlich Depri, Zoni). Mitunter werden auch Typen wie Mail < EMail als Kurzwörter geführt, womit unzählige bis alle Simplizia wie Ofen < Backofen, Tür < Haustür etc. als Kurzwörter eingeordnet werden könnten - wozu dann eine Kategorie Kurzwort? Es handelt sich bei diesen Formen mitnichten um Kurzwörter, sondern lediglich um (ehemalige) Konstituenten, bei denen ein Rückgängigmachen des Kompositionsprozesses vorliegt. Initialkurzwörter lassen sich weiter in ihrer Aussprache differenzieren und werden oft auch als Akronyme (von engl. Akronyms) bezeichnet. Partielle Kurzwörter stellen insofern einen Sonderfall dar, als nur die erste Konstituente gekürzt auftritt; die zweite bleibt ungekürzt. Hierzu zählen jedoch nicht Formen wie EU-Parlament, da EU ein Kurzwort, das mit einer anderen Konstituente eine Komposition eingegangen ist, und damit eigenständig ist. H in H-Milch ist hingegen kein Kurzwort, da eine Paraphrase wie *Die Milch ist h nicht möglich ist, da h (< haltbar) unselbstständig ist. Mit dieser klaren Abgrenzung ist Schukostecker ein partielles Kurzwort, da *Schuko kein Lexem ist, DIN-Norm hingegen eine Kurzwort-Wortbildung, da mit DIN ein Lexem vorliegt. Im Regelfall existiert zu Basislexemen von Kurzwörtern nur ein eben ein Kurzwort (AKW, Lkw, Uni). In einigen wenigen Fällen existieren jedoch Varianten. Die folgende Tabelle listet die wenigen Ausnahmen auf. 13 Vollform Daniela Kurzwort Danny Dani Großmama Omi Oma Medizinische Hochschule Hannover MHH Medi Michael Micha Michi Personenkraftwagen Pkw Pkw. Sebastian Basti Bastian Mit dem Paar Pkw/Pkw. liegen streng genommen keine Kurzwort-Varianten vor, sondern an Pkw. ist lediglich der Reduktionsprozess markiert. Es lässt sich daran sehr gut ablesen, dass sich einige Kurzwörter aus Abkürzungen entwickelt haben tatsächlich ist Pkw in den 50er-Jahren eher mit Abkürzungspunkt gebraucht worden (vgl. auch F.A.Z. oder C.D.U.). Bei lexikalisierten Wortgruppen kommt es mitunter auch zu Varianten, vor allem dadurch, dass die Vollform nur teilweise reduziert wird. Beispiele wären hier Hamburger Sportverein (HSV/Hamburger SV) oder Karlsruher Sport-Club (KSC/Karlsruher SC). Varianten bei Abkürzungen Dagegen existieren von Abkürzungen desto mehr Varianten, je weniger usualisiert sie sind. Einige Beispiele aus dem Kleinanzeigenkorpus 2005 sind im Folgenden dargestellt: 14 Vollform Appartement Abkürzung Apart. App. Appart. Appartm. Apt. Ferienhaus Fe.-Haus/Fe'haus/Fehaus FeH's FeHs Ferienhs. FH's Jahrhundert Jahrh. Jahrhu. Jahrhund. Jh. Damit liegt ein weiteres (nicht hinreichendes) Kriterium zur Unterscheidung von Kurzwörtern und Abkürzungen vor. 15 Zusammenfassung Die vorliegende Untersuchung ist als ein Versuch zu werten, das Problem der Abkürzung, das in der germanistischen Sprachwissenschaft bisher relativ wenig Beachtung gefunden hat, von einer kritischen Auseinandersetzung mit der vorhandenen Literatur ausgehend, in synchronischer Sicht darzustellen. Im Zusammenhang mit der Definition des Begriffes Abkürzung hat der Autor festgestellt, dass dieser Begriff in der linguistischen Literatur entweder als Bezeichnung für die nicht gesprochenen sogenannten graphischen Abkürzungen oder als Oberbegriff für die Gesamtheit der Typen von Kurzformen verwendet wird. Der Autor versteht unter Abkürzungen besondere Formen sprachlicher Zeichen, die durch das in der Sprache wirkende Gesetzt der Ökonomie entstanden sind und entstehen. Abkürzungen können nur von Vollformen gebildet werden. Bei der Erarbeitung der Klassifikation der Abkürzungen der deutschen Gegenwertssprache ist der Autor von der Überlegung ausgegangen, dass die lautliche in die graphische Struktur der Vollformen von bestimmender Bedeutung für die Struktur der zu bildenden Kurzformen ist. Entsprechend den zwischen den Abkürzungen und den Vollformen bestehenden graphisch-formalen genetischen Relationen hat der Autor die Kurzformen in lineare und nichtlineare Abkürzungen, in Isolierungen und in Kombinationsformen eingeteilt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden erstmalig Untersuchungen zur Häufigkeit der Abkürzungen, bezogen auf die einzelnen Klassen von Abkürzungen, vorgenommen. Dabei wurden Häufigkeit und Verteilung der Abkürzungen in Wörterbücher und in Texten untersucht und die Ergebnisse zueinander in Beziehung gesetzt. Sowohl in den Wörterbüchern als auch in den untersuchten Texten stellte der Autor eine Dominanz der Initialabkürzungen fest. Entsprechend dem hohen Formalisierungsgrad der Sprache in den Texten aus dem 16 Gattungsstill mathematisch-technisches Fachgebiet ist der Anteil der Abkürzungen nach Feststellungen des Autors in diesen Texten am höchsten. 17