FAKTEN. Migräne - ReadingSample - Beck-Shop

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FAKTEN. Migräne
von
Stefan Evers
1. Auflage
Thieme 2006
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 13 143631 3
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
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6 Therapie
Maßnahmen zur Beschwerdelinderung
! Beachte: Die Anwendung dieser „Hausmittel“ ist nicht evidenzbasiert,
wird aber von vielen Patienten konsequent durchgeführt und als hilfreich empfunden. Zur alleinigen Behandlung der akuten Migräneattacke sind sie allerdings nicht geeignet!
§ Maßnahmen:
9 Kühlung der Stirn.
9 Abdunklung des Raums, Tragen einer Sonnenbrille oder Gesichtsmaske.
9 Massieren von Druckpunkten im Gesichts- und Halsbereich.
9 Einreiben der Schläfe mit Pfefferminzöl.
9 Ruhe bis hin zum Schlafen.
§ Generell gilt: Es gibt keine Verhaltensweise, die man während einer
Migräneattacke unbedingt vermeiden muss, solange man sie subjektiv als nicht einschränkend erlebt!
6.2 Akuttherapie
Antiemetika
! Hinweis: Die meisten Patienten leiden während einer Migräneattacke
an gastrointestinalen Symptomen.
§ Wirkungsmechanismus:
9 Metoclopramid/Domperidon (= Dopamin-Antagonisten):
– Blockade von Dopamin-Rezeptoren (D2) in der chemorezeptiven Triggerzone des Area postrema → antiemetische Wirkung.
– Stimulation von 5-Hydroxytryptamin-Rezeptoren → Beschleunigung der Magenentleerung.
9 Dimenhydrinat (= Antihistaminikum): Blockade von HistaminRezeptoren (H1) im Brechzentrum.
§ Wirkungen:
9 Besserung der vegetativen Begleitsymptome.
9 Bessere Resorption und Wirkung von Analgetika und Triptanen durch
Anregung der zu Beginn der Migräneattacke abgeschwächten
Magenperistaltik (bei einigen Patienten).
! Tipp: Antiemetika 10 Minuten vor den anderen Akutmedikamenten
einnehmen!
§ Präparate: siehe Tab. 6.1.
aus: Evers, Migräne (ISBN 313143631X) © 2006 Georg Thieme Verlag
6.2 Akuttherapie
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Tabelle 6.1 Antiemetika in der Migränetherapie
Substanz
Dosis
Neben­
wirkungen
Kontra­
indikationen
Metoclopramid
(z. B. Paspertin®)
10–20 mg p. o.
20 mg rektal
10 mg i. m.,
i.v., s. c.
Früh-dyskine­
tisches
Syndrom,
Unruhezustände
Alter < 12 Jahre,
Hyperkinesien,
Epilepsie, Schwangerschaft, Stillzeit,
Prolaktinom,
Phäochromo­
zytom, mech. Ileus,
Darmperforation,
GI-Blutung, Schwangerschaft
Domperidon
(z. B. Motilium®)
20–30 mg p. o.
seltener als
Metoclopramid, da kaum
ZNS-gängig
Alter < 10 Jahre,
Prolaktinom,
Phäochromozytom, mech. Ileus,
Darm­perforation,
GI-Blutung, Schwangerschaft
Dimenhydrinat
(z. B. Vomex®)
150 mg p. o./
rektal
Müdigkeit
Asthma bronchiale,
Schwangerschaft
! Hinweise: 9 Für Metoclopramid konnte in doppelblinden, plazebokontrollierten Studien eine geringe eigenständige analgetische Wirkung bei
der Migräne nachgewiesen werden, v. a. bei i.v. Gabe.
9 Die Überlegenheit einer Kombination von Antiemetika mit Migränemedikamenten konnte bisher in großen, randomisierten Studien nicht belegt werden. Empfohlen wird sie aber trotzdem!
Analgetika
! Hinweis: Analgetika sind Mittel der 1. Wahl bei leichter bis mittelgradiger Migräne.
§ Präparate: Siehe Tab. 6.2.
§ Einnahme:
9 Bevorzugt als Brause- oder Kautablette (schnellere Resorption!).
9 Für Paracetamol empfiehlt sich die Einnahme als Zäpfchen, da die
Substanz rektal schneller resorbiert wird als oral.
aus: Evers, Migräne (ISBN 313143631X) © 2006 Georg Thieme Verlag
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6 Therapie
Tabelle 6.2 Enterale Analgetika zur Behandlung der Migräneattacke
1
2
Substanz
Dosis
Neben­
wirkungen
Kontraindikationen
Acetylsalicyl­
säure (ASS)
(z. B. Aspirin®)
1000 mg
Magenschmer­
zen, MagenDarm-Ulzera,
Übelkeit,
Gerinnungsstörungen,
AnalgetikaAsthma
Magen-Darm-Ulzera,
hämorrhagische
Dia­these, Asthma bronchiale, Niereninsuffizienz
(GFR < 30ml/min),
schwere Leberinsuffizienz (Child-Pugh-Score
> 7), Schwan­gerschaft/
Stillzeit
Ibuprofen
(z. B. Imbun®)
200–
600 mg
wie ASS,
Ödeme
wie ASS (Blutungsnei­
gung geringer), Nie­ren­
insuffizienz (GFR
< 30ml/ min), Systemi­
scher Lupus erythematodes, letztes Trimenon
Naproxen
(z. B. Proxen S®)
500–
1000 mg
wie Ibuprofen
wie Ibuprofen
DiclofenacKalium (z. B.
Voltaren®
Migräne)
50–100 mg
wie Ibuprofen
wie Ibuprofen
Metamizol1
(z. B. Novalgin®)
1000 mg
allergische
Reaktionen,
Blutbildveränderungen
(Agranulozytose!)
Erkrankungen des hämatopoetischen Systems,
letztes Trimenon/Stillzeit
Paracetamol
(PCM) (z. B.
Ben-u-ron®)
1000 mg
Leberschäden
Leberschäden, Nieren­
insuffizienz
ASS + PCM +
Koffein2 (z. B.
Thomapyrin® )
500 mg +
400 mg +
100 mg
wie ASS und
PCM
wie ASS und PCM
Für die Wirksamkeit von Metamizol liegen keine modernen Studien vor.
Eine deutsche Studie konnte zeigen, dass die Kombination von ASS, PCM und
Koffein wirksamer ist als eine Kombination von ASS und PCM ohne Koffein
und wirksamer als die jeweiligen Einzelsubstanzen. Für andere Kombinationspräparate gibt es keinen evidenzbasierten Stellenwert in der Migränetherapie.
aus: Evers, Migräne (ISBN 313143631X) © 2006 Georg Thieme Verlag
6.2 Akuttherapie
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! Hinweise: 9 Lysiniertes ASS + Metoclopramid, Ibuprofen und Diclofenac-Kalium sind fast genauso wirksam wie Sumatriptan und Zolmitriptan
(S. 57).
9 Löslich gepuffertes ASS (1000mg) ist ebenso wirksam wie 400mg
Ibuprofen oder 50mg Sumatriptan p. o.
9 Die speziellen Aufbereitungen einiger Analgetika für die Indikation
Migräne (Aspirin-Migräne, Ibuprofen-Migräne und Dicofenac-Migräne) wirken nicht besser als die normalen Analgetika!
9 Für selektive COX-2-Inhibitoren (Coxibe) liegt keine Zulassung für
die Behandlung der Migräne vor. Da nach wie vor ungeklärt ist, ob
es bei episodischer Einnahme zu einer Häufung vaskulärer Ereignisse kommt, können diese Medikamente zur Migränetherapie
nicht empfohlen werden.
! Beachte: Alle Analgetika können bei zu häufiger Einnahme zur Entwicklung eines Kopfschmerzes durch Medikamentenübergebrauch
führen (S. 98). Diese Wirkung ist unabhängig von der eingenommenen
Dosis! Daher sollten diese Medikamente an weniger als 15 Tagen (bei
Kombinationspräparaten: 10 Tage) im Monat eingenommen werden!
§ Opioide und Tranquilizer sollten zur Behandlung der akuten Migräneattacke nicht eingesetzt werden:
9 Opioide: Begrenzte Wirksamkeit bei Migräne, führen häufig zu
Erbrechen und haben – wenn sie nicht zur Therapie chronischer
(Tumor-)Schmerzen eingesetzt werden – eine hohe Suchtpotenz.
9 Benzodiazepine: Keine analgetische Wirkung. (Einzige Indikation in
der Migränetherapie: Status migraenicus, S. 61).
Ergotamine (Mutterkornalkaloide)
! Hinweis: Ergotamine sind den Triptanen in allen Studien signifikant
unterlegen!
§ Präparat (s. Tab. 6.3): Ergotamintartrat ist das einzige in Deutschland noch zugelassene Ergotamin zur Migränetherapie.
§ Ergotamine können eingesetzt werden bei:
9 Patienten mit > 2 Tage lang dauernden Migräneattacken bzw.
häufigem Wiederkehrkopfschmerz (erneutes Auftreten der Kopfschmerzen nach erfolgreicher Medikamenteneinnahme).
9 Patienten, die ihre Migräneattacken in der Vergangenheit erfolgreich mit Ergotamin behandelt haben und keine Nebenwirkungen
bzw. Dosissteigerung haben.
aus: Evers, Migräne (ISBN 313143631X) © 2006 Georg Thieme Verlag
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6 Therapie
Tabelle 6.3 Ergotamin zur Behandlung der Migräneattacke
Substanz
Dosis
Neben­
wirkungen
Kontraindikationen
Ergotamintatrat
(Ergo-Kranit®)
2 mg p. o.
Übelkeit,
Erbrechen,
Kältegefühl,
Muskelkrämpfe, Ergotismus
Alter < 12 Jahre, KHK,
pAVK, Morbus Raynaud, art. Hypertonie
schwere Leber- und/
oder Niereninsuffizienz, Schwangerschaft/
Stillzeit
In allen anderen Fällen gilt: Umsteigen auf ein anderes Akutmedikament!
! Beachte: Die Einnahme von Ergotamin kann zu einer Erhöhung der
Attackenfrequenz und letztlich zu einem Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch führen (S. 98). Daher muss die Einnahme streng
auf 10 Tabletten/Monat nicht begrenzt werden!
9
Triptane (5-HT1B/1D-Rezeptoragonisten)
! Hinweis: Alle Triptane haben ihre Wirksamkeit in großen plazebokontrollierten Studien bewiesen! Sie sind spezifische Migränemittel
und wirken daher nicht beim reinen Kopfschmerz vom Spannungstyp.
§ Wirkmechanismus:
9 Agonismus am 5-HT1B-Rezeptor: Selektive Vasokonstriktion an
extrazerebralen intrakraniellen Gefäßen und Verminderung der
Neuropetidausschüttung.
9 Agonismus am 5-HT1D-Rezeptor: Hemmung der Schmerzsensitisierung durch Reduzierung der Aktivierung trigeminaler Neurone im
Hirnstamm.
! Beachte: Diese Rezeptoren (fast nur 5-HT1B-Rezeptoren) befinden sich in geringem Maße auch peripher an den Koronararterien,
sodass es bei Einnahme von Triptanen auch zu einer Verengung der
Herzkranzgefäße kommen kann (cave: Patienten mit KHK).
§ Präparate: Siehe Tab. 6.4.
! Beachte: Auch die Einnahme von Triptanen kann zu einer Erhöhung der
Attackenfrequenz und letztlich zu einem Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch führen (S. 98). Sie sollten daher nicht mehr als
10 Tage im Monat eingesetzt werden! Entscheidend ist dabei die Einnahmefrequenz und nicht die Dosis.
aus: Evers, Migräne (ISBN 313143631X) © 2006 Georg Thieme Verlag
6.2 Akuttherapie
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Tabelle 6.4 Triptane zur Behandlung der Migräneattacke (in der Reihenfolge
der Zulassung)
Substanz
Dosis
Neben­
wirkungen
Kontraindikationen
Sumatriptan
(Imigran®)
50–100 mg
p. o.
25 mg Supp.
10–20 mg
nasal
6mg s. c.1
Engegefühl
im Bereich der
Brust/Hals, Par­
ästhesien der
Extremitäten,
Kältegefühl,
Schwindel,
Müdigkeit,
­Lokalreaktion
an der Injek­
tions­stelle
Hypertonie, KHK, Angina
pectoris, Z. n. Myokardinfarkt, TIA oder Schlaganfall,
Morbus Raynaud, pAVK,
schwere Leber- und/oder
Niereninsuffizienz, multiple
vaskuläre Risikofaktoren,
gleichzeitige Einnahme von
Ergotamin, innerhalb von
2 Wochen nach Absetzten
von MAO-Hemmern, Alter
> 65 Jahre2, Schwangerschaft, Stillzeit
Zolmitriptan
(AscoTop®)
2,5–5 mg p. o.
2,5–5 mg
Schmelztbl.
5 mg nasal
wie Sumatriptan
wie Sumatriptan
Naratriptan
(Naramig®)
2,5 mg p. o.
etwas geringer
als Sumatriptan
wie Sumatriptan
Rizatriptan
(Maxalt®)
10 mg p. o.3
10 mg
Schmelztbl.3
wie Sumatriptan
wie Sumatriptan
Almotriptan
(Almogran®)
12,5 mg p. o.
etwas geringer
als Sumatriptan
wie Sumatriptan
Eletriptan
(Relpax®)
20–40 mg
p. o.4
wie Sumatriptan
wie Sumatriptan
Frovatriptan
(Allegro®)
2,5 mg p. o.
etwas geringer
als Sumatriptan
wie Sumatriptan
1 mit Autoinjektor
2 laut Zulassungsbestimmungen; allerdings gibt es keine Hinweise auf ein
3
erhöhtes Risiko bei konsequenter Beachtung der Kontraindikationen
5mg bei gleichzeitiger Einnahme von Propranolol (z. B. Dociton®)
4 bei Unwirksamkeit von 40mg können auch 80mg Eletriptan gegeben werden
(80mg Eletriptan: effektivstes orales Triptan, aber höchste NW-Rate)
aus: Evers, Migräne (ISBN 313143631X) © 2006 Georg Thieme Verlag
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