5. Themenbereich: Literaturgeschichte Aufgabenstellung: TEXT 1

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5. Themenbereich: Literaturgeschichte
Aufgabenstellung:
TEXT 1: Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784)
TEXT 2: Thomas Bernhard: Die Ursache. Eine Andeutung (Auszug) (1975)
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Fasse die wichtigsten Aussagen der beiden Texte kurz zusammen.
Erkläre, was nach Kants Meinung der einzelne Mensch dazu beitragen kann, aufgeklärt zu
sein.
Kant beurteilt die Möglichkeiten der Menschen, in einen Zustand der Mündigkeit zu
kommen, grundsätzlich optimistisch: Verweise auf Textstellen, die diese Aussage bestätigen.
Nenne die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, die im 18. Jahrhundert die
Durchsetzung der aufgeklärten Ideen unterstützen sollten.
Bernhard verwendet mehrmals die Begriffe Aufklärung bzw. aufgeklärt in dem oben
angeführten Textauszug. Vergleiche seine Ansichten über die Chancen der Menschheit auf
ein aufgeklärtes Zeitalter mit jenen Kants.
Setze dich mit den Aussagen Bernhards kritisch auseinander und erörtere, ob du persönlich
Erziehung zur Mündigkeit grundsätzlich für möglich hältst, und wenn ja, unter welchen
Bedingungen.
TEXT 1: Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784)
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des
Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen
zu bedienen. Sapere aude! Ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die
Natur längst von fremder Leitung freigesprochen […], dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben;
und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem,
unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich
Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu
bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das
Verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Dass der bei weitem größte Teil der Menschen
(darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit außer dem, dass er beschwerlich
ist, auch für sehr gefährlich halte: Dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie
gütigst auf sich genommen haben. […] Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der
ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar lieb gewonnen
und ist vorderhand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn
niemals den Versuch davon machen ließ. […]
Ein Mensch kann zwar für seine Person und alsdann nur für einige Zeit in dem, was ihm zu wissen
obliegt, die Aufklärung aufschieben; aber auf sie Verzicht zu tun, es sei für seine Person, mehr aber
noch für die Nachkommenschaft, heißt die heiligen Rechte der Menschheit verletzen und mit Füßen
treten. […]
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Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter?, so ist die Antwort:
Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung. Dass die Menschen, wie die Sachen jetzt stehen,
im Ganzen genommen, schon imstande wären oder auch nur gesetzt werden könnten, in
Religionsdingen sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines andern sicher und gut zu bedienen,
daran fehlt noch sehr viel. Allein, dass jetzt ihnen doch das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu
bearbeiten, und die Hindernisse der allgemeinen Aufklärung oder des Ausgangs aus ihrer selbst
verschuldeten Unmündigkeit allmählich weniger werden, davon haben wir doch deutliche Anzeigen.
TEXT 2: Thomas Bernhard: Die Ursache. Eine Andeutung (Auszug) (1975)
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Wir werden erzeugt, aber nicht erzogen, mit der ganzen Stumpfsinnigkeit gehen unsere Erzeuger,
nachdem sie uns erzeugt haben, gegen uns vor, mit der ganzen menschenzerstörenden Hilflosigkeit,
und ruinieren schon in den ersten drei Lebensjahren alles in einem neuen Menschen, von welchem
sie nichts wissen, nur, wenn überhaupt, daß sie ihn kopflos und verantwortungslos gemacht, und sie
wissen nicht, daß sie damit das größte Verbrechen begangen haben. In vollkommener Unwissenheit
und Gemeinheit haben uns unsere Erzeuger und also unsere Eltern in die Welt gesetzt und werden,
sind wir einmal da, mit uns nicht fertig, alle ihre Versuche, mit uns fertig zu werden, scheitern, sie
geben früh auf, aber immer zu spät, immer erst in dem Augenblick, in welchem sie uns längst zerstört
haben, denn in den drei ersten Lebensjahren, den entscheidenden Lebensjahren, von welchen
unsere Erzeuger als unsere Eltern aber nichts wissen, nichts wissen wollen, nichts wissen können,
weil Jahrhunderte lang immer alles getan worden ist für diese ihre entsetzliche Unwissenheit, haben
uns unsere Erzeuger mit dieser Unwissenheit zerstört und vernichtet und immer für unser ganzes
Leben zerstört und vernichtet, und die Wahrheit ist, daß wir es auf der Welt immer nur mit in den
ersten Jahren von ihren unwissenden und gemeinen und unaufgeklärten Erzeugern als Eltern
zerstörten und vernichteten und für ihr ganzes Leben vernichteten Menschen zu tun haben. Der
neue Mensch ist immer nur wie ein Tier aus der Mutter geworfen und wird auf immer wie ein Tier
von dieser Mutter behandelt und zugrunde gerichtet, wir haben es nur mit von ihren Müttern
geworfenen Tieren, nicht Menschen, zu tun, die schon in den ersten Monaten und erst in den ersten
Jahren von diesen ihren Müttern mit ihrer ganzen animalischen Unwissenheit zerstört und vernichtet
werden, aber diese Mütter trifft keine Schuld, weil sie niemals aufgeklärt worden sind, die Interessen
der Gesellschaft sind andere als die Aufklärung, und die Gesellschaft denkt gar nicht daran,
aufzuklären, und die Regierungen sind immer und in jedem Falle und in jedem Lande und
Staatsgebilde daran interessiert, daß ihre Gesellschaft nicht aufgeklärt wird, denn klären sie ihre
Gesellschaft auf, wären sie schon in kurzer Zeit von dieser von ihnen aufgeklärten Gesellschaft
vernichtet, Jahrhunderte ist die Gesellschaft nicht aufgeklärt worden, und es werden viele
Jahrhunderte kommen, in welchen die Gesellschaft nicht aufgeklärt werden wird, weil die Aufklärung
der Gesellschaft ihre Vernichtung bedeutete, und so haben wir es mit unaufgeklärten Erzeugern von
lebenslänglich unaufgeklärten Kindern zu tun, die immer unaufgeklärte Menschen bleiben werden
und lebenslänglich zu vollkommener Unwissenheit verurteil sind.
(Zitiert nach:Schacherreiter: Das neue Literaturbuch, Veritas, Linz 2011, Band 1, S.88ff.)
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