Kunstgeschichte

Werbung
ägyptische Kunst.
Aus bescheidenen Anfängen und in enger Verflechtung mit den frühen künstlerischen
Gestaltungen des benachbarten Vorderasien entwickelte sich die ägyptische Kunst um
3000 v.Chr. zu einer ersten eigenständigen Blüte.
Baukunst:
In der Baukunst traten seit der Reichseinigung der Holz- und Schilfrohrbau der
oberägyptischen Nomaden und der Luftziegelbau der unterägyptischen Bauern in
Wechselwirkung. In monumentalen Bauten (in der Frühzeit aus Ziegeln, seit dem Alten
Reich auch aus Stein) dokumentierte sich der Machtanspruch der Könige. Das
Hügelgrab der Nomaden wandelte sich zur blockartigen, steinverkleideten Mastaba mit
Kultkammer. Aus ihr bildete sich (seit dem Alten Reich) die Stufenpyramide als
Königsgrab heraus (z.B. die Pyramide des Djoser in Sakkara). In die 4. Dynastie fällt
die Blüte der Pyramidenkunst (mit Totentempeln). Für Beamte legte man seit dem Alten
Reich Felsengräber an; in solchen wurden im Neuen Reich auch Könige beigesetzt. Der
ägyptische Tempel wurde als Prozessionstempel entlang einer geraden Achse errichtet:
Eine Sphinxallee führte durch Tortürme (Pylonen) und einen von Säulenhallen
umgebenen Hof in einen als dreischiffige Basilika angelegten Säulensaal, hinter dem
das Allerheiligste mit dem Götterbild lag. Des Weiteren entstand eine dem griechischen
Peripteros ähnliche Tempelform.
Plastik:
Die Plastik in Tempeln und Gräbern wurde mit dem Fortleben des Menschen im
Jenseits verbunden und bildete ihn daher so ab, wie man ihn seinem zeitlosen Wesen
und seiner sozialen Funktion nach sah: frei von vergänglichen Zufälligkeiten,
unabhängig von Lebensalter, Bewegung und Tätigkeit. Daher fehlen Kinder- und
Altersbildnisse fast völlig, und auch porträthafte Ähnlichkeit ist wohl nie angestrebt
worden. Mann und Frau wurden durch ihre Tracht sowie verschiedenartige
Grundstellung und Körperfarbe (Männer rotbraun, Frauen gelb) unterschieden. Die
ägyptische Kunst hielt an den Grundlagen der Personendarstellung mit wenigen
Abweichungen oder Unterbrechungen (Amarna-Stil, Amarna) durch alle Zeiten fest. Bis
in die Spätzeit blieb die Form des »Würfelhockers« beliebt, die den Menschen auf eine
fast reine Würfelform reduzierte.
Relief:
Im gleichen Sinnzusammenhang wie die Plastik standen die Reliefs an den Wänden der
Tempel und Gräber. Die Darstellung ist unräumlich und unperspektivisch, ohne Schatten
und lichtgebundenes Farbenspiel. Alle Objekte, auch Teile des menschlichen Körpers,
werden in der für sie charakteristischen Ansicht dargestellt, also entweder von vorn oder
von der Seite. Die Bilder wenden sich nicht an einen Betrachter, die Figuren blicken
nicht aus der Bildfläche heraus. Die Zeitlosigkeit der Darstellung lässt in einem Bild oft
mehrere Handlungsabläufe nebeneinander zu.
Wandmalerei:
Eine eigenständige Wandmalerei neben den stets bemalten Reliefs entfaltete sich erst
mit der Gestaltung von Gräbern und Palästen des Neuen Reiches (Amarna).
Kunsthandwerk:
Das Kunsthandwerk zeichnete sich zu allen Zeiten durch vollendete Stein-, Metall-,
Holz- und Glastechnik sowie durch strenge, zweckgemäße Schönheit der Form aus.
Die Grenzen zwischen Kunst und Schrift sind fließend; jede Hieroglyphe kann als ein
kleines Kunstwerk gestaltet, Bilder können »gelesen« werden. Für abstrakte
Vorstellungen wie etwa Zeit, Licht oder Schöpfung wurden prägnante Bildzeichen
geschaffen.
ägäische Kultur,
nach dem Ägäischen Meer benannte bronzezeitliche Kultur, die im 3. und
2.Jahrtausend v.Chr. die Ägäischen Inseln mit den Kykladen und Kreta sowie auch
das griechische Festland und die Westküste Kleinasiens umfasste. Die eigenständige
Kultur auf Kreta heißt nach König Minos minoisch. Die drei Perioden frühminoisch
(30002000 v.Chr.), mittelminoisch (20001550 v.Chr.), spätminoisch (15501100
v.Chr.) gelten mit kleinen Abweichungen auch für die gleichzeitigen Kulturen des
griechischen Festlands (helladisch) und der Inseln des griechischen Archipels
(kykladisch). Für das sowohl mit der ägäische Kulturals auch mit der kleinasiatischen
Kultur verbundene Troja ergab sich aufgrund der Stadtperioden Troja I bis VIIIb (rund
25001100 v.Chr.) eine eigene Gliederung. Die Spätphase der ägäischen Kultur wird
auch als kretisch-mykenische Kultur bezeichnet. Erste erfolgreiche Grabungen in
Troja, Mykene, Tiryns führte H.Schliemann zwischen 1870 und 1890 durch. Das
minoische Kreta hat Sir Arthur Evans durch die Ausgrabung von Knossos (seit 1900)
entdeckt.
Minoische Perioden:
Auf Kreta wird die frühminoische Periode mit Stein- und Tongefäßen, auch
Goldarbeiten, v.a. aus Gräbern, nach einer neueren Gliederung als Vorpalastzeit
bezeichnet. Die ältesten Überreste von Palästen in Knossos, Mallia und Phaistos
gehören an den Anfang der mittelminoischen Periode. Aus dieser Älteren Palastzeit
(etwa 20001650 v.Chr.) stammen die Keramik mit weißen und roten Dekorationen auf
schwarzem Grund (Kamaresvasen), Goldfunde, Kleinplastik, Siegelkunst, älteste
Schriftzeugnisse (Bilderschrift auf Tontäfelchen). Die 2.Blütezeit, Jüngere Palastzeit,
setzte mit der Wiedererrichtung der durch Erdbeben zerstörten Paläste und Siedlungen
am Ende der mittelminoischen Periode (Mitte 17.Jahrhundert v.Chr.) ein und wurde
während der spätminoischen Periode wohl durch bürgerkriegsähnliche Wirren,
hervorgerufen durch Hungersnöte und soziale Missstände, und letztlich durch die
Invasion mykenischer Krieger Anfang des 14.Jahrhunderts beendet. Aus dieser Zeit
stammen die Paläste in der durch Ausgrabungen überlieferten Gestalt, weiterhin
Wandmalereien und Miniaturfresken, Fayence- und Elfenbeinfiguren sowie Keramik mit
nun dunkel auf hellen Grund gemalten Motiven. Auf Thera entstand eine wohlhabende
Stadt, um 1645 v.Chr. durch einen Vulkanausbruch verschüttet. Am Ende der Periode
wechselte die inzwischen ausgebildete Silbenschrift (»Linearschrift«) auf den
Tontäfelchen von der älteren Stufe (Linear-A) zur jüngeren Stufe (Linear-B). Unter der
Vorherrschaft des mykenischen Festlandes verlor Kreta in der Nachpalastzeit (etwa
1375 bis etwa 1200 v.Chr.) seine Bedeutung.
Helladische Perioden:
Auf dem griechischen Festland sind aus der frühhelladischen Periode Siedlungen und
monumentale Anlagen (Lerna, Tiryns) bekannt. Eine Leitform der Keramik ist die
Schnabelkanne. In der mittelhelladischen Periode (erste Hälfte 2.Jahrtausend
v.Chr.) bringt die Keramik neue Formen und eine andere Art der
Oberflächenbehandlung: Ornamente in mattem Schwarzton (Mattmalerei) oder
einheitlich schwarze, graue oder gelbliche Oberfläche (minysch). Die späthelladische
ist zugleich die mykenische Periode, und da die Kunst in dieser Zeit von der kretischen
abhängig war, spricht man auch von kretisch-mykenischer Kunst, mit Schachtgräbern
(16.Jahrhundert v.Chr., mit reichen Beigaben) und mit großen Kuppelgräbern in
Mykene (15.14.Jahrhundert v.Chr., z.B. »Schatzhaus des Atreus«) sowie mit
mächtigen Burgen in Mykene, Tiryns, Pylos. Nach der Zerstörung von Knossos (um
1375 v.Chr.) ging die Vormacht in der Ägäis an das mykenische Festland über. Die
zunächst nachgeahmten minoischen Formen und Motive der Keramik wurden vom
14.Jahrhundert an reduziert und dann rein mykenisch. Die auf Kreta entwickelte
Linear-B-Schrift wurde zur mykenischen Palastschrift. Die von Norden eindringenden
Dorer zerstörten um 1150 v.Chr. endgültig die mykenischen Burgen und Siedlungen.
Kykladische Perioden:
Auf den Kykladeninseln entfaltete sich im 3.Jahrtausend v.Chr. eine (v.a. durch
Grabfunde bekannte) Kunst von großer Eigenständigkeit (kykladische), die sie aber im
Lauf des 2.Jahrtausends v.Chr. zunehmend verlor. Von künstlerischer Bedeutung
sind v.a. etwa 20 bis 30 cm hohe, teils bemalte Kykladenidole aus Marmor, ferner
Marmorgefäße (Kegelvasen, Becher) und reich reliefierte oder mit Ritzmustern
versehene Steingefäße und Keramik.
griechische Kunst.
Anschließend an die spätmykenische Kunst (ägäische Kultur) entwickelte sich auf dem
griechischen Festland gegen Ende des 11.Jahrhunderts v.Chr. die geometrische
Kunst. Aus dem 9. und 8.Jahrhundert sind kleinplastische Arbeiten aus Ton und
Bronze sowie Geräte aus Eisen und Bronze bekannt. Ende des 8.Jahrhunderts v.Chr.
folgte auf den geometrischen Stil die archaische Kunst mit monumentalen Werken der
Skulptur und Architektur und bemalten Vasen des »erzählenden Stils«
(7.6.Jahrhundert v.Chr.). Im 5.Jahrhundert entfaltete sich die erste, im
4.Jahrhundert die zweite Blüte der klassischen Kunst. Nach dem Tod Alexanders
d.Gr. (323) wandelte sich die klassische zur hellenistischen Kunst (3.1.Jahrhundert).
Vom Ende des 4.Jahrhunderts n.Chr. an lässt sich die griechische Kunst von der
byzantinischen nicht mehr trennen (byzantinische Kunst); zur neuzeitlichen griechischen
Kunst neugriechische Kunst.
Geometrische Kunst:
Die Bezeichnung der ersten Epoche der griechischen Kunst geometrische Kunst
geht auf die Linienornamentik der Tongefäße dieser Zeit zurück: Mäander, Dreieck,
Raute, Kreis und Hakenkreuz sind zu waagerechten Streifen angeordnet. An die Stelle
der naturhaften kretisch-mykenischen Formensprache trat ein mathematisch-ordnender
Stilwille. Die Gefäße der streng geometrischen Stufe (850775 v.Chr.) sind oft ganz
mit schwarzem, glänzendem Überzug versehen, aus dem nur wenige schmale
Ornamentstreifen ausgespart sind (Haken- und Zinnenmäander). In der
reifgeometrischen Phase (775750) wurden die differenzierteren Gefäßformen von
Ornamenten dicht überzogen. Neben die Tierfriese trat das Menschenbild, v.a. die
figurenreiche Totenklage sowie Krieger- und Wagenzüge. Der spätgeometrische Stil
(750700) bietet übermäßig geschwellte oder zugespitzte Formen, malerisch flimmernde
Ornamente. Seit etwa 720 fanden Bildmotive des Vorderen Orients (Tiere und
Fabelwesen) Aufnahme (orientalisierender Stil). Die gleichen geometrischen
Stilgrundsätze wie die Tongefäße zeigen Schmuckstücke und Geräte sowie
Kleinplastiken aus Metall, Elfenbein und Ton.
Baukunst
Die Baukunst entwickelte sich im 8. und 7.Jahrhundert v.Chr. am Tempelbau, dessen
Grundform die rechteckige, ihr Licht nur vom Eingang her empfangende Cella war. Die
Cella erhielt eine Vorhalle mit zwei Säulen oder wurde mit einer Ringhalle von hölzernen
Stützen umgeben (Peristase). Die Formen der ursprünglich aus Holz und Lehm
errichteten Tempel wurden im späteren 7.Jahrhundert auf Steinbauten übertragen. Die
ältesten Bauten des seit Mitte des 6.Jahrhunderts ausgeprägten dorischen Stils
(dorische Ordnung) waren schwer und gedrungen (Korinth, Ägina, Korfu). Ihre Giebel
wurden mit plastischen Bildwerken, die Metopen (Zwischenfelder) zwischen den
Triglyphen (Dreischlitze) des Architravs mit Reliefs geschmückt (so in Selinunt,
540520). Als Baustoff diente verputzter Kalkstein, später Marmor. Säulen, Gebälk und
Giebel wurden in feste Proportionen zueinander gebracht. Die Baukunst der klassischen
Zeit klärte und verfeinerte die allmählich leichter und schlanker werdenden Formen
(Zeustempel in Olympia, 470460; Parthenon, Athen, 448432; Poseidontempel von
Sunion, um 430, und von Paestum, um 450). Im 4.Jahrhundert v.Chr. wurde der
dorische Stil nur noch selten, in hellenistischer Zeit kaum noch verwendet.
Von der ionischen Küste Kleinasiens ausgehend, entwickelte sich im 6.Jahrhundert
v.Chr. die fortan gültige Form des ionischen Volutenkapitells und mit ihm der ionische
Stil (ionische Ordnung), der schlanke Säulen von reich durchgebildeten Basen
aufsteigen lässt, den Architrav in drei waagerechte Streifen gliedert und darüber mit
einem Zahnschnittgesims schließt. In Ephesos und Samos entstanden Kolossaltempel
mit doppeltem Säulenumgang (Dipteros). Der attisch-ionische Stil bildete eine reichere
Kapitellform aus und den mit Skulpturen geschmückten, durchlaufenden Fries unter dem
vorspringenden Gesims (Niketempel auf der Akropolis). Mit dem gegen Ende des
5.Jahrhunderts v.Chr. aufkommenden korinthischen Kapitell, gebildet aus einem
korbartigen Kern und Akanthusblättern, setzte sich im Laufe des 4.Jahrhunderts
v.Chr. der korinthische Stil (korinthische Ordnung) durch (Lysikratesdenkmal in
Athen, 334).
In der Zeit des Hellenismus verbreitete sich die griechische Baukunst bis weit in den
Orient hinein. Neue Aufgaben bot der prunkvolle Ausbau der unter den Diadochen
gegründeten königlichen Residenzen (Pergamon, Alexandria, Antiochia). In den Städten
entstanden große Marktanlagen, die Hallen, Tempel und Rathäuser umfassten, ferner
Theater, Bibliotheken (Alexandria, Pergamon), Palästren und Bäder.
Bildhauerkunst
Archaischer Stil:
Mit dem Bau der großen Tempel in der 2.Hälfte des 7.Jahrhunderts v.Chr.
entwickelte sich die monumentale Plastik des archaischen Stils (650500). Götter,
Verstorbene und siegreiche Kämpfer wurden als nackte Jünglingsgestalten (Kuroi) in
strenger, frontal ausgerichteter Haltung, in Schrittstellung und mit anliegenden Händen
dargestellt. Gleichzeitig entstanden bekleidete weibliche Figuren als Verkörperungen
von Göttinnen (Göttin mit dem Granatapfel, um 580560; Berlin, Antikensammlung),
Verstorbenen und als Weihgeschenke (Koren). Neben der Freiplastik entwickelte sich
die Reliefkunst der für die ersten dorischen Tempel gearbeiteten Metopen und
Giebelfelder.
Klassische Kunst:
Die klassische Kunst setzte mit dem strengen Stil (500450) ihrer Frühzeit ein, als
sich nach den Perserkriegen auch die Kunst zu neuer Blüte entfaltete. Die starre
Gebundenheit des archaischen Stils wurde gesprengt, der menschliche Körper in
anatomisch verstandener Bewegung erfasst. An der Wende zu dieser Entwicklung
entstanden die kämpfenden Krieger der Giebel des Aphaiatempels von Ägina. Die nach
ihrem Äußeren gewaltigsten erhaltenen Werke des strengen Stils sind die
Giebelbildwerke und Metopen von Olympia, kostbare Zeugnisse der klassischen
Erzgießerkunst der »Wagenlenker von Delphi« (478474; Delphi, Archäologisches
Museum) und der »Gott aus dem Meer« von Kap Artemision (um 480 v.Chr.; Athen,
Archäologisches Nationalmuseum). Die meisten Bildwerke der griechischen Klassik sind
nur durch römische Kopien v.a. des 1.3.Jahrhunderts n.Chr. bekannt. So wurden
die Marmorgruppe der beiden Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton (Neapel,
Archäologisches Nationalmuseum) nach einer 477 v.Chr. entstandenen Bronzegruppe
kopiert und der »Kasseler Apoll« nach einem vielleicht von Phidias stammenden Werk.
Hohe Klassik:
Im Übergang vom strengen Stil zur hohen Klassik des 5.Jahrhunderts v.Chr.
entstanden der »Diskuswerfer« und die Athena-Marsyas-Gruppe von Myron. Die
überragenden Bildhauer des Jahrhunderts waren Phidias und Polyklet. Zu den
Meisterwerken des Phidias zählen die monumentalen Standbilder des Zeus in Olympia
und der Athena Parthenos im Parthenon zu Athen, von denen kleine Nachbildungen
eine nur ungefähre Vorstellung vermitteln; zwei 1972 vor der Küste Kalabriens bei Riace
gefundene Kriegerfiguren aus Bronze sind möglicherweise Originalwerke des Phidias.
Unter Leitung des Phidias entstanden die Parthenonskulpturen (die Bildwerke der
beiden Giebel, 92 Metopen) und der 160m lange Fries (Elgin Marbles). Sein Einfluss
wirkte durch Mitarbeiter und Schüler bis Ende des Jahrhunderts fort. Polyklet entwickelte
den Kontrapost und schuf v.a. Jünglingsgestalten aus Erz (Doryphoros, Diadumenos).
Späte Klassik:
In der Zeit der späten Klassik des 4.Jahrhunderts v.Chr. wandelte sich die heroische
Auffassung in eine mehr persönliche Darstellung. Kephisodot schuf das Standbild der
Friedensgöttin Eirene für den Markt in Athen, Praxiteles in meisterlicher
Marmorbehandlung anmutige Bildwerke wie den Apoll Sauroktonos (»Eidechsentöter«),
den »Hermes mit dem Dionysosknaben« und die Aphrodite von Knidos. Zu schlankeren
Proportionen und freierer Bewegung gelangte Lysippos (Apoxyomenos). Gleichzeitig
wirkten Skopas und in der 2.Hälfte des Jahrhunderts Leochares, der wie Lysippos
Standbilder Alexanders d.Gr. schuf. In Athen blühte die Kunst der Grab- und
Weihreliefs, durch deren Ausfuhr die attische Kunst weite Verbreitung fand.
Hellenistische Kunst:
Der Stil des Lysippos und seiner Schule leitete zur hellenistischen Kunst über, deren
Bildhauer die körperliche Bewegung und den Ausdruck bis zu barockem Pathos
steigerten. Hauptwerke aus dieser Spätzeit der griechischen Kunst entstanden v.a. in
Pergamon (u.a. Sockelfries des Pergamonaltars). Zu Beginn des 2.Jahrhunderts
v.Chr. datiert die Nike von Samothrake, gegen Ende die Aphrodite von Melos (beide
Paris, Louvre). Die letzte barocke Steigerung lässt die Laokoongruppe erkennen (wohl
aus dem 1.Jahrhundert; Rom, Vatikanische Sammlungen). Ihr nahe verwandt ist der
oft kopierte »Kopf des blinden Homer«, der zu den bedeutendsten Werken der zu hoher
Blüte entwickelten Bildnisplastik gehört. Im 1.Jahrhundert v.Chr. kam gleichzeitig eine
klassizistische Richtung auf, der z.B. das an klassische Vorbilder anknüpfende
Bildwerk des »Dornausziehers« zuzurechnen ist.
Malerei
Werke der Wand- und Tafelmalerei sind nicht erhalten. Ihre Entwicklung könnte der der
griechischen Plastik analog und ebenbürtig verlaufen sein. Einige Tafeln aus Ton
(Metopen von Thermos, Ende des 7.Jahrhunderts v.Chr.) oder Marmor (Scheibe mit
Bild des Arztes Äneas; Athen, Archäologisches Nationalmuseum) zeigen flächig
kolorierte Umrisszeichnungen. Die Grabmalereien von Elmali (Lykien) und Paestum
(Tomba del tuffatore) bestätigen die Vermutung, dass sich die Monumentalmalerei vor
der Mitte des 5.Jahrhunderts grundsätzlich nicht von der Vasenmalerei, besonders der
des rotfigurigen Stils, unterschied (Vase).
Von den Wandbildern des Polygnot in Athen und in Delphi (um 460) ist, wie von anderen
Werken der klassischen Maler (Zeuxis, Apollodoros u.a.), nur der Inhalt der
Darstellungen durch antike Beschreibungen bekannt. Pompejanische Fresken lassen
nur Anlehnungen und Nachklänge erkennen. Am ehesten vermag die Mosaikkopie der
Alexanderschlacht den Eindruck einer spätklassischen Monumentalmalerei zu
vermitteln. Auch die Wand- und Tafelbilder des Apelles, des Hofmalers Alexanders
d.Gr., mit denen die Malerei des Hellenismus einsetzte, sind nicht erhalten. Einen
gewissen Ersatz für die verloren gegangenen Werke der hellenistischen Zeit bieten die
Mosaikbilder des Dioskurides von Samos. Späthellenistische Beispiele des
1.Jahrhunderts sind die Wandgemälde der Villa von Boscoreale, der Mysterienvilla von
Pompeji und die aldobrandinische Hochzeit.
Kleinkunst
Aus allen Zeiten der griechischen Kunst ist eine Fülle von Werken der Kleinplastik in
Bronze und Ton (Menschen, Tiere und mythische Wesen darstellend) und der zu hoher
Vollendung entwickelten Vasenmalerei (Vase ) erhalten. Einen besonderen Zweig der
Terrakottaplastik bilden die Tanagrafiguren (Tanagra). Einzigartig sind auch die
griechische Steinschneidekunst und die Münzprägung.
römische Kunst,
die Kunst der Römer und die unter ihrer Herrschaft entstandene Reichskunst. Die
Erfolge Roms in den Punischen Kriegen führten im 2.Jahrhundert v.Chr. zur
Herausbildung einer einheitlichen stadtrömischen Kultur, die in den sich ständig
vergrößernden Machtbereich weitervermittelt wurde. Da die römische Kunst in starkem
Maß politischen Zwecken und staatlicher Selbstdarstellung diente, blieb ihr eigentliches
Zentrum Rom, wo die für das übrige Reichsgebiet maßgeblichen künstlerischen
Ausdrucksformen entwickelt wurden. Die römische Kunst ist bestimmt durch die
Verschmelzung von italischen (besonders etruskischen) und griechisch-hellenistischen
Elementen. In den Provinzen und Regionen blieben die bodenständigen Traditionen
zum Teil stark prägend. Während in vielen Bereichen die griechischen Vorbilder lediglich
tradiert wurden (Idealplastik, Ornament), gewann die römische Kunst eine eigenständige
Bedeutung in Architektur, Porträt und Relief. Beginn und Ende einer eigentlichen
römischen Kunst sind nicht scharf begrenzt; allgemein bezeichnet man die Kunst der
nachkonstantinischen Zeit bis zum Tode Justinians I. (565 n.Chr.) als spätantike Kunst;
in ihr vermischen sich bereits frühchristliche und byzantinische Elemente.
Baukunst:
Sie bereicherte den Mittelmeerraum um zahlreiche Bautypen, u.a. das geschlossene
Forum, die Basilika, die Thermen, das Amphitheater, das römische Theater mit
halbrundem Zwischenteil und hohem Bühnenhaus, den Podiumtempel, den
Triumphbogen, die Villa, ferner typische Formen des Straßen-, Brücken- und
Wasserleitungsbaus unter Anwendung des Hausteinbogens sowie des im
2.Jahrhundert v.Chr. eingeführten Gussmauerwerks. Dieses erschloss neue
Möglichkeiten auch für mehrstöckige Hochbauten, Wandgliederungen, weit gespannte
Tonnengewölbe, Kuppeln, Voraussetzung für die großartigen Raumkörper der
Kaiserthermen, Paläste und Kuppelbauten (Pantheon). Charakteristisch römisch ist
weiter die Fähigkeit zur räumlichen Organisation, die sich v.a. in axialer Ordnung
ausdrückte. Das ursprünglich streng geschlossene römische Atriumhaus wurde seit dem
1.Jahrhundert v.Chr. um griechische Peristyle, Exedren, Loggien u.a. erweitert
(sichtbar noch in Herculaneum und Pompeji). Ausgeklügelte Raumfolgen zeigen die
weitläufigen Paläste (Hadriansvilla bei Tivoli), ebenso die Kaiserthermen (Trajans-,
Caracallathermen in Rom). Die Diokletiansthermen und die Maxentiusbasilika in Rom
gehen bereits zu einem Pathos der Einfachheit über, die noch die frühchristlichen
Kirchen des 5. und 6.Jahrhunderts prägte. Auch in den Provinzen entstanden
mächtige Bauwerke (z.B. Nîmes, »Maison Carrée«; Split, Palast des Diokletian;
Gesamtanlagen von Leptis Magna und Palmyra).
Bildhauerkunst:
Die meisten der in römischer Zeit entstandenen freiplastischen Werke sind mehr oder
weniger freie Kopien griechischer Originale. Eigenständige Leistung der römischen
Kunst ist die Porträtbüste; in der republikanischen Zeit nüchtern und mit herben Zügen,
erreicht sie unter Augustus einen Höhepunkt an Individualisierung. Auch das Relief
erreicht die reife Form des römischen Klassizismus (Ara Pacis Augustae). Ende des
1.Jahrhunderts wurden im Porträt typische Merkmale herausgearbeitet, dem
verfeinerten Hofbildnis der 2.Hälfte des 2.Jahrhunderts (besonders bei den
Antoninen) folgten im 3.Jahrhundert Verzerrung nicht scheuende Charakterbildnisse
(Caracalla). Entsprechend wurde beim historischen Relief die Situationsschilderung
(Titusbogen in Rom) seit dem 2.Jahrhundert ins Bedeutungshafte übersetzt
(Trajanssäule in Rom, Trajansbogen in Benevent; Mark-Aurel-Säule und SeptimiusSeverus-Bogen in Rom; severisches Fries in Leptis Magna). Im 3.Jahrhundert füllen
dicht gedrängte Figuren die tief zerklüftete Relieffläche (Ludovisischer
Schlachtsarkophag, 1. Hälfte des 3.Jahrhundert n.Chr., Rom, Thermenmuseum).
Zunehmende Erstarrung zeigen die oft überlebensgroßen Kaiserstatuen und -köpfe aus
dem 4.6.Jahrhundert.
Malerei:
Auch in der Malerei herrschte zunächst der griechische Einfluss vor. Für die
Wandmalerei überliefern die Vesuvstädte (Pompeji, Herculaneum, Stabiae, Oplontis) die
reichste und geschlossenste Übersicht (frühes 1.Jahrhundert v.Chr. bis 79 n.Chr.).
Die Bilder zeigen eine raumillusionistische Kunst (mit Ausnahme der Zeit von etwa 10
v.Chr. bis 40 n.Chr.), die Wände gleichen Bühnenfassaden und eröffnen Blicke in
Gärten und Landschaften. Die Porträtmalerei ist nur aus dem Seitenzweig des
ägyptischen Mumienbildnisses bekannt. Tafel- und Leinwandbilder sind verloren
gegangen. Das 4.Jahrhundert bereitete mit neuer Intensität der Farbgebung spätantike
und frühchristliche Malerei und Mosaikkunst vor. Das weit verbreitete römische
Kunsthandwerk hat u.a. bedeutende Silberarbeiten (Hildesheimer Silberfund), Gläser
(z.B. Diatretglas), Tongeschirr (Terra sigillata), Gemmen und Münzen hervorgebracht.
frühchristliche Kunst
(altchristliche Kunst), die christliche Kunst der Spätantike vom 3. bis 6.Jahrhundert,
meist unter Abgrenzung von der byzantinischen Kunst und der armenischen Kunst.
Thema der Katakombenmalerei und Mosaikkunst ist der christliche Erlösungsgedanke,
ausgedrückt in Symbolen (Pfau, Taube, Fisch) sowie in alt- und neutestamentlichen
Szenen. Die Bautätigkeit setzte ein im 4.Jahrhundert in Jerusalem mit dem Bau der
Grabeskirche (326) und in Rom mit der Erlöserbasilika (San Giovanni in Laterano;
326), Alt-Sankt-Peter, San Paolo fuori le mura und im 5.Jahrhundert Santa Maria
Maggiore. Neben diesen römischen Patriarchalbasiliken entstanden Kirchen v.a. in
Ravenna (San Vitale, 547; Sant' Apollinare in Classe, 549) und Mailand. Bedeutende
Zeugnisse frühchristlicher Kunst sind auch die Elfenbeinarbeiten, z.B. Kathedra des
Bischofs Maximian in Ravenna (um 550; Ravenna, Erzbischöfliches Museum) sowie die
Sarkophagreliefs, z.B. der Junius-Bassus-Sarkophag (359; Rom, Vatikanische
Sammlungen), der Zwölf-Apostel-Sarkophag in Sant' Apollinare in Classe in Ravenna
(5.Jahrhundert). Von der Buchmalerei ist wenig erhalten, so die aus Konstantinopel
oder Antiochia stammende Wiener Genesis (6.Jahrhundert; Wien, Österreichische
Nationalbibliothek). Die frühchristliche Kunst hatte großen Einfluss auf die gesamte
abendländische Entwicklung.
karolingische Kunst,
die Kunst in dem von Karl d.Gr. geschaffenen Reich. Zentrum war sein Hof in Aachen,
an den er Künstler zog, die der römischen oder byzantinischen, aber auch der
angelsächsischen, merowingischen und langobardischen Tradition entstammten. Durch
sein Bemühen um eine Erneuerung (»renovatio«) des römischen Imperiums
(karolingische Renaissance) entstand aus diesen verschiedenartigen Strömungen der
karolingische Stil, der die erste Stufe der abendländisch-mittelalterlichen Kunst ist. Die
Blütezeit reichte vom Ende des 8. bis in die Mitte des 9.Jahrhunderts. Aus diesen
Ansätzen entwickelten sich sowohl die deutsche Kunst als auch die französische Kunst.
Der germanische Holzbau wurde durch den Steinbau ersetzt, im Gegensatz zur
gleichzeitigen byzantinischen Bilderfeindlichkeit entstanden große christliche
Bilderfolgen; die menschliche Figur verlor ihre ornamentale Bindung.
Baukunst:
In der Baukunst wurden verschiedene Bautypen übernommen, so aus Italien der
Zentralbau in dem nach dem Muster von San Vitale in Ravenna errichteten Aachener
Münster. Die altchristliche Basilika wurde durch Einbeziehung des Querhauses
(Einhardsbasilika Steinbach [heute zu Michelstadt]), Erweiterung der Ringkrypta (Sankt
Lucius in Chur, Sankt Emmeram in Regensburg), Ausbildung des die weitere
Entwicklung in Gallien bestimmenden Chorumgangs mit Kapellenkranz (Saint-Martin in
Tours), Anlage eines Westchors oder Westwerks (Abteikirche des Benediktinerklosters
Corvey) und durch Vierungs- und Treppentürme bereichert. Das besterhaltene Beispiel
einer Fassadendekoration bietet die Torhalle des Klosters Lorsch.
Goldschmiedekunst und Wandmalerei:
Die Bronzetüren und Emporengitter des Aachener Münsters belegen eine hoch
entwickelte Gusstechnik. Beispiele der Goldschmiedekunst sind der Tassilokelch
(Kremsmünster, Schatzkammer der Abtei), das Rupertuskreuz (Bischofshofen,
Pfarrkirche), der Adelhausener Tragaltar (Freiburg im Breisgau, Augustinermuseum)
und die Stephansbursa (Wien, Kunsthistorisches Museum). Reste von Wandmalerei
sind im Westwerk der Abteikirche Corvey, in der Torhalle des Benediktinerinnenklosters
Frauenchiemsee und in Sankt Johann in Müstair (Kanton Graubünden) erhalten.
Buchmalerei und Elfenbeinarbeit:
In Aachen entstand die »Hofschule« Karls d.Gr., aus der zahlreiche Buchmalereien
und Elfenbeinarbeiten erhalten sind. Mit dem Codex aureus aus Lorsch (heute aufgeteilt
auf Bibliotheken in Rom, Bukarest und London) sowie dem Dagulf-Psalter (Paris und
Wien) haben sich Handschriften mit ihrem vollständigen Deckelschmuck erhalten. Die
Elfenbeintafeln des Lorscher Evangeliars folgen fünfteiligen Diptychen frühchristlicher
Zeit. Reines Nachleben spätantiker Formen zeigt die gleichfalls in Aachen beheimatete
Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars. Mit der »Reimser Schule« (Ebo-Evangeliar,
Épernay; Utrecht-Psalter, Utrecht) verlagert sich das Schwergewicht nach Westen.
Weitere Zentren sind die »Schule von Tours« (Grandval-Bibel in London, Vivian-Bibel in
Paris) und die wohl in Paris zu lokalisierende »Hofschule Karls des Kahlen«
(Sakramentar und Psalter Karls des Kahlen, Paris). Zahlreiche spätkarolingische
Elfenbeinarbeiten, neben mehreren Buchdeckeln der Kamm des hl. Heribert (Köln,
Schnütgen-Museum), stammen aus Metz. Aus dem gleichen westfränkischen Raum
kommen auch die bedeutendsten Goldschmiedearbeiten wie die Deckel des Codex
aureus von Sankt Emmeram in Regensburg, das Arnulf-Ciborium (beide München) und
der Goldaltar (»Paliotto«) von Sant'Ambrogio zu Mailand.
ottonische Kunst,
die Kunst im Zeitalter der Ottonen (um 9601024). Die unter den Saliern bis zum
Regierungsantritt HeinrichsIV. (1056) entstandenen Werke werden als spätottonisch
angeschlossen. Im Unterschied zur vorausgehenden karolingischen Kunst befreite sich
die ottonische Kunst zunehmend von der spätantiken Tradition und steht damit am
Beginn einer eigentlichen deutschen Kunst. Nach der Heirat OttosII. mit der
byzantinischen Prinzessin Theophano wurden byzantinische Einflüsse wirksam. Die
Eingliederung des Episkopats in die Reichsverwaltung durch OttoI. führte zu einer
Einheit politischer und religiöser Zielsetzungen. Die künstlerischen Schwerpunkte lagen
im kaiserlichen Stammland Sachsen mit Magdeburg. Hinzu kamen weitere Zentren:
Köln, Essen, Fulda, Regensburg, Reichenau, Trier und Hildesheim, das unter Bischof
Bernward eine besondere Blüte erfuhr. Die ottonische Kunst ist stilgeschichtlich Teil der
Romanik in Europa und bezeichnet die Frühromanik in Deutschland. In der Baukunst
entstand ein für die deutsche Architektur bis zur Gotik verbindlicher Kirchentypus: die
kreuzförmige, dreischiffige Basilika mit zwei Querschiffen, zwei ausgeschiedenen
Vierungen mit Türmen, zwei Chören und mit Stützenwechsel nach dem gebundenen
System im Langhaus (Sankt Michael in Hildesheim, 101033). Den Kirchen ist häufig ein
Westbau vorgelagert (Münster in Essen, 1039folgende), der von Treppentürmen
flankiert sein kann. Charakteristisch sind ungegliederte Wandflächen, die in der Regel
mit Wandmalereien bedeckt waren (Sankt Georg in Oberzell auf der Reichenau, um
990), und flache Holzdecken. Als neue Kapitellformen traten Würfel-, Trapez- und
Pilzkapitell auf. Unter byzantinischem Einfluss entstand die Emporenbasilika
(Stiftskirche in Gernrode, 961folgende). In der Bildhauerkunst entstanden die ersten
selbstständigen Kultbilder aus Holz wie das Gerokreuz des Kölner Doms (um 970) und
die mit Goldblech beschlagene Goldene Madonna des Essener Münsterschatzes (um
980). Eine außerordentliche Lebendigkeit der Gebärdensprache kennzeichnet nicht nur
die Bronze- (Bernwardstür für Sankt Michael in Hildesheim, 1015; heute im Dom) und
Elfenbeinreliefs (Buchdeckel des Codex aureus von Echternach, um 1040), sondern
auch die Reliefs der Goldschmiedekunst. Zu den bedeutendsten Werken gehören das
Antependium aus dem Basler Münster (um 1020), der von HeinrichII. gestiftete Ambo
und die Pala d'Oro (um 1020) im Aachener Münster sowie das Reichskreuz (um
1024). Wichtigstes Zeugnis ottonischer Malerei ist die Buchmalerei, die in ihrer
Vergeistigung und Monumentalität wesentlich von der Aussagekraft der Gebärde und
dem Verzicht auf Ornamentalisierung bestimmt ist (Malerschulen: Reichenau,
Echternach, Regensburg, Köln, Trier, Hildesheim).
Romanik
[von lateinisch romanus »römisch«] die, Epoche der abendländischen Kunst des frühen
Mittelalters (um 9501250), die auf die karolingische Kunst folgt und von der Gotik
abgelöst wird. Zur Frühromanik rechnen u.a. die ottonische Kunst und der
normannische Baustil; die Hochromanik (in Frankreich 10001150, in Deutschland
10501150) wird in Deutschland auch als salische Kunst bezeichnet, die Spätromanik
auch als staufische Kunst (11501250) oder als »Übergangsstil« (die Kunst der
Stauferzeit in Deutschland und Italien zeigt spätromanische und frühgotische Stilformen,
während in Frankreich bereits die Frühgotik vorherrscht).
Baukunst:
Bei den Kirchenbauten (Basiliken) sind die einzelnen Teile, Schiffe, Vierung, Querhaus,
Chorpartie und Türme, klar voneinander abgesetzt; charakteristisch sind
Doppelturmfassaden im Westen (Caen, Saint-Étienne, um 106477) oder ein Westwerk
(Sankt Pantaleon in Köln, 984 bis um 1000), Vierungstürme sowie auch Türme am
Ostabschluss (Dom in Speyer, um 1030folgende, und Worms, um 1120/25folgende).
Das Gesamtbild wirkt geschlossen. Der frühromanische Kirchenraum war flach gedeckt.
Im späten 11.Jahrhundert begann sich etwa gleichzeitig in Deutschland, Frankreich
und der Lombardei die Wölbung durchzusetzen (zunächst Kreuzgrat-, später
Kreuzrippengewölbe; in Frankreich außerdem Tonnengewölbe, in einzelnen
Landschaften, besonders in Aquitanien, auch Kuppeln). Neben der kirchlichen
Baukunst besteht eine bedeutende, weniger gut erhaltene Profanarchitektur: staufische
Kaiserpfalzen (Gelnhausen, 1180 vollendet; Castel del Monte), Burgen und
Stadtanlagen mit zahlreichen Türmen (als Teil des Verteidigungsringes oder als
Wohntürme: Regensburg, San Gimignano).
Bildhauerkunst:
Die Bildhauerkunst steht in engem Zusammenhang mit der Sakralarchitektur. Neben
das Relief (Bauplastik und Kleinplastik) traten im 11.Jahrhundert Großplastiken
(Kultbilder wie Madonnen, Kruzifixe, Kreuzigungsgruppen). Höhepunkte bilden die
Tympanonreliefs (Vézelay, Sainte-Madeleine) und die Gewändefiguren der Portale;
besonders vielfältig ist der Schmuck der Kapitelle. Zu den plastischen Werken im
Innenraum gehören u.a. auch Chorschranken und Taufsteine. Besonders im RheinMaas-Gebiet entstand eine bedeutende Goldschmiedekunst (Reliquienschreine,
kirchliches Gerät) und Elfenbeinschnitzerei.
Malerei:
Von den großen Zyklen romanischer Wandmalerei ist nur wenig erhalten (u.a. SaintSavin-sur-Gartempe, frühes 12.Jahrhundert); in Italien tritt das aus der byzantinischen
Kunst übernommene Mosaik zum Teil an ihre Stelle (Palermo, Capella Palatina,
113143). Tafelmalerei in Form von Retabeln und Antependien ist erst aus dem
12.Jahrhundert erhalten. Die Buchmalerei hat einen Höhepunkt im
11./12.Jahrhundert. Wandteppiche zum Teil großen Formats (Teppich von Bayeux;
Abrahamteppich, zwischen 1165 und 1190, Halberstadt) zeigen die gleiche strenge
Stilisierung wie Wand- und Buchmalerei. Von der sehr bedeutenden Glasmalerei sind
wenige Beispiele erhalten, u.a. die Prophetenfenster im Augsburger Dom (1.Hälfte
des 12.Jahrhunderts).
Gotik
die, Stilepoche der mittelalterlichen Kunst in Europa nach der Romanik, zugleich der
selbstständigste Stil des Abendlands nach der Antike. Die Gotik entstand etwa ab 1140
in Nordfrankreich (Île-de-France) und verbreitete sich über Westeuropa, Mitteleuropa
und (mit Einschränkungen) Südeuropa, abgewandelt durch die Eigenart der einzelnen
Länder. Um 1420 wurde sie, zunächst in Italien, von der Renaissance abgelöst. Die
Begriffsbestimmung Gotik geht ursprünglich auf die Baukunst zurück (gotischer
Kathedralbau); der Begriff war in der Renaissance (G.Vasari) abwertend gebraucht
worden. Eine positive, bis heute gültige Sicht und Wertung gelang erst der deutschen
Romantik. Die Abfolge der Stilstufen wird mit früh-, hoch- und spätgotisch bezeichnet.
Baukunst:
In der Baukunst steigerte ein neues Raumgefühl den Kirchenbau zu mächtiger Höhe;
der Innenraum wurde als Raumeinheit und nicht mehr als Summe von Einzelräumen
empfunden. Der Chor ist oft durch einen Chorumgang mit Kapellenkranz erweitert. Ein
dreiteiliger Laufgang, das Triforium, durchbricht in der Hochgotik die Wand zwischen
Bogenstellungen und Fenstern, während in der Frühgotik die aus der Romanik
übernommenen Emporen noch eine wesentliche Rolle spielen. Dem Streben des
Bauwerks in die Höhe dient im Innern das Kreuzrippengewölbe: Die Kreuzrippe trägt
das Gewölbe und leitet den Gewölbedruck zu den Pfeilern, die durch das nach außen
verlegte Strebewerk von Strebebögen und Strebepfeilern gestützt werden. Im
Kirchenraum verschmelzen die Pfeiler mit den die Rippen aufnehmenden Diensten zu
Bündelpfeilern. Der Spitzbogen, dessen Seitenschub wesentlich geringer ist, ließ nun
eine stärker vertikale und durchbrochene Gliederung zu. Die nun geringere Mauerstärke
erlaubt zwischen den Strebepfeilern hohe, farbige Glasfenster, deren Zwickel mit oft
kunstvollem Maßwerk gefüllt sind. Im Außenbau wird die Westfassade durch reiche
Gliederung und durch mächtig emporstrebende Türme betont. Fialen krönen die
Strebepfeiler, Kreuzblumen die mit Krabben geschmückten Türme. Ein wichtiges
Schmuck- und Gliederungselement der Gotik ist das Maßwerk, das sich in den
Bogenzwickeln großer Fenster und in Fensterrosen, an Brüstungen, Wimpergen,
Portalen und Wandflächen findet. Die Bauten der Frühgotik (Sens, Senlis, Noyon, Laon,
Paris) und der Hochgotik (Chartres, Soissons, Reims, Amiens) ließen einen nach Höhe
und Tiefe gegliederten Raum entstehen, dessen einzelne Teile vom Beschauer
nacheinander erlebt werden. Klöster, Schlösser, Burgen, später auch Rat- und
Bürgerhäuser übernahmen die Formen der kirchlichen Baukunst. Erst in der Gotik
begann die Stadt ein architektonisches Ganzes zu werden.
Die hervorragendsten Bauten der französischen Gotik sind die Kathedralen von Laon,
Bourges, Paris (Notre-Dame), Chartres, Reims und Amiens. In England entwickelte sich
die Gotik zu einem durch reiche Schmuckformen gekennzeichneten Stil (Salisbury,
Westminster-Abbey in London). Der deutschen Frühgotik gehören SanktElisabeth in
Marburg und die Liebfrauenkirche in Trier an, der Hochgotik das Straßburger Münster
und der Kölner Dom. Die deutsche Spätgotik entwickelte die Hallenkirche zum
bevorzugten Raumtypus. Zu Höhepunkten der Spätgotik gehören die Bauten, die unter
Beteiligung der Parler (Heiligkreuzkirche in Schwäbisch Gmünd, Veitsdom in Prag), H.
Stetheimers des Älteren (Sankt Martin in Landshut), Ulrichs von Ensingen (Münster in
Ulm) und M. Gertheners (Turm des Doms in Frankfurt am Main) entstanden.
Sonderformen der Gotik entstanden auch in Italien und Spanien. Charakteristisch für
den Norden Europas ist die Backsteingotik (Backsteinbau).
Bildhauerkunst:
In der Bildhauerkunst wurde die Ausbildung der Säulenportale die Voraussetzung für die
Entstehung der aus dem Zusammenhang der Mauer herausgelösten, um eine eigene
Körperachse gerundeten gotischen Gewändefigur.
Wie in der Baukunst war Frankreich auch in der Bildhauerei führend (Chartres, um 1145;
Senlis, um 1170). Die Hauptwerke der Blütezeit wurden für die Querhausportale in
Chartres und die Kathedralen von Reims, Paris und Amiens geschaffen.
Das 13.Jahrhundert war die große Zeit der Plastik auch in Deutschland, wo in
staufischer Zeit die Bildwerke des südlichen Querschiffs in Straßburg und des
Bamberger Doms, in der 2.Hälfte die Stifterfiguren und Lettnerreliefs des Naumburger
Doms entstanden. Der die menschliche Gestalt immer mehr entkörperlichenden
Hochgotik des 14.Jahrhunderts gehören die Pfeilerfiguren des Kölner Domchors an. In
Italien schuf N.Pisano erstmals im gotischen Sinn gestaltete Gewandfiguren (Pisa,
Kanzel im Baptisterium, 1260); die Statuen seines Sohnes G.Pisano für die Dome von
Siena und Pisa sind Meisterwerke mittelalterlicher Skulptur. In der 2.Hälfte des
14.Jahrhunderts findet ein neuer Wirklichkeitssinn seinen Ausdruck, am stärksten in
den Bildwerken P.Parlers in Prag und C.Sluters in Dijon. Seit 1380 verbreitete sich
von Prag, Avignon und Burgund aus der Internationale Stil, auch Schöner Stil genannt;
es war die letzte einheitliche Formensprache des Mittelalters. Einen eigenen Typus
verkörpern die Schönen Madonnen. Gleichzeitig mit dem Aufkommen der deutschen
Mystik entstand eine Gruppe von Holzskulpturen, die Andachtsbilder, die ihren
Höhepunkt im 14./15.Jahrhundert erlebten. Die Spätgotik brachte die reichste Fülle an
Holzbildwerken besonders für Flügelaltäre in Deutschland hervor (T.Riemenschneider
und V.Stoß). Der spätgotische Schreinaltar vereinigt als eine Art »Gesamtkunstwerk«
Architektur, Plastik und Malerei.
Malerei:
Der Malerei, die in der Zeit der Romanik die Kirchenwände mit Fresken bedeckt hatte,
boten die auf karge Reste beschränkten Flächen des gotischen Kirchenraums keine
Aufgaben mehr. An ihre Stelle trat die Glasmalerei. Nur wo die Gotik, wie in Italien, die
Wandflächen wahrte, hatte das Fresko noch Raum. Dort schuf Giotto einen neuen
monumentalen Stil, der bis in die Renaissance fortwirkte. Der reinste Vertreter der in
Italien als Dolce Stil nuovo bezeichneten Gotik war Simone Martini. Der Kirchenbau im
Norden hingegen verwies die Malerei weitgehend auf die Altäre, die so zu Wegbereitern
des Tafelbildes wurden, das seit der 2.Hälfte des 14.Jahrhunderts nördlich der Alpen
den Vorrang gewann. In den Niederlanden schufen R.van der Weyden und die Brüder
van Eyck bedeutende Werke, in Deutschland traten u.a. A.Dürer und M.Grünewald
hervor. Die Buchmalerei erlebte eine neue Blüte; v.a. Psalterien wurden als private
Andachtsbücher kostbar ausgestaltet. Unter Philipp dem Guten erlebten Burgund und
die Niederlande einen Höhepunkt der Miniaturmalerei (Stundenbuch des Herzogs von
Berry).
Kunsthandwerk:
Im Kunsthandwerk der Zeit bilden Höhepunkte die kostbaren Werke der
Goldschmiedekunst (Schreine, Monstranzen, Reliquiare), Kleinkunstwerke aus
Elfenbein, Bildwirkereien (Apokalypse von Angers), Stickereien auf Klerikergewändern,
schmiedeeiserne Beschläge.
Musik:
Eine Epoche »Musik der Gotik« oder »gotische Musik« ist nach musikalischen
Gesichtspunkten nicht zu fixieren. Gleichzeitig mit den Stilabschnitten in der bildenden
Kunst entwickelten sich um 1200 die Notre-Dame-Schule mit dem Hauptmeister
Perotinus, im 13.Jahrhundert die Ars antiqua und im 14.Jahrhundert die Ars nova.
italienische Kunst.
Die auf der italienischen Halbinsel entstandene Kunst nach dem Niedergang des
römischen Imperiums ist einerseits gekennzeichnet durch die individuelle Ausbildung
lokaler Schulen, zeigt andererseits seit ihren Anfängen übergreifende Gemeinsamkeiten
in der Bewahrung mittelmeerischer Traditionen. Sie wirkte für Jahrhunderte
impulsgebend auf die abendländische Kunst.
Architektur
Der Beitrag der italienischen Kunst zur Ausbildung der Romanik war geringer als der
Deutschlands und Frankreichs. Die aus der frühchristlichen Kunst hervorgegangene
Baukunst entwickelte sich seit dem 11.Jahrhundert in landschaftlich stark voneinander
abweichenden Stilvarianten. Deutschen und burgundischen Bauten verwandt sind die
lombardischen Kirchen Oberitaliens: Sant' Abbondio in Como, Sant' Ambrogio in
Mailand, San Zeno in Verona, Dome von Modena, Parma, Ferrara. Der antiken
Überlieferung verbunden blieben die toskanischen Kirchenbauten, deren Fassaden
besonders in Florenz durch farbige Marmorinkrustationen (Baptisterium; San Miniato), in
Pisa (Dom) und Lucca durch Säulenarkaden gegliedert sind. In Unteritalien und auf
Sizilien verbanden sich byzantinische, lombardische, normannische und sarazenische
Einflüsse (Dome in Bari, Brindisi, Tarent und Cefalù; Martorana und Cappella Palatina in
Palermo; Dom von Monreale). Rein byzantinisch ist der Zentralkuppelbau der
Markuskirche in Venedig (1063 begonnen).
Die ersten Bauten der Gotik waren nach burgundischer Art errichtete
Zisterzienserkirchen (Chiaravalle bei Ancona, 1126folgende). Doch setzte sich im
13.Jahrhundert besonders in den Kirchen der Bettelorden bald italienischer Formwille
durch, dem die Auflösung der Mauerflächen widerstrebte (San Francesco in Assisi,
Santa Maria Novella und Santa Croce in Florenz). In italienisch abgewandelter Gotik
wurden die Dome von Florenz, Siena, Orvieto und Mailand erbaut. Der Profanbau wurde
seit dem 13.Jahrhundert bedeutend: Palazzo della Ragione, Mailand; Bargello, Florenz
u.a. Gegenüber der nordischen Gotik blieben auch im Wohnbau die Wandflächen sehr
viel geschlossener. Typisch sind die offenen, großbogigen Hallen; Loggien in Florenz,
Bologna (Ende 14.Jahrhundert). Eine dem architektonisch Fantastischen zuneigende
Abwandlung der Gotik entstand in Venedig: Dogenpalast, Casa d'Oro (142140).
Die Frührenaissance setzte mit dem 15.Jahrhundert ein. Führend war Florenz, wo
Brunelleschi, der Vollender der noch gotisch bestimmten Kuppel des Doms, den an die
Antike anknüpfenden neuen Stil und mit ihm die Baukunst der Neuzeit begründete (San
Lorenzo, Pazzikapelle; Santo Spirito). L.B. Alberti, der nächst ihm bedeutendste
Baumeister der Zeit, ging auch als Theoretiker von der Antike aus. Michelozzo baute in
Florenz den Palazzo Medici, der maßgebend für den Palastbau wurde. In Urbino schuf
L. Laurana den Herzogspalast. In der Lombardei entstanden Ende des Jahrhunderts
die noch der Frührenaissance angehörenden Bauten Bramantes.
Die Hochrenaissance des 16.Jahrhunderts sammelte alle künstlerischen Kräfte in
Rom. 1506 erhielt Bramante den Auftrag für den Neubau der Peterskirche. Sein Entwurf
eines ganz in sich ruhenden, alle Teile harmonisch zusammenschließenden Zentralbaus
war der vollkommenste Ausdruck des Ideals der Renaissance, wurde aber in
veränderter Form ausgeführt. Unter den ihm in der Bauleitung folgenden Architekten
(Raffael, G.da Sangallo, B.Peruzzi, A.da Sangallo d.J.) bestand im Widerstreit mit
neu aufkommenden Langhausplänen lange Ungewissheit über die Fortführung des
Baus. Michelangelo, der in Florenz die Grabkapelle der Medici und die Biblioteca
Laurenziana geschaffen hatte, wurde 1547 Bauleiter der Peterskirche. Von den
römischen Palastbauten ist der großartigste der Palazzo Farnese (von A.da Sangallo
d.J. und Michelangelo). Der führende Baumeister Venedigs war J.Sansovino.
A.Palladio begründete mit seinen in Vicenza und Venedig geschaffenen Bauten die
klassizistische Richtung der Spätrenaissance, die vorbildlich für ganz Europa wurde.
Die Baukunst des Barock begann in Rom mit G.da Vignolas Jesuitenkirche »Il Gesù«
(Fassade von Giacomo Della Porta) Ende des 16.Jahrhunderts. Der Versuch,
dynamische Bewegtheit in der Architektur zum Ausdruck zu bringen, setzte sich fort bei
G.L. Bernini (Sant' Andrea al Quirinale, Gestaltung des Petersplatzes, Rom) und
steigert sich bei F.Borromini (San Carlo alle Quattro Fontane, Rom). Neben ihnen
wirkten C.Rainaldi und P.da Cortona. Über Borromini hinaus führte G.Guarini mit
seinen Hauptwerken in Turin. Der Palastbau spielte eine bedeutende Rolle, u.a.
Palazzo Barberini (Entwurf von C.Maderna), die Paläste Montecitorio und Propaganda
Fide (Borromini), alle in Rom.
Im 18.Jahrhundert schuf F.Iuvara in Turin und Piemont eindrucksvolle Kirchen. In
Rom entstanden die Spanische Treppe von F.de Sanctis und die Fontana di Trevi von
N.Salvi. Vertreter des Klassizismus im letzten Drittel des 18.Jahrhunderts und im
frühen 19.Jahrhundert sind G.Piermarini in der Lombardei und G.Valadier in Rom.
Allgemein herrschte ein Eklektizismus vor.
Zu den Wegbereitern der Architektur des 20.Jahrhunderts gehörten L.Figini,
G.Terragni und A.Sant' Elia. Der Neoklassizismus der faschistischen Zeit hemmte
vorerst die weitere Entwicklung. Nach dem Zweiten Weltkrieg ergaben sich neue und
interessante Lösungen (F.Albini, INA-Gebäude Parma, 1951; P.L. Nervi, Sportpaläste
und Stadion in Rom, 195660; G.Ponti, Pirelliturm, Mailand, 195559; G.Michelucci,
Autobahnkirche bei Florenz, 196168). Vertreter der in den 60er-Jahren begründeten
Richtung der rationalen Architektur sind A.Rossi, C.Aymonino u.a. Die Architektur
der 1980er- und 90er-Jahre ist v.a. von einem maßvollen Rückgriff auf traditionelle
italienische Bauformen gekennzeichnet (Viertel »Campo di Mare« auf der Insel
Giudecca in Venedig, 1985; Avelino-Theater in Rom, 1987; Piazza Kennedy in Matera,
198891). Portoghesi baute 197678 das Islamische Zentrum und eine Moschee am
Stadtrand von Rom. Die behutsame Umgestaltung des Umfeldes des Fußballstadions
»Santa Nicola« in Bari (198790) gelang R. Piano.
Bildhauerkunst
Romanik: Die Plastik des 11.Jahrhunderts war schilderungsfreudig (Bronzetüren San
Zeno, Verona), aber den Sinn für Körperlichkeit und Monumentalität weckte erst um
1100 Meister Wiligelmus von Modena (Portalskulpturen des Domes). Nach ihm wirkte
sein Schüler Niccolò, dessen Gewändefiguren (Hauptportal des Doms von Ferrara,
1135) in die Gotik weisen. In den Werken B.Antelamis begann die Auseinandersetzung
mit der französischen Plastik. Die Bronzetüren des Barisanus von Trani stehen unter
byzantinischem Einfluss. Ihn überwand erst jene die Antike erneuernde Plastik, die
FriedrichII. um 1230 ins Leben rief (Tor in Capua, staufische Kunst).
Mit G.Pisano setzte sich gegen Ende des 13.Jahrhunderts die Gotik durch, die mit
seinen Werken auch ihren Höhepunkt erreichte (Brunnen in Perugia, 1278, Kanzeln in
Pistoia, 1301, und Pisa, 1312). Begrenzter in ihren Möglichkeiten waren A.Pisano und
sein Schüler A.Orcagna. An der Antike geschult sind N.Pisano und Arnolfo di
Cambio.
Ein neuer Wirklichkeitssinn bestimmte die Frührenaissance des 15.Jahrhunderts.
Gotisches Erbe wirkte in den Werken L.Ghibertis und auch noch in der Kunst
Donatellos fort, dessen Aktstatue des David (nach 1427, Florenz), sein Reiterdenkmal
des Gattamelata (144753, Padua) ebenso wie sein malerischer Reliefstil
Neuschöpfungen in antikem Geiste sind. Unter den in Florenz tätigen Bildhauern ragen
als Meister farbig glasierter Tonbildwerke L. und A.della Robbia hervor, als
Marmorbildhauer die Brüder A. und B.Rossellino und Desiderio da Settignano, als
Bronzeplastiker A.del Pollaiuolo und A.del Verrocchio (Reiterdenkmal des Colleoni in
Venedig). Iacopo della Quercia war in Siena tätig.
Die Plastik der Hochrenaissance kann sich an Fülle der Begabungen mit der des
15.Jahrhunderts nicht messen. In Florenz und Rom arbeitete A.Sansovino. Alle
übertraf Michelangelo, der über die Renaissance und ihr klassisches Maß weit
hinausreichende Bildwerke schuf, seine gewaltigen Pläne (Medici-Gräber, Florenz;
Grabmal Papst Julius'II., Rom) aber nur zum Teil verwirklichen konnte. Das
unvollendete Werk bei Leonardo und Michelangelo war charakteristisch für die Suche
nach der vollkommenen Form, die im Manierismus infrage gestellt wurde (B.Cellini,
Giambologna).
Im Barock des 17.Jahrhunderts wurde der die gesamte europäische Bildhauerkunst
bestimmende neue Stil von G.L. Bernini in Rom geschaffen (Ausstattung in Sankt
Peter; Brunnen: Vier-Ströme, Il Moro, Fontana Tritone). An Bernini orientierten sich auch
die Bildhauer des 18.Jahrhunderts. Gegen Ende des Jahrhunderts setzte sich mit der
Kunst A.Canovas der Klassizismus durch. Überragende Persönlichkeit Ende des
19.Jahrhunderts war M.Rosso.
In der Moderne erreichte die italienische Bildhauerkunst internationale Bedeutung durch
Arbeiten von A.Martini, M.Marini, G.Manzù und A.Pomodoro. L.Fontana
beeinflusste u.a. die seit Mitte der 60er-Jahre entstandene Arte povera (M.Merz,
G.Paolini, G.Penone). Heute ist die Bildhauerei fast vollständig in der Objekt- und
Installationskunst aufgegangen.
Malerei
In der Romanik herrschte byzantinischer Einfluss vor. Ihn suchte gegen Ende des
13.Jahrhunderts Cimabue in Florenz zu überwinden. Eine neue Epoche begann in der
Gotik mit Giottos Werken; mit seinen im Monumentalstil geschaffenen Fresken der
Arena-Kapelle in Padua (zwischen 1304 und 1313) eröffnete er der Malerei neue Wege.
Zu seinen unmittelbaren Nachfolgern in Florenz gehören T. und A.Gaddi. Gleichzeitig
wirkte, der Vergangenheit enger verbunden, Duccio in Siena, wo nach ihm Simone
Martini, P. und A.Lorenzetti tätig waren. In Pisa entstanden die großen Freskenfolgen
des Camposanto.
Die wirklichkeitsnahe Malerei der Frührenaissance kam mit den Fresken Masaccios in
Florenz zum Durchbruch (Brancacci-Kapelle, wohl ab 1426). Während P.Uccello und
A.del Castagno die plastisch-räumliche Erscheinung mithilfe der Perspektive realistisch
erfassten, lebte in den zarten Bildern Fra Angelicos noch die Gotik fort. Spätgotische
Elemente verbanden sich mit dem neuen Wirklichkeitssinn in der Kunst Fra Filippo
Lippis und seines Schülers S.Botticelli, neben dem in der 2. Hälfte des
15.Jahrhunderts D. Ghirlandaio und Filippino Lippi wirkten. Die bedeutendsten Maler
außerhalb von Florenz waren in Mittelitalien Piero della Francesca, Melozzo da Forì,
L.Signorelli, P.Perugino und Pinturiccho, in Padua A.Mantegna, in Venedig die
Brüder Bellini und V.Carpaccio.
Die frühesten Werke der Hochrenaissance sind die mit zarter Verschmelzung von Licht
und Schatten gemalten Werke Leonardo da Vincis. Raffael verwirklichte in seinen
Fresken (Stanzen des Vatikans) und Tafelbildern (Sixtinische Madonna) am reinsten
das Ideal der Hochrenaissance, das sich in den Fresken Michelangelos (Sixtinische
Kapelle) bereits zu barocken Gestaltungen wandelte. Die Malerei der venezianischen
Hochrenaissance ging von Giorgione aus und gipfelte in den Werken Tizians, neben
dem Palma Vecchio zu nennen ist. In Parma wurde A.Correggio durch illusionistische
Kuppelfresken ein Wegbereiter des Barock.
Schon in den 20er-Jahren des 16.Jahrhunderts setzte der Wandel zum Stil des
Manierismus ein, so v.a. in Florenz bei I.da Pontormo und A.Bronzino, in Parma bei
Parmigianino. Das überragende Werk Tintorettos drückte die religiöse Ergriffenheit jener
Zeit (Gegenreformation) am stärksten aus, während P.Veronese davon unberührt
blieb.
Die Malerei des Barock entstand an der Wende zum 17.Jahrhundert in Rom;
Caravaggio entwickelte die in ganz Europa fortwirkende Helldunkelmalerei (MatthäusBilder in San Luigi dei Francesi in Rom, 1602). Die akademische Richtung der
europäischen Barockmalerei ging v.a. von A.Carracci und seinen Fresken im Palazzo
Farnese in Rom aus (15971604). Unter den zahlreichen v.a. in Rom tätigen Malern
ragen Domenichino, Guercino, G.Reni, G.Lanfranco und P.da Cortona, die Meister
illusionistischer Deckenfresken, hervor, in Neapel der Spanier J.de Ribera und
S.Rosa. Im 18. Jahrhundert war in der Malerei Venedig führend, wo S. Ricci,
G.Piazzetta und G.B. Tiepolo wirkten. Venezianische Stadtansichten schufen die
beiden Canaletto und F.Guardi; nachhaltige Wirkung übte G.Piranesi mit seinen
Kupferstichfolgen (»Carceri«) aus. G.M. Crespi malte in Bologna, A.Magnasco in
Genua. Im 19. Jahrhundert war die Malerei in Italien von geringer Bedeutung; das Werk
von G.Segantini ist eher der schweizerischen Kunst zuzuordnen.
Zu Anfang des 20. Jahrhunderts suchte der Futurismus einen neuen Beginn
(U.Boccioni). G.De Chirico und C.Carrà gaben mit ihrer Pittura metafisica das
Vorbild neuer Bildgesetzlichkeiten, deren weitreichende Folgen u.a. bei der Entstehung
der surrealistischen Malerei sichtbar sind. Der Rückgriff auf die Sachlichkeit
frühitalienischer Meister bestimmte nachdrücklich auch die lyrischen Schöpfungen
G.Morandis. In den Bereich der École de Paris gehört A.Modigliani. Der italienische
Beitrag zur gegenstandslosen Malerei ist bedeutend: Afro, S.Santomaso, A.Corpora,
E.Vedova. Den sozialistischen Realismus repräsentiert R.Guttuso. Der
experimentellen Kunst wandte sich L.Fontana zu. Die Grenzen zwischen Malerei und
Plastik sind wie überall in der zeitgenössischen Kunst aufgehoben. Die Objekte von
M.Merz, G.Penone und J.Kounellis gehören zur Arte povera. Seit Ende der 1970erJahre entwickelten sich avantgardistische Richtungen wie z.B. Arte cifra mit den
Künstlern M.Paladino, S.Chia, E.Cucchi und W.de Maria. Im Anschluss an diese
Strömungen bildete sich eine Kunstrichtung heraus, die im Zuge der postmodernen
Diskussion spielerisch die bestehenden Formen kombiniert.
Renaissance
['ã, französisch »Wiedergeburt«] die, die Zeit von etwa 1350 bis in die Mitte
des 16.Jahrhunderts als die Zeit der Wiedererweckung des klassischen Altertums und
des Wiederaufblühens der Künste, dann der kulturelle Zustand der Übergangszeit vom
Mittelalter zur Neuzeit, besonders in Italien (italienisch rinascita). Der Begriff steht in
Beziehung zu dem des Humanismus, richtet sich aber auf die Gesamtkultur des
Zeitraums. Seit dem 19.Jahrhundert ist er auch gebräuchlich für andere geistige und
kulturelle Bewegungen, die bewusst an ältere Traditionen anknüpfen (z.B. die
karolingische Renaissance).
Allgemeines:
Renaissance als Epochenbegriff ist im 19.Jahrhundert u.a. von J.Michelet und
J.Burckhardt geprägt worden. Die damit verbundene Vorstellung der »Wiedergeburt«
ist bereits im 14./15.Jahrhundert in Italien belegt. Seit dem 18.Jahrhundert (Voltaire,
E.Gibbon) galt die gesamte italienische Kultur des 14.16.Jahrhunderts als
richtungweisend für die europäische Entwicklung. Für J.Burckhardt schließlich wurde
die (weltliche) Ausprägung der Persönlichkeit zum wichtigsten Merkmal der
Renaissance. Die Forschung des 20.Jahrhunderts (K.Burdach, J.Huizinga, E.R.
Curtius) weist wieder auf die Kontinuität der Bewahrung antiker Kultur schon im
Mittelalter in den Klöstern hin, dennoch bleibt Renaissance als Epochenbegriff für die
Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit erhalten.
Seit der 2.Hälfte des 14.Jahrhunderts begann bei den selbstbewussten, reichen
Fürstenhöfen und Stadtrepubliken Norditaliens und Mittelitaliens die Lösung von der
mittelalterlichen kirchlichen und feudalen Ordnung und damit eine gesellschaftliche
Umstrukturierung, in deren Folge eine von Adel und Bürgertum getragene weltliche
Kultur entstand. In den Stadtstaaten kam eine neue Staatskunst auf, die mit der Lehre
von der Staatsräson (N.Machiavelli) in Europa dem politischen Realismus zum
Durchbruch verhalf. Der durch den Handel hervorgebrachte Reichtum hatte verfeinerten
Lebensgenuss, Bejahung der Sinnlichkeit, v.a. aber Mäzenatentum zur Folge; die
Künstler erhielten Aufträge, um den Ruhm der Herrschenden zu verewigen.
Die Renaissance blieb nicht auf die Stadtstaaten Italiens beschränkt (um 1450 hatte sich
auch im päpstlichen Rom eine ganz der neuen Kultur verpflichtete Atmosphäre
entwickelt), sondern erstreckte sich mit zeitlicher Verzögerungen über große Teile
Europas. Das Renaissancezeitalter war nicht nur das der großen geographischen
Entdeckungen (Entdeckungsgeschichte), sondern auch ein Zeitalter der Bildungsreisen.
Durch die Italienfeldzüge KarlsVIII. und LudwigsXII. kam die Renaissancekultur nach
Frankreich. Nördlich der Alpen bestimmten die religiösen, politischen und
wirtschaftlichen Kämpfe von Reformation und Bauernkrieg die Zeit. Zugleich trugen
Gelehrte und Erfinder dort wesentlich zu einem neuen Weltbild bei (Kopernikus,
R.Agricola, J.Gutenberg). MaximilianI. förderte im Heiligen Römischen Reich
umfassend Kunst und Kultur; in Ungarn verkörperte MatthiasI. Corvinus den Typ des
Renaissancefürsten, ähnlich in Polen-Litauen SigismundI. mit seinem Krakauer Hof. In
Südosteuropa war die Adelsrepublik Ragusa (Dubrovnik) in Anlehung an Italien ein
Zentrum der Renaissance.
Kunst:
Die charakteristischen Züge der Renaissance sind am deutlichsten in der bildenden
Kunst und Architektur verwirklicht, besonders in der Italiens. Hier löste der neue Stil seit
etwa 1400 die Gotik ab (Frührenaissance), erreichte um 14901510 seinen Höhepunkt
(Hochrenaissance) und erlebte 1510/201600 noch eine lange, stilistisch durch neue
Merkmale geprägte Phase (Spätrenaissance, meist dem Manierismus gleichgesetzt).
Die Erforschung des Überlieferungsbestandes wird erleichtert durch die reiche
Kunstliteratur aus der Zeit. Im Unterschied zum Mittelalter sind nun volle Signaturen und
biografische Fakten bekannt (u.a. durch Vasari). Schon Vasari spricht von der
»Rinascita« (»Wiedergeburt«) der Kunst seit dem 14.Jahrhundert und meinte damit die
durch die Überwindung des Mittelalters wieder erstehende Kunst, die sich erstmals seit
der Antike wieder am Naturvorbild orientierte. Unter Naturvorbild wird aber nicht getreue
Abbildung der Wirklichkeit verstanden, sondern die Veranschaulichung der
vollkommenen Natur, der Natur in ihrer Idealität. Für dieses Ziel der Renaissance konnte
die Antike Vorbild sein. Der Übergang von der Gotik zur Renaissance war fließend
(Vorstufen bilden z.B. die Fresken Giottos oder die Triforiumsbüsten P.Parlers im
Veitsdom von Prag).
Frührenaissance:
Ausgangspunkt und Zentrum der Frührenaissance war das republikanische Florenz. Am
Beginn der Kunst der Frührenaissance steht die Skulptur. Donatello und Nanni di Banco
schufen die Statue der Neuzeit, in der nicht mehr das Gewand Ausdrucksträger ist,
sondern der in seiner organischen Funktion begriffene menschliche Körper. Dabei wird
das antike Prinzip des Ausgleichs zwischen Spiel- und Standbein (Kontrapost) wieder
aufgenommen. Den Reliefstil der Renaissance prägte Ghiberti (Paradiestür des
Baptisteriums, Florenz, 142552), nachdem F.Brunelleschi mit seinem als
Wettbewerbsentwurf für das Baptisterium entstandenen Relief (140103) eine
Vorreiterrolle zuzuweisen ist. Während Donatello den Schritt zur frei stehenden Figur tat
(»David«, 1435, Florenz, Bargello; Reiterstandbild des Gattamelata in Padua, 144753),
entwickelte Brunelleschi in der Architektur aus den antiken Elementen eigene
Proportions- und Gestaltungsvorstellungen, deren Maß der Mensch ist im Unterschied
zur gotischen Kathedralbaukunst, die den Menschen übersteigen will. Die Säule wird als
das dem menschlichen Körper am engsten verwandte Architekturglied verwendet; jedes
einzelne Element wird sowohl zu dem benachbarten Element als auch zu dem
Gesamten des Baues in ein wohl berechnetes Verhältnis gesetzt. Die bedeutende
Bautätigkeit Brunelleschis in Florenz, wo er seit 1418 wichtige Aufträge erhielt,
beeinflusste die gesamte weitere Entwicklung der Renaissancearchitektur. Masaccio
übertrug die von Brunelleschi entwickelten Regeln der zentralperspektivischen
Projektion auf die Gemäldefläche (Dreifaltigkeitsfresko in Santa Maria Novella in
Florenz, um 142628). Außerhalb von Florenz setzten u.a. A.Mantegna, Piero della
Francesca, Perugino, L.Signorelli und in Venedig Giovanni Bellini die neue
Kunstauffassung um.
Hochrenaissance:
In der Hochrenaissance wurden diese Ideen im Wesentlichen von Bramante in der
Architektur, von Leonardo da Vinci und Raffael in der Malerei und von Michelangelo in
der Bildhauerei und Malerei weiterentwickelt und in Rom zu höchster Blüte gebracht. Die
frühesten Zeugnisse der Hochrenaissance waren neben Leonardos »Abendmahl«
(149597; Mailand, Santa Maria delle Grazie) die Skulptur der »Pietà« von Michelangelo
(14981500; Rom, Peterskirche) und der Zentralbauentwurf Bramantes für den Neubau
der Peterskirche in Rom. In der Architektur lebt die Hochrenaissance fort im Gartensaal
der von Raffael um 1516/17 entworfenen Villa Madama und den beiden ersten
Geschossen des Palazzo Farnese (begonnen 1534 von A. da Sangallo dem Jüngeren)
in Rom. Höhepunkte der Renaissancemalerei sind die Fresken Raffaels in den Stanzen
des Vatikans (150817) und die monumentale Deckengestaltung in der Sixtinischen
Kapelle durch Michelangelo (150812). Die Einfachheit und Klarheit dieser Werke
werden im Spätstil Raffaels wie Michelangelos (das »Jüngste Gericht« auf der
Altarwand der Sixtinischen Kapelle, 153441) durch einen zunehmend schwierigeren
Bildaufbau, eine kompliziertere Formensprache und Themendeutung abgelöst, die auf
einen neuen Stil verweisen, den Manierismus. In Venedig fanden die ästhetischen
Vorstellungen der Hochrenaissance in den Gemälden Giorgiones eine poetische
Ausformung und blieben im Werk Tizians und Tintorettos länger wirksam. Als 1527 die
Truppen KarlsV. Rom plünderten (Sacco di Roma), war dort jedoch die Zeit der
Hochrenaissance bereits vorbei.
Deutschland und Niederlande:
Im 15.Jahrhundert sind nördlich der Alpen gewisse Parallelentwicklungen zu den
Neuerungen der Kunst in Italien festzustellen. Zentren sind hier besonders die reichen
Handelsstädte in Flandern und Süddeutschland. Einige niederländische und
süddeutsche Bildhauer (H.Multscher, N.Gerhaert von Leyden) und Maler
(R.Campin, Jan van Eyck, Rogier van der Weyden, L.Moser, K.Witz) zeigen die
gleiche Leidenschaft für die Darstellung von Körper und Raum sowie deren
wechselseitige Beziehung wie die Renaissancekünstler in Florenz. Allerdings befassen
sie sich nicht mit den theoretischen Gesetzmäßigkeiten, vielmehr steht die Beobachtung
im Vordergrund. Im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts entsteht hier wie dort,
unabhängig voneinander, das individuelle Porträt. Für die Zeit von 146070 spricht man
von einer »Regotisierung«, was ebenso in Italien zu beobachten ist.
Im 16.Jahrhundert erreichte das Vorbild der italienischen Renaissance fast alle
europäischen Länder. Die souveräne Verarbeitung der italienischen Renaissance ist
A.Dürer, der sich 1494/95 und 150507 in Italien aufhielt, gelungen. Auch die Maler
H.Holbein der Jüngere, L.Cranach, M.Grünewald und A.Altdorfer nahmen
Elemente der italienischen Hochrenaissance auf, sehr stark z.B. H.Burgkmair, in der
Plastik H.Leinberger, C.Meit, P.Vischer der Jüngere, H.Daucher, L.Hering und
P.Flötner. In der Baukunst der deutschen Renaissance wird der italienische Einfluss
u.a. in der Grabkapelle der Fugger in Augsburg (150918) oder im Bau der Landshuter
Residenz (153643) fassbar. In der Weser-Renaissance und im Ottheinrichsbau des
Heidelberger Schlosses (1556folgende) zeigen sich auch niederländische Einflüsse.
Die durch niederländische Kupferstecher verbreiteten Stiche italienischer Architektur
und Gemälde führten im 16.Jahrhundert zum Romanismus. Bestimmend für die weit
ausstrahlende manieristische Bauornamentik der 2.Hälfte des 16.Jahrhunderts wurde
C.Floris.
Frankreich, England und Spanien:
Der künstlerische Einfluss der italienischen Renaissance in Frankreich kam seit dem
Aufenthalt Leonardo da Vincis am französischen Königshof (1517) und über den unter
Einfluss Bramantes stehenden französischen Architekten und Architekturtheoretiker
P.Delorme zur Geltung. Eine Reihe der Loire-Schlösser zeigen den französischen
Formenkanon. Die Malerei zeigt bei J.Fouquet, J.Perréal und J.Clouet den Einfluss
der klassischen italienischen Renaissance, den italienischen Manierismus trug die erste
Schule von Fontainebleau nach Frankreich. Für die manieristische Architektur wurde der
von B.Peruzzi beeinflusste S.Serlio wichtig. In England verschmolzen italienische
Einflüsse mit Elementen der Gotik zum Tudorstil und zum elisabethanischen Stil. In der
Malerei setzte sich die Renaissance seit dem ersten Aufenthalt (152628) von
H.Holbein dem Jüngeren in England durch. In Spanien gehören der Palast KarlsV. in
der Alhambra (1526folgende) und die Kathedrale in Granada, 1523 im gotischen Stil
begonnen und 1528 von D.de Siloé im Renaissancestil weitergebaut, zu den
Zeugnissen reiner Renaissancebaukunst sowie aus der zweiten Jahrhunderthälfte der
Escorial. In der Malerei führte P.Berruguete den Stil der italienischen Renaissance ein,
sein Sohn A.Berruguete ist ein Hauptvertreter des spanischen Platereskenstils in
Dekoration und Baukunst der ersten Hälfte des 16.Jahrhunderts. Die Wirkung der
Renaissance blieb nicht auf das 16. und zum Teil noch 17.Jahrhundert beschränkt; sie
erlangte erneut Bedeutung im Klassizismus (18./19.Jahrhundert) und Historismus
(19.Jahrhundert).
Literatur:
Der Geist des Humanismus bestimmte auch die Literatur der Renaissance. In Florenz
wurde klassisches Latein schon im letzten Viertel des 14.Jahrhunderts und seit 1397
auch Griechisch gelehrt, es bildeten sich humanistische Zirkel und 1459 wurde die
Platonische Akademie gegründet. Mit F.Petrarca hatte die Rückbesinnung auf das
klassische Latein und die Erneuerung der antiken Gattungen begonnen (u.a. Epistel,
Ekloge, Biografie, Epos), gleichzeitig die Hinwendung zur Volkssprache, zur
Nationalliteratur. L.Ariosto, T.Tasso und L.V. de Camoes schufen das Nationalepos.
In der Dramatik begann mit dem Rückgriff auf die antiken Tragödien und Komödien das
moderne europäische Theater. Eine Neuschöpfung der Renaissance war das höfische
Festspiel, die Schäferspiele (Pastoralen) sind aufgrund ihrer oft auch musikalischen
Aufbereitung Vorläufer der Oper. Einen Höhepunkt erreichte die Literatur der
Renaissance mit dem elisabethanischen Drama (C.Marlowe, W.Shakespeare). Auch
der europäische Roman erlangte durch M. de Cervantes Saavedra und F.Rabelais
eine neue Qualität. Seit dem großen Erfolg von G.Boccaccios »Decamerone«
verbreitete sich die neue Gattung der volkssprachlichen Novelle noch im
14.Jahrhundert in England (G.Chaucer), dann in Frankreich (Margarete von Navarra)
und Spanien (Cervantes). Im 16.Jahrhundert blühte die Satire. In Deutschland ist die
Literatur der Renaissance fast ausschließlich von humanistischer Gelehrsamkeit
bestimmt (K.Celtis, U.von Hutten, N.Frischlin, Erasmus von Rotterdam). Erst die
Bibelübertragung Luthers legte den Grund für eine Literatur in der Nationalsprache.
Auch in den Ländern Osteuropas und Südosteuropas war die Renaissance oft ohne
deren weltliche Grundhaltung entscheidend für die Ausprägung einer eigenen
Literatursprache.
Musik:
Der Begriff Renaissancemusik ist insofern problematisch, als die antike Musik in
praktischen Beispielen unbekannt war und somit keine »Wiedergeburt« erfahren konnte.
Die führenden Komponisten der Renaissancemusik, das heißt der Musik des
15./16.Jahrhunderts, standen in der Tradition der niederländischen Musik, die sie nach
Italien verpflanzten (mit Ausstrahlungen auch nach Deutschland) und deren Erbe die
Meister der venezianischen und römischen Schule fortsetzten. Hauptmeister sind
Josquin Desprez und A.Willaert, wichtig sind auch dessen Schüler (C. deRore,
A.Gabrieli, N.Vicentino, G.Zarlino). Die bestimmenden Gattungen waren geistlicher
Natur (Messe, Motette), erst in der Frottola und im italienischen Madrigal des
16.Jahrhunderts kündigte sich der Beginn der musikalischen Neuzeit an. Gleichwohl
findet sich am Vorbild der Antike ausgerichtetes Denken bereits in der Musiktheorie seit
der 1.Hälfte des 15.Jahrhunderts, dann bei J.Tinctoris, F.Gaffori, H.L. Glareanus,
Vicentino, Zarlino, das schließlich den Boden für die Florentiner Camerata bereitete
(V.Galilei, G.Caccini, J.Peri, P.Strozzi), deren Ziel die Wiederbelebung der
(antiken) Gesangsmusik als Voraussetzung für einen instrumental begleiteten
Sologesang war. Dies führte dann zur Herausbildung der Monodie und der Oper.
Ausgehend von Liedbearbeitungen (Tabulaturen) für Laute oder Orgel (C.Paumann)
entstand mit der Renaissance erstmals eine sich von den vokalen Formen ablösende
Instrumentalmusik (Ricercar, Kanzone und Toccata, besonders für Tasteninstrumente).
Aus der Familie der Violen entwickelten sich im 16.Jahrhundert die Violinen. Eine
besondere Ausprägung erfuhr die Orgelmusik (J.P. Sweelinck). Im reformatorischen
Deutschland entstand die evangelische Kirchenmusik.
Manierismus
der, von der jüngeren Kunstwissenschaft geprägter Stilbegriff für die Phase des
Übergangs von der Renaissance zum Barock, auch gleichgesetzt mit der
Spätrenaissance; in neuerer Zeit nicht nur auf die zeitlich begrenzte Periode des
16./17.Jahrhunderts bezogen, sondern auch auf die Endphase jeder Epoche.
Der Manierismus, dessen Erscheinungsformen vielfältig und gegensätzlich sind, wurzelt
in der Kunst der Hochrenaissance, verwandelt aber deren Prinzipien vielfach in ihr
Gegenteil: Auflösung des Statischen zugunsten von Bewegungsabläufen; Neigung zu
zentrifugal angelegten Kompositionen anstelle der von der Hochrenaissance
bevorzugten Zentrierung; Darstellung des Unendlichen im Unterschied zum eindeutig
Begrenzten; Aufhebung der Grenze zwischen Kunstraum und Realraum; Verwischung
der Grenzen zwischen den Kunstgattungen; Negation der Realität zugunsten der
Darstellung des Abnormen, Verformung der Figur zugunsten von Ausdruckssteigerung;
ekstatische Versenkung neben Profanierung und akademischer Erstarrung. Die Wege
zu den neuen gestalterischen Möglichkeiten öffneten der späte Raffael, Michelangelo
und der junge Tizian. Hauptmeister in Italien waren die Maler Rosso Fiorentino, I.da
Pontormo, Bronzino, G.B. Rosso, Parmigianino, L.Lotto, Tintoretto, G.A. Pordenone,
J.Bassano und G.Arcimboldo, die als Universalkünstler tätigen G.Romano und
G.Vasari, die Bildhauer B.Cellini und Giambologna sowie die Architekten B.Peruzzi
und G.Vignola. Vertreter nördlich der Alpen waren M.van Heemskerck, P.Bruegel
der Ältere, der Architekt C.Floris und der Bildhauer A.de Vries, in Frankreich die
Schule von Fontainebleau und in Spanien El Greco. Bevorzugt wurden ausgefallene
Naturformen von dem Keramiker B.Palissy.
Aus der Kunstwissenschaft wurde der Begriff 1948 in die Literaturwissenschaft
übernommen zur Bezeichnung der Übergangsphase von Renaissance zu Barock.
Manierismus wird auch als Epochenbegriff oder zur Bezeichnung eines Kunststils
verwendet; er umfasst die nationalen Stilhaltungen des Marinismus in Italien, des
Gongorismus in Spanien, des Euphuismus in England, der französischen preziösen
Literatur und des deutschen Barock. Die Wirklichkeit wird durch einseitiges Interesse am
Problematisch-Interessanten, Bizarren und Monströsen ins Groteske und Fantastische
verzerrt, ins Traumhafte aufgelöst und oft ins Surreale gesteigert. Sprachliche
Kennzeichen sind u.a. überreiche Verwendung von Tropen, Metaphern und gelehrten
Anspielungen jeder Art.
Barock
[aus französisch baroque, zurückgehend auf portugiesisch barroco, eigentlich
»unregelmäßige«, »schiefe« Perle] der oder das, eine Epoche der Kunst hauptsächlich
des 17. und des beginnenden 18.Jahrhunderts. Zunächst verwendete man den Begriff
Barock abwertend im Sinn von »absonderlich«, »schwülstig«, seit dem 19.Jahrhundert
zur Kennzeichnung der Spätform von Kunstentwicklungen überhaupt. Im
20.Jahrhundert wurde die Bezeichnung Barock zum Epochenbegriff, der auch Literatur
und Musik des 17.Jahrhunderts umfasst. Der Barock ist die Kunst der
Gegenreformation und des Absolutismus; Kirche und Aristokratie waren ihre wichtigsten
Förderer. Ihr Streben nach Repräsentation verwirklichte sich v.a. in Größe und Pathos
des Kunstwerks. Ausgehend von Rom, kam die Kunst des Barocks v.a. in den
katholischen Ländern zu voller Entfaltung. Besonders die Jesuiten brachten sie nach
Norden und nach Lateinamerika (Jesuitenstil). In den protestantischen Gebieten gab es
kein geschlossenes Mäzenatentum, hier entstanden Einzelleistungen.
Baukunst:
In der Baukunst löste der Barockstil, dessen erste Elemente bereits in der
Hochrenaissance auftreten, gegen Ende des 16.Jahrhunderts den Manierismus ab.
Die Hauptkennzeichen der Architektur sind: starke Bewegtheit in geschwungenen
Grund- und Aufrissformen, Unterordnung aller Einzelglieder unter das Ganze, Betonung
der Kraft und der Spannung, gebrochene Giebel, reiches Schmuckwerk und malerische
Gestaltung der Innenräume, die ein festliches Raumgefühl hervorrufen. Maßgebend für
die europäische Entwicklung des neuen Stils waren die Bauten G.L. Berninis und
F.Borrominis in Rom. Eine mehr klassizistische Richtung knüpfte an die Bauten A.
Palladios in Vicenza und Venedig an. In Frankreich verhinderte die in allen
Jahrhunderten herrschende klassizistische Tendenz die Entfaltung einer hochbarocken
Architektur. Es entstanden besonders Schlossbauten mit streng ausgerichteten
Parkanlagen (Versailles). Unter den Baumeistern ragen hervor F.Mansart, H.Levau
und J.Hardouin-Mansart, als Gartenarchitekt A.Le Nôtre. In Deutschland, wo sich die
Barockbaukunst erst im Spätbarock (seit etwa 1700) zu ihrer reichsten Blüte entfaltete,
fand die europäische Entwicklung ihren glanzvollen Abschluss. In Österreich bauten
J.B. Fischer von Erlach, L.von Hildebrandt und J.Prandtauer, in Böhmen die auch in
Franken tätigen Baumeister der Familie Dientzenhofer. J.B. Neumann wirkte v.a. in
Würzburg, A.Schlüter in Berlin, M.Pöppelmann und G.Bähr in Dresden, die Brüder
Asam in Bayern. Die späten, kurz vor Beginn des Klassizismus besonders in Bayern
entstandenen Bauten werden vielfach dem Rokoko zugerechnet, für das besonders in
Bezug auf die deutsche Baukunst auch der Begriff Spätbarock üblich ist. Der Barock
war das große Zeitalter der Stadtbaukunst. Stadtanlagen wurden nach großen Achsen
hin orientiert (u.a. London, Amsterdam, Nancy, Mannheim, Kassel).
Bildhauerkunst:
Kennzeichnend für die Bildhauerkunst des Barocks ist ihre freie und malerische, meist
stark bewegte Art der Gestaltung, die sich ins Ekstatische steigern kann. Der weithin
wirkende Schöpfer des neuen Stils war C.L. Bernini in Rom. In Frankreich, dessen
Bildhauer eine maßvollere Haltung wahrten, war ihm P. Puget am nächsten verwandt. In
Deutschland fanden H.Reichle, J. Zürn und G. Petel den Weg vom Manierismus zum
Frühbarock Unter den Bildhauern des Hochbarocks ragen A.Schlüter, B.Permoser
und M. Guggenbichler hervor, im Spätbarock P. Egell und E.Q. Asam. J.A.
Feuchtmayer und I.Günther näherten sich bereits dem Rokoko, G.R. Donner dem
Klassizismus.
Malerei:
In der Malerei des Barocks traten neben religiösen Bildern, die den alten Stoffen neue
Gegenwartsnähe verliehen, weltliche Darstellungen, wie Genrebilder und Landschaften,
stärker hervor. Der Begründer der neuen, den Manierismus überwindenden Malerei war
M. da Caravaggio, dessen realistischer Helldunkelstil in ganz Europa bahnbrechend
wirkte. Neben ihm war in Rom A. Carracci tätig, der von starkem Einfluss besonders auf
die mehr akademische Richtung der Barockmalerei war. Im Mittelpunkt der flämischen
Malerei stand P.P. Rubens; neben ihm sind besonders A. van Dyck und J. Jordaens zu
nennen. In den Niederlanden wirkten neben Rembrandt, der gleichbedeutend als Maler,
Zeichner und Radierer war, F. Hals, Vermeer van Delft und J. Ruisdael. Die
Hauptmeister Spaniens waren B.E. Velázquez, F.de Murillo und D.Zurbarán. Die
Franzosen N. Poussin, der Meister der »heroischen«, und C.Lorrain, der Meister der
»idyllischen Landschaft«, lebten in Rom. In Italien tätig waren auch die beiden
bedeutendsten deutschen Maler des Frühbarocks, A.Elsheimer in Rom und J.Liss in
Venedig. Hervorragende Werke brachte die deutsche Malerei dann wieder im
Spätbarock hervor, als ihr die Baukunst große Aufgaben für die Deckengestaltung bot
(Deckenmalerei).
Dichtung:
Der durch die Kunstgeschichtsforschung erarbeitete Stilbegriff »barock« führte um 1920
zu einer Neubewertung der bis dahin als schwülstig und überladen bewerteten Dichtung
des 17.Jahrhunderts. Scharfe Kontraste gelten als gemeinsamer Nenner aller
barocken Erscheinungen: Leben und Tod, Zeit und Ewigkeit, Diesseitsfreude und
Jenseitssehnsucht, Weltgenuss und religiöse Ekstase. Kennzeichnend ist der Hang zur
Übersteigerung und zu kühner Bildhaftigkeit. Zum Barock gehören in Spanien der
Gongorismus (Góngora y Argote), auch das Drama von Lope de Vega und P.Calderón
de la Barca, in England der Euphuismus, die »metaphysische Dichtung«, auch vieles in
Shakespeares Werken, in Italien der Marinismus und die Anfänge der Oper. In der
französischen Literatur werden die barocken Tendenzen bei den Précieuses am
deutlichsten. Über deutsche Barockdichtung deutsche Literatur. Dichtung, Architektur,
Malerei, Musik, Tanz, Schauspielkunst vereinigen sich im Gesamtkunstwerk des
Theaters, dessen Entwicklung für die Epoche besonders charakteristisch ist.
Musik:
Barockmusik heißt seit Anfang der 1920er-Jahre die Musik der Epoche von etwa 1600
bis 1750, nach ihren musikalischen Merkmalen auch als Generalbasszeitalter oder als
Zeit des konzertierenden Stils bezeichnet. Im vokalen Bereich beginnt die Epoche, als
Reaktion auf die bisweilen übersteigerte polyphone Satzweise der Gotik und
Renaissance, mit der Entdeckung der von Stützakkorden begleiteten, dem Text
angepassten Einzelstimme (Monodie). Hieraus entwickelten sich ab etwa 1600 die
Gattung Oper (G.Caccini, J. Peri, C. Monteverdi), Kantate, geistliches Konzert,
Oratorium und weltliches Lied. Die Chormusik gelangte durch Verwendung breiter,
akkordlich bestimmter Harmonieflächen zu neuer Blüte (G. Gabrieli). Auch in der
Instrumentalmusik drängte das monodische Prinzip der führenden Oberstimme die
polyphone Satzstruktur zurück. Für die Orchestermusik wurde das Concerto grosso
Vorbild, für die Kammermusik die Triosonate, in der das Cembalo die beiden
Melodieinstrumente, häufig zwei Geigen, akkordisch begleitet. Das Vorrecht der
Einzelstimme führte zur Ausbildung konzertanter Gattungen, zunächst des
Violinkonzerts. Diese Entwicklung des Solokonzerts führte unmittelbar zur Klassik
hinüber. Die kontrapunktische Satztechnik gelangte mit J.S. Bach und G.F. Händel zu
einer letzten großen Blüte, besonders in der Fugenkunst Bachs. Sein kontrapunktisches
Meisterwerk, die »Kunst der Fuge«, schloss 1750 gleichsam die Epoche der
Barockmusik ab.
Philosophie:
Die Philosophie des Barockzeitalters war durch die großen Systeme des Rationalismus
und Empirismus und die beginnende Aufklärung bestimmt. Neben diesen rationalen
Zügen des Geisteslebens bestand v.a. im religiös-philosophischen Bereich ein Hang
zur mystischen Innerlichkeit.
Mathematik und Naturwissenschaften:
Zugleich entstanden mathematisch-naturwissenschaftliche Forschungen grundlegender
Art. In der Mathematik wurden durch Entdeckung der analytischen Geometrie
(Descartes) und der Differenzial- und Integralrechnung (Leibniz, Newton) die
Grundlagen für die Mathematik der Neuzeit gelegt. In den Naturwissenschaften
gelangen, besonders durch die Verbindung von Theorie und Beobachtung, eine Reihe
entscheidender Entdeckungen (keplersche Gesetze, Newtons Gravitationstheorie). An
diesem Aufschwung haben die Erfindungen von Mikroskop und Fernrohr um die Wende
vom 16. zum 17.Jahrhundert bedeutenden Anteil. In der Medizin war die größte
Entdeckung die des Blutkreislaufs (W.Harvey).
Rokoko
[von französisch Rocaille] das, bildende Kunst: die Spätphase des Barock als
Ausdrucksform des späten Absolutismus, etwa zwischen 1720 und 1780. Ursprungsland
des Rokoko ist Frankreich, wo mit dem Stil der Régence Größe und Pathos des Barock
dem Gefälligen, Eleganten wichen; das Höfisch-Repräsentative wandelte sich zum
Intim-Persönlichen, das v.a. in einer verfeinerten Wohnkultur zum Ausdruck kam. Ein
anmutiger, verspielter Dekorationsstil (Louis-quinze) löste die dynamische
Formensprache des Barock ab. Die künstlerischen Akzente verlagerten sich vom
Außenbau auf den Innenraum, der von einem lockeren Schmuckwerk übersponnen und
durch Spiegel verfremdet wurde. Die Rocaille wurde zum Grundmotiv der Dekoration.
Durch die Stichwerke v.a. von J.A. Meissonier und F.de Cuvilliés d.Ä. wurde der
Stil in ganz Europa verbreitet. Größere Gesamtanlagen der Rokokoarchitektur
entstanden in der französischen Provinz (Nancy: Place Stanislas; Straßburg: Palais
Rohan). In Deutschland, wo sich seit etwa 1750 der Klassizismus parallel zum Rokoko
entwickelte, sind u.a. das Münchner Residenztheater und Schloss Sanssouci in
Potsdam Zeugnisse der Rokokokunst. Dem intimen Charakter entspricht eine Blüte
des Kunstgewerbes und der Kleinkunst, als dessen neue Gattung die Porzellanplastik
entstand, die im Rokoko gleichzeitig ihren Höhepunkt erlebte (J.J. Kaendler für die
Manufaktur Meißen, F.A. Bustelli für die Manufaktur Nymphenburg). Galante Themen,
mythologische und Schäferszenen bestimmten auch die Malerei (A.Watteau, J.H.
Fragonard, F.Boucher), Stillleben (J.-B. S.Chardin) und Porträtkunst wurden gepflegt;
die Pastellmalerei kam in Mode (R.Carriera, M.Quentin de la Tour). Eine eigene
Variante des Rokoko entstand unabhängig von Frankreich in Venedig, v.a. in der
Malerei (Canaletto, F.Guardi, G.B. Tiepolo). Während das Louis-quinze in
Frankreich eine aristokratische Profankultur darstellt, findet das Rokoko in
Süddeutschland im Kirchenbau höchste Vollendung (D.Zimmermann: Wies; Brüder
Asam: Abteikirche Weltenburg; J.B. Neumann: Raumstruktur der Wallfahrtskirche
Vierzehnheiligen; J.M. Fischer: Rott am Inn, Plastik von I.Günther; Wallfahrtskirche
Birnau, Plastik von J.A. Feuchtmayer).
Literatur:
Unter Rokokoliteratur wird die zierlich-graziöse, spielerisch-frivole, galante
Gesellschaftsdichtung verstanden, die ihre vollkommenste Ausbildung in der Spätzeit
des höfischen Klassizismus in Frankreich fand. In Deutschland zeigen die Dichtungen
der Anakreontik, der Empfindsamkeit und die Schäferdichtung wesentliche Elemente
des Rokoko; Höhepunkt sind hier C.M. Wielands Dichtungen.
(
Romantik
[englisch romantic, französisch romantique, ursprünglich »romanhaft«] die,
Kulturgeschichte: eine geistes- und stilgeschichtliche Epoche, die zwischen den
Revolutionsjahren 1789 und 1848 das geistige Leben in Europa (und später den USA)
maßgeblich bestimmte, wobei in den nationalen Ausprägungen große Unterschiede
auftraten. Gemeinsame Grundlage romantischer Weltsicht stellten die Erfahrungen
komplexer Veränderungen des sozialen und kulturellen Gefüges dar, deren sichtbarste
die Französische Revolution war. Die Romantiker waren sich der Diskrepanz zwischen
dem in der Französischen Revolution verkündeten Freiheitsideal und der
gesellschaftlichen Realität bewusst. Eigentlicher Raum menschlicher
Selbstverwirklichung wurde die innere Welt, aber auch eine verklärt gesehene
Vergangenheit, in der die menschliche Gemeinschaft noch nicht auseinander gebrochen
war. Im Gesellschaftlichen führte der romantische Subjektivismus zur Infragestellung
sozialer Konventionen. In Osteuropa, Südosteuropa und Südeuropa trug die Romantik
wesentlich zum Erwachen des neuen Nationalgefühls bei, das die Loslösung von der
Fremdherrschaft (Habsburgermonarchie, Osmanisches Reich) anstrebte. Die
Subjektivierung des Menschenbildes erforderte die Abkehr von den durch den
Rationalismus bestimmten ästhetischen Prinzipien der Aufklärung, eine Wendung, die
allerdings bereits in der 2.Hälfte des 18.Jahrhunderts u.a. durch J.-J. Rousseau
und den deutschen Sturm und Drang vorbereitet worden war. Wesentliche Elemente
romantischer Kunstäußerung sind u.a. der Ausdruck subjektiven Empfindens,
Darstellung der Sehnsucht nach dem Unendlichen, ein verfeinerter Sinn für das
Individuelle, das als freieste Erscheinungsform des Unendlichen erfahren wurde,
ausgeprägtes Naturgefühl und die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins. Innerer
Zerrissenheit begegneten die Künstler mit melancholisch-sentimentaler Haltung
(»Weltschmerz«) oder mit »romantischer Ironie«, in der die Antinomie zwischen
Endlichem und Unendlichem Ausdruck fand.
Literatur:
In der Literatur sind diese Elemente am deutlichsten ausgeprägt. Da die romantische
Literatur alle Einzelerscheinungen als Spiegel des Unendlichen versteht, sind die
offenen Formen charakteristisch, die die Grenzen der Gattungen sprengen. Der
künstlerische Schaffensprozess selbst wird erstmals zum literarischen Thema, der
Literaturbegriff umfasst alle Bereiche von Kunst und Wissenschaft. Die Werke der ersten
Romantikergeneration entstanden um 1800: In England fand sich die Lake-School
zusammen (W.Wordsworth, S.T. Coleridge u.a.), in Deutschland der Kreis der
Jenaer Romantiker im Salon der Caroline von Schlegel (L.Tieck, die Brüder F. und
A.W. Schlegel, Novalis, der durch sein Romanfragment »Heinrich von Ofterdingen«
[1802] mit der »blauen Blume« das Symbol der Romantik schuf, der Theologe
F.Schleiermacher, der Philosoph F.W.J. von Schelling), etwas später die
Heidelberger Romantiker (A.von Arnim, C.Brentano, J. und W.Grimm, J.von
Görres). In Frankreich begann der Bruch mit den klassizistischen Traditionen Anfang
des 19.Jahrhunderts durch F.R. de Chateaubriands Rückbesinnung auf das
Christentum, v.a. aber durch Madame de Staël, die die neuere deutsche Literatur in
Frankreich bekannt machte (aus französischer Sicht sind auch Goethe und Schiller
romantische Autoren). Die zweite Generation der Romantik etablierte sich zwischen
1810 und 1820: in England G.Byron, P.B. Shelley, J.Keats, in Deutschland E.T.A.
Hoffmann, J.von Eichendorff, in Frankreich um 1830 V.Hugo, A.de Musset.
Besonders durch Byrons Dichtungen wurden die romantischen Ideale nach Russland
(A.S. Puschkin, M.J. Lermontow) und in die Ukraine (T.H. Schewtschenko)
weitergetragen. In Italien war die Romantik eng mit dem Risorgimento verknüpft
(A.Manzoni), in Polen gewann die Literatur der Romantik überragende Bedeutung für
die Bewahrung der nationalen Kontinuität (besonders durch A.Mickiewicz und
J.Slowacki), auch in Ungarn war das literarische Schaffen 182048 direkt mit dem
Kampf um eine eigene Nation verbunden (M.Vörösmarty, S.Petofi). Das Großepos
erlebte in der Gestaltung nationaler Stoffe seine letzte Blüte (Mickiewicz, der Tscheche
K.Mácha). Zeitlich verschoben erreichte die romantische Geisteshaltung auch die
Literatur der USA (die Transzendentalisten R.W. Emerson und H.D. Thoreau; E.A.
Poe).
Der Umbruch, den die Romantik insgesamt mit sich brachte, war folgenreich. Die
Rückbesinnung auf die Vergangenheit führte zur Entdeckung der Volksdichtung und des
Mythos (J. und W.Grimm), zur neuen Gattung des Kunstmärchens (W.Hauff, H.C.
Andersen), der historische Roman löste sich vom fantastischen Hintergrund des
Ritterromans und orientierte sich an historischen Ereignissen (W.Scott); die
Beschäftigung mit den Nationalsprachen mündete in die Entstehung der philologischen
Wissenschaften (u.a. Germanistik, Romanistik, Slawistik); das Interesse für andere
Kulturen brachte bedeutende literarische Übersetzungen hervor (Tieck übersetzte z.B.
Dante und M.de Cervantes Saavedra, A.W. Schlegel P.Calderón de la Barca und
Shakespeare). Die Überschreitung fest gefügter Gattungsgrenzen, die Verschmelzung
der Künste, die Ästhetik des Fragmentarischen (angesichts der Antinomie von
Endlichkeit und Unendlichkeit und der Unangemessenheit jeder endlichen Aussage)
u.a. wiesen den Weg in die künstlerische Moderne.
Musik:
In der Musik umfasst die Romantik etwa den Zeitraum von 1820 bis 1910. Zwischen der
Spätklassik und den Anfängen der Neuen Musik entfaltete sich in dieser Epoche ein
großer Reichtum an musikalischen Stilerscheinungen, der nur annähernd in vier
Stilphasen (Frühromantik, Hoch-, Spät-, Nachromantik) untergliedert werden kann. Die
Musik wird als eine autonome Tonwelt gesehen, die besonders subjektive Gefühle und
Stimmungen auszudrücken vermag. Satztechnisch knüpften die Romantiker zum Teil an
die vorklassische Musik (L.Spohr), zum Teil an die Wiener Klassik an, so besonders
F.Schubert, der (bei romantischer Grundhaltung) die Klassik eigenständig fortsetzte
(Frühromantik). Er wurde auch zum Schöpfer des neuen deutschen Liedes. Nach C.M.
von Weber und H.Marschner verblasste die deutsche romantische Oper und
verbürgerlichte (A.Lortzing). Die zweite romantische Generation (Hochromantik; u.a.
F.Chopin, R.Schumann, F.Mendelssohn Bartholdy) pflegte besonders die
Instrumentalmusik (v.a. Klavier). In Frankreich begründete H.Berlioz die romantische
Programmmusik. Zur Spätromantik zählen das spätere Werk von F.Liszt und
R.Wagner sowie das von J.Brahms, H.Wolf und A.Bruckner. Neue Formen der
Harmonik finden sich in den Werken der Komponisten der Nachromantik (G.Mahler,
R.Strauss, H.Pfitzner, M.Reger).
Bildende Kunst:
Die bildende Kunst zwischen 1790 und 1830 ist kein Stil im Sinne der
vorangegangenen. Sie brachte keine allgemein verbindlichen Formen hervor, ist aber
eng verbunden mit der zeitgenössischen geistesgeschichtlichen Entwicklung; besonders
die deutsche Landschaftsmalerei drückt ein neues, sehr individuelles Naturgefühl aus, in
dem Mensch und Natur eine innige Beziehung eingehen (P.O. Runge, C.D. Friedrich,
J.A. Koch, C.P. Fohr, K.Blechen, C.G. Carus). Für die späteren deutschen
Romantiker wurden Sage und Märchen thematisch wichtig (L.Richter, M.von
Schwind; auch bedeutende Buchillustrationen). In der englischen Landschaftsmalerei
wirkte die malerisch-gefühlsansprechende Auffassung des 18.Jahrhunderts nach
(W.Turner, J.Constable, R.Bonington). W.Blake und J.H. Füßli schufen eine
dichterisch inspirierte romantische Kunst, deren Formen im Klassizismus wurzeln. In der
französischen Romantik spielt die Landschaft keine beherrschende Rolle, für
T.Géricault und E.Delacroix blieb die menschliche Gestalt entscheidend. Religiöse
und historische Themen wurden von den Nazarenern (in Verbindung mit romantischen
Landschaften bei J.Schnorr von Carolsfeld), später von den Präraffaeliten gestaltet.
Nach 1830 blieb die romantische Haltung in der Malerei noch lebendig, doch verflachte
zunehmend ihr geistiger Anspruch. In der Architektur sind romantische Tendenzen
durch enge Verbindung des Baus mit der Landschaft und durch den Rückgriff auf die
Geschichte (z.B. in der Neugotik) bestimmt. Durch die Hinwendung zur Architektur der
Vergangenheit schuf die Romantik die Grundlagen der Denkmalpflege.
Klassizismus
[lateinisch] der, Kunst: Stilbegriff zur Bezeichnung von wiederkehrenden
Kunstströmungen, die sich bewusst auf antike, meist griechische Vorbilder berufen. In
der Architektur lassen sich klassizistische Richtungen seit dem 16.Jahrhundert in
Frankreich (Classicisme), England und den Niederlanden (Palladianismus) nachweisen,
die um 1770 zum vorherrschenden Stil in der europäischen und amerikanischen Kunst
wurden. Klassizistische Tendenzen, die sich oft nur schwer vom Historismus abgrenzen
lassen und meist als Neoklassizismus bezeichnet werden, finden sich um 1870, im 1.
Viertel des 20.Jahrhunderts und wieder in der postmodernen Architektur seit 1970.
Klassizismus im Besonderen ist die Stilepoche zwischen 1750 und 1830, der die Stile
Biedermeier, Directoire, Empire und Louis-seize untergeordnet sind. Die eingehende
wissenschaftliche Erforschung der antiken Kunst und Architektur bildete die Grundlage
für die Rezeption antiker Vorbilder in allen Bereichen der Kunst. Anstöße gaben u.a.
die frühen Ausgrabungen von Herculaneum und Pompeji und die Schriften J.J.
Winckelmanns.
Architektur:
Seine deutlichste Ausprägung erfuhr der Klassizismus in Architektur und Stadtplanung
fürstlicher Residenzen des aufgeklärten Absolutismus. Bezeichnend sind blockartige,
streng gegliederte Bauformationen mit vorgesetzten Säulenordnungen. In Deutschland
traten hervor: G.W. von Knobelsdorff (Schloss Sanssouci, Rückfront, Marmorsaal,
174547), F.W. von Erdmannsdorff (Schloss in Wörlitz, 176973), C.G. Langhans
(Brandenburger Tor, Berlin, 178891), F.Gilly (Denkmal für Friedrich den Großen,
Entwurf 1796), F.Weinbrenner in Karlsruhe, L.von Klenze in München und v.a. K.F.
Schinkel in Berlin; in Frankreich: J.-G. Soufflot (Panthéon in Paris, 176490), C.-N.
Ledoux, C.Percier und P.F.L. Fontaine; in England: die Brüder Adam sowie
W.Chambers, R.Smirke und J.Soane, die v.a. unter dem Einfluss der
palladianischen Lehre standen. Das gilt auch für Italien und die skandinavischen
Länder.
Plastik:
In der Plastik bilden in Frankreich einen Höhepunkt die unpathetischen, an griechischen
Statuen geschulten Werke J.-A. Houdons. Aus der Schule von A.Canova ging der
Däne B.Thorvaldsen hervor. In England wurde J.Flaxman bedeutendster Vertreter
klassizistischer Bildhauerkunst, der sich in Deutschland J.H. von Dannecker,
G.Schadow und C.D. Rauch, in Schweden J.T. Sergel, in den USA H.Greenough
und in Russland I.P. Martos verschrieben.
Malerei:
Für die Malerei des Klassizismus bedeutet das Deckengemälde »Parnaß« (1761) von
A.R. Mengs in der Villa Albani in Rom den programmatischen Anfang, an den u.a.
seine Schüler H.F. Füger und Angelica Kauffmann anknüpften. J.P. Hackert und v.a.
J.A. Koch traten mit heroischen Landschaften hervor. A.J. Carstens und Flaxman
orientierten sich bei ihren strengen Umrisszeichnungen an antiken Vasenbildern.
Gestaltungsprinzipien einer scharfen Linienführung und klaren Farbgebung wurden in
Frankreich in den Gemälden von J.-L. David und J.A.D. Ingres weiterentwickelt; das
Historienbild galt als wichtigste Gattung. In England fand G.Hamilton, ein wichtiger
Wegbereiter des Klassizismus, keine ebenbürtige Nachfolge.
Realismus,
lateinischder, bildende Kunst: allgemeine Bezeichnung für die Abbildlichkeit
dargestellter Wirklichkeit (oft synonym mit Naturalismus gebraucht). Realismus wird
präzisiert als prinzipieller Gegenentwurf sowohl zur normativen Ästhetik wie zur
idealistischen Kunstauffassung. Realistische Kunst bekennt sich zur (kritischen)
Darstellung der vorgefundenen alltäglichen anstelle einer »höheren« Realität. Realismus
in diesem Sinne gab es schon vor G.Courbets programmatischer Ausstellung »Le
réalisme« (1855), besonders in der spätmittelalterlichen Kunst bei N.Gerhaert von
Leiden, H.Bosch, M.Grünewald, J.Ratgeb, dann zum Teil im Porträt (A.Dürer,
H.Holbein der Jüngere, L.Cranach d.Ä.), später bei P.Bruegel d.Ä., Caravaggio,
J.de Ribera, D.Velázquez, J.Callot, W.Hogarth, F.de Goya y Lucientes,
T.Géricault. Doch erst im 19.Jahrhundert tritt Realismus mit demokratischem
Selbstbewusstsein als materialistische Antithese zum »aristokratischen« Idealismus auf.
Auch jetzt prägt er stärker die theoretische Auseinandersetzung als das allgemeine
Kunstschaffen. Bezeichnend für den Realismus ist sein Interesse an der Freilichtmalerei
und die Wahl bislang ungewöhnlicher Themen (arbeitende Menschen,
Industrieanlagen). Er dient u.a. unmittelbar sozialen Intentionen (H.Daumier, Courbet,
A.Menzel, W.Leibl sowie den Peredwischniki), im 20.Jahrhundert fortgesetzt als
soziale Anklage (H.Zille, K.Kollwitz, M.Beckmann, O.Dix, G.Grosz) oder direkt
politischer und gesellschaftskritischer Aussage (P.Picasso, R.Guttuso; J.Heartfield,
K.Staeck u.a. Vertretern des Nouveau Réalisme). Im Dienst einer Kunst, die sich
häufig mit sozialkritischen oder revolutionären Zügen verbindet, steht der Realismus
beim mexikanischen Muralismo und im sozialistischen Realismus. Daneben entstanden
im 20.Jahrhundert neue, übersteigerte Formen des Realismus, meist als Reaktion auf
expressionistische oder abstrakte Tendenzen. Dazu gehören v.a. Surrealismus, der
magische Realismus der Neuen Sachlichkeit, fantastischer Realismus. Die sekundäre
Wirklichkeit vorgegebener Bildwelten rückt beim Fotorealismus an die Stelle der
primären Wirklichkeit.
Naturalismus
[lateinisch] der, bildende Kunst: die naturgetreue Darstellung des Sichtbaren. Als
Ausdruck einer weltanschaulichen Haltung bezeichnet die Kunstwissenschaft nicht
immer konsequent damit verschiedene Kunstströmungen oder Stile, wobei sie den
Naturalismus oft mit dem Realismus gleichsetzt.
Unter Naturalismus als Stilrichtung versteht man positivistische, von der Milieutheorie
beeinflusste Tendenzen u.a. in der Malerei zwischen 1870 und 1900, die mit dem
literarischen Naturalismus korrespondieren. Die Zufälligkeit des Alltäglichen wird ohne
jegliche Stilisierung gegen idealisierende und heroisierende Richtungen der
gründerzeitlichen Kunst eingesetzt. Die Themen aus dem sozialen Alltag, der
kleinbürgerlichen Idylle und dem proletarischen Milieu wurden zum Teil in
sozialkritischer Absicht unter Einbeziehung des Hässlichen und des Elends dargestellt.
Impressionismus
[französisch impression »Eindruck«] der, eine in der französischen Malerei zwischen
1860 und 1870 entstandene Kunstrichtung, die in fast allen europäischen Ländern und
auch in Nordamerika auf die Entwicklung der Malerei Einfluss nahm.
Stil und Vertreter:
Der Name ist von C.Monets Landschaftsbild »Impression, soleil levant« (1872)
abgeleitet, das 1874 in der ersten gemeinsamen Ausstellung der französischen
Impressionisten gezeigt wurde. Die Maler des Impressionismus überwanden die
akademische Ateliermalerei des 19.Jahrhunderts durch eine neue Art der
Wirklichkeitswiedergabe, die einen Gegenstand in seiner augenblicklichen
Erscheinungsform und in einem zufälligen Ausschnitt zu erfassen suchte und die
farblichen Reize der im Licht wechselnden Erscheinung oft in mehr andeutender als
ausführender Art festhielt. Entwicklungsgeschichtlich ging der Impressionismus aus der
Freilichtmalerei der Schule von Barbizon hervor. Impressionistische Tendenzen waren
bereits vorher z.B. in Werken von D.Velázquez, F.Hals, F.de Goya, W.Turner und
J.Constable zu beobachten. Jedoch erst mit den Leistungen É.Manets und
C.Monets und der sich ihnen anschließenden Maler wie C.Pissarro, A.Sisley, Berthe
Morisot, E.Degas und A.Renoir entstand ein eigener Stil. Dieser wurde von
G.Seurat (seit etwa 1885) und P.Signac im Neoimpressionismus (Pointillismus)
weiterentwickelt, der ungemischte Grundfarben mosaikartig nebeneinander setzte.
A.Rodin und E.Degas (in seinen späten Tänzerinnen-Statuetten) übertrugen die
Prinzipien des Impressionismus auf die Plastik.
In Deutschland wurden die Ideen des Impressionismus von K.Blechen, J.C. Dahl und
A.Menzel vorbereitet, jedoch kam es nie zu einer vollständigen Lösung vom Realismus
(W.Leibl, C.Schuch, M.Liebermann, F.von Uhde, W.Trübner, L.von Kalckreuth,
L.Corinth, M.Slevogt). Zu den führenden Impressionisten gehören in England
W.Sickert und der meist in London lebende Amerikaner J.Whistler, in Dänemark
P.S. Krøyer und V.Hammershøi, in Italien G.De Nittis und der Bildhauer M.Rosso.
Bedeutende amerikanische Vertreter des Impressionismus sind C.Hassam, J.S.
Sargent, J.F. Sloan und v.a. Mary Cassatt.
Literatur:
Als Impressionismus wird die literarische Strömung zwischen 1890 und 1910
bezeichnet, die besonders in Lyrik, Prosaskizzen und Einaktern auf eine betont
subjektive, differenzierte Wiedergabe persönlicher Wirklichkeitserfahrung abhob und
v.a. das Augenblickhafte zu erfassen suchte. (Symbolismus)
Musik:
Hier bezeichnet Impressionismus eine Stilrichtung des ausgehenden 19. und
beginnenden 20.Jahrhunderts, die die strengen Formen der Tonalität auflöste und
geschlossene Melodien wie thematische Entwicklung vermied zugunsten von
zerfließenden Klangfarben. Durch die Aufnahme außereuropäischer Elemente
(Ganztonleiter, Pentatonik) erzielte der Impressionismus Klangwirkungen von
exotischem Reiz, die sich dem Hörer in stimmungshafte Bildvisionen umsetzen sollen.
Vorläufer waren M.P. Mussorgski und F.Liszt. Unabhängig entstand der französische
Impressionismus, v.a. vertreten durch C.Debussy, ferner durch P.Dukas, M.Ravel,
A.Roussel, J.Ibert; außerhalb Frankreichs durch F.Delius, C.Scott, M.de Falla.
Historismus
der, Kunstgeschichte: im 19.Jahrhundert Ausdruck einer in historischen Anleihen das
eigene Selbstverständnis suchenden Stilhaltung (Neuromanik, Neugotik,
Neurenaissance, Neubarock); bis in die 1960er-Jahre weitgehend negativ beurteilt, sieht
die Forschung heute im Stilpluralismus des Historismus den Versuch, im Zeitalter des
Positivismus Geschichte zu bewahren.
Jugendstil,
deutsche Bezeichnung einer internationalen Stilrichtung von etwa 1890 bis 1914, die in
Frankreich und Belgien Art nouveau, in England Modern Style, in Österreich
Sezessionsstil genannt wird. Der Jugendstil, benannt nach der Münchner Zeitschrift
»Jugend« (18961940), ist als Bewegung gegen die historisierenden Stile des
19.Jahrhunderts entstanden. Er suchte nach neuen Formen, die alle Bereiche der
Kunst und des Lebens durchdringen sollten. Die Grenzen zwischen den Künsten
wurden aufgehoben. Die Form eines Gegenstandes wurde aus den Gegebenheiten
seines Materials und seiner Funktion entwickelt. Materialgerechtigkeit wurde zur
Forderung. Zu den Formbesonderheiten zählen Flächenhaftigkeit und Betonung der
Linie als dynamisch bewegtes Ausdrucksmittel, der sich eine vegetative Ornamentik
unterordnet.
England und Frankreich:
Den Weg bereiteten W.Morris und die Arts-and-Crafts-Bewegung in England. Von
besonderer Bedeutung für den Jugendstil war die englische Buchkunst, die mit
A.Beardsley ihren Höhepunkt erreichte.
In Frankreich entwickelten É.Bernard und Gauguin, angeregt von japanischen
Farbholzschnitten, einen umrissbetonten Flächenstil. Durch die Plakate von ToulouseLautrec wurde der neue Stil populär. In der Architektur trat H.Guimard hervor. Ein
Bahnbrecher auf dem Gebiet der Glaskunst war É.Gallé. Schmuck, Möbel und
Glasfenster entwarfen G.de Feure, É.Gaillard, R.Lalique und der Tscheche
A.Mucha, der sich auch als Plakatkünstler verdient machte.
Belgien, Deutschland und Österreich:
In Belgien trafen die Einflüsse von England und Frankreich zusammen; der
einflussreichste Künstler der Jahrhundertwende wurde H. van de Velde; bedeutende
Architektur- und Innenarchitekturleistungen von V.Horta und P.Hankar. In
Deutschland erfolgte der Aufbruch in München, wo u.a. F.von Stuck, O.Eckmann,
H.Obrist, A.Endell, R.Riemerschmid wirkten. Darmstadt wurde durch die Gründung
einer Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe, der u.a. H. van de Velde und P.Behrens
angehörten, ein weiteres Zentrum. Der
österreichische
Jugendstil war an Wien gebunden; zentrale Figur war der Maler G.Klimt.
Weitere Vertreter:
Zu den bedeutenden Malern des Jugendstils gehören v.a. der Norweger E.Munch
und der Schweizer F.Hodler. Überragende Persönlichkeiten des Jugendstils sind ferner
der Architekt A.Gaudí in Spanien, der Glaskünstler L.C. Tiffany in den USA, der
Goldschmied P.C. Fabergé in Russland.
Literatur:
In der Literatur bezieht sich der Begriff Jugendstil vorwiegend auf die literarische
Kleinform, besonders auf die Lyrik (v.a. O.J. Bierbaum, E.von Wolzogen,
R.Dehmel, A.Mombert, E.Stucken) um die Jahrhundertwende, jedoch auch auf die
Dichtungen von S.George, R.M. Rilke, H.von Hofmannsthal, E.Lasker-Schüler und
G.Heym, soweit sie in dieser Zeit entstanden. (100 Wörter des Jahrhunderts)
Kubismus
[von lateinisch cubus »Würfel«] der, Richtung der modernen Kunst, die, in Anlehnung
an die neu entdeckte afrikanische Kunst, auf einer Umsetzung des im Bildwerk
wiedergegebenen Gegenstandes in kubistische Formelemente basiert. Den Boden
bereitete P.Cézanne, der in der Malerei die Natur auf geometrische Körper
zurückführte. G.Braque und bald darauf auch Picasso entwickelten 1907 das
kubistische Darstellungsverfahren; Picasso malte 1907 (beeinflusst von afrikanischer
Plastik) das programmatische Werk »Les Demoiselles d'Avignon« (New York, Museum
of Modern Art). Der Kubismus begann als analytischer Kubismus:
Objektrepräsentation in einer facettierten Simultaneität verschiedener Ansichten. J.Gris
integrierte 1912 Realitätsfragmente (Zeitungsausschnitte u.a.) in die Collagen und
begründete damit den synthetischen Kubismus: Die Facettierung des
Bildgegenstandes wird aufgegeben, das Bild (die Collage) wird getragen von zueinander
geordneten Flächen beziehungsweise Ebenen (Farbperspektive). Der Kubismus wurde
in den 20er-Jahren von der europäischen Avantgarde übernommen. In enger
Verbindung zu ihm stand der Orphismus. Kubistische Plastiken schufen v.a. Picasso,
A.Archipenko, H.Laurens und J.Lipchitz.
Expressionismus
der, Begriff zur Bezeichnung einer alle Künste umfassenden Stilrichtung des frühen
20.Jahrhunderts, v.a. in Deutschland.
Bildende Kunst:
Kennzeichnend ist die Darstellung innerer Wirklichkeitserlebnisse. Psychische Impulse,
Affekte, Befindlichkeiten u.a. werden durch eine großflächige, scharf konturierte
Formsprache mit starken Farb- und Proportionskontrasten verdeutlicht. Zur Steigerung
des Ausdrucks wurde neben der Flächigkeit das Mittel der Deformation eingesetzt.
Als Wegbereiter gelten u.a. P.Gauguin, V.van Gogh, F.Hodler, J.Ensor und H.de
Toulouse-Lautrec. In Deutschland ist der Beginn des Expressionismus 1905 mit der
Gründung der Brücke anzusetzen, der neben den Gründungsmitgliedern E.L. Kirchner,
E.Heckel und K.Schmidt-Rottluff auch M.Pechstein, O.Mueller und (kurzzeitig)
E.Nolde angehörten. Auch frühe Werke von Künstlern des Blauen Reiters in München
zählen zum Expressionismus. Ein weiteres Zentrum wurde Berlin durch die von
H.Walden gegründete Zeitschrift »Der Sturm« (191032) und die gleichnamigen
Ausstellungen, aber auch durch den Zuzug der Brückekünstler aus Dresden (1910).
Eine eigene Variante des Expressionismus bildeten die »rheinischen Expressionisten«
(H.Nauen, H.Campendonk u.a.). Expressionistische Elemente finden sich auch im
Werk M.Beckmanns, C.Rohlfs' und PaulaModersohn-Beckers. Eigenständige
Formen des Expressionismus entwickelten sich u.a. in Österreich (O.Kokoschka,
A.Kubin, E.Schiele) und Belgien (C.Permeke, G.de Smet). Als französische
Parallele zum deutschen Expressionismus kann der Fauvismus betrachtet werden;
außerdem finden sich u.a. im Werk der Franzosen G.Rouault und C.Soutine
expressionistische Züge. In der Bildhauerkunst traten v.a. W.Lehmbruck und
E.Barlach hervor. Nach 1945 lebten Elemente des historischen Expressionismus im
abstrakten Expressionismus, im Action-Painting, im Tachismus, in der Malerei der
Gruppe Cobra oder in der Art brut und bei den Neuen Wilden wieder auf.
Architektur:
Expressionistische Tendenzen zeigen v.a. die Werke H.Poelzigs (Großes
Schauspielhaus in Berlin, 1918/19; nicht erhalten), L.Mies van der Rohes (Projekte
eines Bürogebäudes an der Berliner Friedrichstraße, 1919), E.Mendelsohns
(Einsteinturm in Potsdam, 1920/21), P.Behrens' (Verwaltungsgebäude der Hoechst
AG, 192024) sowie das 2. Goetheanum von R.Steiner in Dornach (192428) und das
»Scheepvaarthuis« in Amsterdam von M.de Klerk, J.M. van der Mey und P.Kramer
(191116). Zu den wichtigen schriftlichen Zeugnissen gehören u.a. der Briefwechsel
der Gläsernen Kette sowie die Publikationen B.Tauts (Die Stadtkrone, 1919; Alpine
Architektur, 1920).
Literatur:
Nahezu gleichzeitig mit dem Expressionismus in der bildenden Kunst entwickelte sich in
Deutschland der Expressionismus als eine literarische Generationsbewegung der etwa
zwischen 1875 und 1895 Geborenen, bei stark individueller Ausprägung
übereinstimmend in der Radikalität der die Tradition durchbrechenden Kunsttheorie und
-praxis. Der literarische Expressionismus wirkte sich mit chiffrenhaft verknappter, stark
verdichteter und rhythmisch ausgreifender Sprache zunächst besonders in der Lyrik aus
(G.Trakl, G.Heym, F.Stadler, E.Stramm, J.van Hoddis, J.R. Becher, Y.Goll,
G.Benn u.a.), dann im symbolhaft gestalteten Drama (u.a. C.Sternheim,
W.Hasenclever, G.Kaiser, E.Toller, B.Brecht, E.Barlach), jedoch auch in der
erzählenden Prosa (C.Einstein, A.Döblin, G.Heym u.a.). Typisch für den
Expressionismus waren zahlreiche, oft nur kurzlebige Zeitschriften der
expressionistischen Gruppen (»Der Sturm«, 191032; »Die Aktion«, 191132; »Die
weißen Blätter«, 191421), Manifeste und Anthologien. Weiteres deutsche Literatur,
Film, Theater.
Musik:
Nach Vorankündigungen bei R.Strauss und M.Reger, mit A.Schönbergs »GeorgeLiedern« Opus 15 (1908/09) findet der musikalische Expressionismus seinen Höhepunkt
in Schönbergs einaktigen Opern und dem Melodram »Pierrot lunaire« Opus 21 (1912),
ferner in A.Weberns Miniaturen und Liedern, besonders den »Trakl-Liedern« Opus 14
(191721) sowie in A.Bergs Oper »Wozzeck« (191421). Er klingt aus im gelösten
Spiel von Schönbergs Serenade Opus 24 (192023) und in Vertonungen
expressionistischer Dramen (O.Kokoschka, A.Stramm) durch E. Krenek und P.
Hindemith. An die Stelle der Dreiklänge treten vieltönige Dissonanzen, an die
regelmäßig gegliederter Melodien Prosamelodik (musikalische Prosa), an die der
traditionellen Gattungen und Formen kurze, konzentrierte Stücke. Die
funktionsharmonisch bestimmte Tonalität ist ebenso aufgegeben (atonal) wie die
klassische Akzentrhythmik. Insgesamt ist der Expressionismus keine einheitliche
Stilphase. Schönberg und seine Schüler, I.Strawinsky, P.Hindemith, B.Bartók u.a.,
die sie durchliefen, gelangten zu jeweils verschiedenen kompositorischen Ergebnissen.
Futurismus
[lateinisch] der, Anfang des 20.Jahrhunderts in Italien aufgekommene, nach Russland
ausgreifende revolutionierende, v.a. künstlerische, aber auch politische Bewegung mit
starken Einflüssen auf Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus.
Literatur: Nach dem 1909 im »Figaro« veröffentlichten Gründungsmanifest des zunächst
italienischen literarischen Futurismus von F.T. Marinetti folgte eine Flut von
Manifesten, auch zur Politik (deutlich faschistisch Marinettis »Futurismus und
Faschismus«, 1924). Der Futurismus will das moderne Leben, die Welt der Technik als
»Bewegung« spiegeln, als »allgegenwärtige Geschwindigkeit, die die Kategorien Raum
und Zeit aufhebt«. Eine derartige Literatur musste sich ihre eigene Sprache, Syntax und
Grammatik erst einmal schaffen (»Technisches Manifest der futuristischen Literatur«,
1912). In den sprachlichen und formalen Neuerungen liegt daher die Bedeutung des
italienischen Futurismus. Auch die russischen Futuristen (191020) betonten das
Recht des Dichters auf Revolutionierung des poetischen Stoffes, des Wortschatzes und
der Syntax (D.Burliuk, W.Chlebnikow, A.J. Krutschonych, W.W. Majakowski).
Malerei, Plastik, Architektur: Mit Marinetti gaben u.a. U.Boccioni, C.Carrà,
L.Russolo und G.Balla 1910 das »Manifest der futuristischen Malerei« heraus, gefolgt
vom »Technischen Manifest der futuristischen Malerei«. Bewegung und Energie wurden
im italienischen Futurismus durch den »Komplementarismus«, das ständige
Sichdurchdringen und Ergänzen der Formen und Farben (da Licht und Bewegung die
Stofflichkeit der Körper zerstören), wiedergegeben, seit 1912 als simultane Darstellung
von Bewegungsimpulsen. Boccioni forderte 1912 auch für die Plastik dynamische
Simultaneität, A.Sant'Elia eine futuristische Architektur. Auf dem 1920 in Moskau von
N.Gabo und A.Pevsner veröffentlichten »Technischen Manifest« basierend, strebte
der russische Futurismus in der bildenden Kunst auf konstruktivistischer Basis eine
absolute Gestaltung ohne Wiedergabe individueller Empfindungen an. Mechanische
Bewegungsimpulse und elektrisches Licht wurden in dreidimensionale Objekte mit
einbezogen.
Fauves
[fov; französisch »Wilde«], eine zuerst im Pariser Herbstsalon 1905 geschlossen
aufgetretene Gruppe von Malern, die, den deutschen Expressionisten verwandt, im
Gegensatz zu den Impressionisten den Ausdruck durch starke, kaum abschattierte
Farben zu steigern suchten (Fauvismus). Anregungen bezogen sie von der
afrikanischen und ozeanischen Kunst, ebenso von mittelalterlichen Glasfenstern und
alten Holzschnitten. Zu den Fauves gehörten u.a. H.Matisse, M.de Vlaminck,
G.Braque, A.Marquet, G.Rouault, R.Dufy, A.Derain. Die Gruppe löste sich
zwischen 1907 und 1909 auf.
Surrealismus
[französisch aus sur »über« und réalisme »Realismus«] der (französisch Surréalisme),
ein erstmals 1917 von G.Apollinaire verwendeter Name für eine künstlerische
Richtung, die auf das Surreale (»Überwirkliche«) zielt.
Literatur:
Die Bewegung des Surrealismus erwuchs um 1920 aus der Pariser Gruppe des Dada
(L.Aragon, A.Breton, P.Soupault, T.Tzara). Ihr Führer wurde A.Breton, der 1924
mit dem »Ersten Manifest des Surrealismus« die literarisch-philosophische Theorie
erarbeitete (»Zweites Manifest«, 1930). Der Surrealismus sucht, im Anschluss an die
Psychoanalyse S.Freuds, die eigentliche Wirklichkeit des Menschen im Halb-, Vor- und
Unbewussten und verwertet Traum- und Rauscherlebnisse sowie hypnotische Zustände
als Quelle künstlerischer Eingebung. Der dichterische Akt soll als »psychischer
Automatismus« im passiven Niederschreiben beliebiger Zurufe aus vorrationalen
Tiefenschichten bestehen, unter Verzicht auf Logik, Syntax und literarische Formung
(Écriture automatique). Der literarische Surrealismus brachte, v.a. in den Werken von
L.Aragon, P.Éluard, A.Breton und P.Soupault, in bewusster Abkehr von der mimet.
Ästhetik eine Fülle neuer literarischer Techniken hervor, die sämtlich das Ziel hatten, die
Grenzen zwischen Poesie und Wirklichkeit aufzulösen (Collage, Fragment, Protokoll).
Von Anfang an verband sich in Frankreich mit dem Surrealismus die Provokation
bürgerlicher Normalität. Die wichtigsten Schriften finden sich in der Zeitschrift »La
Révolution Surréaliste« (192429, ab Heft3 von Breton allein herausgegeben). 1928/29
wurde die innere Einheit der Bewegung durch politische Differenzen gesprengt
(Annäherung des linken Flügels mit Aragon, Éluard, B.Péret u.a. an die
kommunistische Bewegung). Nach dem Zweiten Weltkrieg existierte der Surrealismus
als Bewegung nicht mehr, doch sind seine Einflüsse auf die Literatur und die
zeitgenössische Kunst weiterhin wirksam. Auch in der neueren Literatur anderer
Länder entstanden Werke mit surrealistischem Gepräge, so im deutschen Sprachraum
von A.Kubin, H.Kasack, H.E. Nossack, P.Celan, im spanischen von F.García
Lorca und P.Neruda.
Bildende Kunst:
In der bildenden Kunst steht die Erweiterung des Schaffensprozesses und die damit
verbundene Ausklammerung einer logischen Konzeption aus dem künstlerischen Werk
(Automatismus) im Mittelpunkt: Bildformen und -techniken wurden neu oder
weiterentwickelt (Collage, Frottage, Grattage). Die Einflüsse moderner
Tiefenpsychologie unterscheiden den Surrealismus von der fantastischen Malerei
vergangener Jahrhunderte (H.Bosch, G.Arcimboldo, Symbolisten des
19.Jahrhundert). In der Malerei gehört die Pittura metafisica mit ihrer verfremdeten
Dingwirklichkeit zu den wichtigsten Voraussetzungen; ein weiterer bedeutender Anreger
war M.Ernst, selbst ein Hauptvertreter des Surrealismus. 1925 fand in Paris die erste
Gruppenausstellung des Surrealismus statt, auf der auch P.Picasso, P.Klee, H.Arp
und M.Ray vertreten waren. Es wird zwischen zwei Varianten unterschieden: Maler wie
Y.Tanguy und S.Dalí stellten nicht zusammengehörige Dinge oder Formen im
perspektivischen Raum naturalistisch dar (»veristischer Surrealismus«); A.Masson,
J.Miró, H.Arp u.a. bedienten sich einer abstrakten, symbolhaften Formensprache
(»absoluter Surrealismus«). In der Plastik dominierte die Erfindung des »surrealistischen
Gegenstands«, der Erfahrungen des Traums konkretisieren sollte (Alberto Giacometti,
M.Ray, Meret Oppenheim) oder sich als alltägliches Objekt den Projektionen aus dem
Unterbewusstsein öffnet (Objet trouvé). Ausläufer der surrealistischen Konzeption
bestimmten weitgehend die expressiv-totemistische Plastik der 1940er- und 50er-Jahre.
Mit M.Ray, R.Ulsac und Brassaï erlangte der Surrealismus auch für die Fotografie
Bedeutung.
Der Surrealismus war eine weltweite Erscheinung der modernen Kunst, besonders
nachdem während des Zweiten Weltkrieges Ernst, Masson und Tanguy in die USA
emigriert waren. Dort hatte er u.a. Anhänger in J.Cornell, Dorothea Tanning und dem
Fotografen F.Sommer. Weitere bedeutende Vertreter in Europa waren in Belgien
R.Magritte und P.Delvaux, in der Tschechoslowakei J.Styrsky und Toyen, in
Dänemark W.Freddie, in Schweden M.W. Svanberg. Verglichen mit anderen
europäischen Ländern wirkte der Surrealismus in Deutschland (R.Oelze, E.Ende,
M.Zimmermann) weniger nachhaltig. Nach dem Zweiten Weltkrieg regte der vom
Surrealismus propagierte Automatismus den abstrakten Expressionismus an.
Auch im Film wurde der Versuch surrealistischer Darstellung gemacht, u.a. von
L.Buñuel, S.Dalí und J.Cocteau.
abstrakte Kunst
»In der Sache bin ich ziemlich weit gekommen und der Weg liegt ziemlich klar vor mir.
Ohne zu übertreiben kann ich behaupten, dass ich, falls ich die Aufgabe löse, (einen)
neuen, schönen, zur unendlichen Entwicklung geeigneten Weg der Malerei zeige. Ich
habe eine neue Bahn, die manche Meister nur hie und da ahnten und die früher oder
später anerkannt wird«, schrieb Wassily Kandinsky 1904 seiner Lebensgefährtin und
Malerkollegin Gabriele Münter. Es sollten aber noch einige Jahre vergehen, ehe
Kandinsky sein revolutionäres künstlerisches Vorhaben verwirklichen konnte: Zwischen
1911 und 1913 malte er seine ersten völlig abstrakten Ölbilder, die reine Farben, vom
Gegenstand gelöste Linien und freie Formen zeigen.
Unter dem recht allgemeinen Begriff »abstrakte Kunst« lassen sich seither alle
Kunstrichtungen zusammenfassen, die nicht die gegenständliche, objektive Wirklichkeit
 in welchem Stil auch immer  wiederzugeben suchen, sondern die eigene
Bildwirklichkeit zum Darstellungsziel erheben. Diese vollständige Abkehr von der
Naturnachahmung betrifft im engeren Sinn aber nur einen bestimmten Zweig der
abstrakten Kunst, den man zudem richtigerweise als »konkret« bezeichnet: die
autonome, nur bildimmanent zu deutende Bildkonstruktion aus rein geometrischen
Elementen. Andere abstrakte Künstler beschäftigten sich nämlich durchaus noch mit der
Abbildung der Natur, die sie abstrahierend gestalteten oder zum Ausgangspunkt für
Formexperimente nahmen.
Traditionelle Kunstformen  etwa das Porträt oder das Genre  und einen erzählerischen
»Inhalt« ihrer Bilder lehnten die abstrakten Künstler zwar ab. Viele gaben ihren Werken
aber einen geradezu appellativen Charakter und forderten die Betrachter zu höchster
Wahrnehmungs- und Denkleistung auf. Zahlreiche abstrakte Gemälde sind daher durch
eine »Wesensschau« gekennzeichnet, die hinter der optischen Erscheinung der Natur
die wesentlichen Antriebskräfte erkennen und wiedergeben möchte. Für Paul Klee war
etwa die Naturbetrachtung eine unerlässliche Voraussetzung seiner Kunst, und doch
wollte er auch »das Unsichtbare sichtbar machen«. Als Hauptprinzip für alles
Lebendige, wie auch für kosmische Vorgänge, sah Klee die Bewegung an, die er in
seinen Bildern in vielfältiger Form darzustellen suchte.
Piet Mondrian wollte ebenfalls kosmische Prinzipien und Polaritäten veranschaulichen.
Nachdem er zunächst noch zahlreiche von der Natur abstrahierte Bilder gemalt hatte,
reduzierte er seine Gemälde später auf die Grundfarben Blau, Rot und Gelb, auf
Schwarz und Weiß sowie auf ein streng rechtwinkliges Gliederungssystem aus
ausgewogenen Teilflächen. Für seinen Mitstreiter Theo van Doesburg war dieses
Verfahren allerdings noch nicht abstrakt genug. Seine »Antikompositionen« aus
diagonalen Formen und Grundfarben bezeichnete er als »konkrete Malerei«. Den Begriff
»konkrete Kunst« übernahm später auch Kandinsky, der Pionier der abstrakten Malerei,
und betonte mit ihm die vollständige Unabhängigkeit seiner bildnerischen Formen von
der Naturwirklichkeit. Auch Kandinskys Abstraktion ging ein langer Weg der
Vorbereitung voraus: Landschaftseindrücke löste er immer mehr in freie Farben und
Formen auf, die er dann kompositorisch wieder verdichtete. Sein Ziel war ein
»klingender Kosmos« aus schwebenden Farbformen und eingestreuten Liniengebilden,
eine »geistige« Kunst, die er in immer neuen Stilwendungen und mit einem
beträchtlichen theoretischen Aufwand anstrebte. Fast wie eine Ironie der Geschichte
abstrakter Malerei wirkt dabei, dass Kandinsky in seinem Spätwerk auf naturkundliche
Vorlagen zurückgriff, um seine abstrakten Welten hervorzubringen.
In der europäischen Kunstgeschichte hatte die eigentliche Abstraktion schon im 19.
Jahrhundert mit der Stilisierung von Formen im Symbolismus und im Jugendstil
eingesetzt. Wesentliche Impulse erhielt sie von der Philosophie Friedrich Nietzsches
und Henri Bergsons, der Musik Richard Wagners und Arnold Schönbergs sowie von den
Dichtungen Charles Baudelaires und Stéphane Mallarmés, für die Kunst nicht in der
Imitation der Wirklichkeit bestand, sondern ein autonom strukturierter, der Realität in
Inhalt und Form entgegengesetzter Bereich war. Neu eröffnete Völkerkundemuseen
weckten in dieser Zeit zudem das Interesse an der »primitiven« Kunst Schwarzafrikas
und an der ornamentalen Kalligraphie Ostasiens. Durch die Konzentration auf die
bildnerischen Mittel gerieten auch die seit dem 19. Jahrhundert auflebenden
Farbenlehren wieder in den Mittelpunkt des künstlerischen Interesses: Besonders
Goethes empirische Untersuchungen und philosophische Darlegungen zur
Farbwahrnehmung, -ordnung und -symbolik bildeten die Grundlage für zahlreiche
Farbenlehren von Künstlern des 20. Jahrhunderts. Mit der Erfindung der Fotografie
schien die Malerei überdies in eine tiefe Krise geraten zu sein.
Auf die radikalen gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und künstlerischen
Umwälzungen reagierten bereits die Impressionisten um Claude Monet mit abstrakteren
Bildmitteln, aber auch mit einem Rückzug in einen Naturlyrismus: Das Licht wurde zur
Metapher für individuelle Freiheit und ungehemmte künstlerische Entfaltung. Georges
Seurat und die Nachimpressionisten verfestigten den impressionistischen, freien
Pinselduktus zu einer rigiden Punktstruktur fein differenzierter Farbwerte; perspektivisch
entworfene Gegenstandswelt und abstraktes Farbraster gerieten dabei in einen immer
größeren Widerspruch. Paul Cézanne entwickelte in engem Kontakt zur
Naturwahrnehmung eine neue Bildsprache, deren farbiger Reichtum und deren
geometrische Reduktion für die Malerei des 20. Jahrhunderts folgenreich werden sollte.
Das Interesse der Expressionisten  hier im umfassendsten Sinn verstanden, also von
Vincent van Gogh über Paul Gauguin, Edvard Munch und die Fauves bis zu den
Künstlern der »Brücke« und des »Blauen Reiters«  galt der von den Regeln der
akademischen Malerei weitgehend befreiten subjektiven Ausdruckssteigerung des
Bildes, nicht der Wiedergabe einer äußeren Erscheinung. Robert Delaunay löste sich
schließlich ganz vom Gegenstand und baute aus Farbkontrasten eine »reine Malerei«
auf, die Licht und Raum aus der Farbe suggerierte. Mit der simultanen Bewegung,
entstanden aus der optischen Wirkung der Farbkontraste, suchte Delaunay die Dynamik
seines Zeitalters zu erfassen. Der zentrale Begriff der »Bewegung« beflügelte die
abstrakte Malerei am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ob Orphisten, Futuristen oder
Kubisten  alle avantgardistischen Künstler wollten die energetischen Impulse in ihren
Bilder sichtbar machen, die als Ströme und Strahlen, als meist unsichtbare
physikalische Kräfte das Weltbild erschüttert hatten.
Die malerischen Mittel dazu bot einerseits die von den Kubisten eingeführte und von den
Futuristen weiterentwickelte Auffächerung von Flächen, andererseits die neu
gewonnene Autonomie der Farbe, die nun in großen Flächen und intensiven Kontrasten
die ungegenständlichen Bilder füllte. Dass sich mit der Abstraktion im frühen 20.
Jahrhundert die Farbe  auch hier anknüpfend an die Kunst Cézannes  als Bildmittel
emanzipierte und absolute Eigenwertigkeit gewann, schien eine Jahrhunderte lang
diskutierte Frage zu beantworten: Ob der Farbe oder der Linie der Vorrang in der
Malerei gebühre, darüber hatten sich bereits im 17. Jahrhundert die »Rubenisten« mit
den »Poussinisten«, im 19. Jahrhundert dann Klassizisten wie Jean Auguste Dominique
Ingres mit Romantikern wie Eugène Delacroix gestritten.
Den gewagtesten Sprung in die Gegenstandslosigkeit unternahm indes nicht Kandinsky,
dessen abstrakte Bilder um 1913 noch von zahlreichen gegenständlichen Assoziationen
und spirituellen Verweisen durchzogen waren, sondern die russische Avantgarde. Mit
seinem berühmten »Schwarzen Quadrat auf weißem Grund« postulierte Kasimir
Malewitsch eine Kunst der Gegenstandslosigkeit, die er als »Suprematismus«
bezeichnete. Die mystischen und theosophischen Wurzeln der frühen russischen
Abstraktion wurden nach der Oktoberrevolution von 1917 gekappt, ein strenger
Konstruktivismus gewann die Oberhand. Dass dieser aus den geometrischen Formen
und Grundfarben nur wahrnehmungs- und gestaltpsychologische Probleme ableitete,
verstand er als Beitrag zum Aufbau der neuen Gesellschaft. Da die abstrakte Kunst sich
aber gerade daurch auszeichnet, dass sie keine expliziten politischen Aussagen mehr
leisten kann und möchte, erhob man in der Sowjetunion schon wenige Jahre später den
»sozialistischen Realismus« zum Dogma der Kunstpolitik.
Die konstruktive Richtung der abstrakten Malerei wurde in Deutschland besonders am
Bauhaus weiterentwickelt, wozu auch die Grundlagenforschung über die bildnerischen
Elemente sowie der Unterricht von Johannes Itten, László Moholy-Nagy, Josef Albers,
Kandinsky und Klee beitrugen. In den Niederlanden sammelten sich die Konstruktivisten
um die Zeitschrift »De Stijl«, in Frankreich in Gruppen wie »Cercle et Carré« und
»Abstraction-Création«. Der »Salon des Réalités Nouvelles« gab 1936 in Paris erstmals
eine internationale Übersicht über alle abstrakten Tendenzen der Zeit.
Nach der durch Faschismus und Krieg bedingten Zwangspause zwischen 1933 und
1945 entfaltete sich eine neue Bewegung der »Abstraktion als Weltsprache«, gestützt
durch eine rührige Kunstpolitik. Kunst wurde nun als beständige Neuschöpfung
verstanden, die der Künstler  sich keiner Regel, keiner Vorschrift verpflichtet fühlend,
scheinbar nur sich selbst verantwortlich  im ständigen Experimentieren mit den
bildnerischen Mitteln hervorbrachte. Abstrakter Expressionismus und Informel
bearbeiteten das Material des Kunstwerks exzessiv; die Geste, die Handschrift, der
Farbklecks wurden zum Markenzeichen des autonomen, freien Künstlers, für den etwa
Jackson Pollock Pate stand. Der dramatische Schöpfungsakt geriet  wie bei Georges
Mathieu  zur Performance und zum Happening.
Eine andere Strömung griff die Farbe wieder auf. Das amerikanische Color-FieldPainting, vertreten durch Mark Rothko und Barnett Newman, wies der autonomen Farbe
in großen leuchtenden Flächen einen neuen Stellenwert zu. Farbe wurde zum Signal
und zum Ausdrucksträger, lud aber auch zur Kontemplation und Meditation ein, etwa in
Albers bereits Anfang der Fünfzigerjahre entstandener, bedeutender Serie »Homage to
the square«. Hard-Edge-Painting und Miminalart überschritten oft die Grenze der
Malerei zur Objektkunst. Ellsworth Kelly malte homogene Farbflächen auf reliefartigen,
exzentrisch geformten Tafeln, den »Shaped canvasses«. Frank Stella setzte in seinen
Bildern, die er mit einfachen Strukturen bemalte, ebenfalls Form und Format in eins.
Entsprechend zur Minimalart entstand auch in Europa eine Richtung analytischer
Malerei, die aus der Untersuchung der bildnerischen Mittel eine philosophische und
gesellschaftliche Rechtfertigung der Malerei abzuleiten hoffte. Op-Art, Signalkunst und
monochrome Malerei beherrschten in den Sechzigerjahren die Kunstszene. Vor allem
monochrome Konzepte, die in der »radikalen« und später in der »essentiellen« Malerei
neue Ausdrucksmöglichkeiten fanden, werden bis heute weitergeführt.
Äußerst zahlreich sind auch die Möglichkeiten abstrakter Plastik. Sie reichen von
abstrahierender Naturdarstellung und stilisierten Naturformen bei Constantin Brancusi
zu technisch-konstruktiven Studien bei Wladimir Tatlin und Moholy-Nagy oder
minimalistischen Setzungen bei Richard Serra, Carl Andre und David Smith bis hin zu
den Arbeiten der Landart, in der räumliche Vorstellungen in einer Landschaft realisiert
werden.
Es dürfte kaum möglich sein, abstrakte Kunst der Gegenwart, sei es Malerei oder sei es
Plastik, unter einem einzigen Aspekt zu fassen. Ein hoher Grad an
Experimentierfreudigkeit wie bei Sigmar Polke, eine schillernde Gratwanderung
zwischen Abstraktion und Fotorealismus wie bei Gerhard Richter, ja ein Durchdringen
abstrakter und gegenständlicher Darstellungsweisen, wie es etwa bei den italienischen
Künstlern der Transavanguardia zu beobachten ist, zeigen, dass eine festgelegte
Definition abstrakter Kunst nicht mehr zu leisten ist. Aus den ehemals dogmatischen
Zielsetzungen der historischen Avantgarde, dem Streben nach »reiner Malerei«, hat sich
ein fluktuierendes Feld künstlerischer Praktiken entwickelt, ein komplexes Spiel
zeitgenössischer Wahrnehmungsstrukturen, das keine Rücksicht auf kunsthistorische
Grenzziehungen nimmt.
deutsche Kunst.
Die Geschichte der deutschen Kunst beginnt zur Zeit Karls des Großen, andererseits
wird die karolingische Kunst als Kunst des Fränkischen Reiches ausgegrenzt. Die
ottonische Kunst löste sich weitgehend von spätantiken Traditionen, führte aber
Elemente der karolingischen Kunst weiter und stellte den ersten Höhepunkt der
Romanik dar.
Romanik:
Die Baukunst der Romanik übernahm den bis in gotische Zeit verbindlichen
karolingischen Kirchentypus der dreischiffigen Basilika, oft mit mächtigen Westwerken
oder als Doppelchoranlagen ausgebildet. Charakteristisch sind die ausgewogene
Gruppierung der Bauteile, die Rhythmisierung durch Stützenwechsel (Sankt Michael in
Hildesheim; geweiht 1033) und die Vorliebe für geschlossene Wandflächen; die
Ausformung des Würfelkapitells gehört ebenfalls in die Zeit der Romanik. Bedeutende
Leistungen wurden auf dem Gebiet der ottonischen Buch- und Wandmalerei
(Reichenauer Schule), der Goldschmiedekunst und der Bronzebildnerei (Bernwardstür,
1015, Dom SanktMariä in Hildesheim) erzielt. Auch in der Epoche der Salier war
Deutschland in der Baukunst führend (Kaiserdom in Speyer, 1061 geweiht; Einwölbung
[Kreuzgratgewölbe] kurz vor 1082 begonnen). Der Wille zur Plastizität zeigt sich auch in
der romanischen Bildhauerkunst (Gerokruzifix, um 970, Kölner Dom; Imad-Madonna in
Paderborn, zwischen 1051 und 1076). In der Baukunst der Stauferzeit blieb die
Geschlossenheit des Baukörpers bestehen (Wormser Dom, 1181 geweiht), das
Kreuzrippengewölbe wurde um 1120/30 aus Frankreich übernommen.
Gotik:
Bereits im Übergang von der Romanik zur Gotik steht die spätstaufische Bildhauerkunst:
Figurenzyklen in Straßburg (Südportal und Engelspfeiler, nach 1230), Bamberg
(Adamspforte, Bamberger Reiter, um 123040) und die Arbeiten desNaumburger
Meisters.
Baukunst:
Die Baukunst der Gotik, v.a. durch die Bauhütten vermittelt, setzte mit der Marburger
Elisabethkirche (1235folgende) ein; sie ist an der französischen Frühgotik orientiert. Mit
der Trierer Liebfrauenkirche (1235folgende), v.a. aber dem Kölner Dom
(1248folgende) und dem Straßburger Münster (Langhaus 1235folgende) wurde auch
im Reichsgebiet die französische Kathedralgotik aufgegriffen und verbreitet (Freiburger
Münster), begleitet von einer Blüte der deutschen Glasmalerei (v.a. im
14.Jahrhundert), der auch die großen Hallenkirchen der Bettelorden Raum gaben
(Regensburg, um 1250, Erfurt, Freiburg im Breisgau, Colmar, Greifswald). Die
Architektur des Ostseeraums wurde im 13./14.Jahrhundert v.a. von der
Backsteingotik geprägt (u. a. Lübecker Marienkirche, Nikolaikirche in Stralsund,
Schweriner Dom, Marienkirche in Danzig). Die westfälischen Hallenkirchen nahmen
ihren Ausgang von der hochgotischen Wiesenkirche in Soest (1314[?] folgende), die
süddeutsche Baukunst von dem Hallenchor der Heiligkreuzkirche in Schwäbisch Gmünd
(H.Parler, 1351folgende), der Stiftskirche Sankt Martin in Landshut (1387folgende)
und in der 2.Hälfte des 15.Jahrhunderts von den Georgskirchen von Dinkelsbühl und
Nördlingen sowie der Frauenkirche in München (Neubau 146888). P.Parler schuf die
ersten monumentalen Netzgewölbe der deutschen Baukunst (Prager Dom). Zu den
bedeutenden Bauvorhaben gehörte auch (ab Ende des 14.Jahrhunderts) das Ulmer
Münster. Neben sakralen Bauaufgaben gewann die profane Baukunst zunehmend an
Bedeutung. Städtische Repräsentationsbauten (Patrizierhäuser, Zunft- und Rathäuser,
Tore, Türme und Stadtmauern) sind Zeugen aufstrebender Bürgerkultur (Aachen,
Braunschweig, Breslau, Lüneburg, Stralsund, Tangermünde, Thorn u.a.).
Plastik und Bildhauerei:
Die gotische Plastik des 13./14.Jahrhunderts übernahm die Portalprogramme der
französischen Kathedralen (Straßburg, Köln, Regensburg, Freiburg im Breisgau); es
entstanden Andachtsbilder wie Schmerzensmann und Pietà. In der 2.Hälfte des
14.Jahrhunderts verlieh P.Parler der Bauskulptur einen neuen Realismus. Den
Übergang zum 15.Jahrhundert bestimmte die internationale Strömung des schönen
Stils (schöne Madonnen). Das 15.Jahrhundert wurde zu einer der produktivsten
Epochen der deutschen Bildhauerei: N.Gerhaert von Leyden (Wien, Straßburg, BadenBaden), G.Erhart, A.Krafft, B.Notke, H.Backofen, H.Leinberger. Der spätgotische
Schnitzaltar erlebte eine Blütezeit in Süddeutschland (H.Multscher, M.Pacher, Niklaus
Hagenauer, V.Stoß, T.Riemenschneider und Meister H.L.).
Malerei und Druckgrafik:
In der Malerei hatte in der 2.Hälfte des 14.Jahrhunderts Prag (Meister Theoderich)
besondere Bedeutung, die böhmische Tafelmalerei wirkte u.a. auf Meister Bertram in
Hamburg. Andere Zentren waren Köln (S.Lochner) und der Oberrhein (K.Witz). In der
2.Hälfte des 15.Jahrhunderts machte sich wie schon bei L.Moser
niederländischer Einfluss bemerkbar: Meister des Marienlebens (Köln),
Hausbuchmeister, M.Schongauer, H.Pleydenwurff, M.Wolgemut. M.Pacher
brachte Elemente der italienischen Renaissance ein. Einen wichtigen Beitrag lieferte die
deutsche Kunst mit der Entwicklung der Druckgrafik (Spielkartenmeister,
Hausbuchmeister, Meister E.S. und v.a. M.Schongauer).
Renaissance:
Der Begriff wird für die deutsche Kunst des 16.Jahrhunderts mit Vorbehalt verwendet,
da die Kunst auch weiterhin stark von gotischen Stilelementen durchsetzt blieb und
vielfach manieristische Züge trug, z.B. in der profanen Baukunst (Rat- und
Bürgerhäuser). Als einer der reinsten Renaissancebauten gilt der Ottheinrichsbau
(1556folgende) des Heidelberger Schlosses, in der Bildhauerkunst erhält das
Sebaldusgrab der Vischer-Werkstatt in Nürnberg (Sebalduskirche, vollendet 1519) einen
bedeutenden Stellenwert; daneben wirkten u.a. A.Pilgram und H.Daucher. Die Maler
dieser Zeit gehörten zu den schöpferischsten Künstlern der deutschen Kunst überhaupt.
M. Grünewald schuf Altarwerke von visionärer Ausdruckskraft, die noch stark aus der
gotischen Vorstellungswelt erwuchsen. A.Dürer brachte von seinen Italienreisen die
ersten Landschaftsaquarelle der deutschen Kunst mit, ferner ein neues
Selbstverständnis als Künstler. Sein Werk entstand aus der Spannung zwischen
spätgotischer Gestaltung (v.a. in der Grafik) und dem Bemühen um renaissancehafte
Klarheit in der Menschendarstellung. Zahlreiche weitere Maler sorgten für den
künstlerischen Reichtum der ersten Jahrzehnte des 16.Jahrhunderts (L.Cranach der
Ältere, H.Baldung, H.Holbein der Jüngere und A.Altdorfer, der Hauptvertreter der
Donauschule). Niederländische und italienische Strömungen waren Grundlage der
deutschen manieristischen Malerei an den Höfen von München und Prag (H.von
Aachen, B.Spranger). In der Übergangszeit vom Manierismus zum Frühbarock
entstanden bedeutende Werke der Bildhauerkunst (H.Gerhard, H.Reichle, J.Zürn
und L.Münstermann).
Barock:
Ansätze deutscher Barockkunst im frühen 17.Jahrhundert, in der Architektur durch
E.Holl (Augsburger Rathaus, 161520), in der Plastik durch G.Petel, in der Malerei
durch die Landschaften des Frankfurters A.Elsheimer in Rom, die mythologischen und
religiösen Bilder des J.Liss sowie die Stillleben von G.Flegel, wurden durch den
Dreißigjährigen Krieg unterbrochen. Erst seit 1680, als im übrigen Europa bereits der
Spätbarock begann, entwickelte sich der deutsche Barock nun kontinuierlich fort,
getragen durch den Darstellungswillen der absolutistischen Fürsten und der
katholischen Kirche. Beherrschende Gattung war die Architektur. Die Bauten der
österreichischen Baumeister J.B. Fischer von Erlach (Karlskirche in Wien,
1716folgende), J.L. von Hildebrandt (Oberes Belvedere in Wien, 1723 vollendet),
J.Prandtauer (Stift Melk, 170236) sowie A.Schlüters Berliner Schloss
(1698folgende) entstanden in Auseinandersetzung mit dem römischen Hochbarock. C.
und K.I. Dientzenhofer prägten das barocke Stadtbild Prags (Sankt Nikolaus auf der
Kleinseite, 1703folgende), die Brüder Asam erbauten die Klosterkirche Weltenburg
(171636), J.Dientzenhofer errichtete für Fürstbischof L.F. von Schönborn Schloss
Weißenstein bei Pommersfelden (171118) und die Klosterkirche in Banz (170919).
J.B. Neumann schuf in der Würzburger Residenz eine der großartigsten
Treppenhausanlagen; für den Kirchenbau fand er überzeugende Lösungen in der
Durchdringung von Längs- und Zentralbau (Vierzehnheiligen, 1743/44folgende;
Neresheim, 1745folgende). Bedeutende Barockbaumeister waren außerdem J.M.
Fischer (Klosterkirche Zwiefalten, ab 1741, Klosterkirche Ottobeuren, 1756 geweiht),
D.Zimmermann (Wallfahrtskirche Steinhausen [heute zu Bad Schussenried], 172833).
Rokoko:
Dem Rokoko zuzurechnen sind das von G.W. von Knobelsdorff 174547 errichtete
Schloss Sanssouci in Potsdam, die Wies von D.Zimmermann (1745folgende) und die
Münchner Amalienburg von F.Cuvilliés dem Älteren (173439). Die barocken
Bauwerke verbanden sich mit Plastik und Malerei zu grandiosen Gesamtkunstwerken
(Dresdner Zwinger von M.D. Pöppelmann, 171128, plastischer Schmuck von
B.Permoser). Einige Baumeister waren auch als Bildhauer tätig, z.B. A.Schlüter. Im
süddeutschen Raum widmeten sich zahlreiche Künstler dem Stuckdekor (J.B.
Zimmermann, E.Q. Asam, P.Egell, J.A. Feuchtmayer, J.B. Straub, I.Günther) und
der Deckenmalerei (u.a. J.M. Rottmayr, F.A. Maulpertsch, C.D. Asam, Januarius
und Johann Zick, J.B. Zimmermann). Die bedeutendste Deckenmalerei schuf im
Treppenhaus der Würzburger Residenz der Italiener G.B. Tiepolo (1751folgende).
Neben den Stilmitteln des Rokoko wurden frühklassizistische Strömungen deutlich
(G.R. Donner, Wien, Neumarktbrunnen, 1737folgende; A.R. Mengs, mit dem
Deckengemälde »Parnaß« der Villa Albani in Rom, 1760/61).
19.Jahrhundert:
F.von Erdmannsdorff, sein Schüler F.Gilly (Entwürfe) und C.G. Langhans
(Brandenburger Tor, 178891) waren Vertreter des Klassizismus in Berlin. In München
wirkte L.von Klenze, in Karlsruhe F.Weinbrenner. K.F. Schinkel in Berlin verwendete
beliebig klassizistische oder gotische Formen für seine Bauten, womit er bereits auf den
Historismus verwies, der für das weitere 19.Jahrhundert charakteristisch blieb. Neue
Bauaufgaben wurden das Theater, das Museum sowie seit dem letzten Drittel des
Jahrhunderts auch Bahnhöfe. Die Bildhauerei beschränkte sich auf Porträtbüsten, Grabund Denkmäler (G.von Schadow, C.D. Rauch und A.von Hildebrand). Für die
klassizistischen Maler (Deutschrömer, Nazarener) wurde Rom Ausbildungs- und
Wirkungszentrum. Die Malerei im Umkreis von C.D. Friedrich und P.O. Runge wurde
durch ein von der literarischen Romantik beeinflusstes Naturgefühl getragen. Bei
M.von Schwind verband sich die Romantik mit märchenhaften, bei L.Richter und
C.Spitzweg mit biedermeierlichen Zügen. In der Mitte des 19.Jahrhunderts setzten
sich realistische Auffassungen durch (A.von Menzel, W.Leibl, H.Thoma).
Idealistische und symbolistische Tendenzen überwogen bei A.Böcklin, A.Feuerbach,
H.von Marées. Gegen Ende des Jahrhunderts entwickelten Maler wie M.Slevogt,
M.Liebermann und L.Corinth einen deutschen Impressionismus .
20.Jahrhundert:
Der Jugendstil vollzog mit seiner einheitlichen künstlerischen Durchformung des
gesamten menschlichen Lebensbereichs eine entschiedene Abwendung vom
Historismus. Architekten zur Zeit des Jugendstils wie A.Loos, O.Wagner, P.Behrens,
J.M. Olbrich, J.Hoffmann, B.Pankok, R.Riemerschmid und der in Deutschland
arbeitende Belgier H.van de Velde schufen durch ihre funktionale Auffassung die
Voraussetzungen für die deutschen Werkbundausstellungen: 1914 in Köln (Glaspavillon
von B.Taut) und 1927 in Stuttgart (Weißenhofsiedlung). Internationale Bedeutung
errang das 1919 von W.Gropius gegründete Bauhaus. Den Anschluss an den
internationalen Standard fand die deutsche Architektur erst wieder mit H.B. Scharoun
(Berliner Philharmonie, 196063), G.Böhm, F.Otto und G.Behnisch.
Expressionismus:
Die deutsche Malerei vollzog zu Beginn des Jahrhunderts mit dem Expressionismus
eine entscheidende Wendung, getragen v.a. von den Malern der Brücke (E.L.
Kirchner, E.Heckel, K.Schmidt-Rottluff, M.Pechstein, O.Mueller, E.Nolde) und des
Blauen Reiters (F.Marc, A.Macke, W.Kandinsky, Gabriele Münter u.a.). Kandinsky
wandte sich um 1910 der abstrakten Kunst zu. Die expressionistische Bildhauerei
vertraten E.Barlach, Käthe Kollwitz, zeitweilig auch W.Lehmbruck und G.Marcks.
Auf breiter Basis etablierte sich die deutsche abstrakte Malerei jedoch erst nach dem
Ersten Weltkrieg, als sich nicht zuletzt aus internationalen Anregungen (De Stijl,
Suprematismus und Konstruktivismus) eine systematische Bildtektonik, u.a. im
Bauhaus, ausprägte (L.Feininger, J.Itten, O.Schlemmer, P.Klee, F.VordembergeGildewart, W.Baumeister u.a.). Gleichzeitig arbeiteten Künstler wie G.Grosz,
O.Dix, M.Beckmann, K.Hubbuch, auch Käthe Kollwitz einen gesellschafts- und
sozialkritischen Realismus aus. Auf die Verunsicherung bürgerlichen Denkens zielten
die Dada-Künstler mit gattungsprengenden Collagen und Materialbildern, Nonsenslyrik
und Aktionen (H.Arp, M.Ernst, R.Hausmann, K.Schwitters, Hannah Höch,
J.Heartfield).
Künstler der Dada-Bewegung wie H.Arp und M.Ernst, die sich dem Surrealismus
zuwandten, waren bereits zur Emigration gezwungen und arbeiteten bis in die zweite
Hälfte des Jahrhunderts meist in Paris. Ihre Ideen wurden u.a. von H.Bellmer und
M.Zimmermann weitergeführt. Die Vielfalt der künstlerischen Richtungen wurde im
Dritten Reich zugunsten eines ideologischen Neoklassizismus unterdrückt, die abstrakte
Kunst als »entartet« verfemt und eine Vielzahl von abstrakten beziehungsweise
sozialkritisch-realistischen Künstlern in die Illegalität beziehungsweise Emigration
getrieben. Förderung erfuhren hingegen u.a. A.Breker und J.Thorak.
Kunst der Bundesrepublik Deutschland:
In dem Vakuum, das die nationalsozialistische Kunstpolitik nach 1945 hinterließ,
herrschte für wenige Jahre ein Stilpluralismus von gegenständlich arbeitenden Künstlern
(u.a. R. Schlichter, C.Schad) und abstrakten Malern (u.a. W.Baumeister,
T.Werner, J.Bissier). Doch seit Beginn der 50er-Jahre dominierte, gefördert durch
internationale, v. a. französische Kontakte (H.Hartung, Wols), die informelle Malerei
(E.W. Nay, E.Schumacher, K.O. Götz, B.Schultze) als symbolischer Ausdruck
westlicher Freiheit und Demokratie gegenüber der Kunstpolitik des Stalinismus. Auch in
der Plastik kehrte zunächst die figürliche Plastik der klassischen Moderne (G.Marcks,
G.Seitz, T. Stadler) zurück, trat aber zunehmend in Konkurrenz zur abstrakten Plastik
(K.Hartung, H.Uhlmann). Seit den 60er-Jahren arbeitete die jüngere
Plastikergeneration (N.Kricke, E.Hauser, O.E. Hajek, T.Lenk) fast ausschließlich
nicht gegenständlich. Erst seit den 80er-Jahren tritt auch die figurative Plastik wieder
öffentlich in Erscheinung (S.Balkenhol). Auf dem Gebiet der Grafik sind besonders
HAP Grieshaber, H.Janssen und F.Meckseper zu nennen. Einer der wenigen,
unmittelbar gesellschaftskritischen Künstler ist K.Staeck mit Plakaten und
Fotomontagen.
In der Malerei erfolgte in den 60er- und 70er-Jahren parallel zur internationalen
Entwicklung die Auseinandersetzung mit Farbfeldmalerei (R.Geiger), Op-Art, Pop-Art
(U.Lausen) und Kinetik (Gruppe »Zero« mit H.Mack, O.Piene, G.Uecker). Daneben
etablierten sich sehr unterschiedliche, zum Teil originelle Formen konzeptueller Malerei,
die vom Neokonstruktivismus (G.Fruhtrunk) über den Fotorealismus (K.Klaphek) bis
zu individuellen Konzepten (H.Antes, S.Polke) reichen. In den 60er-Jahren
entstanden Aktionskunst und Performance, zu deren bekanntesten deutschen Vertretern
J.Gerz, HA Schult und W. Vostell gehören. J.Beuys wurde zur einflussreichsten
Künstlerpersönlichkeit der 70er- und 80er-Jahre, die durch die Entwicklung der
»sozialen Plastik« eine ganze Künstlergeneration geprägt hat. Mit ihren
neoexpressionistischen Bildern wurden G.Baselitz, A.R. Penck, M.Lüpertz und
A.Kiefer zu Exponenten der spezifisch deutschen Entwicklung der Neuen Wilden. Seit
Mitte der 80er-Jahre führte die Postmoderne zu einer radikalen Individualisierung der
Kunst und zur parallelen Existenz von informellen, realistischen sowie konzeptuellen
(u.a. I.Knoebel, R.Mucha, Hanne Darboven, Rosemarie Trockel) Formsprachen.
Für die Bereiche der Computerkunst und Videoinstallation entstand mit dem Zentrum für
Kunst- und Medientechnologie in Karlsruhe (gegründet 1990) ein einflussreicher
Kristallisationspunkt.
In der Architektur sind seit den 60er-Jahren eine Reihe von innovativen, international
beachteten Bauten gelungen. Zu den herausragenden Architekten gehören
G.Behnisch (Olympiapark München, 1972; Deutsches Postmuseum, Frankfurt am
Main, 1990; Neubau des Deutschen Bundestags, Bonn, 1992), G.Böhm
(Universitätsbibliothek Mannheim, 1988), J.P. Kleihues (Umbau des Hamburger
Bahnhofs in Berlin zum Museum für Gegenwart, 199296), A.Schultes (Kunstmuseum
Bonn, 1992; in Zusammenarbeit mit Charlotte Frank Gewinner des städtebaulichen
Wettbewerbs um das Parlaments- und Regierungsviertel im Berliner Spreebogen, 1993;
Krematorium Baumschulenweg, Berlin, 1999), O.M. Ungers (u.a. Erweiterungsbau
der Kunsthalle in Hamburg, 199297), M.von Gerkan, V.Marg& Partner (Flughafen
Stuttgart, 1994; Neue Messe, Leipzig, 1996).
Kunst der DDR:
In der DDR wurde der kritische Realismus der Nachkriegszeit innerhalb der Malerei und
Grafik v.a. von ehemaligen Mitgliedern der Künstlervereinigung ASSO (Assoziation
Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands) getragen (O.Nerlinger, O.Nagel,
W.Lachnit, H.und Lea Grundig, C.Querner). Beiträge zur Grafik leisteten u.a.
J.Hegenbarth, M.Schwimmer, H.T. Richter und H.Sandberg. Auch die Plastik
orientierte sich an den realistischen Traditionen der Zeit vor 1933 und schuf u.a.
bedeutende antifaschistische Denkmale (T.Balden, F.Cremer, W.Grzimek).
Dogmatische Forderungen nach einer parteilichen und gegenständlichen Kunst führten
schon Ende der 40er-Jahre zur so genannten Formalismus-Debatte (194851) und in
deren Konsequenz zu einer fortschreitenden Entfernung »bürgerlicher« Lehrer aus den
Kunstakademien. Künstler, die sich kulturpolitisch nicht konform verhielten, wurden
diffamiert (u.a. W.Lachnit, W.Rudolph), in die innere Emigration getrieben
(H.Glöckner, G.Altenbourg) oder sie verließen die DDR (u.a. G.Hoehme,
G.Richter, G.Baselitz). Auf den Bitterfelder Konferenzen (»Bitterfelder Weg«, 1959,
1964) wurde der sozialistische Realismus zur alleinigen theoretischen Basis des
künstlerischen Schaffens in der DDR erklärt. In einer neuen Orientierung am deutschen
Expressionismus und v.a. an der Neuen Sachlichkeit entwickelte sich seit Mitte der
60er-Jahre nach anfänglichem Widerstreben der Kulturpolitiker der SED die Malerei der
so genannten Leipziger Schule (B.Heisig, W.Mattheuer, W.Tübke, V.Stelzmann,
S.Gille, A.Rink) zur maßgeblichen Stilrichtung des sozialistischen Realismus. Auch
die neoexpressive Malerei von W.Sitte ließ sich in dieses Konzept integrieren.
1970er- und 1980er-Jahre:
Mythologische und symbolische Verschlüsselungen erlaubten eine stärker subjektivverinnerlichte Kunst und eine vorsichtige Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen
(u.a. Nuria Quevedo, W.Mattheuer). Die Zeichnung und Grafik (u.a. W.Wolff,
D.Goltzsche, C.Weidensdorfer) sowie die angewandte Kunst besaßen einen
erheblich größeren formalen Spielraum als die Malerei. Ende der 70er-Jahre wurde nicht
zuletzt unter dem Druck lokaler Künstlergruppierungen (»Clara Mosch« in Karl-MarxStadt und »Lücke-TPT« in Dresden) die Doktrin des sozialistischen Realismus in
Richtung eines vorsichtigen Stilpluralismus gelockert. Experimentell arbeitende Künstler,
die sich in die Kunstlandschaft der DDR nicht integrieren ließen, wurden weiterhin
ausgegrenzt (z.B. »1.Leipziger Herbstsalon«, 1984). Das führte zu einem massiven
Exodus der Künstler aus der DDR seit 1980 (u.a. A.R. Penck, H.Leiberg,
R.Kerbach, Cornelia Schleime, H.-H.Grimmling, L.Dammbeck). Mit dem Ende der
DDR und der Auflösung des Verbandes Bildender Künstler (VBK) der DDR wurde dem
sozialistischen Realismus die gesellschaftliche Basis entzogen. Die jüngste
Künstlergeneration der DDR (u.a. Angela Hampel, M.Götze) konnte sich teilweise
schnell in die gesamtdeutsche Kunst integrieren.
sozialistischer Realismus,
Bezeichnung für eine Methode der künstlerischen Gestaltung und Kritik in der Literatur,
die eng an die marxistisch-leninistische Ideologie gebunden ist; auch übertragen auf
andere Künste, v.a. auf die bildende Kunst.
Historisch entstand der Begriff bereits im Umkreis der zwischen dem Ende des
Sozialistengesetzes (1890) und dem Beginn des Ersten Weltkriegs in der deutschen
Sozialdemokratie geführten Literaturdebatten über das Thema Literatur und Proletariat;
in den frühen 1930er-Jahren wurde er vom sowjetischen Herrschaftssystem unter der
Führung Stalins beansprucht und als verbindliches Programm für Kunst und Literatur
formuliert (erstmals 1932 in der sowjetischen Literaturdiskussion über die dem
Sozialismus angemessene »schöpferische Methode«).
Auf dem 1.Allunionskongress (1934) des Verbandes der sowjetischen Schriftsteller
wurde in dessen Statut festgelegt, dass der sozialistische Realismus die Hauptmethode
der sowjetischen schönen Literatur und Literaturkritik sei, dass der Künstler die
Wirklichkeit wahrheitsgetreu und historisch konkret in ihrer »revolutionären Entwicklung«
darzustellen habe, dass diese Darstellung die Erziehung der Werktätigen im Geiste des
Sozialismus zum Ziel haben müsse. Dabei wurde der sozialistische Realismus politisch
und ästhetisch definiert: Man suchte ihn in Traditionszusammenhänge des Realismus
des 19.Jahrhunderts zu stellen, das Kunstwerk sollte den Prinzipien Parteilichkeit,
Volksverbundenheit und Volkstümlichkeit folgen, der »positive Held« galt als
Repräsentant des sozialistischen Fortschritts und Identifikationsfigur.
Durch den Stalinismus, der seinen Führungsanspruch auch in der Kunst durchsetzte,
wurde die weit gefasste Formel des sozialistischen Realismus aufgrund willkürlicher
Auslegung immer wieder zu Maßregelungen eingesetzt; opponierende Schriftsteller
wurden verfolgt. Die Resonanz in der internationalen sozialistischen Literaturentwicklung
war seit den 1930er-Jahren von Land zu Land verschieden; Kunst wurde unter anderem
als Faktor des Geschichtsprozesses im Sinne des Antifaschismus verstanden. Nach
dem Zweiten Weltkrieg wurde nach kontroversen Diskussionen um die geistige
Erneuerung mit Beginn des sozialistischen Aufbaus in einer Reihe von Ostblockstaaten
der sozialistische Realismus als verpflichtende Schaffensmethode deklariert. So
erfuhren als formalistisch erachtete Standpunkte (Formalismusdebatte) politische
Verurteilung und administrative Verdrängung. Zeitprobleme wurden verschwiegen, die
Ästhetik der Moderne in Literatur und bildender Kunst ausgeklammert beziehungsweise
strikt abgelehnt; wichtige Genres verkümmerten, die Produkte wurden austauschbar.
Nach Stalins Tod (1953), in der Zeit des Tauwetters (1956 bis etwa 1965), begann eine
öffentliche Auseinandersetzung mit den Prinzipien des sozialistischen Realismus; v.a.
in der sowjetischen Literatur spiegelten sich seit den 60er-Jahren die wachsenden
Probleme des Alltags, ohne dass die Doktrin widerrufen wurde. Bis zum Ende des real
existierenden Sozialismus vertiefte sich zunehmend die Kluft zwischen künstlerischen
Prozessen und machtkonformer Ideologie, was z.B. in der Auseinandersetzung um
eine freiere Interpretation des sozialistischen Realismus zum Ausdruck kam. Diese
Entwicklung verlief zum Teil mit großen (zeitlichen und qualitativen) Unterschieden in
den einzelnen sozialistischen Ländern.
Tachismus
[-] der, nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris entstandene Richtung der informellen
Kunst; der Tachismus wurde angeregt vom Automatismus und bildet eine Parallele zum
Action-Painting. Die Tachisten suchten seelische Regungen unmittelbar in Farbflecken
(»taches«) auszudrücken und lehnten jede bewusste Formgestaltung ab. Einer ihrer
Hauptvertreter war der deutsche Künstler Wols.
informelle Kunst
[von der auf M.Tapié zurückgehenden französischen Wortprägung signifiance de
l'informel »Bedeutsamkeit des Formenlosen«] (französisch Informel, Art informel),
Benennung einer Richtung der gegenstandsfreien Malerei und Grafik, die seit etwa 1945
im Gegensatz zur geometrischen Abstraktion abgegrenzte Formen und feste
Kompositionsregeln ablehnte, um durch frei erfundene Zeichen oder durch Rhythmus
und Struktur ineinander greifender Flecken und Linien Geistiges unmittelbar
auszudrücken. Die informelle Kunst fußt auf dem Automatismus. Die École de Paris war
als Entstehungszentrum für die informelle Kunst von größter Bedeutung. Ihre
Hauptvertreter sind J.Fautrier, K.F. Dahmen, H.Hartung, Wols, P.Soulages und
G.Mathieu. Die Bezeichnung informelle Kunst wird sowohl in Abgrenzung zum als auch
in gleicher Bedeutung wie Tachismus und abstrakter Expressionismus verwendet.
Action-Painting
['æ, englisch] das, 1950 geprägter Begriff, der im abstrakten
Expressionismus als Bezeichnung für eine prozesshafte Malmethode erscheint, bei der
das Bild zum Dokument eines spontanen Malvorganges wird; Hauptvertreter:
J.Pollock.
abstrakter Expressionismus,
erstmals für Ausdrucksgebärden des Expressionismus in den 1920er-Jahren verwendet
(besonders für Bilder von W.Kandinsky). A.H. Barr übertrug den Begriff auf die
automatische Umsetzung von Gestaltungs- und Erlebnisimpulsen ohne rationale
Kontrolle in der amerikanischen Malerei der 1940er- und 1950er-Jahre (W.de Kooning,
R.Motherwell, F.Kline, M.Tobey u.a.), sie steigerte sich im Action-Painting von
J.Pollock. Der abstrakte Expressionismus war weltweit verbreitet, auch unter der
Bezeichnung informelle Kunst.
Pop-Art
[', englisch, gekürzt aus popular art »volkstümliche Kunst«] die, Strömung der
zeitgenössischen Kunst, die v.a. in Großbritannien und in den USA seit Mitte der
1950er-Jahre und in den 60er-Jahren die Kunstszene beherrschte. Die Pop-Art
entdeckte die Welt der Unterhaltungsindustrie und der Werbung als ästhetische
Wirklichkeit. Banale Objekte des Massenkonsums wurden durch Isolierung, Ausschnitt,
Vergrößerung, Reihung oder durch Imitationen verfremdet und parodiert. Die Pop-Art
wollte die Kunst mit moderner Lebenswirklichkeit verbinden. Grelle
Farbzusammenstellungen (»Popfarben«) und große Formate dominieren. Der rasche
Erfolg amerikanischer Künstler wie R.Rauschenberg, J.Johns, J.Dine,
R.Lichtenstein, C.Oldenburg, J.Rosenquist, G.Segal, A.Warhol, T.Wesselmann,
R.Indiana und E.Kienholz hing auch mit der Neubewertung der Volkskunst in den
USA zusammen. In Großbritannien (R.Hamilton, P.Blake, D.Hockney, A.Jones,
R.B. Kitaj, P.Phillips, J.Tilson, P.Caulfield) erhielt die Pop-Art Impulse von
E.Paolozzi und F.Bacon.
Happening
['æ; englisch »Ereignis«] das, »lebendig gemachte Pop-Art« (W.Vostell), eine
Form der Aktionskunst (seit 1958), hebt die Grenzen zwischen Kunst und Leben auf.
Unter Einbeziehung der Zuschauer kommt ein überraschendes Erlebnis zustande;
beispielhaft für die Aufhebung der Grenzen zwischen unterschiedlichen Medien. Zu den
Hauptvertretern gehörten A.Kaprow in den USA und W.Vostell in Deutschland.
Parallel zum Happening entwickelten sich die Fluxusbewegung (Fluxus) und die
Aktionskunst der Vertreter des »Wiener Aktionismus«. Der Begriff Happening wurde von
der künstlerischen auf die politische Szene übertragen. Heute ist das Happening in
Aktionen lebendig, z.B. von W.Vostell (Fluxus-Zug, 1981). Die Performance ist eine
modifizierte Weiterentwicklung des Happenings.
Aktionskunst,
Ersetzung eines Kunstobjektes durch künstlerische Aktion, zuerst um 1918 im
Dadaismus, seit 1958 durch A.Kaprow als Happening; parallel dazu die musikalischen
Fluxusaktionen von J.Cage und die rituellen Aktionen von J.Beuys.
Performance
[', englisch] die, Kunst: eine aus den USA stammende Form der
Aktionskunst, die in den 1970er-Jahren weitgehend an die Stelle von
Fluxusveranstaltungen und Happenings trat. Im Gegensatz zu diesen bleiben Künstler
und Publikum getrennt. Die Performance wird meist von einem einzelnen Künstler, aber
auch von Gruppen vorgeführt. Häufig wird mit Mitteln des experimentellen Theaters und
des modernen Balletts gearbeitet oder die Performance in Theater- und auch in
Konzertaufführungen integriert. Überschneidungen ergeben sich auch mit der Body-Art
und der Prozesskunst. Bedeutsam ist die Verwendung reproduktiver Medien, v.a. Film
und Video, die mitunter die Originalperformance völlig ersetzen.
Fluxus
[lateinisch »das Fließen«] der, Begriff der zeitgenössischen Kunst für Aktionen, bei
denen ein oder mehrere Künstler (mit Akteuren) versuchen, aktive Veränderungs- und
Wandlungsprozesse als Prinzipien der Realität sichtbar zu machen. Im Zusammenspiel
von Musik, Theater und bildender Kunst sollen die Grenzen zwischen den Künsten, aber
auch zwischen Künstlern und Publikum aufgehoben werden. Maßgeblich beteiligt an der
Fluxusbewegung waren N.J. Paik, J.Cage, J.Beuys sowie W.Vostell.
Environment
['; englisch »Umgebung«] das (Ambiente), Ausdrucksform der
bildenden Kunst in der 2. Hälfte des 20.Jahrhunderts, die aus Assemblage und
Combine-Painting entwickelt wurde und wichtige Impulse aus der Happeningbewegung
erhielt. Das Environment besteht aus einer räumlich definierten Anordnung
verschiedenartiger Materialien und/oder (Gebrauchs-)Gegenstände und bezieht den
Betrachter unmittelbar ein: A. Kaprow, R.Rauschenberg, C.Oldenburg, G.Segal,
E.Kienholz, J.Beuys.
Nouveau Réalisme
[nu'vo ', französisch] der (Neuer Realismus), von Künstlern um den Kritiker
P.Restany 1960 begründeter Realismusbegriff, der auf Ideen des Dadaismus basiert
(daher auch als »Neodadaismus« bezeichnet). Die Vertreter dieser Bewegung (Arman,
R.Hains, F.Dufrêne, Y.Klein, J.Tinguely, J.M. de Villeglé, M.Raysse, D.Spoerri,
César, Christo, Niki de Saint Phalle) schufen Readymades, Assemblagen,
Akkumulationen, Decollagen u.a. unter Verwendung realer Gegenstände (Fundstücke,
v.a. Abfallprodukte).
Neue Figuration,
Bezeichnung für die figürliche Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem
gleichnamigen Buchtitel (1959) des Malers und Kritikers H.Platschek (*1923). Zur
Neuen Figuration gehören u.a. die der Pop-Art nahe stehenden Künstler und die
Vertreter verschiedener realistischer Strömungen.
Neue Wilde
(Junge Wilde), Maler, die seit Ende der 1970er-Jahre mit einer Malerei in Erscheinung
traten, die durch radikale Ausschöpfung malerischer Möglichkeiten, v.a. durch eine
aggressive Farbigkeit, und eine teilweise Rückkehr zur Gegenständlichkeit
gekennzeichnet ist. Der Name deutet auf die Verwandtschaft zu den französischen
Fauves (»Wilde«) hin. Bekannt wurden in der Bundesrepublik Deutschland v.a. die
Gruppen in Berlin (»Heftige Malerei«) mit R.Fetting, H.Middendorf, Salomé,
B.Zimmer) und in Köln (»Mülheimer Freiheit«, 1983 aufgelöst), u.a. mit H.-P.
Adamski, W.Dahn und G.J. Dokoupil, außerdem Elvira Bach, M.Kippenberger,
V.Tannert und der Schweizer M.Disler. Parallel dazu entwickelten sich in der DDR
mehrere Künstlergruppen, die sich von der Glätte und Erstarrung des sozialistischen
Realismus absetzen wollten: Gruppe »Clara Mosch« in Karl-Marx-Stadt (C.Claus,
T.Ranft, Dagmar Ranft-Schinke, M.Morgner, G.-T.Schade), »Lücke-TpT« in
Dresden (u.a. A.R. Penck und H.Gallasch) und der »1.Leipziger Herbstsalon«
(u.a. F.Heinze, O.Wegewitz, L.Dammbeck, H.-H. Grimmling); auch W.Libuda,
Angela Hampel und T.Wendisch gehörten zum Umkreis der Neuen Wilden.
Vergleichbare Tendenzen gibt es in Italien (»Arte cifra«), in den USA (»New-ImagePainting«) und in Frankreich (»Figuration libre«).
Herunterladen