ägyptische Kunst. Aus bescheidenen Anfängen und in enger Verflechtung mit den frühen künstlerischen Gestaltungen des benachbarten Vorderasien entwickelte sich die ägyptische Kunst um 3000 v.Chr. zu einer ersten eigenständigen Blüte. Baukunst: In der Baukunst traten seit der Reichseinigung der Holz- und Schilfrohrbau der oberägyptischen Nomaden und der Luftziegelbau der unterägyptischen Bauern in Wechselwirkung. In monumentalen Bauten (in der Frühzeit aus Ziegeln, seit dem Alten Reich auch aus Stein) dokumentierte sich der Machtanspruch der Könige. Das Hügelgrab der Nomaden wandelte sich zur blockartigen, steinverkleideten Mastaba mit Kultkammer. Aus ihr bildete sich (seit dem Alten Reich) die Stufenpyramide als Königsgrab heraus (z.B. die Pyramide des Djoser in Sakkara). In die 4. Dynastie fällt die Blüte der Pyramidenkunst (mit Totentempeln). Für Beamte legte man seit dem Alten Reich Felsengräber an; in solchen wurden im Neuen Reich auch Könige beigesetzt. Der ägyptische Tempel wurde als Prozessionstempel entlang einer geraden Achse errichtet: Eine Sphinxallee führte durch Tortürme (Pylonen) und einen von Säulenhallen umgebenen Hof in einen als dreischiffige Basilika angelegten Säulensaal, hinter dem das Allerheiligste mit dem Götterbild lag. Des Weiteren entstand eine dem griechischen Peripteros ähnliche Tempelform. Plastik: Die Plastik in Tempeln und Gräbern wurde mit dem Fortleben des Menschen im Jenseits verbunden und bildete ihn daher so ab, wie man ihn seinem zeitlosen Wesen und seiner sozialen Funktion nach sah: frei von vergänglichen Zufälligkeiten, unabhängig von Lebensalter, Bewegung und Tätigkeit. Daher fehlen Kinder- und Altersbildnisse fast völlig, und auch porträthafte Ähnlichkeit ist wohl nie angestrebt worden. Mann und Frau wurden durch ihre Tracht sowie verschiedenartige Grundstellung und Körperfarbe (Männer rotbraun, Frauen gelb) unterschieden. Die ägyptische Kunst hielt an den Grundlagen der Personendarstellung mit wenigen Abweichungen oder Unterbrechungen (Amarna-Stil, Amarna) durch alle Zeiten fest. Bis in die Spätzeit blieb die Form des »Würfelhockers« beliebt, die den Menschen auf eine fast reine Würfelform reduzierte. Relief: Im gleichen Sinnzusammenhang wie die Plastik standen die Reliefs an den Wänden der Tempel und Gräber. Die Darstellung ist unräumlich und unperspektivisch, ohne Schatten und lichtgebundenes Farbenspiel. Alle Objekte, auch Teile des menschlichen Körpers, werden in der für sie charakteristischen Ansicht dargestellt, also entweder von vorn oder von der Seite. Die Bilder wenden sich nicht an einen Betrachter, die Figuren blicken nicht aus der Bildfläche heraus. Die Zeitlosigkeit der Darstellung lässt in einem Bild oft mehrere Handlungsabläufe nebeneinander zu. Wandmalerei: Eine eigenständige Wandmalerei neben den stets bemalten Reliefs entfaltete sich erst mit der Gestaltung von Gräbern und Palästen des Neuen Reiches (Amarna). Kunsthandwerk: Das Kunsthandwerk zeichnete sich zu allen Zeiten durch vollendete Stein-, Metall-, Holz- und Glastechnik sowie durch strenge, zweckgemäße Schönheit der Form aus. Die Grenzen zwischen Kunst und Schrift sind fließend; jede Hieroglyphe kann als ein kleines Kunstwerk gestaltet, Bilder können »gelesen« werden. Für abstrakte Vorstellungen wie etwa Zeit, Licht oder Schöpfung wurden prägnante Bildzeichen geschaffen. ägäische Kultur, nach dem Ägäischen Meer benannte bronzezeitliche Kultur, die im 3. und 2.Jahrtausend v.Chr. die Ägäischen Inseln mit den Kykladen und Kreta sowie auch das griechische Festland und die Westküste Kleinasiens umfasste. Die eigenständige Kultur auf Kreta heißt nach König Minos minoisch. Die drei Perioden frühminoisch (30002000 v.Chr.), mittelminoisch (20001550 v.Chr.), spätminoisch (15501100 v.Chr.) gelten mit kleinen Abweichungen auch für die gleichzeitigen Kulturen des griechischen Festlands (helladisch) und der Inseln des griechischen Archipels (kykladisch). Für das sowohl mit der ägäische Kulturals auch mit der kleinasiatischen Kultur verbundene Troja ergab sich aufgrund der Stadtperioden Troja I bis VIIIb (rund 25001100 v.Chr.) eine eigene Gliederung. Die Spätphase der ägäischen Kultur wird auch als kretisch-mykenische Kultur bezeichnet. Erste erfolgreiche Grabungen in Troja, Mykene, Tiryns führte H.Schliemann zwischen 1870 und 1890 durch. Das minoische Kreta hat Sir Arthur Evans durch die Ausgrabung von Knossos (seit 1900) entdeckt. Minoische Perioden: Auf Kreta wird die frühminoische Periode mit Stein- und Tongefäßen, auch Goldarbeiten, v.a. aus Gräbern, nach einer neueren Gliederung als Vorpalastzeit bezeichnet. Die ältesten Überreste von Palästen in Knossos, Mallia und Phaistos gehören an den Anfang der mittelminoischen Periode. Aus dieser Älteren Palastzeit (etwa 20001650 v.Chr.) stammen die Keramik mit weißen und roten Dekorationen auf schwarzem Grund (Kamaresvasen), Goldfunde, Kleinplastik, Siegelkunst, älteste Schriftzeugnisse (Bilderschrift auf Tontäfelchen). Die 2.Blütezeit, Jüngere Palastzeit, setzte mit der Wiedererrichtung der durch Erdbeben zerstörten Paläste und Siedlungen am Ende der mittelminoischen Periode (Mitte 17.Jahrhundert v.Chr.) ein und wurde während der spätminoischen Periode wohl durch bürgerkriegsähnliche Wirren, hervorgerufen durch Hungersnöte und soziale Missstände, und letztlich durch die Invasion mykenischer Krieger Anfang des 14.Jahrhunderts beendet. Aus dieser Zeit stammen die Paläste in der durch Ausgrabungen überlieferten Gestalt, weiterhin Wandmalereien und Miniaturfresken, Fayence- und Elfenbeinfiguren sowie Keramik mit nun dunkel auf hellen Grund gemalten Motiven. Auf Thera entstand eine wohlhabende Stadt, um 1645 v.Chr. durch einen Vulkanausbruch verschüttet. Am Ende der Periode wechselte die inzwischen ausgebildete Silbenschrift (»Linearschrift«) auf den Tontäfelchen von der älteren Stufe (Linear-A) zur jüngeren Stufe (Linear-B). Unter der Vorherrschaft des mykenischen Festlandes verlor Kreta in der Nachpalastzeit (etwa 1375 bis etwa 1200 v.Chr.) seine Bedeutung. Helladische Perioden: Auf dem griechischen Festland sind aus der frühhelladischen Periode Siedlungen und monumentale Anlagen (Lerna, Tiryns) bekannt. Eine Leitform der Keramik ist die Schnabelkanne. In der mittelhelladischen Periode (erste Hälfte 2.Jahrtausend v.Chr.) bringt die Keramik neue Formen und eine andere Art der Oberflächenbehandlung: Ornamente in mattem Schwarzton (Mattmalerei) oder einheitlich schwarze, graue oder gelbliche Oberfläche (minysch). Die späthelladische ist zugleich die mykenische Periode, und da die Kunst in dieser Zeit von der kretischen abhängig war, spricht man auch von kretisch-mykenischer Kunst, mit Schachtgräbern (16.Jahrhundert v.Chr., mit reichen Beigaben) und mit großen Kuppelgräbern in Mykene (15.14.Jahrhundert v.Chr., z.B. »Schatzhaus des Atreus«) sowie mit mächtigen Burgen in Mykene, Tiryns, Pylos. Nach der Zerstörung von Knossos (um 1375 v.Chr.) ging die Vormacht in der Ägäis an das mykenische Festland über. Die zunächst nachgeahmten minoischen Formen und Motive der Keramik wurden vom 14.Jahrhundert an reduziert und dann rein mykenisch. Die auf Kreta entwickelte Linear-B-Schrift wurde zur mykenischen Palastschrift. Die von Norden eindringenden Dorer zerstörten um 1150 v.Chr. endgültig die mykenischen Burgen und Siedlungen. Kykladische Perioden: Auf den Kykladeninseln entfaltete sich im 3.Jahrtausend v.Chr. eine (v.a. durch Grabfunde bekannte) Kunst von großer Eigenständigkeit (kykladische), die sie aber im Lauf des 2.Jahrtausends v.Chr. zunehmend verlor. Von künstlerischer Bedeutung sind v.a. etwa 20 bis 30 cm hohe, teils bemalte Kykladenidole aus Marmor, ferner Marmorgefäße (Kegelvasen, Becher) und reich reliefierte oder mit Ritzmustern versehene Steingefäße und Keramik. griechische Kunst. Anschließend an die spätmykenische Kunst (ägäische Kultur) entwickelte sich auf dem griechischen Festland gegen Ende des 11.Jahrhunderts v.Chr. die geometrische Kunst. Aus dem 9. und 8.Jahrhundert sind kleinplastische Arbeiten aus Ton und Bronze sowie Geräte aus Eisen und Bronze bekannt. Ende des 8.Jahrhunderts v.Chr. folgte auf den geometrischen Stil die archaische Kunst mit monumentalen Werken der Skulptur und Architektur und bemalten Vasen des »erzählenden Stils« (7.6.Jahrhundert v.Chr.). Im 5.Jahrhundert entfaltete sich die erste, im 4.Jahrhundert die zweite Blüte der klassischen Kunst. Nach dem Tod Alexanders d.Gr. (323) wandelte sich die klassische zur hellenistischen Kunst (3.1.Jahrhundert). Vom Ende des 4.Jahrhunderts n.Chr. an lässt sich die griechische Kunst von der byzantinischen nicht mehr trennen (byzantinische Kunst); zur neuzeitlichen griechischen Kunst neugriechische Kunst. Geometrische Kunst: Die Bezeichnung der ersten Epoche der griechischen Kunst geometrische Kunst geht auf die Linienornamentik der Tongefäße dieser Zeit zurück: Mäander, Dreieck, Raute, Kreis und Hakenkreuz sind zu waagerechten Streifen angeordnet. An die Stelle der naturhaften kretisch-mykenischen Formensprache trat ein mathematisch-ordnender Stilwille. Die Gefäße der streng geometrischen Stufe (850775 v.Chr.) sind oft ganz mit schwarzem, glänzendem Überzug versehen, aus dem nur wenige schmale Ornamentstreifen ausgespart sind (Haken- und Zinnenmäander). In der reifgeometrischen Phase (775750) wurden die differenzierteren Gefäßformen von Ornamenten dicht überzogen. Neben die Tierfriese trat das Menschenbild, v.a. die figurenreiche Totenklage sowie Krieger- und Wagenzüge. Der spätgeometrische Stil (750700) bietet übermäßig geschwellte oder zugespitzte Formen, malerisch flimmernde Ornamente. Seit etwa 720 fanden Bildmotive des Vorderen Orients (Tiere und Fabelwesen) Aufnahme (orientalisierender Stil). Die gleichen geometrischen Stilgrundsätze wie die Tongefäße zeigen Schmuckstücke und Geräte sowie Kleinplastiken aus Metall, Elfenbein und Ton. Baukunst Die Baukunst entwickelte sich im 8. und 7.Jahrhundert v.Chr. am Tempelbau, dessen Grundform die rechteckige, ihr Licht nur vom Eingang her empfangende Cella war. Die Cella erhielt eine Vorhalle mit zwei Säulen oder wurde mit einer Ringhalle von hölzernen Stützen umgeben (Peristase). Die Formen der ursprünglich aus Holz und Lehm errichteten Tempel wurden im späteren 7.Jahrhundert auf Steinbauten übertragen. Die ältesten Bauten des seit Mitte des 6.Jahrhunderts ausgeprägten dorischen Stils (dorische Ordnung) waren schwer und gedrungen (Korinth, Ägina, Korfu). Ihre Giebel wurden mit plastischen Bildwerken, die Metopen (Zwischenfelder) zwischen den Triglyphen (Dreischlitze) des Architravs mit Reliefs geschmückt (so in Selinunt, 540520). Als Baustoff diente verputzter Kalkstein, später Marmor. Säulen, Gebälk und Giebel wurden in feste Proportionen zueinander gebracht. Die Baukunst der klassischen Zeit klärte und verfeinerte die allmählich leichter und schlanker werdenden Formen (Zeustempel in Olympia, 470460; Parthenon, Athen, 448432; Poseidontempel von Sunion, um 430, und von Paestum, um 450). Im 4.Jahrhundert v.Chr. wurde der dorische Stil nur noch selten, in hellenistischer Zeit kaum noch verwendet. Von der ionischen Küste Kleinasiens ausgehend, entwickelte sich im 6.Jahrhundert v.Chr. die fortan gültige Form des ionischen Volutenkapitells und mit ihm der ionische Stil (ionische Ordnung), der schlanke Säulen von reich durchgebildeten Basen aufsteigen lässt, den Architrav in drei waagerechte Streifen gliedert und darüber mit einem Zahnschnittgesims schließt. In Ephesos und Samos entstanden Kolossaltempel mit doppeltem Säulenumgang (Dipteros). Der attisch-ionische Stil bildete eine reichere Kapitellform aus und den mit Skulpturen geschmückten, durchlaufenden Fries unter dem vorspringenden Gesims (Niketempel auf der Akropolis). Mit dem gegen Ende des 5.Jahrhunderts v.Chr. aufkommenden korinthischen Kapitell, gebildet aus einem korbartigen Kern und Akanthusblättern, setzte sich im Laufe des 4.Jahrhunderts v.Chr. der korinthische Stil (korinthische Ordnung) durch (Lysikratesdenkmal in Athen, 334). In der Zeit des Hellenismus verbreitete sich die griechische Baukunst bis weit in den Orient hinein. Neue Aufgaben bot der prunkvolle Ausbau der unter den Diadochen gegründeten königlichen Residenzen (Pergamon, Alexandria, Antiochia). In den Städten entstanden große Marktanlagen, die Hallen, Tempel und Rathäuser umfassten, ferner Theater, Bibliotheken (Alexandria, Pergamon), Palästren und Bäder. Bildhauerkunst Archaischer Stil: Mit dem Bau der großen Tempel in der 2.Hälfte des 7.Jahrhunderts v.Chr. entwickelte sich die monumentale Plastik des archaischen Stils (650500). Götter, Verstorbene und siegreiche Kämpfer wurden als nackte Jünglingsgestalten (Kuroi) in strenger, frontal ausgerichteter Haltung, in Schrittstellung und mit anliegenden Händen dargestellt. Gleichzeitig entstanden bekleidete weibliche Figuren als Verkörperungen von Göttinnen (Göttin mit dem Granatapfel, um 580560; Berlin, Antikensammlung), Verstorbenen und als Weihgeschenke (Koren). Neben der Freiplastik entwickelte sich die Reliefkunst der für die ersten dorischen Tempel gearbeiteten Metopen und Giebelfelder. Klassische Kunst: Die klassische Kunst setzte mit dem strengen Stil (500450) ihrer Frühzeit ein, als sich nach den Perserkriegen auch die Kunst zu neuer Blüte entfaltete. Die starre Gebundenheit des archaischen Stils wurde gesprengt, der menschliche Körper in anatomisch verstandener Bewegung erfasst. An der Wende zu dieser Entwicklung entstanden die kämpfenden Krieger der Giebel des Aphaiatempels von Ägina. Die nach ihrem Äußeren gewaltigsten erhaltenen Werke des strengen Stils sind die Giebelbildwerke und Metopen von Olympia, kostbare Zeugnisse der klassischen Erzgießerkunst der »Wagenlenker von Delphi« (478474; Delphi, Archäologisches Museum) und der »Gott aus dem Meer« von Kap Artemision (um 480 v.Chr.; Athen, Archäologisches Nationalmuseum). Die meisten Bildwerke der griechischen Klassik sind nur durch römische Kopien v.a. des 1.3.Jahrhunderts n.Chr. bekannt. So wurden die Marmorgruppe der beiden Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton (Neapel, Archäologisches Nationalmuseum) nach einer 477 v.Chr. entstandenen Bronzegruppe kopiert und der »Kasseler Apoll« nach einem vielleicht von Phidias stammenden Werk. Hohe Klassik: Im Übergang vom strengen Stil zur hohen Klassik des 5.Jahrhunderts v.Chr. entstanden der »Diskuswerfer« und die Athena-Marsyas-Gruppe von Myron. Die überragenden Bildhauer des Jahrhunderts waren Phidias und Polyklet. Zu den Meisterwerken des Phidias zählen die monumentalen Standbilder des Zeus in Olympia und der Athena Parthenos im Parthenon zu Athen, von denen kleine Nachbildungen eine nur ungefähre Vorstellung vermitteln; zwei 1972 vor der Küste Kalabriens bei Riace gefundene Kriegerfiguren aus Bronze sind möglicherweise Originalwerke des Phidias. Unter Leitung des Phidias entstanden die Parthenonskulpturen (die Bildwerke der beiden Giebel, 92 Metopen) und der 160m lange Fries (Elgin Marbles). Sein Einfluss wirkte durch Mitarbeiter und Schüler bis Ende des Jahrhunderts fort. Polyklet entwickelte den Kontrapost und schuf v.a. Jünglingsgestalten aus Erz (Doryphoros, Diadumenos). Späte Klassik: In der Zeit der späten Klassik des 4.Jahrhunderts v.Chr. wandelte sich die heroische Auffassung in eine mehr persönliche Darstellung. Kephisodot schuf das Standbild der Friedensgöttin Eirene für den Markt in Athen, Praxiteles in meisterlicher Marmorbehandlung anmutige Bildwerke wie den Apoll Sauroktonos (»Eidechsentöter«), den »Hermes mit dem Dionysosknaben« und die Aphrodite von Knidos. Zu schlankeren Proportionen und freierer Bewegung gelangte Lysippos (Apoxyomenos). Gleichzeitig wirkten Skopas und in der 2.Hälfte des Jahrhunderts Leochares, der wie Lysippos Standbilder Alexanders d.Gr. schuf. In Athen blühte die Kunst der Grab- und Weihreliefs, durch deren Ausfuhr die attische Kunst weite Verbreitung fand. Hellenistische Kunst: Der Stil des Lysippos und seiner Schule leitete zur hellenistischen Kunst über, deren Bildhauer die körperliche Bewegung und den Ausdruck bis zu barockem Pathos steigerten. Hauptwerke aus dieser Spätzeit der griechischen Kunst entstanden v.a. in Pergamon (u.a. Sockelfries des Pergamonaltars). Zu Beginn des 2.Jahrhunderts v.Chr. datiert die Nike von Samothrake, gegen Ende die Aphrodite von Melos (beide Paris, Louvre). Die letzte barocke Steigerung lässt die Laokoongruppe erkennen (wohl aus dem 1.Jahrhundert; Rom, Vatikanische Sammlungen). Ihr nahe verwandt ist der oft kopierte »Kopf des blinden Homer«, der zu den bedeutendsten Werken der zu hoher Blüte entwickelten Bildnisplastik gehört. Im 1.Jahrhundert v.Chr. kam gleichzeitig eine klassizistische Richtung auf, der z.B. das an klassische Vorbilder anknüpfende Bildwerk des »Dornausziehers« zuzurechnen ist. Malerei Werke der Wand- und Tafelmalerei sind nicht erhalten. Ihre Entwicklung könnte der der griechischen Plastik analog und ebenbürtig verlaufen sein. Einige Tafeln aus Ton (Metopen von Thermos, Ende des 7.Jahrhunderts v.Chr.) oder Marmor (Scheibe mit Bild des Arztes Äneas; Athen, Archäologisches Nationalmuseum) zeigen flächig kolorierte Umrisszeichnungen. Die Grabmalereien von Elmali (Lykien) und Paestum (Tomba del tuffatore) bestätigen die Vermutung, dass sich die Monumentalmalerei vor der Mitte des 5.Jahrhunderts grundsätzlich nicht von der Vasenmalerei, besonders der des rotfigurigen Stils, unterschied (Vase). Von den Wandbildern des Polygnot in Athen und in Delphi (um 460) ist, wie von anderen Werken der klassischen Maler (Zeuxis, Apollodoros u.a.), nur der Inhalt der Darstellungen durch antike Beschreibungen bekannt. Pompejanische Fresken lassen nur Anlehnungen und Nachklänge erkennen. Am ehesten vermag die Mosaikkopie der Alexanderschlacht den Eindruck einer spätklassischen Monumentalmalerei zu vermitteln. Auch die Wand- und Tafelbilder des Apelles, des Hofmalers Alexanders d.Gr., mit denen die Malerei des Hellenismus einsetzte, sind nicht erhalten. Einen gewissen Ersatz für die verloren gegangenen Werke der hellenistischen Zeit bieten die Mosaikbilder des Dioskurides von Samos. Späthellenistische Beispiele des 1.Jahrhunderts sind die Wandgemälde der Villa von Boscoreale, der Mysterienvilla von Pompeji und die aldobrandinische Hochzeit. Kleinkunst Aus allen Zeiten der griechischen Kunst ist eine Fülle von Werken der Kleinplastik in Bronze und Ton (Menschen, Tiere und mythische Wesen darstellend) und der zu hoher Vollendung entwickelten Vasenmalerei (Vase ) erhalten. Einen besonderen Zweig der Terrakottaplastik bilden die Tanagrafiguren (Tanagra). Einzigartig sind auch die griechische Steinschneidekunst und die Münzprägung. römische Kunst, die Kunst der Römer und die unter ihrer Herrschaft entstandene Reichskunst. Die Erfolge Roms in den Punischen Kriegen führten im 2.Jahrhundert v.Chr. zur Herausbildung einer einheitlichen stadtrömischen Kultur, die in den sich ständig vergrößernden Machtbereich weitervermittelt wurde. Da die römische Kunst in starkem Maß politischen Zwecken und staatlicher Selbstdarstellung diente, blieb ihr eigentliches Zentrum Rom, wo die für das übrige Reichsgebiet maßgeblichen künstlerischen Ausdrucksformen entwickelt wurden. Die römische Kunst ist bestimmt durch die Verschmelzung von italischen (besonders etruskischen) und griechisch-hellenistischen Elementen. In den Provinzen und Regionen blieben die bodenständigen Traditionen zum Teil stark prägend. Während in vielen Bereichen die griechischen Vorbilder lediglich tradiert wurden (Idealplastik, Ornament), gewann die römische Kunst eine eigenständige Bedeutung in Architektur, Porträt und Relief. Beginn und Ende einer eigentlichen römischen Kunst sind nicht scharf begrenzt; allgemein bezeichnet man die Kunst der nachkonstantinischen Zeit bis zum Tode Justinians I. (565 n.Chr.) als spätantike Kunst; in ihr vermischen sich bereits frühchristliche und byzantinische Elemente. Baukunst: Sie bereicherte den Mittelmeerraum um zahlreiche Bautypen, u.a. das geschlossene Forum, die Basilika, die Thermen, das Amphitheater, das römische Theater mit halbrundem Zwischenteil und hohem Bühnenhaus, den Podiumtempel, den Triumphbogen, die Villa, ferner typische Formen des Straßen-, Brücken- und Wasserleitungsbaus unter Anwendung des Hausteinbogens sowie des im 2.Jahrhundert v.Chr. eingeführten Gussmauerwerks. Dieses erschloss neue Möglichkeiten auch für mehrstöckige Hochbauten, Wandgliederungen, weit gespannte Tonnengewölbe, Kuppeln, Voraussetzung für die großartigen Raumkörper der Kaiserthermen, Paläste und Kuppelbauten (Pantheon). Charakteristisch römisch ist weiter die Fähigkeit zur räumlichen Organisation, die sich v.a. in axialer Ordnung ausdrückte. Das ursprünglich streng geschlossene römische Atriumhaus wurde seit dem 1.Jahrhundert v.Chr. um griechische Peristyle, Exedren, Loggien u.a. erweitert (sichtbar noch in Herculaneum und Pompeji). Ausgeklügelte Raumfolgen zeigen die weitläufigen Paläste (Hadriansvilla bei Tivoli), ebenso die Kaiserthermen (Trajans-, Caracallathermen in Rom). Die Diokletiansthermen und die Maxentiusbasilika in Rom gehen bereits zu einem Pathos der Einfachheit über, die noch die frühchristlichen Kirchen des 5. und 6.Jahrhunderts prägte. Auch in den Provinzen entstanden mächtige Bauwerke (z.B. Nîmes, »Maison Carrée«; Split, Palast des Diokletian; Gesamtanlagen von Leptis Magna und Palmyra). Bildhauerkunst: Die meisten der in römischer Zeit entstandenen freiplastischen Werke sind mehr oder weniger freie Kopien griechischer Originale. Eigenständige Leistung der römischen Kunst ist die Porträtbüste; in der republikanischen Zeit nüchtern und mit herben Zügen, erreicht sie unter Augustus einen Höhepunkt an Individualisierung. Auch das Relief erreicht die reife Form des römischen Klassizismus (Ara Pacis Augustae). Ende des 1.Jahrhunderts wurden im Porträt typische Merkmale herausgearbeitet, dem verfeinerten Hofbildnis der 2.Hälfte des 2.Jahrhunderts (besonders bei den Antoninen) folgten im 3.Jahrhundert Verzerrung nicht scheuende Charakterbildnisse (Caracalla). Entsprechend wurde beim historischen Relief die Situationsschilderung (Titusbogen in Rom) seit dem 2.Jahrhundert ins Bedeutungshafte übersetzt (Trajanssäule in Rom, Trajansbogen in Benevent; Mark-Aurel-Säule und SeptimiusSeverus-Bogen in Rom; severisches Fries in Leptis Magna). Im 3.Jahrhundert füllen dicht gedrängte Figuren die tief zerklüftete Relieffläche (Ludovisischer Schlachtsarkophag, 1. Hälfte des 3.Jahrhundert n.Chr., Rom, Thermenmuseum). Zunehmende Erstarrung zeigen die oft überlebensgroßen Kaiserstatuen und -köpfe aus dem 4.6.Jahrhundert. Malerei: Auch in der Malerei herrschte zunächst der griechische Einfluss vor. Für die Wandmalerei überliefern die Vesuvstädte (Pompeji, Herculaneum, Stabiae, Oplontis) die reichste und geschlossenste Übersicht (frühes 1.Jahrhundert v.Chr. bis 79 n.Chr.). Die Bilder zeigen eine raumillusionistische Kunst (mit Ausnahme der Zeit von etwa 10 v.Chr. bis 40 n.Chr.), die Wände gleichen Bühnenfassaden und eröffnen Blicke in Gärten und Landschaften. Die Porträtmalerei ist nur aus dem Seitenzweig des ägyptischen Mumienbildnisses bekannt. Tafel- und Leinwandbilder sind verloren gegangen. Das 4.Jahrhundert bereitete mit neuer Intensität der Farbgebung spätantike und frühchristliche Malerei und Mosaikkunst vor. Das weit verbreitete römische Kunsthandwerk hat u.a. bedeutende Silberarbeiten (Hildesheimer Silberfund), Gläser (z.B. Diatretglas), Tongeschirr (Terra sigillata), Gemmen und Münzen hervorgebracht. frühchristliche Kunst (altchristliche Kunst), die christliche Kunst der Spätantike vom 3. bis 6.Jahrhundert, meist unter Abgrenzung von der byzantinischen Kunst und der armenischen Kunst. Thema der Katakombenmalerei und Mosaikkunst ist der christliche Erlösungsgedanke, ausgedrückt in Symbolen (Pfau, Taube, Fisch) sowie in alt- und neutestamentlichen Szenen. Die Bautätigkeit setzte ein im 4.Jahrhundert in Jerusalem mit dem Bau der Grabeskirche (326) und in Rom mit der Erlöserbasilika (San Giovanni in Laterano; 326), Alt-Sankt-Peter, San Paolo fuori le mura und im 5.Jahrhundert Santa Maria Maggiore. Neben diesen römischen Patriarchalbasiliken entstanden Kirchen v.a. in Ravenna (San Vitale, 547; Sant' Apollinare in Classe, 549) und Mailand. Bedeutende Zeugnisse frühchristlicher Kunst sind auch die Elfenbeinarbeiten, z.B. Kathedra des Bischofs Maximian in Ravenna (um 550; Ravenna, Erzbischöfliches Museum) sowie die Sarkophagreliefs, z.B. der Junius-Bassus-Sarkophag (359; Rom, Vatikanische Sammlungen), der Zwölf-Apostel-Sarkophag in Sant' Apollinare in Classe in Ravenna (5.Jahrhundert). Von der Buchmalerei ist wenig erhalten, so die aus Konstantinopel oder Antiochia stammende Wiener Genesis (6.Jahrhundert; Wien, Österreichische Nationalbibliothek). Die frühchristliche Kunst hatte großen Einfluss auf die gesamte abendländische Entwicklung. karolingische Kunst, die Kunst in dem von Karl d.Gr. geschaffenen Reich. Zentrum war sein Hof in Aachen, an den er Künstler zog, die der römischen oder byzantinischen, aber auch der angelsächsischen, merowingischen und langobardischen Tradition entstammten. Durch sein Bemühen um eine Erneuerung (»renovatio«) des römischen Imperiums (karolingische Renaissance) entstand aus diesen verschiedenartigen Strömungen der karolingische Stil, der die erste Stufe der abendländisch-mittelalterlichen Kunst ist. Die Blütezeit reichte vom Ende des 8. bis in die Mitte des 9.Jahrhunderts. Aus diesen Ansätzen entwickelten sich sowohl die deutsche Kunst als auch die französische Kunst. Der germanische Holzbau wurde durch den Steinbau ersetzt, im Gegensatz zur gleichzeitigen byzantinischen Bilderfeindlichkeit entstanden große christliche Bilderfolgen; die menschliche Figur verlor ihre ornamentale Bindung. Baukunst: In der Baukunst wurden verschiedene Bautypen übernommen, so aus Italien der Zentralbau in dem nach dem Muster von San Vitale in Ravenna errichteten Aachener Münster. Die altchristliche Basilika wurde durch Einbeziehung des Querhauses (Einhardsbasilika Steinbach [heute zu Michelstadt]), Erweiterung der Ringkrypta (Sankt Lucius in Chur, Sankt Emmeram in Regensburg), Ausbildung des die weitere Entwicklung in Gallien bestimmenden Chorumgangs mit Kapellenkranz (Saint-Martin in Tours), Anlage eines Westchors oder Westwerks (Abteikirche des Benediktinerklosters Corvey) und durch Vierungs- und Treppentürme bereichert. Das besterhaltene Beispiel einer Fassadendekoration bietet die Torhalle des Klosters Lorsch. Goldschmiedekunst und Wandmalerei: Die Bronzetüren und Emporengitter des Aachener Münsters belegen eine hoch entwickelte Gusstechnik. Beispiele der Goldschmiedekunst sind der Tassilokelch (Kremsmünster, Schatzkammer der Abtei), das Rupertuskreuz (Bischofshofen, Pfarrkirche), der Adelhausener Tragaltar (Freiburg im Breisgau, Augustinermuseum) und die Stephansbursa (Wien, Kunsthistorisches Museum). Reste von Wandmalerei sind im Westwerk der Abteikirche Corvey, in der Torhalle des Benediktinerinnenklosters Frauenchiemsee und in Sankt Johann in Müstair (Kanton Graubünden) erhalten. Buchmalerei und Elfenbeinarbeit: In Aachen entstand die »Hofschule« Karls d.Gr., aus der zahlreiche Buchmalereien und Elfenbeinarbeiten erhalten sind. Mit dem Codex aureus aus Lorsch (heute aufgeteilt auf Bibliotheken in Rom, Bukarest und London) sowie dem Dagulf-Psalter (Paris und Wien) haben sich Handschriften mit ihrem vollständigen Deckelschmuck erhalten. Die Elfenbeintafeln des Lorscher Evangeliars folgen fünfteiligen Diptychen frühchristlicher Zeit. Reines Nachleben spätantiker Formen zeigt die gleichfalls in Aachen beheimatete Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars. Mit der »Reimser Schule« (Ebo-Evangeliar, Épernay; Utrecht-Psalter, Utrecht) verlagert sich das Schwergewicht nach Westen. Weitere Zentren sind die »Schule von Tours« (Grandval-Bibel in London, Vivian-Bibel in Paris) und die wohl in Paris zu lokalisierende »Hofschule Karls des Kahlen« (Sakramentar und Psalter Karls des Kahlen, Paris). Zahlreiche spätkarolingische Elfenbeinarbeiten, neben mehreren Buchdeckeln der Kamm des hl. Heribert (Köln, Schnütgen-Museum), stammen aus Metz. Aus dem gleichen westfränkischen Raum kommen auch die bedeutendsten Goldschmiedearbeiten wie die Deckel des Codex aureus von Sankt Emmeram in Regensburg, das Arnulf-Ciborium (beide München) und der Goldaltar (»Paliotto«) von Sant'Ambrogio zu Mailand. ottonische Kunst, die Kunst im Zeitalter der Ottonen (um 9601024). Die unter den Saliern bis zum Regierungsantritt HeinrichsIV. (1056) entstandenen Werke werden als spätottonisch angeschlossen. Im Unterschied zur vorausgehenden karolingischen Kunst befreite sich die ottonische Kunst zunehmend von der spätantiken Tradition und steht damit am Beginn einer eigentlichen deutschen Kunst. Nach der Heirat OttosII. mit der byzantinischen Prinzessin Theophano wurden byzantinische Einflüsse wirksam. Die Eingliederung des Episkopats in die Reichsverwaltung durch OttoI. führte zu einer Einheit politischer und religiöser Zielsetzungen. Die künstlerischen Schwerpunkte lagen im kaiserlichen Stammland Sachsen mit Magdeburg. Hinzu kamen weitere Zentren: Köln, Essen, Fulda, Regensburg, Reichenau, Trier und Hildesheim, das unter Bischof Bernward eine besondere Blüte erfuhr. Die ottonische Kunst ist stilgeschichtlich Teil der Romanik in Europa und bezeichnet die Frühromanik in Deutschland. In der Baukunst entstand ein für die deutsche Architektur bis zur Gotik verbindlicher Kirchentypus: die kreuzförmige, dreischiffige Basilika mit zwei Querschiffen, zwei ausgeschiedenen Vierungen mit Türmen, zwei Chören und mit Stützenwechsel nach dem gebundenen System im Langhaus (Sankt Michael in Hildesheim, 101033). Den Kirchen ist häufig ein Westbau vorgelagert (Münster in Essen, 1039folgende), der von Treppentürmen flankiert sein kann. Charakteristisch sind ungegliederte Wandflächen, die in der Regel mit Wandmalereien bedeckt waren (Sankt Georg in Oberzell auf der Reichenau, um 990), und flache Holzdecken. Als neue Kapitellformen traten Würfel-, Trapez- und Pilzkapitell auf. Unter byzantinischem Einfluss entstand die Emporenbasilika (Stiftskirche in Gernrode, 961folgende). In der Bildhauerkunst entstanden die ersten selbstständigen Kultbilder aus Holz wie das Gerokreuz des Kölner Doms (um 970) und die mit Goldblech beschlagene Goldene Madonna des Essener Münsterschatzes (um 980). Eine außerordentliche Lebendigkeit der Gebärdensprache kennzeichnet nicht nur die Bronze- (Bernwardstür für Sankt Michael in Hildesheim, 1015; heute im Dom) und Elfenbeinreliefs (Buchdeckel des Codex aureus von Echternach, um 1040), sondern auch die Reliefs der Goldschmiedekunst. Zu den bedeutendsten Werken gehören das Antependium aus dem Basler Münster (um 1020), der von HeinrichII. gestiftete Ambo und die Pala d'Oro (um 1020) im Aachener Münster sowie das Reichskreuz (um 1024). Wichtigstes Zeugnis ottonischer Malerei ist die Buchmalerei, die in ihrer Vergeistigung und Monumentalität wesentlich von der Aussagekraft der Gebärde und dem Verzicht auf Ornamentalisierung bestimmt ist (Malerschulen: Reichenau, Echternach, Regensburg, Köln, Trier, Hildesheim). Romanik [von lateinisch romanus »römisch«] die, Epoche der abendländischen Kunst des frühen Mittelalters (um 9501250), die auf die karolingische Kunst folgt und von der Gotik abgelöst wird. Zur Frühromanik rechnen u.a. die ottonische Kunst und der normannische Baustil; die Hochromanik (in Frankreich 10001150, in Deutschland 10501150) wird in Deutschland auch als salische Kunst bezeichnet, die Spätromanik auch als staufische Kunst (11501250) oder als »Übergangsstil« (die Kunst der Stauferzeit in Deutschland und Italien zeigt spätromanische und frühgotische Stilformen, während in Frankreich bereits die Frühgotik vorherrscht). Baukunst: Bei den Kirchenbauten (Basiliken) sind die einzelnen Teile, Schiffe, Vierung, Querhaus, Chorpartie und Türme, klar voneinander abgesetzt; charakteristisch sind Doppelturmfassaden im Westen (Caen, Saint-Étienne, um 106477) oder ein Westwerk (Sankt Pantaleon in Köln, 984 bis um 1000), Vierungstürme sowie auch Türme am Ostabschluss (Dom in Speyer, um 1030folgende, und Worms, um 1120/25folgende). Das Gesamtbild wirkt geschlossen. Der frühromanische Kirchenraum war flach gedeckt. Im späten 11.Jahrhundert begann sich etwa gleichzeitig in Deutschland, Frankreich und der Lombardei die Wölbung durchzusetzen (zunächst Kreuzgrat-, später Kreuzrippengewölbe; in Frankreich außerdem Tonnengewölbe, in einzelnen Landschaften, besonders in Aquitanien, auch Kuppeln). Neben der kirchlichen Baukunst besteht eine bedeutende, weniger gut erhaltene Profanarchitektur: staufische Kaiserpfalzen (Gelnhausen, 1180 vollendet; Castel del Monte), Burgen und Stadtanlagen mit zahlreichen Türmen (als Teil des Verteidigungsringes oder als Wohntürme: Regensburg, San Gimignano). Bildhauerkunst: Die Bildhauerkunst steht in engem Zusammenhang mit der Sakralarchitektur. Neben das Relief (Bauplastik und Kleinplastik) traten im 11.Jahrhundert Großplastiken (Kultbilder wie Madonnen, Kruzifixe, Kreuzigungsgruppen). Höhepunkte bilden die Tympanonreliefs (Vézelay, Sainte-Madeleine) und die Gewändefiguren der Portale; besonders vielfältig ist der Schmuck der Kapitelle. Zu den plastischen Werken im Innenraum gehören u.a. auch Chorschranken und Taufsteine. Besonders im RheinMaas-Gebiet entstand eine bedeutende Goldschmiedekunst (Reliquienschreine, kirchliches Gerät) und Elfenbeinschnitzerei. Malerei: Von den großen Zyklen romanischer Wandmalerei ist nur wenig erhalten (u.a. SaintSavin-sur-Gartempe, frühes 12.Jahrhundert); in Italien tritt das aus der byzantinischen Kunst übernommene Mosaik zum Teil an ihre Stelle (Palermo, Capella Palatina, 113143). Tafelmalerei in Form von Retabeln und Antependien ist erst aus dem 12.Jahrhundert erhalten. Die Buchmalerei hat einen Höhepunkt im 11./12.Jahrhundert. Wandteppiche zum Teil großen Formats (Teppich von Bayeux; Abrahamteppich, zwischen 1165 und 1190, Halberstadt) zeigen die gleiche strenge Stilisierung wie Wand- und Buchmalerei. Von der sehr bedeutenden Glasmalerei sind wenige Beispiele erhalten, u.a. die Prophetenfenster im Augsburger Dom (1.Hälfte des 12.Jahrhunderts). Gotik die, Stilepoche der mittelalterlichen Kunst in Europa nach der Romanik, zugleich der selbstständigste Stil des Abendlands nach der Antike. Die Gotik entstand etwa ab 1140 in Nordfrankreich (Île-de-France) und verbreitete sich über Westeuropa, Mitteleuropa und (mit Einschränkungen) Südeuropa, abgewandelt durch die Eigenart der einzelnen Länder. Um 1420 wurde sie, zunächst in Italien, von der Renaissance abgelöst. Die Begriffsbestimmung Gotik geht ursprünglich auf die Baukunst zurück (gotischer Kathedralbau); der Begriff war in der Renaissance (G.Vasari) abwertend gebraucht worden. Eine positive, bis heute gültige Sicht und Wertung gelang erst der deutschen Romantik. Die Abfolge der Stilstufen wird mit früh-, hoch- und spätgotisch bezeichnet. Baukunst: In der Baukunst steigerte ein neues Raumgefühl den Kirchenbau zu mächtiger Höhe; der Innenraum wurde als Raumeinheit und nicht mehr als Summe von Einzelräumen empfunden. Der Chor ist oft durch einen Chorumgang mit Kapellenkranz erweitert. Ein dreiteiliger Laufgang, das Triforium, durchbricht in der Hochgotik die Wand zwischen Bogenstellungen und Fenstern, während in der Frühgotik die aus der Romanik übernommenen Emporen noch eine wesentliche Rolle spielen. Dem Streben des Bauwerks in die Höhe dient im Innern das Kreuzrippengewölbe: Die Kreuzrippe trägt das Gewölbe und leitet den Gewölbedruck zu den Pfeilern, die durch das nach außen verlegte Strebewerk von Strebebögen und Strebepfeilern gestützt werden. Im Kirchenraum verschmelzen die Pfeiler mit den die Rippen aufnehmenden Diensten zu Bündelpfeilern. Der Spitzbogen, dessen Seitenschub wesentlich geringer ist, ließ nun eine stärker vertikale und durchbrochene Gliederung zu. Die nun geringere Mauerstärke erlaubt zwischen den Strebepfeilern hohe, farbige Glasfenster, deren Zwickel mit oft kunstvollem Maßwerk gefüllt sind. Im Außenbau wird die Westfassade durch reiche Gliederung und durch mächtig emporstrebende Türme betont. Fialen krönen die Strebepfeiler, Kreuzblumen die mit Krabben geschmückten Türme. Ein wichtiges Schmuck- und Gliederungselement der Gotik ist das Maßwerk, das sich in den Bogenzwickeln großer Fenster und in Fensterrosen, an Brüstungen, Wimpergen, Portalen und Wandflächen findet. Die Bauten der Frühgotik (Sens, Senlis, Noyon, Laon, Paris) und der Hochgotik (Chartres, Soissons, Reims, Amiens) ließen einen nach Höhe und Tiefe gegliederten Raum entstehen, dessen einzelne Teile vom Beschauer nacheinander erlebt werden. Klöster, Schlösser, Burgen, später auch Rat- und Bürgerhäuser übernahmen die Formen der kirchlichen Baukunst. Erst in der Gotik begann die Stadt ein architektonisches Ganzes zu werden. Die hervorragendsten Bauten der französischen Gotik sind die Kathedralen von Laon, Bourges, Paris (Notre-Dame), Chartres, Reims und Amiens. In England entwickelte sich die Gotik zu einem durch reiche Schmuckformen gekennzeichneten Stil (Salisbury, Westminster-Abbey in London). Der deutschen Frühgotik gehören SanktElisabeth in Marburg und die Liebfrauenkirche in Trier an, der Hochgotik das Straßburger Münster und der Kölner Dom. Die deutsche Spätgotik entwickelte die Hallenkirche zum bevorzugten Raumtypus. Zu Höhepunkten der Spätgotik gehören die Bauten, die unter Beteiligung der Parler (Heiligkreuzkirche in Schwäbisch Gmünd, Veitsdom in Prag), H. Stetheimers des Älteren (Sankt Martin in Landshut), Ulrichs von Ensingen (Münster in Ulm) und M. Gertheners (Turm des Doms in Frankfurt am Main) entstanden. Sonderformen der Gotik entstanden auch in Italien und Spanien. Charakteristisch für den Norden Europas ist die Backsteingotik (Backsteinbau). Bildhauerkunst: In der Bildhauerkunst wurde die Ausbildung der Säulenportale die Voraussetzung für die Entstehung der aus dem Zusammenhang der Mauer herausgelösten, um eine eigene Körperachse gerundeten gotischen Gewändefigur. Wie in der Baukunst war Frankreich auch in der Bildhauerei führend (Chartres, um 1145; Senlis, um 1170). Die Hauptwerke der Blütezeit wurden für die Querhausportale in Chartres und die Kathedralen von Reims, Paris und Amiens geschaffen. Das 13.Jahrhundert war die große Zeit der Plastik auch in Deutschland, wo in staufischer Zeit die Bildwerke des südlichen Querschiffs in Straßburg und des Bamberger Doms, in der 2.Hälfte die Stifterfiguren und Lettnerreliefs des Naumburger Doms entstanden. Der die menschliche Gestalt immer mehr entkörperlichenden Hochgotik des 14.Jahrhunderts gehören die Pfeilerfiguren des Kölner Domchors an. In Italien schuf N.Pisano erstmals im gotischen Sinn gestaltete Gewandfiguren (Pisa, Kanzel im Baptisterium, 1260); die Statuen seines Sohnes G.Pisano für die Dome von Siena und Pisa sind Meisterwerke mittelalterlicher Skulptur. In der 2.Hälfte des 14.Jahrhunderts findet ein neuer Wirklichkeitssinn seinen Ausdruck, am stärksten in den Bildwerken P.Parlers in Prag und C.Sluters in Dijon. Seit 1380 verbreitete sich von Prag, Avignon und Burgund aus der Internationale Stil, auch Schöner Stil genannt; es war die letzte einheitliche Formensprache des Mittelalters. Einen eigenen Typus verkörpern die Schönen Madonnen. Gleichzeitig mit dem Aufkommen der deutschen Mystik entstand eine Gruppe von Holzskulpturen, die Andachtsbilder, die ihren Höhepunkt im 14./15.Jahrhundert erlebten. Die Spätgotik brachte die reichste Fülle an Holzbildwerken besonders für Flügelaltäre in Deutschland hervor (T.Riemenschneider und V.Stoß). Der spätgotische Schreinaltar vereinigt als eine Art »Gesamtkunstwerk« Architektur, Plastik und Malerei. Malerei: Der Malerei, die in der Zeit der Romanik die Kirchenwände mit Fresken bedeckt hatte, boten die auf karge Reste beschränkten Flächen des gotischen Kirchenraums keine Aufgaben mehr. An ihre Stelle trat die Glasmalerei. Nur wo die Gotik, wie in Italien, die Wandflächen wahrte, hatte das Fresko noch Raum. Dort schuf Giotto einen neuen monumentalen Stil, der bis in die Renaissance fortwirkte. Der reinste Vertreter der in Italien als Dolce Stil nuovo bezeichneten Gotik war Simone Martini. Der Kirchenbau im Norden hingegen verwies die Malerei weitgehend auf die Altäre, die so zu Wegbereitern des Tafelbildes wurden, das seit der 2.Hälfte des 14.Jahrhunderts nördlich der Alpen den Vorrang gewann. In den Niederlanden schufen R.van der Weyden und die Brüder van Eyck bedeutende Werke, in Deutschland traten u.a. A.Dürer und M.Grünewald hervor. Die Buchmalerei erlebte eine neue Blüte; v.a. Psalterien wurden als private Andachtsbücher kostbar ausgestaltet. Unter Philipp dem Guten erlebten Burgund und die Niederlande einen Höhepunkt der Miniaturmalerei (Stundenbuch des Herzogs von Berry). Kunsthandwerk: Im Kunsthandwerk der Zeit bilden Höhepunkte die kostbaren Werke der Goldschmiedekunst (Schreine, Monstranzen, Reliquiare), Kleinkunstwerke aus Elfenbein, Bildwirkereien (Apokalypse von Angers), Stickereien auf Klerikergewändern, schmiedeeiserne Beschläge. Musik: Eine Epoche »Musik der Gotik« oder »gotische Musik« ist nach musikalischen Gesichtspunkten nicht zu fixieren. Gleichzeitig mit den Stilabschnitten in der bildenden Kunst entwickelten sich um 1200 die Notre-Dame-Schule mit dem Hauptmeister Perotinus, im 13.Jahrhundert die Ars antiqua und im 14.Jahrhundert die Ars nova. italienische Kunst. Die auf der italienischen Halbinsel entstandene Kunst nach dem Niedergang des römischen Imperiums ist einerseits gekennzeichnet durch die individuelle Ausbildung lokaler Schulen, zeigt andererseits seit ihren Anfängen übergreifende Gemeinsamkeiten in der Bewahrung mittelmeerischer Traditionen. Sie wirkte für Jahrhunderte impulsgebend auf die abendländische Kunst. Architektur Der Beitrag der italienischen Kunst zur Ausbildung der Romanik war geringer als der Deutschlands und Frankreichs. Die aus der frühchristlichen Kunst hervorgegangene Baukunst entwickelte sich seit dem 11.Jahrhundert in landschaftlich stark voneinander abweichenden Stilvarianten. Deutschen und burgundischen Bauten verwandt sind die lombardischen Kirchen Oberitaliens: Sant' Abbondio in Como, Sant' Ambrogio in Mailand, San Zeno in Verona, Dome von Modena, Parma, Ferrara. Der antiken Überlieferung verbunden blieben die toskanischen Kirchenbauten, deren Fassaden besonders in Florenz durch farbige Marmorinkrustationen (Baptisterium; San Miniato), in Pisa (Dom) und Lucca durch Säulenarkaden gegliedert sind. In Unteritalien und auf Sizilien verbanden sich byzantinische, lombardische, normannische und sarazenische Einflüsse (Dome in Bari, Brindisi, Tarent und Cefalù; Martorana und Cappella Palatina in Palermo; Dom von Monreale). Rein byzantinisch ist der Zentralkuppelbau der Markuskirche in Venedig (1063 begonnen). Die ersten Bauten der Gotik waren nach burgundischer Art errichtete Zisterzienserkirchen (Chiaravalle bei Ancona, 1126folgende). Doch setzte sich im 13.Jahrhundert besonders in den Kirchen der Bettelorden bald italienischer Formwille durch, dem die Auflösung der Mauerflächen widerstrebte (San Francesco in Assisi, Santa Maria Novella und Santa Croce in Florenz). In italienisch abgewandelter Gotik wurden die Dome von Florenz, Siena, Orvieto und Mailand erbaut. Der Profanbau wurde seit dem 13.Jahrhundert bedeutend: Palazzo della Ragione, Mailand; Bargello, Florenz u.a. Gegenüber der nordischen Gotik blieben auch im Wohnbau die Wandflächen sehr viel geschlossener. Typisch sind die offenen, großbogigen Hallen; Loggien in Florenz, Bologna (Ende 14.Jahrhundert). Eine dem architektonisch Fantastischen zuneigende Abwandlung der Gotik entstand in Venedig: Dogenpalast, Casa d'Oro (142140). Die Frührenaissance setzte mit dem 15.Jahrhundert ein. Führend war Florenz, wo Brunelleschi, der Vollender der noch gotisch bestimmten Kuppel des Doms, den an die Antike anknüpfenden neuen Stil und mit ihm die Baukunst der Neuzeit begründete (San Lorenzo, Pazzikapelle; Santo Spirito). L.B. Alberti, der nächst ihm bedeutendste Baumeister der Zeit, ging auch als Theoretiker von der Antike aus. Michelozzo baute in Florenz den Palazzo Medici, der maßgebend für den Palastbau wurde. In Urbino schuf L. Laurana den Herzogspalast. In der Lombardei entstanden Ende des Jahrhunderts die noch der Frührenaissance angehörenden Bauten Bramantes. Die Hochrenaissance des 16.Jahrhunderts sammelte alle künstlerischen Kräfte in Rom. 1506 erhielt Bramante den Auftrag für den Neubau der Peterskirche. Sein Entwurf eines ganz in sich ruhenden, alle Teile harmonisch zusammenschließenden Zentralbaus war der vollkommenste Ausdruck des Ideals der Renaissance, wurde aber in veränderter Form ausgeführt. Unter den ihm in der Bauleitung folgenden Architekten (Raffael, G.da Sangallo, B.Peruzzi, A.da Sangallo d.J.) bestand im Widerstreit mit neu aufkommenden Langhausplänen lange Ungewissheit über die Fortführung des Baus. Michelangelo, der in Florenz die Grabkapelle der Medici und die Biblioteca Laurenziana geschaffen hatte, wurde 1547 Bauleiter der Peterskirche. Von den römischen Palastbauten ist der großartigste der Palazzo Farnese (von A.da Sangallo d.J. und Michelangelo). Der führende Baumeister Venedigs war J.Sansovino. A.Palladio begründete mit seinen in Vicenza und Venedig geschaffenen Bauten die klassizistische Richtung der Spätrenaissance, die vorbildlich für ganz Europa wurde. Die Baukunst des Barock begann in Rom mit G.da Vignolas Jesuitenkirche »Il Gesù« (Fassade von Giacomo Della Porta) Ende des 16.Jahrhunderts. Der Versuch, dynamische Bewegtheit in der Architektur zum Ausdruck zu bringen, setzte sich fort bei G.L. Bernini (Sant' Andrea al Quirinale, Gestaltung des Petersplatzes, Rom) und steigert sich bei F.Borromini (San Carlo alle Quattro Fontane, Rom). Neben ihnen wirkten C.Rainaldi und P.da Cortona. Über Borromini hinaus führte G.Guarini mit seinen Hauptwerken in Turin. Der Palastbau spielte eine bedeutende Rolle, u.a. Palazzo Barberini (Entwurf von C.Maderna), die Paläste Montecitorio und Propaganda Fide (Borromini), alle in Rom. Im 18.Jahrhundert schuf F.Iuvara in Turin und Piemont eindrucksvolle Kirchen. In Rom entstanden die Spanische Treppe von F.de Sanctis und die Fontana di Trevi von N.Salvi. Vertreter des Klassizismus im letzten Drittel des 18.Jahrhunderts und im frühen 19.Jahrhundert sind G.Piermarini in der Lombardei und G.Valadier in Rom. Allgemein herrschte ein Eklektizismus vor. Zu den Wegbereitern der Architektur des 20.Jahrhunderts gehörten L.Figini, G.Terragni und A.Sant' Elia. Der Neoklassizismus der faschistischen Zeit hemmte vorerst die weitere Entwicklung. Nach dem Zweiten Weltkrieg ergaben sich neue und interessante Lösungen (F.Albini, INA-Gebäude Parma, 1951; P.L. Nervi, Sportpaläste und Stadion in Rom, 195660; G.Ponti, Pirelliturm, Mailand, 195559; G.Michelucci, Autobahnkirche bei Florenz, 196168). Vertreter der in den 60er-Jahren begründeten Richtung der rationalen Architektur sind A.Rossi, C.Aymonino u.a. Die Architektur der 1980er- und 90er-Jahre ist v.a. von einem maßvollen Rückgriff auf traditionelle italienische Bauformen gekennzeichnet (Viertel »Campo di Mare« auf der Insel Giudecca in Venedig, 1985; Avelino-Theater in Rom, 1987; Piazza Kennedy in Matera, 198891). Portoghesi baute 197678 das Islamische Zentrum und eine Moschee am Stadtrand von Rom. Die behutsame Umgestaltung des Umfeldes des Fußballstadions »Santa Nicola« in Bari (198790) gelang R. Piano. Bildhauerkunst Romanik: Die Plastik des 11.Jahrhunderts war schilderungsfreudig (Bronzetüren San Zeno, Verona), aber den Sinn für Körperlichkeit und Monumentalität weckte erst um 1100 Meister Wiligelmus von Modena (Portalskulpturen des Domes). Nach ihm wirkte sein Schüler Niccolò, dessen Gewändefiguren (Hauptportal des Doms von Ferrara, 1135) in die Gotik weisen. In den Werken B.Antelamis begann die Auseinandersetzung mit der französischen Plastik. Die Bronzetüren des Barisanus von Trani stehen unter byzantinischem Einfluss. Ihn überwand erst jene die Antike erneuernde Plastik, die FriedrichII. um 1230 ins Leben rief (Tor in Capua, staufische Kunst). Mit G.Pisano setzte sich gegen Ende des 13.Jahrhunderts die Gotik durch, die mit seinen Werken auch ihren Höhepunkt erreichte (Brunnen in Perugia, 1278, Kanzeln in Pistoia, 1301, und Pisa, 1312). Begrenzter in ihren Möglichkeiten waren A.Pisano und sein Schüler A.Orcagna. An der Antike geschult sind N.Pisano und Arnolfo di Cambio. Ein neuer Wirklichkeitssinn bestimmte die Frührenaissance des 15.Jahrhunderts. Gotisches Erbe wirkte in den Werken L.Ghibertis und auch noch in der Kunst Donatellos fort, dessen Aktstatue des David (nach 1427, Florenz), sein Reiterdenkmal des Gattamelata (144753, Padua) ebenso wie sein malerischer Reliefstil Neuschöpfungen in antikem Geiste sind. Unter den in Florenz tätigen Bildhauern ragen als Meister farbig glasierter Tonbildwerke L. und A.della Robbia hervor, als Marmorbildhauer die Brüder A. und B.Rossellino und Desiderio da Settignano, als Bronzeplastiker A.del Pollaiuolo und A.del Verrocchio (Reiterdenkmal des Colleoni in Venedig). Iacopo della Quercia war in Siena tätig. Die Plastik der Hochrenaissance kann sich an Fülle der Begabungen mit der des 15.Jahrhunderts nicht messen. In Florenz und Rom arbeitete A.Sansovino. Alle übertraf Michelangelo, der über die Renaissance und ihr klassisches Maß weit hinausreichende Bildwerke schuf, seine gewaltigen Pläne (Medici-Gräber, Florenz; Grabmal Papst Julius'II., Rom) aber nur zum Teil verwirklichen konnte. Das unvollendete Werk bei Leonardo und Michelangelo war charakteristisch für die Suche nach der vollkommenen Form, die im Manierismus infrage gestellt wurde (B.Cellini, Giambologna). Im Barock des 17.Jahrhunderts wurde der die gesamte europäische Bildhauerkunst bestimmende neue Stil von G.L. Bernini in Rom geschaffen (Ausstattung in Sankt Peter; Brunnen: Vier-Ströme, Il Moro, Fontana Tritone). An Bernini orientierten sich auch die Bildhauer des 18.Jahrhunderts. Gegen Ende des Jahrhunderts setzte sich mit der Kunst A.Canovas der Klassizismus durch. Überragende Persönlichkeit Ende des 19.Jahrhunderts war M.Rosso. In der Moderne erreichte die italienische Bildhauerkunst internationale Bedeutung durch Arbeiten von A.Martini, M.Marini, G.Manzù und A.Pomodoro. L.Fontana beeinflusste u.a. die seit Mitte der 60er-Jahre entstandene Arte povera (M.Merz, G.Paolini, G.Penone). Heute ist die Bildhauerei fast vollständig in der Objekt- und Installationskunst aufgegangen. Malerei In der Romanik herrschte byzantinischer Einfluss vor. Ihn suchte gegen Ende des 13.Jahrhunderts Cimabue in Florenz zu überwinden. Eine neue Epoche begann in der Gotik mit Giottos Werken; mit seinen im Monumentalstil geschaffenen Fresken der Arena-Kapelle in Padua (zwischen 1304 und 1313) eröffnete er der Malerei neue Wege. Zu seinen unmittelbaren Nachfolgern in Florenz gehören T. und A.Gaddi. Gleichzeitig wirkte, der Vergangenheit enger verbunden, Duccio in Siena, wo nach ihm Simone Martini, P. und A.Lorenzetti tätig waren. In Pisa entstanden die großen Freskenfolgen des Camposanto. Die wirklichkeitsnahe Malerei der Frührenaissance kam mit den Fresken Masaccios in Florenz zum Durchbruch (Brancacci-Kapelle, wohl ab 1426). Während P.Uccello und A.del Castagno die plastisch-räumliche Erscheinung mithilfe der Perspektive realistisch erfassten, lebte in den zarten Bildern Fra Angelicos noch die Gotik fort. Spätgotische Elemente verbanden sich mit dem neuen Wirklichkeitssinn in der Kunst Fra Filippo Lippis und seines Schülers S.Botticelli, neben dem in der 2. Hälfte des 15.Jahrhunderts D. Ghirlandaio und Filippino Lippi wirkten. Die bedeutendsten Maler außerhalb von Florenz waren in Mittelitalien Piero della Francesca, Melozzo da Forì, L.Signorelli, P.Perugino und Pinturiccho, in Padua A.Mantegna, in Venedig die Brüder Bellini und V.Carpaccio. Die frühesten Werke der Hochrenaissance sind die mit zarter Verschmelzung von Licht und Schatten gemalten Werke Leonardo da Vincis. Raffael verwirklichte in seinen Fresken (Stanzen des Vatikans) und Tafelbildern (Sixtinische Madonna) am reinsten das Ideal der Hochrenaissance, das sich in den Fresken Michelangelos (Sixtinische Kapelle) bereits zu barocken Gestaltungen wandelte. Die Malerei der venezianischen Hochrenaissance ging von Giorgione aus und gipfelte in den Werken Tizians, neben dem Palma Vecchio zu nennen ist. In Parma wurde A.Correggio durch illusionistische Kuppelfresken ein Wegbereiter des Barock. Schon in den 20er-Jahren des 16.Jahrhunderts setzte der Wandel zum Stil des Manierismus ein, so v.a. in Florenz bei I.da Pontormo und A.Bronzino, in Parma bei Parmigianino. Das überragende Werk Tintorettos drückte die religiöse Ergriffenheit jener Zeit (Gegenreformation) am stärksten aus, während P.Veronese davon unberührt blieb. Die Malerei des Barock entstand an der Wende zum 17.Jahrhundert in Rom; Caravaggio entwickelte die in ganz Europa fortwirkende Helldunkelmalerei (MatthäusBilder in San Luigi dei Francesi in Rom, 1602). Die akademische Richtung der europäischen Barockmalerei ging v.a. von A.Carracci und seinen Fresken im Palazzo Farnese in Rom aus (15971604). Unter den zahlreichen v.a. in Rom tätigen Malern ragen Domenichino, Guercino, G.Reni, G.Lanfranco und P.da Cortona, die Meister illusionistischer Deckenfresken, hervor, in Neapel der Spanier J.de Ribera und S.Rosa. Im 18. Jahrhundert war in der Malerei Venedig führend, wo S. Ricci, G.Piazzetta und G.B. Tiepolo wirkten. Venezianische Stadtansichten schufen die beiden Canaletto und F.Guardi; nachhaltige Wirkung übte G.Piranesi mit seinen Kupferstichfolgen (»Carceri«) aus. G.M. Crespi malte in Bologna, A.Magnasco in Genua. Im 19. Jahrhundert war die Malerei in Italien von geringer Bedeutung; das Werk von G.Segantini ist eher der schweizerischen Kunst zuzuordnen. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts suchte der Futurismus einen neuen Beginn (U.Boccioni). G.De Chirico und C.Carrà gaben mit ihrer Pittura metafisica das Vorbild neuer Bildgesetzlichkeiten, deren weitreichende Folgen u.a. bei der Entstehung der surrealistischen Malerei sichtbar sind. Der Rückgriff auf die Sachlichkeit frühitalienischer Meister bestimmte nachdrücklich auch die lyrischen Schöpfungen G.Morandis. In den Bereich der École de Paris gehört A.Modigliani. Der italienische Beitrag zur gegenstandslosen Malerei ist bedeutend: Afro, S.Santomaso, A.Corpora, E.Vedova. Den sozialistischen Realismus repräsentiert R.Guttuso. Der experimentellen Kunst wandte sich L.Fontana zu. Die Grenzen zwischen Malerei und Plastik sind wie überall in der zeitgenössischen Kunst aufgehoben. Die Objekte von M.Merz, G.Penone und J.Kounellis gehören zur Arte povera. Seit Ende der 1970erJahre entwickelten sich avantgardistische Richtungen wie z.B. Arte cifra mit den Künstlern M.Paladino, S.Chia, E.Cucchi und W.de Maria. Im Anschluss an diese Strömungen bildete sich eine Kunstrichtung heraus, die im Zuge der postmodernen Diskussion spielerisch die bestehenden Formen kombiniert. Renaissance ['ã, französisch »Wiedergeburt«] die, die Zeit von etwa 1350 bis in die Mitte des 16.Jahrhunderts als die Zeit der Wiedererweckung des klassischen Altertums und des Wiederaufblühens der Künste, dann der kulturelle Zustand der Übergangszeit vom Mittelalter zur Neuzeit, besonders in Italien (italienisch rinascita). Der Begriff steht in Beziehung zu dem des Humanismus, richtet sich aber auf die Gesamtkultur des Zeitraums. Seit dem 19.Jahrhundert ist er auch gebräuchlich für andere geistige und kulturelle Bewegungen, die bewusst an ältere Traditionen anknüpfen (z.B. die karolingische Renaissance). Allgemeines: Renaissance als Epochenbegriff ist im 19.Jahrhundert u.a. von J.Michelet und J.Burckhardt geprägt worden. Die damit verbundene Vorstellung der »Wiedergeburt« ist bereits im 14./15.Jahrhundert in Italien belegt. Seit dem 18.Jahrhundert (Voltaire, E.Gibbon) galt die gesamte italienische Kultur des 14.16.Jahrhunderts als richtungweisend für die europäische Entwicklung. Für J.Burckhardt schließlich wurde die (weltliche) Ausprägung der Persönlichkeit zum wichtigsten Merkmal der Renaissance. Die Forschung des 20.Jahrhunderts (K.Burdach, J.Huizinga, E.R. Curtius) weist wieder auf die Kontinuität der Bewahrung antiker Kultur schon im Mittelalter in den Klöstern hin, dennoch bleibt Renaissance als Epochenbegriff für die Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit erhalten. Seit der 2.Hälfte des 14.Jahrhunderts begann bei den selbstbewussten, reichen Fürstenhöfen und Stadtrepubliken Norditaliens und Mittelitaliens die Lösung von der mittelalterlichen kirchlichen und feudalen Ordnung und damit eine gesellschaftliche Umstrukturierung, in deren Folge eine von Adel und Bürgertum getragene weltliche Kultur entstand. In den Stadtstaaten kam eine neue Staatskunst auf, die mit der Lehre von der Staatsräson (N.Machiavelli) in Europa dem politischen Realismus zum Durchbruch verhalf. Der durch den Handel hervorgebrachte Reichtum hatte verfeinerten Lebensgenuss, Bejahung der Sinnlichkeit, v.a. aber Mäzenatentum zur Folge; die Künstler erhielten Aufträge, um den Ruhm der Herrschenden zu verewigen. Die Renaissance blieb nicht auf die Stadtstaaten Italiens beschränkt (um 1450 hatte sich auch im päpstlichen Rom eine ganz der neuen Kultur verpflichtete Atmosphäre entwickelt), sondern erstreckte sich mit zeitlicher Verzögerungen über große Teile Europas. Das Renaissancezeitalter war nicht nur das der großen geographischen Entdeckungen (Entdeckungsgeschichte), sondern auch ein Zeitalter der Bildungsreisen. Durch die Italienfeldzüge KarlsVIII. und LudwigsXII. kam die Renaissancekultur nach Frankreich. Nördlich der Alpen bestimmten die religiösen, politischen und wirtschaftlichen Kämpfe von Reformation und Bauernkrieg die Zeit. Zugleich trugen Gelehrte und Erfinder dort wesentlich zu einem neuen Weltbild bei (Kopernikus, R.Agricola, J.Gutenberg). MaximilianI. förderte im Heiligen Römischen Reich umfassend Kunst und Kultur; in Ungarn verkörperte MatthiasI. Corvinus den Typ des Renaissancefürsten, ähnlich in Polen-Litauen SigismundI. mit seinem Krakauer Hof. In Südosteuropa war die Adelsrepublik Ragusa (Dubrovnik) in Anlehung an Italien ein Zentrum der Renaissance. Kunst: Die charakteristischen Züge der Renaissance sind am deutlichsten in der bildenden Kunst und Architektur verwirklicht, besonders in der Italiens. Hier löste der neue Stil seit etwa 1400 die Gotik ab (Frührenaissance), erreichte um 14901510 seinen Höhepunkt (Hochrenaissance) und erlebte 1510/201600 noch eine lange, stilistisch durch neue Merkmale geprägte Phase (Spätrenaissance, meist dem Manierismus gleichgesetzt). Die Erforschung des Überlieferungsbestandes wird erleichtert durch die reiche Kunstliteratur aus der Zeit. Im Unterschied zum Mittelalter sind nun volle Signaturen und biografische Fakten bekannt (u.a. durch Vasari). Schon Vasari spricht von der »Rinascita« (»Wiedergeburt«) der Kunst seit dem 14.Jahrhundert und meinte damit die durch die Überwindung des Mittelalters wieder erstehende Kunst, die sich erstmals seit der Antike wieder am Naturvorbild orientierte. Unter Naturvorbild wird aber nicht getreue Abbildung der Wirklichkeit verstanden, sondern die Veranschaulichung der vollkommenen Natur, der Natur in ihrer Idealität. Für dieses Ziel der Renaissance konnte die Antike Vorbild sein. Der Übergang von der Gotik zur Renaissance war fließend (Vorstufen bilden z.B. die Fresken Giottos oder die Triforiumsbüsten P.Parlers im Veitsdom von Prag). Frührenaissance: Ausgangspunkt und Zentrum der Frührenaissance war das republikanische Florenz. Am Beginn der Kunst der Frührenaissance steht die Skulptur. Donatello und Nanni di Banco schufen die Statue der Neuzeit, in der nicht mehr das Gewand Ausdrucksträger ist, sondern der in seiner organischen Funktion begriffene menschliche Körper. Dabei wird das antike Prinzip des Ausgleichs zwischen Spiel- und Standbein (Kontrapost) wieder aufgenommen. Den Reliefstil der Renaissance prägte Ghiberti (Paradiestür des Baptisteriums, Florenz, 142552), nachdem F.Brunelleschi mit seinem als Wettbewerbsentwurf für das Baptisterium entstandenen Relief (140103) eine Vorreiterrolle zuzuweisen ist. Während Donatello den Schritt zur frei stehenden Figur tat (»David«, 1435, Florenz, Bargello; Reiterstandbild des Gattamelata in Padua, 144753), entwickelte Brunelleschi in der Architektur aus den antiken Elementen eigene Proportions- und Gestaltungsvorstellungen, deren Maß der Mensch ist im Unterschied zur gotischen Kathedralbaukunst, die den Menschen übersteigen will. Die Säule wird als das dem menschlichen Körper am engsten verwandte Architekturglied verwendet; jedes einzelne Element wird sowohl zu dem benachbarten Element als auch zu dem Gesamten des Baues in ein wohl berechnetes Verhältnis gesetzt. Die bedeutende Bautätigkeit Brunelleschis in Florenz, wo er seit 1418 wichtige Aufträge erhielt, beeinflusste die gesamte weitere Entwicklung der Renaissancearchitektur. Masaccio übertrug die von Brunelleschi entwickelten Regeln der zentralperspektivischen Projektion auf die Gemäldefläche (Dreifaltigkeitsfresko in Santa Maria Novella in Florenz, um 142628). Außerhalb von Florenz setzten u.a. A.Mantegna, Piero della Francesca, Perugino, L.Signorelli und in Venedig Giovanni Bellini die neue Kunstauffassung um. Hochrenaissance: In der Hochrenaissance wurden diese Ideen im Wesentlichen von Bramante in der Architektur, von Leonardo da Vinci und Raffael in der Malerei und von Michelangelo in der Bildhauerei und Malerei weiterentwickelt und in Rom zu höchster Blüte gebracht. Die frühesten Zeugnisse der Hochrenaissance waren neben Leonardos »Abendmahl« (149597; Mailand, Santa Maria delle Grazie) die Skulptur der »Pietà« von Michelangelo (14981500; Rom, Peterskirche) und der Zentralbauentwurf Bramantes für den Neubau der Peterskirche in Rom. In der Architektur lebt die Hochrenaissance fort im Gartensaal der von Raffael um 1516/17 entworfenen Villa Madama und den beiden ersten Geschossen des Palazzo Farnese (begonnen 1534 von A. da Sangallo dem Jüngeren) in Rom. Höhepunkte der Renaissancemalerei sind die Fresken Raffaels in den Stanzen des Vatikans (150817) und die monumentale Deckengestaltung in der Sixtinischen Kapelle durch Michelangelo (150812). Die Einfachheit und Klarheit dieser Werke werden im Spätstil Raffaels wie Michelangelos (das »Jüngste Gericht« auf der Altarwand der Sixtinischen Kapelle, 153441) durch einen zunehmend schwierigeren Bildaufbau, eine kompliziertere Formensprache und Themendeutung abgelöst, die auf einen neuen Stil verweisen, den Manierismus. In Venedig fanden die ästhetischen Vorstellungen der Hochrenaissance in den Gemälden Giorgiones eine poetische Ausformung und blieben im Werk Tizians und Tintorettos länger wirksam. Als 1527 die Truppen KarlsV. Rom plünderten (Sacco di Roma), war dort jedoch die Zeit der Hochrenaissance bereits vorbei. Deutschland und Niederlande: Im 15.Jahrhundert sind nördlich der Alpen gewisse Parallelentwicklungen zu den Neuerungen der Kunst in Italien festzustellen. Zentren sind hier besonders die reichen Handelsstädte in Flandern und Süddeutschland. Einige niederländische und süddeutsche Bildhauer (H.Multscher, N.Gerhaert von Leyden) und Maler (R.Campin, Jan van Eyck, Rogier van der Weyden, L.Moser, K.Witz) zeigen die gleiche Leidenschaft für die Darstellung von Körper und Raum sowie deren wechselseitige Beziehung wie die Renaissancekünstler in Florenz. Allerdings befassen sie sich nicht mit den theoretischen Gesetzmäßigkeiten, vielmehr steht die Beobachtung im Vordergrund. Im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts entsteht hier wie dort, unabhängig voneinander, das individuelle Porträt. Für die Zeit von 146070 spricht man von einer »Regotisierung«, was ebenso in Italien zu beobachten ist. Im 16.Jahrhundert erreichte das Vorbild der italienischen Renaissance fast alle europäischen Länder. Die souveräne Verarbeitung der italienischen Renaissance ist A.Dürer, der sich 1494/95 und 150507 in Italien aufhielt, gelungen. Auch die Maler H.Holbein der Jüngere, L.Cranach, M.Grünewald und A.Altdorfer nahmen Elemente der italienischen Hochrenaissance auf, sehr stark z.B. H.Burgkmair, in der Plastik H.Leinberger, C.Meit, P.Vischer der Jüngere, H.Daucher, L.Hering und P.Flötner. In der Baukunst der deutschen Renaissance wird der italienische Einfluss u.a. in der Grabkapelle der Fugger in Augsburg (150918) oder im Bau der Landshuter Residenz (153643) fassbar. In der Weser-Renaissance und im Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses (1556folgende) zeigen sich auch niederländische Einflüsse. Die durch niederländische Kupferstecher verbreiteten Stiche italienischer Architektur und Gemälde führten im 16.Jahrhundert zum Romanismus. Bestimmend für die weit ausstrahlende manieristische Bauornamentik der 2.Hälfte des 16.Jahrhunderts wurde C.Floris. Frankreich, England und Spanien: Der künstlerische Einfluss der italienischen Renaissance in Frankreich kam seit dem Aufenthalt Leonardo da Vincis am französischen Königshof (1517) und über den unter Einfluss Bramantes stehenden französischen Architekten und Architekturtheoretiker P.Delorme zur Geltung. Eine Reihe der Loire-Schlösser zeigen den französischen Formenkanon. Die Malerei zeigt bei J.Fouquet, J.Perréal und J.Clouet den Einfluss der klassischen italienischen Renaissance, den italienischen Manierismus trug die erste Schule von Fontainebleau nach Frankreich. Für die manieristische Architektur wurde der von B.Peruzzi beeinflusste S.Serlio wichtig. In England verschmolzen italienische Einflüsse mit Elementen der Gotik zum Tudorstil und zum elisabethanischen Stil. In der Malerei setzte sich die Renaissance seit dem ersten Aufenthalt (152628) von H.Holbein dem Jüngeren in England durch. In Spanien gehören der Palast KarlsV. in der Alhambra (1526folgende) und die Kathedrale in Granada, 1523 im gotischen Stil begonnen und 1528 von D.de Siloé im Renaissancestil weitergebaut, zu den Zeugnissen reiner Renaissancebaukunst sowie aus der zweiten Jahrhunderthälfte der Escorial. In der Malerei führte P.Berruguete den Stil der italienischen Renaissance ein, sein Sohn A.Berruguete ist ein Hauptvertreter des spanischen Platereskenstils in Dekoration und Baukunst der ersten Hälfte des 16.Jahrhunderts. Die Wirkung der Renaissance blieb nicht auf das 16. und zum Teil noch 17.Jahrhundert beschränkt; sie erlangte erneut Bedeutung im Klassizismus (18./19.Jahrhundert) und Historismus (19.Jahrhundert). Literatur: Der Geist des Humanismus bestimmte auch die Literatur der Renaissance. In Florenz wurde klassisches Latein schon im letzten Viertel des 14.Jahrhunderts und seit 1397 auch Griechisch gelehrt, es bildeten sich humanistische Zirkel und 1459 wurde die Platonische Akademie gegründet. Mit F.Petrarca hatte die Rückbesinnung auf das klassische Latein und die Erneuerung der antiken Gattungen begonnen (u.a. Epistel, Ekloge, Biografie, Epos), gleichzeitig die Hinwendung zur Volkssprache, zur Nationalliteratur. L.Ariosto, T.Tasso und L.V. de Camoes schufen das Nationalepos. In der Dramatik begann mit dem Rückgriff auf die antiken Tragödien und Komödien das moderne europäische Theater. Eine Neuschöpfung der Renaissance war das höfische Festspiel, die Schäferspiele (Pastoralen) sind aufgrund ihrer oft auch musikalischen Aufbereitung Vorläufer der Oper. Einen Höhepunkt erreichte die Literatur der Renaissance mit dem elisabethanischen Drama (C.Marlowe, W.Shakespeare). Auch der europäische Roman erlangte durch M. de Cervantes Saavedra und F.Rabelais eine neue Qualität. Seit dem großen Erfolg von G.Boccaccios »Decamerone« verbreitete sich die neue Gattung der volkssprachlichen Novelle noch im 14.Jahrhundert in England (G.Chaucer), dann in Frankreich (Margarete von Navarra) und Spanien (Cervantes). Im 16.Jahrhundert blühte die Satire. In Deutschland ist die Literatur der Renaissance fast ausschließlich von humanistischer Gelehrsamkeit bestimmt (K.Celtis, U.von Hutten, N.Frischlin, Erasmus von Rotterdam). Erst die Bibelübertragung Luthers legte den Grund für eine Literatur in der Nationalsprache. Auch in den Ländern Osteuropas und Südosteuropas war die Renaissance oft ohne deren weltliche Grundhaltung entscheidend für die Ausprägung einer eigenen Literatursprache. Musik: Der Begriff Renaissancemusik ist insofern problematisch, als die antike Musik in praktischen Beispielen unbekannt war und somit keine »Wiedergeburt« erfahren konnte. Die führenden Komponisten der Renaissancemusik, das heißt der Musik des 15./16.Jahrhunderts, standen in der Tradition der niederländischen Musik, die sie nach Italien verpflanzten (mit Ausstrahlungen auch nach Deutschland) und deren Erbe die Meister der venezianischen und römischen Schule fortsetzten. Hauptmeister sind Josquin Desprez und A.Willaert, wichtig sind auch dessen Schüler (C. deRore, A.Gabrieli, N.Vicentino, G.Zarlino). Die bestimmenden Gattungen waren geistlicher Natur (Messe, Motette), erst in der Frottola und im italienischen Madrigal des 16.Jahrhunderts kündigte sich der Beginn der musikalischen Neuzeit an. Gleichwohl findet sich am Vorbild der Antike ausgerichtetes Denken bereits in der Musiktheorie seit der 1.Hälfte des 15.Jahrhunderts, dann bei J.Tinctoris, F.Gaffori, H.L. Glareanus, Vicentino, Zarlino, das schließlich den Boden für die Florentiner Camerata bereitete (V.Galilei, G.Caccini, J.Peri, P.Strozzi), deren Ziel die Wiederbelebung der (antiken) Gesangsmusik als Voraussetzung für einen instrumental begleiteten Sologesang war. Dies führte dann zur Herausbildung der Monodie und der Oper. Ausgehend von Liedbearbeitungen (Tabulaturen) für Laute oder Orgel (C.Paumann) entstand mit der Renaissance erstmals eine sich von den vokalen Formen ablösende Instrumentalmusik (Ricercar, Kanzone und Toccata, besonders für Tasteninstrumente). Aus der Familie der Violen entwickelten sich im 16.Jahrhundert die Violinen. Eine besondere Ausprägung erfuhr die Orgelmusik (J.P. Sweelinck). Im reformatorischen Deutschland entstand die evangelische Kirchenmusik. Manierismus der, von der jüngeren Kunstwissenschaft geprägter Stilbegriff für die Phase des Übergangs von der Renaissance zum Barock, auch gleichgesetzt mit der Spätrenaissance; in neuerer Zeit nicht nur auf die zeitlich begrenzte Periode des 16./17.Jahrhunderts bezogen, sondern auch auf die Endphase jeder Epoche. Der Manierismus, dessen Erscheinungsformen vielfältig und gegensätzlich sind, wurzelt in der Kunst der Hochrenaissance, verwandelt aber deren Prinzipien vielfach in ihr Gegenteil: Auflösung des Statischen zugunsten von Bewegungsabläufen; Neigung zu zentrifugal angelegten Kompositionen anstelle der von der Hochrenaissance bevorzugten Zentrierung; Darstellung des Unendlichen im Unterschied zum eindeutig Begrenzten; Aufhebung der Grenze zwischen Kunstraum und Realraum; Verwischung der Grenzen zwischen den Kunstgattungen; Negation der Realität zugunsten der Darstellung des Abnormen, Verformung der Figur zugunsten von Ausdruckssteigerung; ekstatische Versenkung neben Profanierung und akademischer Erstarrung. Die Wege zu den neuen gestalterischen Möglichkeiten öffneten der späte Raffael, Michelangelo und der junge Tizian. Hauptmeister in Italien waren die Maler Rosso Fiorentino, I.da Pontormo, Bronzino, G.B. Rosso, Parmigianino, L.Lotto, Tintoretto, G.A. Pordenone, J.Bassano und G.Arcimboldo, die als Universalkünstler tätigen G.Romano und G.Vasari, die Bildhauer B.Cellini und Giambologna sowie die Architekten B.Peruzzi und G.Vignola. Vertreter nördlich der Alpen waren M.van Heemskerck, P.Bruegel der Ältere, der Architekt C.Floris und der Bildhauer A.de Vries, in Frankreich die Schule von Fontainebleau und in Spanien El Greco. Bevorzugt wurden ausgefallene Naturformen von dem Keramiker B.Palissy. Aus der Kunstwissenschaft wurde der Begriff 1948 in die Literaturwissenschaft übernommen zur Bezeichnung der Übergangsphase von Renaissance zu Barock. Manierismus wird auch als Epochenbegriff oder zur Bezeichnung eines Kunststils verwendet; er umfasst die nationalen Stilhaltungen des Marinismus in Italien, des Gongorismus in Spanien, des Euphuismus in England, der französischen preziösen Literatur und des deutschen Barock. Die Wirklichkeit wird durch einseitiges Interesse am Problematisch-Interessanten, Bizarren und Monströsen ins Groteske und Fantastische verzerrt, ins Traumhafte aufgelöst und oft ins Surreale gesteigert. Sprachliche Kennzeichen sind u.a. überreiche Verwendung von Tropen, Metaphern und gelehrten Anspielungen jeder Art. Barock [aus französisch baroque, zurückgehend auf portugiesisch barroco, eigentlich »unregelmäßige«, »schiefe« Perle] der oder das, eine Epoche der Kunst hauptsächlich des 17. und des beginnenden 18.Jahrhunderts. Zunächst verwendete man den Begriff Barock abwertend im Sinn von »absonderlich«, »schwülstig«, seit dem 19.Jahrhundert zur Kennzeichnung der Spätform von Kunstentwicklungen überhaupt. Im 20.Jahrhundert wurde die Bezeichnung Barock zum Epochenbegriff, der auch Literatur und Musik des 17.Jahrhunderts umfasst. Der Barock ist die Kunst der Gegenreformation und des Absolutismus; Kirche und Aristokratie waren ihre wichtigsten Förderer. Ihr Streben nach Repräsentation verwirklichte sich v.a. in Größe und Pathos des Kunstwerks. Ausgehend von Rom, kam die Kunst des Barocks v.a. in den katholischen Ländern zu voller Entfaltung. Besonders die Jesuiten brachten sie nach Norden und nach Lateinamerika (Jesuitenstil). In den protestantischen Gebieten gab es kein geschlossenes Mäzenatentum, hier entstanden Einzelleistungen. Baukunst: In der Baukunst löste der Barockstil, dessen erste Elemente bereits in der Hochrenaissance auftreten, gegen Ende des 16.Jahrhunderts den Manierismus ab. Die Hauptkennzeichen der Architektur sind: starke Bewegtheit in geschwungenen Grund- und Aufrissformen, Unterordnung aller Einzelglieder unter das Ganze, Betonung der Kraft und der Spannung, gebrochene Giebel, reiches Schmuckwerk und malerische Gestaltung der Innenräume, die ein festliches Raumgefühl hervorrufen. Maßgebend für die europäische Entwicklung des neuen Stils waren die Bauten G.L. Berninis und F.Borrominis in Rom. Eine mehr klassizistische Richtung knüpfte an die Bauten A. Palladios in Vicenza und Venedig an. In Frankreich verhinderte die in allen Jahrhunderten herrschende klassizistische Tendenz die Entfaltung einer hochbarocken Architektur. Es entstanden besonders Schlossbauten mit streng ausgerichteten Parkanlagen (Versailles). Unter den Baumeistern ragen hervor F.Mansart, H.Levau und J.Hardouin-Mansart, als Gartenarchitekt A.Le Nôtre. In Deutschland, wo sich die Barockbaukunst erst im Spätbarock (seit etwa 1700) zu ihrer reichsten Blüte entfaltete, fand die europäische Entwicklung ihren glanzvollen Abschluss. In Österreich bauten J.B. Fischer von Erlach, L.von Hildebrandt und J.Prandtauer, in Böhmen die auch in Franken tätigen Baumeister der Familie Dientzenhofer. J.B. Neumann wirkte v.a. in Würzburg, A.Schlüter in Berlin, M.Pöppelmann und G.Bähr in Dresden, die Brüder Asam in Bayern. Die späten, kurz vor Beginn des Klassizismus besonders in Bayern entstandenen Bauten werden vielfach dem Rokoko zugerechnet, für das besonders in Bezug auf die deutsche Baukunst auch der Begriff Spätbarock üblich ist. Der Barock war das große Zeitalter der Stadtbaukunst. Stadtanlagen wurden nach großen Achsen hin orientiert (u.a. London, Amsterdam, Nancy, Mannheim, Kassel). Bildhauerkunst: Kennzeichnend für die Bildhauerkunst des Barocks ist ihre freie und malerische, meist stark bewegte Art der Gestaltung, die sich ins Ekstatische steigern kann. Der weithin wirkende Schöpfer des neuen Stils war C.L. Bernini in Rom. In Frankreich, dessen Bildhauer eine maßvollere Haltung wahrten, war ihm P. Puget am nächsten verwandt. In Deutschland fanden H.Reichle, J. Zürn und G. Petel den Weg vom Manierismus zum Frühbarock Unter den Bildhauern des Hochbarocks ragen A.Schlüter, B.Permoser und M. Guggenbichler hervor, im Spätbarock P. Egell und E.Q. Asam. J.A. Feuchtmayer und I.Günther näherten sich bereits dem Rokoko, G.R. Donner dem Klassizismus. Malerei: In der Malerei des Barocks traten neben religiösen Bildern, die den alten Stoffen neue Gegenwartsnähe verliehen, weltliche Darstellungen, wie Genrebilder und Landschaften, stärker hervor. Der Begründer der neuen, den Manierismus überwindenden Malerei war M. da Caravaggio, dessen realistischer Helldunkelstil in ganz Europa bahnbrechend wirkte. Neben ihm war in Rom A. Carracci tätig, der von starkem Einfluss besonders auf die mehr akademische Richtung der Barockmalerei war. Im Mittelpunkt der flämischen Malerei stand P.P. Rubens; neben ihm sind besonders A. van Dyck und J. Jordaens zu nennen. In den Niederlanden wirkten neben Rembrandt, der gleichbedeutend als Maler, Zeichner und Radierer war, F. Hals, Vermeer van Delft und J. Ruisdael. Die Hauptmeister Spaniens waren B.E. Velázquez, F.de Murillo und D.Zurbarán. Die Franzosen N. Poussin, der Meister der »heroischen«, und C.Lorrain, der Meister der »idyllischen Landschaft«, lebten in Rom. In Italien tätig waren auch die beiden bedeutendsten deutschen Maler des Frühbarocks, A.Elsheimer in Rom und J.Liss in Venedig. Hervorragende Werke brachte die deutsche Malerei dann wieder im Spätbarock hervor, als ihr die Baukunst große Aufgaben für die Deckengestaltung bot (Deckenmalerei). Dichtung: Der durch die Kunstgeschichtsforschung erarbeitete Stilbegriff »barock« führte um 1920 zu einer Neubewertung der bis dahin als schwülstig und überladen bewerteten Dichtung des 17.Jahrhunderts. Scharfe Kontraste gelten als gemeinsamer Nenner aller barocken Erscheinungen: Leben und Tod, Zeit und Ewigkeit, Diesseitsfreude und Jenseitssehnsucht, Weltgenuss und religiöse Ekstase. Kennzeichnend ist der Hang zur Übersteigerung und zu kühner Bildhaftigkeit. Zum Barock gehören in Spanien der Gongorismus (Góngora y Argote), auch das Drama von Lope de Vega und P.Calderón de la Barca, in England der Euphuismus, die »metaphysische Dichtung«, auch vieles in Shakespeares Werken, in Italien der Marinismus und die Anfänge der Oper. In der französischen Literatur werden die barocken Tendenzen bei den Précieuses am deutlichsten. Über deutsche Barockdichtung deutsche Literatur. Dichtung, Architektur, Malerei, Musik, Tanz, Schauspielkunst vereinigen sich im Gesamtkunstwerk des Theaters, dessen Entwicklung für die Epoche besonders charakteristisch ist. Musik: Barockmusik heißt seit Anfang der 1920er-Jahre die Musik der Epoche von etwa 1600 bis 1750, nach ihren musikalischen Merkmalen auch als Generalbasszeitalter oder als Zeit des konzertierenden Stils bezeichnet. Im vokalen Bereich beginnt die Epoche, als Reaktion auf die bisweilen übersteigerte polyphone Satzweise der Gotik und Renaissance, mit der Entdeckung der von Stützakkorden begleiteten, dem Text angepassten Einzelstimme (Monodie). Hieraus entwickelten sich ab etwa 1600 die Gattung Oper (G.Caccini, J. Peri, C. Monteverdi), Kantate, geistliches Konzert, Oratorium und weltliches Lied. Die Chormusik gelangte durch Verwendung breiter, akkordlich bestimmter Harmonieflächen zu neuer Blüte (G. Gabrieli). Auch in der Instrumentalmusik drängte das monodische Prinzip der führenden Oberstimme die polyphone Satzstruktur zurück. Für die Orchestermusik wurde das Concerto grosso Vorbild, für die Kammermusik die Triosonate, in der das Cembalo die beiden Melodieinstrumente, häufig zwei Geigen, akkordisch begleitet. Das Vorrecht der Einzelstimme führte zur Ausbildung konzertanter Gattungen, zunächst des Violinkonzerts. Diese Entwicklung des Solokonzerts führte unmittelbar zur Klassik hinüber. Die kontrapunktische Satztechnik gelangte mit J.S. Bach und G.F. Händel zu einer letzten großen Blüte, besonders in der Fugenkunst Bachs. Sein kontrapunktisches Meisterwerk, die »Kunst der Fuge«, schloss 1750 gleichsam die Epoche der Barockmusik ab. Philosophie: Die Philosophie des Barockzeitalters war durch die großen Systeme des Rationalismus und Empirismus und die beginnende Aufklärung bestimmt. Neben diesen rationalen Zügen des Geisteslebens bestand v.a. im religiös-philosophischen Bereich ein Hang zur mystischen Innerlichkeit. Mathematik und Naturwissenschaften: Zugleich entstanden mathematisch-naturwissenschaftliche Forschungen grundlegender Art. In der Mathematik wurden durch Entdeckung der analytischen Geometrie (Descartes) und der Differenzial- und Integralrechnung (Leibniz, Newton) die Grundlagen für die Mathematik der Neuzeit gelegt. In den Naturwissenschaften gelangen, besonders durch die Verbindung von Theorie und Beobachtung, eine Reihe entscheidender Entdeckungen (keplersche Gesetze, Newtons Gravitationstheorie). An diesem Aufschwung haben die Erfindungen von Mikroskop und Fernrohr um die Wende vom 16. zum 17.Jahrhundert bedeutenden Anteil. In der Medizin war die größte Entdeckung die des Blutkreislaufs (W.Harvey). Rokoko [von französisch Rocaille] das, bildende Kunst: die Spätphase des Barock als Ausdrucksform des späten Absolutismus, etwa zwischen 1720 und 1780. Ursprungsland des Rokoko ist Frankreich, wo mit dem Stil der Régence Größe und Pathos des Barock dem Gefälligen, Eleganten wichen; das Höfisch-Repräsentative wandelte sich zum Intim-Persönlichen, das v.a. in einer verfeinerten Wohnkultur zum Ausdruck kam. Ein anmutiger, verspielter Dekorationsstil (Louis-quinze) löste die dynamische Formensprache des Barock ab. Die künstlerischen Akzente verlagerten sich vom Außenbau auf den Innenraum, der von einem lockeren Schmuckwerk übersponnen und durch Spiegel verfremdet wurde. Die Rocaille wurde zum Grundmotiv der Dekoration. Durch die Stichwerke v.a. von J.A. Meissonier und F.de Cuvilliés d.Ä. wurde der Stil in ganz Europa verbreitet. Größere Gesamtanlagen der Rokokoarchitektur entstanden in der französischen Provinz (Nancy: Place Stanislas; Straßburg: Palais Rohan). In Deutschland, wo sich seit etwa 1750 der Klassizismus parallel zum Rokoko entwickelte, sind u.a. das Münchner Residenztheater und Schloss Sanssouci in Potsdam Zeugnisse der Rokokokunst. Dem intimen Charakter entspricht eine Blüte des Kunstgewerbes und der Kleinkunst, als dessen neue Gattung die Porzellanplastik entstand, die im Rokoko gleichzeitig ihren Höhepunkt erlebte (J.J. Kaendler für die Manufaktur Meißen, F.A. Bustelli für die Manufaktur Nymphenburg). Galante Themen, mythologische und Schäferszenen bestimmten auch die Malerei (A.Watteau, J.H. Fragonard, F.Boucher), Stillleben (J.-B. S.Chardin) und Porträtkunst wurden gepflegt; die Pastellmalerei kam in Mode (R.Carriera, M.Quentin de la Tour). Eine eigene Variante des Rokoko entstand unabhängig von Frankreich in Venedig, v.a. in der Malerei (Canaletto, F.Guardi, G.B. Tiepolo). Während das Louis-quinze in Frankreich eine aristokratische Profankultur darstellt, findet das Rokoko in Süddeutschland im Kirchenbau höchste Vollendung (D.Zimmermann: Wies; Brüder Asam: Abteikirche Weltenburg; J.B. Neumann: Raumstruktur der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen; J.M. Fischer: Rott am Inn, Plastik von I.Günther; Wallfahrtskirche Birnau, Plastik von J.A. Feuchtmayer). Literatur: Unter Rokokoliteratur wird die zierlich-graziöse, spielerisch-frivole, galante Gesellschaftsdichtung verstanden, die ihre vollkommenste Ausbildung in der Spätzeit des höfischen Klassizismus in Frankreich fand. In Deutschland zeigen die Dichtungen der Anakreontik, der Empfindsamkeit und die Schäferdichtung wesentliche Elemente des Rokoko; Höhepunkt sind hier C.M. Wielands Dichtungen. ( Romantik [englisch romantic, französisch romantique, ursprünglich »romanhaft«] die, Kulturgeschichte: eine geistes- und stilgeschichtliche Epoche, die zwischen den Revolutionsjahren 1789 und 1848 das geistige Leben in Europa (und später den USA) maßgeblich bestimmte, wobei in den nationalen Ausprägungen große Unterschiede auftraten. Gemeinsame Grundlage romantischer Weltsicht stellten die Erfahrungen komplexer Veränderungen des sozialen und kulturellen Gefüges dar, deren sichtbarste die Französische Revolution war. Die Romantiker waren sich der Diskrepanz zwischen dem in der Französischen Revolution verkündeten Freiheitsideal und der gesellschaftlichen Realität bewusst. Eigentlicher Raum menschlicher Selbstverwirklichung wurde die innere Welt, aber auch eine verklärt gesehene Vergangenheit, in der die menschliche Gemeinschaft noch nicht auseinander gebrochen war. Im Gesellschaftlichen führte der romantische Subjektivismus zur Infragestellung sozialer Konventionen. In Osteuropa, Südosteuropa und Südeuropa trug die Romantik wesentlich zum Erwachen des neuen Nationalgefühls bei, das die Loslösung von der Fremdherrschaft (Habsburgermonarchie, Osmanisches Reich) anstrebte. Die Subjektivierung des Menschenbildes erforderte die Abkehr von den durch den Rationalismus bestimmten ästhetischen Prinzipien der Aufklärung, eine Wendung, die allerdings bereits in der 2.Hälfte des 18.Jahrhunderts u.a. durch J.-J. Rousseau und den deutschen Sturm und Drang vorbereitet worden war. Wesentliche Elemente romantischer Kunstäußerung sind u.a. der Ausdruck subjektiven Empfindens, Darstellung der Sehnsucht nach dem Unendlichen, ein verfeinerter Sinn für das Individuelle, das als freieste Erscheinungsform des Unendlichen erfahren wurde, ausgeprägtes Naturgefühl und die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins. Innerer Zerrissenheit begegneten die Künstler mit melancholisch-sentimentaler Haltung (»Weltschmerz«) oder mit »romantischer Ironie«, in der die Antinomie zwischen Endlichem und Unendlichem Ausdruck fand. Literatur: In der Literatur sind diese Elemente am deutlichsten ausgeprägt. Da die romantische Literatur alle Einzelerscheinungen als Spiegel des Unendlichen versteht, sind die offenen Formen charakteristisch, die die Grenzen der Gattungen sprengen. Der künstlerische Schaffensprozess selbst wird erstmals zum literarischen Thema, der Literaturbegriff umfasst alle Bereiche von Kunst und Wissenschaft. Die Werke der ersten Romantikergeneration entstanden um 1800: In England fand sich die Lake-School zusammen (W.Wordsworth, S.T. Coleridge u.a.), in Deutschland der Kreis der Jenaer Romantiker im Salon der Caroline von Schlegel (L.Tieck, die Brüder F. und A.W. Schlegel, Novalis, der durch sein Romanfragment »Heinrich von Ofterdingen« [1802] mit der »blauen Blume« das Symbol der Romantik schuf, der Theologe F.Schleiermacher, der Philosoph F.W.J. von Schelling), etwas später die Heidelberger Romantiker (A.von Arnim, C.Brentano, J. und W.Grimm, J.von Görres). In Frankreich begann der Bruch mit den klassizistischen Traditionen Anfang des 19.Jahrhunderts durch F.R. de Chateaubriands Rückbesinnung auf das Christentum, v.a. aber durch Madame de Staël, die die neuere deutsche Literatur in Frankreich bekannt machte (aus französischer Sicht sind auch Goethe und Schiller romantische Autoren). Die zweite Generation der Romantik etablierte sich zwischen 1810 und 1820: in England G.Byron, P.B. Shelley, J.Keats, in Deutschland E.T.A. Hoffmann, J.von Eichendorff, in Frankreich um 1830 V.Hugo, A.de Musset. Besonders durch Byrons Dichtungen wurden die romantischen Ideale nach Russland (A.S. Puschkin, M.J. Lermontow) und in die Ukraine (T.H. Schewtschenko) weitergetragen. In Italien war die Romantik eng mit dem Risorgimento verknüpft (A.Manzoni), in Polen gewann die Literatur der Romantik überragende Bedeutung für die Bewahrung der nationalen Kontinuität (besonders durch A.Mickiewicz und J.Slowacki), auch in Ungarn war das literarische Schaffen 182048 direkt mit dem Kampf um eine eigene Nation verbunden (M.Vörösmarty, S.Petofi). Das Großepos erlebte in der Gestaltung nationaler Stoffe seine letzte Blüte (Mickiewicz, der Tscheche K.Mácha). Zeitlich verschoben erreichte die romantische Geisteshaltung auch die Literatur der USA (die Transzendentalisten R.W. Emerson und H.D. Thoreau; E.A. Poe). Der Umbruch, den die Romantik insgesamt mit sich brachte, war folgenreich. Die Rückbesinnung auf die Vergangenheit führte zur Entdeckung der Volksdichtung und des Mythos (J. und W.Grimm), zur neuen Gattung des Kunstmärchens (W.Hauff, H.C. Andersen), der historische Roman löste sich vom fantastischen Hintergrund des Ritterromans und orientierte sich an historischen Ereignissen (W.Scott); die Beschäftigung mit den Nationalsprachen mündete in die Entstehung der philologischen Wissenschaften (u.a. Germanistik, Romanistik, Slawistik); das Interesse für andere Kulturen brachte bedeutende literarische Übersetzungen hervor (Tieck übersetzte z.B. Dante und M.de Cervantes Saavedra, A.W. Schlegel P.Calderón de la Barca und Shakespeare). Die Überschreitung fest gefügter Gattungsgrenzen, die Verschmelzung der Künste, die Ästhetik des Fragmentarischen (angesichts der Antinomie von Endlichkeit und Unendlichkeit und der Unangemessenheit jeder endlichen Aussage) u.a. wiesen den Weg in die künstlerische Moderne. Musik: In der Musik umfasst die Romantik etwa den Zeitraum von 1820 bis 1910. Zwischen der Spätklassik und den Anfängen der Neuen Musik entfaltete sich in dieser Epoche ein großer Reichtum an musikalischen Stilerscheinungen, der nur annähernd in vier Stilphasen (Frühromantik, Hoch-, Spät-, Nachromantik) untergliedert werden kann. Die Musik wird als eine autonome Tonwelt gesehen, die besonders subjektive Gefühle und Stimmungen auszudrücken vermag. Satztechnisch knüpften die Romantiker zum Teil an die vorklassische Musik (L.Spohr), zum Teil an die Wiener Klassik an, so besonders F.Schubert, der (bei romantischer Grundhaltung) die Klassik eigenständig fortsetzte (Frühromantik). Er wurde auch zum Schöpfer des neuen deutschen Liedes. Nach C.M. von Weber und H.Marschner verblasste die deutsche romantische Oper und verbürgerlichte (A.Lortzing). Die zweite romantische Generation (Hochromantik; u.a. F.Chopin, R.Schumann, F.Mendelssohn Bartholdy) pflegte besonders die Instrumentalmusik (v.a. Klavier). In Frankreich begründete H.Berlioz die romantische Programmmusik. Zur Spätromantik zählen das spätere Werk von F.Liszt und R.Wagner sowie das von J.Brahms, H.Wolf und A.Bruckner. Neue Formen der Harmonik finden sich in den Werken der Komponisten der Nachromantik (G.Mahler, R.Strauss, H.Pfitzner, M.Reger). Bildende Kunst: Die bildende Kunst zwischen 1790 und 1830 ist kein Stil im Sinne der vorangegangenen. Sie brachte keine allgemein verbindlichen Formen hervor, ist aber eng verbunden mit der zeitgenössischen geistesgeschichtlichen Entwicklung; besonders die deutsche Landschaftsmalerei drückt ein neues, sehr individuelles Naturgefühl aus, in dem Mensch und Natur eine innige Beziehung eingehen (P.O. Runge, C.D. Friedrich, J.A. Koch, C.P. Fohr, K.Blechen, C.G. Carus). Für die späteren deutschen Romantiker wurden Sage und Märchen thematisch wichtig (L.Richter, M.von Schwind; auch bedeutende Buchillustrationen). In der englischen Landschaftsmalerei wirkte die malerisch-gefühlsansprechende Auffassung des 18.Jahrhunderts nach (W.Turner, J.Constable, R.Bonington). W.Blake und J.H. Füßli schufen eine dichterisch inspirierte romantische Kunst, deren Formen im Klassizismus wurzeln. In der französischen Romantik spielt die Landschaft keine beherrschende Rolle, für T.Géricault und E.Delacroix blieb die menschliche Gestalt entscheidend. Religiöse und historische Themen wurden von den Nazarenern (in Verbindung mit romantischen Landschaften bei J.Schnorr von Carolsfeld), später von den Präraffaeliten gestaltet. Nach 1830 blieb die romantische Haltung in der Malerei noch lebendig, doch verflachte zunehmend ihr geistiger Anspruch. In der Architektur sind romantische Tendenzen durch enge Verbindung des Baus mit der Landschaft und durch den Rückgriff auf die Geschichte (z.B. in der Neugotik) bestimmt. Durch die Hinwendung zur Architektur der Vergangenheit schuf die Romantik die Grundlagen der Denkmalpflege. Klassizismus [lateinisch] der, Kunst: Stilbegriff zur Bezeichnung von wiederkehrenden Kunstströmungen, die sich bewusst auf antike, meist griechische Vorbilder berufen. In der Architektur lassen sich klassizistische Richtungen seit dem 16.Jahrhundert in Frankreich (Classicisme), England und den Niederlanden (Palladianismus) nachweisen, die um 1770 zum vorherrschenden Stil in der europäischen und amerikanischen Kunst wurden. Klassizistische Tendenzen, die sich oft nur schwer vom Historismus abgrenzen lassen und meist als Neoklassizismus bezeichnet werden, finden sich um 1870, im 1. Viertel des 20.Jahrhunderts und wieder in der postmodernen Architektur seit 1970. Klassizismus im Besonderen ist die Stilepoche zwischen 1750 und 1830, der die Stile Biedermeier, Directoire, Empire und Louis-seize untergeordnet sind. Die eingehende wissenschaftliche Erforschung der antiken Kunst und Architektur bildete die Grundlage für die Rezeption antiker Vorbilder in allen Bereichen der Kunst. Anstöße gaben u.a. die frühen Ausgrabungen von Herculaneum und Pompeji und die Schriften J.J. Winckelmanns. Architektur: Seine deutlichste Ausprägung erfuhr der Klassizismus in Architektur und Stadtplanung fürstlicher Residenzen des aufgeklärten Absolutismus. Bezeichnend sind blockartige, streng gegliederte Bauformationen mit vorgesetzten Säulenordnungen. In Deutschland traten hervor: G.W. von Knobelsdorff (Schloss Sanssouci, Rückfront, Marmorsaal, 174547), F.W. von Erdmannsdorff (Schloss in Wörlitz, 176973), C.G. Langhans (Brandenburger Tor, Berlin, 178891), F.Gilly (Denkmal für Friedrich den Großen, Entwurf 1796), F.Weinbrenner in Karlsruhe, L.von Klenze in München und v.a. K.F. Schinkel in Berlin; in Frankreich: J.-G. Soufflot (Panthéon in Paris, 176490), C.-N. Ledoux, C.Percier und P.F.L. Fontaine; in England: die Brüder Adam sowie W.Chambers, R.Smirke und J.Soane, die v.a. unter dem Einfluss der palladianischen Lehre standen. Das gilt auch für Italien und die skandinavischen Länder. Plastik: In der Plastik bilden in Frankreich einen Höhepunkt die unpathetischen, an griechischen Statuen geschulten Werke J.-A. Houdons. Aus der Schule von A.Canova ging der Däne B.Thorvaldsen hervor. In England wurde J.Flaxman bedeutendster Vertreter klassizistischer Bildhauerkunst, der sich in Deutschland J.H. von Dannecker, G.Schadow und C.D. Rauch, in Schweden J.T. Sergel, in den USA H.Greenough und in Russland I.P. Martos verschrieben. Malerei: Für die Malerei des Klassizismus bedeutet das Deckengemälde »Parnaß« (1761) von A.R. Mengs in der Villa Albani in Rom den programmatischen Anfang, an den u.a. seine Schüler H.F. Füger und Angelica Kauffmann anknüpften. J.P. Hackert und v.a. J.A. Koch traten mit heroischen Landschaften hervor. A.J. Carstens und Flaxman orientierten sich bei ihren strengen Umrisszeichnungen an antiken Vasenbildern. Gestaltungsprinzipien einer scharfen Linienführung und klaren Farbgebung wurden in Frankreich in den Gemälden von J.-L. David und J.A.D. Ingres weiterentwickelt; das Historienbild galt als wichtigste Gattung. In England fand G.Hamilton, ein wichtiger Wegbereiter des Klassizismus, keine ebenbürtige Nachfolge. Realismus, lateinischder, bildende Kunst: allgemeine Bezeichnung für die Abbildlichkeit dargestellter Wirklichkeit (oft synonym mit Naturalismus gebraucht). Realismus wird präzisiert als prinzipieller Gegenentwurf sowohl zur normativen Ästhetik wie zur idealistischen Kunstauffassung. Realistische Kunst bekennt sich zur (kritischen) Darstellung der vorgefundenen alltäglichen anstelle einer »höheren« Realität. Realismus in diesem Sinne gab es schon vor G.Courbets programmatischer Ausstellung »Le réalisme« (1855), besonders in der spätmittelalterlichen Kunst bei N.Gerhaert von Leiden, H.Bosch, M.Grünewald, J.Ratgeb, dann zum Teil im Porträt (A.Dürer, H.Holbein der Jüngere, L.Cranach d.Ä.), später bei P.Bruegel d.Ä., Caravaggio, J.de Ribera, D.Velázquez, J.Callot, W.Hogarth, F.de Goya y Lucientes, T.Géricault. Doch erst im 19.Jahrhundert tritt Realismus mit demokratischem Selbstbewusstsein als materialistische Antithese zum »aristokratischen« Idealismus auf. Auch jetzt prägt er stärker die theoretische Auseinandersetzung als das allgemeine Kunstschaffen. Bezeichnend für den Realismus ist sein Interesse an der Freilichtmalerei und die Wahl bislang ungewöhnlicher Themen (arbeitende Menschen, Industrieanlagen). Er dient u.a. unmittelbar sozialen Intentionen (H.Daumier, Courbet, A.Menzel, W.Leibl sowie den Peredwischniki), im 20.Jahrhundert fortgesetzt als soziale Anklage (H.Zille, K.Kollwitz, M.Beckmann, O.Dix, G.Grosz) oder direkt politischer und gesellschaftskritischer Aussage (P.Picasso, R.Guttuso; J.Heartfield, K.Staeck u.a. Vertretern des Nouveau Réalisme). Im Dienst einer Kunst, die sich häufig mit sozialkritischen oder revolutionären Zügen verbindet, steht der Realismus beim mexikanischen Muralismo und im sozialistischen Realismus. Daneben entstanden im 20.Jahrhundert neue, übersteigerte Formen des Realismus, meist als Reaktion auf expressionistische oder abstrakte Tendenzen. Dazu gehören v.a. Surrealismus, der magische Realismus der Neuen Sachlichkeit, fantastischer Realismus. Die sekundäre Wirklichkeit vorgegebener Bildwelten rückt beim Fotorealismus an die Stelle der primären Wirklichkeit. Naturalismus [lateinisch] der, bildende Kunst: die naturgetreue Darstellung des Sichtbaren. Als Ausdruck einer weltanschaulichen Haltung bezeichnet die Kunstwissenschaft nicht immer konsequent damit verschiedene Kunstströmungen oder Stile, wobei sie den Naturalismus oft mit dem Realismus gleichsetzt. Unter Naturalismus als Stilrichtung versteht man positivistische, von der Milieutheorie beeinflusste Tendenzen u.a. in der Malerei zwischen 1870 und 1900, die mit dem literarischen Naturalismus korrespondieren. Die Zufälligkeit des Alltäglichen wird ohne jegliche Stilisierung gegen idealisierende und heroisierende Richtungen der gründerzeitlichen Kunst eingesetzt. Die Themen aus dem sozialen Alltag, der kleinbürgerlichen Idylle und dem proletarischen Milieu wurden zum Teil in sozialkritischer Absicht unter Einbeziehung des Hässlichen und des Elends dargestellt. Impressionismus [französisch impression »Eindruck«] der, eine in der französischen Malerei zwischen 1860 und 1870 entstandene Kunstrichtung, die in fast allen europäischen Ländern und auch in Nordamerika auf die Entwicklung der Malerei Einfluss nahm. Stil und Vertreter: Der Name ist von C.Monets Landschaftsbild »Impression, soleil levant« (1872) abgeleitet, das 1874 in der ersten gemeinsamen Ausstellung der französischen Impressionisten gezeigt wurde. Die Maler des Impressionismus überwanden die akademische Ateliermalerei des 19.Jahrhunderts durch eine neue Art der Wirklichkeitswiedergabe, die einen Gegenstand in seiner augenblicklichen Erscheinungsform und in einem zufälligen Ausschnitt zu erfassen suchte und die farblichen Reize der im Licht wechselnden Erscheinung oft in mehr andeutender als ausführender Art festhielt. Entwicklungsgeschichtlich ging der Impressionismus aus der Freilichtmalerei der Schule von Barbizon hervor. Impressionistische Tendenzen waren bereits vorher z.B. in Werken von D.Velázquez, F.Hals, F.de Goya, W.Turner und J.Constable zu beobachten. Jedoch erst mit den Leistungen É.Manets und C.Monets und der sich ihnen anschließenden Maler wie C.Pissarro, A.Sisley, Berthe Morisot, E.Degas und A.Renoir entstand ein eigener Stil. Dieser wurde von G.Seurat (seit etwa 1885) und P.Signac im Neoimpressionismus (Pointillismus) weiterentwickelt, der ungemischte Grundfarben mosaikartig nebeneinander setzte. A.Rodin und E.Degas (in seinen späten Tänzerinnen-Statuetten) übertrugen die Prinzipien des Impressionismus auf die Plastik. In Deutschland wurden die Ideen des Impressionismus von K.Blechen, J.C. Dahl und A.Menzel vorbereitet, jedoch kam es nie zu einer vollständigen Lösung vom Realismus (W.Leibl, C.Schuch, M.Liebermann, F.von Uhde, W.Trübner, L.von Kalckreuth, L.Corinth, M.Slevogt). Zu den führenden Impressionisten gehören in England W.Sickert und der meist in London lebende Amerikaner J.Whistler, in Dänemark P.S. Krøyer und V.Hammershøi, in Italien G.De Nittis und der Bildhauer M.Rosso. Bedeutende amerikanische Vertreter des Impressionismus sind C.Hassam, J.S. Sargent, J.F. Sloan und v.a. Mary Cassatt. Literatur: Als Impressionismus wird die literarische Strömung zwischen 1890 und 1910 bezeichnet, die besonders in Lyrik, Prosaskizzen und Einaktern auf eine betont subjektive, differenzierte Wiedergabe persönlicher Wirklichkeitserfahrung abhob und v.a. das Augenblickhafte zu erfassen suchte. (Symbolismus) Musik: Hier bezeichnet Impressionismus eine Stilrichtung des ausgehenden 19. und beginnenden 20.Jahrhunderts, die die strengen Formen der Tonalität auflöste und geschlossene Melodien wie thematische Entwicklung vermied zugunsten von zerfließenden Klangfarben. Durch die Aufnahme außereuropäischer Elemente (Ganztonleiter, Pentatonik) erzielte der Impressionismus Klangwirkungen von exotischem Reiz, die sich dem Hörer in stimmungshafte Bildvisionen umsetzen sollen. Vorläufer waren M.P. Mussorgski und F.Liszt. Unabhängig entstand der französische Impressionismus, v.a. vertreten durch C.Debussy, ferner durch P.Dukas, M.Ravel, A.Roussel, J.Ibert; außerhalb Frankreichs durch F.Delius, C.Scott, M.de Falla. Historismus der, Kunstgeschichte: im 19.Jahrhundert Ausdruck einer in historischen Anleihen das eigene Selbstverständnis suchenden Stilhaltung (Neuromanik, Neugotik, Neurenaissance, Neubarock); bis in die 1960er-Jahre weitgehend negativ beurteilt, sieht die Forschung heute im Stilpluralismus des Historismus den Versuch, im Zeitalter des Positivismus Geschichte zu bewahren. Jugendstil, deutsche Bezeichnung einer internationalen Stilrichtung von etwa 1890 bis 1914, die in Frankreich und Belgien Art nouveau, in England Modern Style, in Österreich Sezessionsstil genannt wird. Der Jugendstil, benannt nach der Münchner Zeitschrift »Jugend« (18961940), ist als Bewegung gegen die historisierenden Stile des 19.Jahrhunderts entstanden. Er suchte nach neuen Formen, die alle Bereiche der Kunst und des Lebens durchdringen sollten. Die Grenzen zwischen den Künsten wurden aufgehoben. Die Form eines Gegenstandes wurde aus den Gegebenheiten seines Materials und seiner Funktion entwickelt. Materialgerechtigkeit wurde zur Forderung. Zu den Formbesonderheiten zählen Flächenhaftigkeit und Betonung der Linie als dynamisch bewegtes Ausdrucksmittel, der sich eine vegetative Ornamentik unterordnet. England und Frankreich: Den Weg bereiteten W.Morris und die Arts-and-Crafts-Bewegung in England. Von besonderer Bedeutung für den Jugendstil war die englische Buchkunst, die mit A.Beardsley ihren Höhepunkt erreichte. In Frankreich entwickelten É.Bernard und Gauguin, angeregt von japanischen Farbholzschnitten, einen umrissbetonten Flächenstil. Durch die Plakate von ToulouseLautrec wurde der neue Stil populär. In der Architektur trat H.Guimard hervor. Ein Bahnbrecher auf dem Gebiet der Glaskunst war É.Gallé. Schmuck, Möbel und Glasfenster entwarfen G.de Feure, É.Gaillard, R.Lalique und der Tscheche A.Mucha, der sich auch als Plakatkünstler verdient machte. Belgien, Deutschland und Österreich: In Belgien trafen die Einflüsse von England und Frankreich zusammen; der einflussreichste Künstler der Jahrhundertwende wurde H. van de Velde; bedeutende Architektur- und Innenarchitekturleistungen von V.Horta und P.Hankar. In Deutschland erfolgte der Aufbruch in München, wo u.a. F.von Stuck, O.Eckmann, H.Obrist, A.Endell, R.Riemerschmid wirkten. Darmstadt wurde durch die Gründung einer Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe, der u.a. H. van de Velde und P.Behrens angehörten, ein weiteres Zentrum. Der österreichische Jugendstil war an Wien gebunden; zentrale Figur war der Maler G.Klimt. Weitere Vertreter: Zu den bedeutenden Malern des Jugendstils gehören v.a. der Norweger E.Munch und der Schweizer F.Hodler. Überragende Persönlichkeiten des Jugendstils sind ferner der Architekt A.Gaudí in Spanien, der Glaskünstler L.C. Tiffany in den USA, der Goldschmied P.C. Fabergé in Russland. Literatur: In der Literatur bezieht sich der Begriff Jugendstil vorwiegend auf die literarische Kleinform, besonders auf die Lyrik (v.a. O.J. Bierbaum, E.von Wolzogen, R.Dehmel, A.Mombert, E.Stucken) um die Jahrhundertwende, jedoch auch auf die Dichtungen von S.George, R.M. Rilke, H.von Hofmannsthal, E.Lasker-Schüler und G.Heym, soweit sie in dieser Zeit entstanden. (100 Wörter des Jahrhunderts) Kubismus [von lateinisch cubus »Würfel«] der, Richtung der modernen Kunst, die, in Anlehnung an die neu entdeckte afrikanische Kunst, auf einer Umsetzung des im Bildwerk wiedergegebenen Gegenstandes in kubistische Formelemente basiert. Den Boden bereitete P.Cézanne, der in der Malerei die Natur auf geometrische Körper zurückführte. G.Braque und bald darauf auch Picasso entwickelten 1907 das kubistische Darstellungsverfahren; Picasso malte 1907 (beeinflusst von afrikanischer Plastik) das programmatische Werk »Les Demoiselles d'Avignon« (New York, Museum of Modern Art). Der Kubismus begann als analytischer Kubismus: Objektrepräsentation in einer facettierten Simultaneität verschiedener Ansichten. J.Gris integrierte 1912 Realitätsfragmente (Zeitungsausschnitte u.a.) in die Collagen und begründete damit den synthetischen Kubismus: Die Facettierung des Bildgegenstandes wird aufgegeben, das Bild (die Collage) wird getragen von zueinander geordneten Flächen beziehungsweise Ebenen (Farbperspektive). Der Kubismus wurde in den 20er-Jahren von der europäischen Avantgarde übernommen. In enger Verbindung zu ihm stand der Orphismus. Kubistische Plastiken schufen v.a. Picasso, A.Archipenko, H.Laurens und J.Lipchitz. Expressionismus der, Begriff zur Bezeichnung einer alle Künste umfassenden Stilrichtung des frühen 20.Jahrhunderts, v.a. in Deutschland. Bildende Kunst: Kennzeichnend ist die Darstellung innerer Wirklichkeitserlebnisse. Psychische Impulse, Affekte, Befindlichkeiten u.a. werden durch eine großflächige, scharf konturierte Formsprache mit starken Farb- und Proportionskontrasten verdeutlicht. Zur Steigerung des Ausdrucks wurde neben der Flächigkeit das Mittel der Deformation eingesetzt. Als Wegbereiter gelten u.a. P.Gauguin, V.van Gogh, F.Hodler, J.Ensor und H.de Toulouse-Lautrec. In Deutschland ist der Beginn des Expressionismus 1905 mit der Gründung der Brücke anzusetzen, der neben den Gründungsmitgliedern E.L. Kirchner, E.Heckel und K.Schmidt-Rottluff auch M.Pechstein, O.Mueller und (kurzzeitig) E.Nolde angehörten. Auch frühe Werke von Künstlern des Blauen Reiters in München zählen zum Expressionismus. Ein weiteres Zentrum wurde Berlin durch die von H.Walden gegründete Zeitschrift »Der Sturm« (191032) und die gleichnamigen Ausstellungen, aber auch durch den Zuzug der Brückekünstler aus Dresden (1910). Eine eigene Variante des Expressionismus bildeten die »rheinischen Expressionisten« (H.Nauen, H.Campendonk u.a.). Expressionistische Elemente finden sich auch im Werk M.Beckmanns, C.Rohlfs' und PaulaModersohn-Beckers. Eigenständige Formen des Expressionismus entwickelten sich u.a. in Österreich (O.Kokoschka, A.Kubin, E.Schiele) und Belgien (C.Permeke, G.de Smet). Als französische Parallele zum deutschen Expressionismus kann der Fauvismus betrachtet werden; außerdem finden sich u.a. im Werk der Franzosen G.Rouault und C.Soutine expressionistische Züge. In der Bildhauerkunst traten v.a. W.Lehmbruck und E.Barlach hervor. Nach 1945 lebten Elemente des historischen Expressionismus im abstrakten Expressionismus, im Action-Painting, im Tachismus, in der Malerei der Gruppe Cobra oder in der Art brut und bei den Neuen Wilden wieder auf. Architektur: Expressionistische Tendenzen zeigen v.a. die Werke H.Poelzigs (Großes Schauspielhaus in Berlin, 1918/19; nicht erhalten), L.Mies van der Rohes (Projekte eines Bürogebäudes an der Berliner Friedrichstraße, 1919), E.Mendelsohns (Einsteinturm in Potsdam, 1920/21), P.Behrens' (Verwaltungsgebäude der Hoechst AG, 192024) sowie das 2. Goetheanum von R.Steiner in Dornach (192428) und das »Scheepvaarthuis« in Amsterdam von M.de Klerk, J.M. van der Mey und P.Kramer (191116). Zu den wichtigen schriftlichen Zeugnissen gehören u.a. der Briefwechsel der Gläsernen Kette sowie die Publikationen B.Tauts (Die Stadtkrone, 1919; Alpine Architektur, 1920). Literatur: Nahezu gleichzeitig mit dem Expressionismus in der bildenden Kunst entwickelte sich in Deutschland der Expressionismus als eine literarische Generationsbewegung der etwa zwischen 1875 und 1895 Geborenen, bei stark individueller Ausprägung übereinstimmend in der Radikalität der die Tradition durchbrechenden Kunsttheorie und -praxis. Der literarische Expressionismus wirkte sich mit chiffrenhaft verknappter, stark verdichteter und rhythmisch ausgreifender Sprache zunächst besonders in der Lyrik aus (G.Trakl, G.Heym, F.Stadler, E.Stramm, J.van Hoddis, J.R. Becher, Y.Goll, G.Benn u.a.), dann im symbolhaft gestalteten Drama (u.a. C.Sternheim, W.Hasenclever, G.Kaiser, E.Toller, B.Brecht, E.Barlach), jedoch auch in der erzählenden Prosa (C.Einstein, A.Döblin, G.Heym u.a.). Typisch für den Expressionismus waren zahlreiche, oft nur kurzlebige Zeitschriften der expressionistischen Gruppen (»Der Sturm«, 191032; »Die Aktion«, 191132; »Die weißen Blätter«, 191421), Manifeste und Anthologien. Weiteres deutsche Literatur, Film, Theater. Musik: Nach Vorankündigungen bei R.Strauss und M.Reger, mit A.Schönbergs »GeorgeLiedern« Opus 15 (1908/09) findet der musikalische Expressionismus seinen Höhepunkt in Schönbergs einaktigen Opern und dem Melodram »Pierrot lunaire« Opus 21 (1912), ferner in A.Weberns Miniaturen und Liedern, besonders den »Trakl-Liedern« Opus 14 (191721) sowie in A.Bergs Oper »Wozzeck« (191421). Er klingt aus im gelösten Spiel von Schönbergs Serenade Opus 24 (192023) und in Vertonungen expressionistischer Dramen (O.Kokoschka, A.Stramm) durch E. Krenek und P. Hindemith. An die Stelle der Dreiklänge treten vieltönige Dissonanzen, an die regelmäßig gegliederter Melodien Prosamelodik (musikalische Prosa), an die der traditionellen Gattungen und Formen kurze, konzentrierte Stücke. Die funktionsharmonisch bestimmte Tonalität ist ebenso aufgegeben (atonal) wie die klassische Akzentrhythmik. Insgesamt ist der Expressionismus keine einheitliche Stilphase. Schönberg und seine Schüler, I.Strawinsky, P.Hindemith, B.Bartók u.a., die sie durchliefen, gelangten zu jeweils verschiedenen kompositorischen Ergebnissen. Futurismus [lateinisch] der, Anfang des 20.Jahrhunderts in Italien aufgekommene, nach Russland ausgreifende revolutionierende, v.a. künstlerische, aber auch politische Bewegung mit starken Einflüssen auf Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus. Literatur: Nach dem 1909 im »Figaro« veröffentlichten Gründungsmanifest des zunächst italienischen literarischen Futurismus von F.T. Marinetti folgte eine Flut von Manifesten, auch zur Politik (deutlich faschistisch Marinettis »Futurismus und Faschismus«, 1924). Der Futurismus will das moderne Leben, die Welt der Technik als »Bewegung« spiegeln, als »allgegenwärtige Geschwindigkeit, die die Kategorien Raum und Zeit aufhebt«. Eine derartige Literatur musste sich ihre eigene Sprache, Syntax und Grammatik erst einmal schaffen (»Technisches Manifest der futuristischen Literatur«, 1912). In den sprachlichen und formalen Neuerungen liegt daher die Bedeutung des italienischen Futurismus. Auch die russischen Futuristen (191020) betonten das Recht des Dichters auf Revolutionierung des poetischen Stoffes, des Wortschatzes und der Syntax (D.Burliuk, W.Chlebnikow, A.J. Krutschonych, W.W. Majakowski). Malerei, Plastik, Architektur: Mit Marinetti gaben u.a. U.Boccioni, C.Carrà, L.Russolo und G.Balla 1910 das »Manifest der futuristischen Malerei« heraus, gefolgt vom »Technischen Manifest der futuristischen Malerei«. Bewegung und Energie wurden im italienischen Futurismus durch den »Komplementarismus«, das ständige Sichdurchdringen und Ergänzen der Formen und Farben (da Licht und Bewegung die Stofflichkeit der Körper zerstören), wiedergegeben, seit 1912 als simultane Darstellung von Bewegungsimpulsen. Boccioni forderte 1912 auch für die Plastik dynamische Simultaneität, A.Sant'Elia eine futuristische Architektur. Auf dem 1920 in Moskau von N.Gabo und A.Pevsner veröffentlichten »Technischen Manifest« basierend, strebte der russische Futurismus in der bildenden Kunst auf konstruktivistischer Basis eine absolute Gestaltung ohne Wiedergabe individueller Empfindungen an. Mechanische Bewegungsimpulse und elektrisches Licht wurden in dreidimensionale Objekte mit einbezogen. Fauves [fov; französisch »Wilde«], eine zuerst im Pariser Herbstsalon 1905 geschlossen aufgetretene Gruppe von Malern, die, den deutschen Expressionisten verwandt, im Gegensatz zu den Impressionisten den Ausdruck durch starke, kaum abschattierte Farben zu steigern suchten (Fauvismus). Anregungen bezogen sie von der afrikanischen und ozeanischen Kunst, ebenso von mittelalterlichen Glasfenstern und alten Holzschnitten. Zu den Fauves gehörten u.a. H.Matisse, M.de Vlaminck, G.Braque, A.Marquet, G.Rouault, R.Dufy, A.Derain. Die Gruppe löste sich zwischen 1907 und 1909 auf. Surrealismus [französisch aus sur »über« und réalisme »Realismus«] der (französisch Surréalisme), ein erstmals 1917 von G.Apollinaire verwendeter Name für eine künstlerische Richtung, die auf das Surreale (»Überwirkliche«) zielt. Literatur: Die Bewegung des Surrealismus erwuchs um 1920 aus der Pariser Gruppe des Dada (L.Aragon, A.Breton, P.Soupault, T.Tzara). Ihr Führer wurde A.Breton, der 1924 mit dem »Ersten Manifest des Surrealismus« die literarisch-philosophische Theorie erarbeitete (»Zweites Manifest«, 1930). Der Surrealismus sucht, im Anschluss an die Psychoanalyse S.Freuds, die eigentliche Wirklichkeit des Menschen im Halb-, Vor- und Unbewussten und verwertet Traum- und Rauscherlebnisse sowie hypnotische Zustände als Quelle künstlerischer Eingebung. Der dichterische Akt soll als »psychischer Automatismus« im passiven Niederschreiben beliebiger Zurufe aus vorrationalen Tiefenschichten bestehen, unter Verzicht auf Logik, Syntax und literarische Formung (Écriture automatique). Der literarische Surrealismus brachte, v.a. in den Werken von L.Aragon, P.Éluard, A.Breton und P.Soupault, in bewusster Abkehr von der mimet. Ästhetik eine Fülle neuer literarischer Techniken hervor, die sämtlich das Ziel hatten, die Grenzen zwischen Poesie und Wirklichkeit aufzulösen (Collage, Fragment, Protokoll). Von Anfang an verband sich in Frankreich mit dem Surrealismus die Provokation bürgerlicher Normalität. Die wichtigsten Schriften finden sich in der Zeitschrift »La Révolution Surréaliste« (192429, ab Heft3 von Breton allein herausgegeben). 1928/29 wurde die innere Einheit der Bewegung durch politische Differenzen gesprengt (Annäherung des linken Flügels mit Aragon, Éluard, B.Péret u.a. an die kommunistische Bewegung). Nach dem Zweiten Weltkrieg existierte der Surrealismus als Bewegung nicht mehr, doch sind seine Einflüsse auf die Literatur und die zeitgenössische Kunst weiterhin wirksam. Auch in der neueren Literatur anderer Länder entstanden Werke mit surrealistischem Gepräge, so im deutschen Sprachraum von A.Kubin, H.Kasack, H.E. Nossack, P.Celan, im spanischen von F.García Lorca und P.Neruda. Bildende Kunst: In der bildenden Kunst steht die Erweiterung des Schaffensprozesses und die damit verbundene Ausklammerung einer logischen Konzeption aus dem künstlerischen Werk (Automatismus) im Mittelpunkt: Bildformen und -techniken wurden neu oder weiterentwickelt (Collage, Frottage, Grattage). Die Einflüsse moderner Tiefenpsychologie unterscheiden den Surrealismus von der fantastischen Malerei vergangener Jahrhunderte (H.Bosch, G.Arcimboldo, Symbolisten des 19.Jahrhundert). In der Malerei gehört die Pittura metafisica mit ihrer verfremdeten Dingwirklichkeit zu den wichtigsten Voraussetzungen; ein weiterer bedeutender Anreger war M.Ernst, selbst ein Hauptvertreter des Surrealismus. 1925 fand in Paris die erste Gruppenausstellung des Surrealismus statt, auf der auch P.Picasso, P.Klee, H.Arp und M.Ray vertreten waren. Es wird zwischen zwei Varianten unterschieden: Maler wie Y.Tanguy und S.Dalí stellten nicht zusammengehörige Dinge oder Formen im perspektivischen Raum naturalistisch dar (»veristischer Surrealismus«); A.Masson, J.Miró, H.Arp u.a. bedienten sich einer abstrakten, symbolhaften Formensprache (»absoluter Surrealismus«). In der Plastik dominierte die Erfindung des »surrealistischen Gegenstands«, der Erfahrungen des Traums konkretisieren sollte (Alberto Giacometti, M.Ray, Meret Oppenheim) oder sich als alltägliches Objekt den Projektionen aus dem Unterbewusstsein öffnet (Objet trouvé). Ausläufer der surrealistischen Konzeption bestimmten weitgehend die expressiv-totemistische Plastik der 1940er- und 50er-Jahre. Mit M.Ray, R.Ulsac und Brassaï erlangte der Surrealismus auch für die Fotografie Bedeutung. Der Surrealismus war eine weltweite Erscheinung der modernen Kunst, besonders nachdem während des Zweiten Weltkrieges Ernst, Masson und Tanguy in die USA emigriert waren. Dort hatte er u.a. Anhänger in J.Cornell, Dorothea Tanning und dem Fotografen F.Sommer. Weitere bedeutende Vertreter in Europa waren in Belgien R.Magritte und P.Delvaux, in der Tschechoslowakei J.Styrsky und Toyen, in Dänemark W.Freddie, in Schweden M.W. Svanberg. Verglichen mit anderen europäischen Ländern wirkte der Surrealismus in Deutschland (R.Oelze, E.Ende, M.Zimmermann) weniger nachhaltig. Nach dem Zweiten Weltkrieg regte der vom Surrealismus propagierte Automatismus den abstrakten Expressionismus an. Auch im Film wurde der Versuch surrealistischer Darstellung gemacht, u.a. von L.Buñuel, S.Dalí und J.Cocteau. abstrakte Kunst »In der Sache bin ich ziemlich weit gekommen und der Weg liegt ziemlich klar vor mir. Ohne zu übertreiben kann ich behaupten, dass ich, falls ich die Aufgabe löse, (einen) neuen, schönen, zur unendlichen Entwicklung geeigneten Weg der Malerei zeige. Ich habe eine neue Bahn, die manche Meister nur hie und da ahnten und die früher oder später anerkannt wird«, schrieb Wassily Kandinsky 1904 seiner Lebensgefährtin und Malerkollegin Gabriele Münter. Es sollten aber noch einige Jahre vergehen, ehe Kandinsky sein revolutionäres künstlerisches Vorhaben verwirklichen konnte: Zwischen 1911 und 1913 malte er seine ersten völlig abstrakten Ölbilder, die reine Farben, vom Gegenstand gelöste Linien und freie Formen zeigen. Unter dem recht allgemeinen Begriff »abstrakte Kunst« lassen sich seither alle Kunstrichtungen zusammenfassen, die nicht die gegenständliche, objektive Wirklichkeit in welchem Stil auch immer wiederzugeben suchen, sondern die eigene Bildwirklichkeit zum Darstellungsziel erheben. Diese vollständige Abkehr von der Naturnachahmung betrifft im engeren Sinn aber nur einen bestimmten Zweig der abstrakten Kunst, den man zudem richtigerweise als »konkret« bezeichnet: die autonome, nur bildimmanent zu deutende Bildkonstruktion aus rein geometrischen Elementen. Andere abstrakte Künstler beschäftigten sich nämlich durchaus noch mit der Abbildung der Natur, die sie abstrahierend gestalteten oder zum Ausgangspunkt für Formexperimente nahmen. Traditionelle Kunstformen etwa das Porträt oder das Genre und einen erzählerischen »Inhalt« ihrer Bilder lehnten die abstrakten Künstler zwar ab. Viele gaben ihren Werken aber einen geradezu appellativen Charakter und forderten die Betrachter zu höchster Wahrnehmungs- und Denkleistung auf. Zahlreiche abstrakte Gemälde sind daher durch eine »Wesensschau« gekennzeichnet, die hinter der optischen Erscheinung der Natur die wesentlichen Antriebskräfte erkennen und wiedergeben möchte. Für Paul Klee war etwa die Naturbetrachtung eine unerlässliche Voraussetzung seiner Kunst, und doch wollte er auch »das Unsichtbare sichtbar machen«. Als Hauptprinzip für alles Lebendige, wie auch für kosmische Vorgänge, sah Klee die Bewegung an, die er in seinen Bildern in vielfältiger Form darzustellen suchte. Piet Mondrian wollte ebenfalls kosmische Prinzipien und Polaritäten veranschaulichen. Nachdem er zunächst noch zahlreiche von der Natur abstrahierte Bilder gemalt hatte, reduzierte er seine Gemälde später auf die Grundfarben Blau, Rot und Gelb, auf Schwarz und Weiß sowie auf ein streng rechtwinkliges Gliederungssystem aus ausgewogenen Teilflächen. Für seinen Mitstreiter Theo van Doesburg war dieses Verfahren allerdings noch nicht abstrakt genug. Seine »Antikompositionen« aus diagonalen Formen und Grundfarben bezeichnete er als »konkrete Malerei«. Den Begriff »konkrete Kunst« übernahm später auch Kandinsky, der Pionier der abstrakten Malerei, und betonte mit ihm die vollständige Unabhängigkeit seiner bildnerischen Formen von der Naturwirklichkeit. Auch Kandinskys Abstraktion ging ein langer Weg der Vorbereitung voraus: Landschaftseindrücke löste er immer mehr in freie Farben und Formen auf, die er dann kompositorisch wieder verdichtete. Sein Ziel war ein »klingender Kosmos« aus schwebenden Farbformen und eingestreuten Liniengebilden, eine »geistige« Kunst, die er in immer neuen Stilwendungen und mit einem beträchtlichen theoretischen Aufwand anstrebte. Fast wie eine Ironie der Geschichte abstrakter Malerei wirkt dabei, dass Kandinsky in seinem Spätwerk auf naturkundliche Vorlagen zurückgriff, um seine abstrakten Welten hervorzubringen. In der europäischen Kunstgeschichte hatte die eigentliche Abstraktion schon im 19. Jahrhundert mit der Stilisierung von Formen im Symbolismus und im Jugendstil eingesetzt. Wesentliche Impulse erhielt sie von der Philosophie Friedrich Nietzsches und Henri Bergsons, der Musik Richard Wagners und Arnold Schönbergs sowie von den Dichtungen Charles Baudelaires und Stéphane Mallarmés, für die Kunst nicht in der Imitation der Wirklichkeit bestand, sondern ein autonom strukturierter, der Realität in Inhalt und Form entgegengesetzter Bereich war. Neu eröffnete Völkerkundemuseen weckten in dieser Zeit zudem das Interesse an der »primitiven« Kunst Schwarzafrikas und an der ornamentalen Kalligraphie Ostasiens. Durch die Konzentration auf die bildnerischen Mittel gerieten auch die seit dem 19. Jahrhundert auflebenden Farbenlehren wieder in den Mittelpunkt des künstlerischen Interesses: Besonders Goethes empirische Untersuchungen und philosophische Darlegungen zur Farbwahrnehmung, -ordnung und -symbolik bildeten die Grundlage für zahlreiche Farbenlehren von Künstlern des 20. Jahrhunderts. Mit der Erfindung der Fotografie schien die Malerei überdies in eine tiefe Krise geraten zu sein. Auf die radikalen gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und künstlerischen Umwälzungen reagierten bereits die Impressionisten um Claude Monet mit abstrakteren Bildmitteln, aber auch mit einem Rückzug in einen Naturlyrismus: Das Licht wurde zur Metapher für individuelle Freiheit und ungehemmte künstlerische Entfaltung. Georges Seurat und die Nachimpressionisten verfestigten den impressionistischen, freien Pinselduktus zu einer rigiden Punktstruktur fein differenzierter Farbwerte; perspektivisch entworfene Gegenstandswelt und abstraktes Farbraster gerieten dabei in einen immer größeren Widerspruch. Paul Cézanne entwickelte in engem Kontakt zur Naturwahrnehmung eine neue Bildsprache, deren farbiger Reichtum und deren geometrische Reduktion für die Malerei des 20. Jahrhunderts folgenreich werden sollte. Das Interesse der Expressionisten hier im umfassendsten Sinn verstanden, also von Vincent van Gogh über Paul Gauguin, Edvard Munch und die Fauves bis zu den Künstlern der »Brücke« und des »Blauen Reiters« galt der von den Regeln der akademischen Malerei weitgehend befreiten subjektiven Ausdruckssteigerung des Bildes, nicht der Wiedergabe einer äußeren Erscheinung. Robert Delaunay löste sich schließlich ganz vom Gegenstand und baute aus Farbkontrasten eine »reine Malerei« auf, die Licht und Raum aus der Farbe suggerierte. Mit der simultanen Bewegung, entstanden aus der optischen Wirkung der Farbkontraste, suchte Delaunay die Dynamik seines Zeitalters zu erfassen. Der zentrale Begriff der »Bewegung« beflügelte die abstrakte Malerei am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ob Orphisten, Futuristen oder Kubisten alle avantgardistischen Künstler wollten die energetischen Impulse in ihren Bilder sichtbar machen, die als Ströme und Strahlen, als meist unsichtbare physikalische Kräfte das Weltbild erschüttert hatten. Die malerischen Mittel dazu bot einerseits die von den Kubisten eingeführte und von den Futuristen weiterentwickelte Auffächerung von Flächen, andererseits die neu gewonnene Autonomie der Farbe, die nun in großen Flächen und intensiven Kontrasten die ungegenständlichen Bilder füllte. Dass sich mit der Abstraktion im frühen 20. Jahrhundert die Farbe auch hier anknüpfend an die Kunst Cézannes als Bildmittel emanzipierte und absolute Eigenwertigkeit gewann, schien eine Jahrhunderte lang diskutierte Frage zu beantworten: Ob der Farbe oder der Linie der Vorrang in der Malerei gebühre, darüber hatten sich bereits im 17. Jahrhundert die »Rubenisten« mit den »Poussinisten«, im 19. Jahrhundert dann Klassizisten wie Jean Auguste Dominique Ingres mit Romantikern wie Eugène Delacroix gestritten. Den gewagtesten Sprung in die Gegenstandslosigkeit unternahm indes nicht Kandinsky, dessen abstrakte Bilder um 1913 noch von zahlreichen gegenständlichen Assoziationen und spirituellen Verweisen durchzogen waren, sondern die russische Avantgarde. Mit seinem berühmten »Schwarzen Quadrat auf weißem Grund« postulierte Kasimir Malewitsch eine Kunst der Gegenstandslosigkeit, die er als »Suprematismus« bezeichnete. Die mystischen und theosophischen Wurzeln der frühen russischen Abstraktion wurden nach der Oktoberrevolution von 1917 gekappt, ein strenger Konstruktivismus gewann die Oberhand. Dass dieser aus den geometrischen Formen und Grundfarben nur wahrnehmungs- und gestaltpsychologische Probleme ableitete, verstand er als Beitrag zum Aufbau der neuen Gesellschaft. Da die abstrakte Kunst sich aber gerade daurch auszeichnet, dass sie keine expliziten politischen Aussagen mehr leisten kann und möchte, erhob man in der Sowjetunion schon wenige Jahre später den »sozialistischen Realismus« zum Dogma der Kunstpolitik. Die konstruktive Richtung der abstrakten Malerei wurde in Deutschland besonders am Bauhaus weiterentwickelt, wozu auch die Grundlagenforschung über die bildnerischen Elemente sowie der Unterricht von Johannes Itten, László Moholy-Nagy, Josef Albers, Kandinsky und Klee beitrugen. In den Niederlanden sammelten sich die Konstruktivisten um die Zeitschrift »De Stijl«, in Frankreich in Gruppen wie »Cercle et Carré« und »Abstraction-Création«. Der »Salon des Réalités Nouvelles« gab 1936 in Paris erstmals eine internationale Übersicht über alle abstrakten Tendenzen der Zeit. Nach der durch Faschismus und Krieg bedingten Zwangspause zwischen 1933 und 1945 entfaltete sich eine neue Bewegung der »Abstraktion als Weltsprache«, gestützt durch eine rührige Kunstpolitik. Kunst wurde nun als beständige Neuschöpfung verstanden, die der Künstler sich keiner Regel, keiner Vorschrift verpflichtet fühlend, scheinbar nur sich selbst verantwortlich im ständigen Experimentieren mit den bildnerischen Mitteln hervorbrachte. Abstrakter Expressionismus und Informel bearbeiteten das Material des Kunstwerks exzessiv; die Geste, die Handschrift, der Farbklecks wurden zum Markenzeichen des autonomen, freien Künstlers, für den etwa Jackson Pollock Pate stand. Der dramatische Schöpfungsakt geriet wie bei Georges Mathieu zur Performance und zum Happening. Eine andere Strömung griff die Farbe wieder auf. Das amerikanische Color-FieldPainting, vertreten durch Mark Rothko und Barnett Newman, wies der autonomen Farbe in großen leuchtenden Flächen einen neuen Stellenwert zu. Farbe wurde zum Signal und zum Ausdrucksträger, lud aber auch zur Kontemplation und Meditation ein, etwa in Albers bereits Anfang der Fünfzigerjahre entstandener, bedeutender Serie »Homage to the square«. Hard-Edge-Painting und Miminalart überschritten oft die Grenze der Malerei zur Objektkunst. Ellsworth Kelly malte homogene Farbflächen auf reliefartigen, exzentrisch geformten Tafeln, den »Shaped canvasses«. Frank Stella setzte in seinen Bildern, die er mit einfachen Strukturen bemalte, ebenfalls Form und Format in eins. Entsprechend zur Minimalart entstand auch in Europa eine Richtung analytischer Malerei, die aus der Untersuchung der bildnerischen Mittel eine philosophische und gesellschaftliche Rechtfertigung der Malerei abzuleiten hoffte. Op-Art, Signalkunst und monochrome Malerei beherrschten in den Sechzigerjahren die Kunstszene. Vor allem monochrome Konzepte, die in der »radikalen« und später in der »essentiellen« Malerei neue Ausdrucksmöglichkeiten fanden, werden bis heute weitergeführt. Äußerst zahlreich sind auch die Möglichkeiten abstrakter Plastik. Sie reichen von abstrahierender Naturdarstellung und stilisierten Naturformen bei Constantin Brancusi zu technisch-konstruktiven Studien bei Wladimir Tatlin und Moholy-Nagy oder minimalistischen Setzungen bei Richard Serra, Carl Andre und David Smith bis hin zu den Arbeiten der Landart, in der räumliche Vorstellungen in einer Landschaft realisiert werden. Es dürfte kaum möglich sein, abstrakte Kunst der Gegenwart, sei es Malerei oder sei es Plastik, unter einem einzigen Aspekt zu fassen. Ein hoher Grad an Experimentierfreudigkeit wie bei Sigmar Polke, eine schillernde Gratwanderung zwischen Abstraktion und Fotorealismus wie bei Gerhard Richter, ja ein Durchdringen abstrakter und gegenständlicher Darstellungsweisen, wie es etwa bei den italienischen Künstlern der Transavanguardia zu beobachten ist, zeigen, dass eine festgelegte Definition abstrakter Kunst nicht mehr zu leisten ist. Aus den ehemals dogmatischen Zielsetzungen der historischen Avantgarde, dem Streben nach »reiner Malerei«, hat sich ein fluktuierendes Feld künstlerischer Praktiken entwickelt, ein komplexes Spiel zeitgenössischer Wahrnehmungsstrukturen, das keine Rücksicht auf kunsthistorische Grenzziehungen nimmt. deutsche Kunst. Die Geschichte der deutschen Kunst beginnt zur Zeit Karls des Großen, andererseits wird die karolingische Kunst als Kunst des Fränkischen Reiches ausgegrenzt. Die ottonische Kunst löste sich weitgehend von spätantiken Traditionen, führte aber Elemente der karolingischen Kunst weiter und stellte den ersten Höhepunkt der Romanik dar. Romanik: Die Baukunst der Romanik übernahm den bis in gotische Zeit verbindlichen karolingischen Kirchentypus der dreischiffigen Basilika, oft mit mächtigen Westwerken oder als Doppelchoranlagen ausgebildet. Charakteristisch sind die ausgewogene Gruppierung der Bauteile, die Rhythmisierung durch Stützenwechsel (Sankt Michael in Hildesheim; geweiht 1033) und die Vorliebe für geschlossene Wandflächen; die Ausformung des Würfelkapitells gehört ebenfalls in die Zeit der Romanik. Bedeutende Leistungen wurden auf dem Gebiet der ottonischen Buch- und Wandmalerei (Reichenauer Schule), der Goldschmiedekunst und der Bronzebildnerei (Bernwardstür, 1015, Dom SanktMariä in Hildesheim) erzielt. Auch in der Epoche der Salier war Deutschland in der Baukunst führend (Kaiserdom in Speyer, 1061 geweiht; Einwölbung [Kreuzgratgewölbe] kurz vor 1082 begonnen). Der Wille zur Plastizität zeigt sich auch in der romanischen Bildhauerkunst (Gerokruzifix, um 970, Kölner Dom; Imad-Madonna in Paderborn, zwischen 1051 und 1076). In der Baukunst der Stauferzeit blieb die Geschlossenheit des Baukörpers bestehen (Wormser Dom, 1181 geweiht), das Kreuzrippengewölbe wurde um 1120/30 aus Frankreich übernommen. Gotik: Bereits im Übergang von der Romanik zur Gotik steht die spätstaufische Bildhauerkunst: Figurenzyklen in Straßburg (Südportal und Engelspfeiler, nach 1230), Bamberg (Adamspforte, Bamberger Reiter, um 123040) und die Arbeiten desNaumburger Meisters. Baukunst: Die Baukunst der Gotik, v.a. durch die Bauhütten vermittelt, setzte mit der Marburger Elisabethkirche (1235folgende) ein; sie ist an der französischen Frühgotik orientiert. Mit der Trierer Liebfrauenkirche (1235folgende), v.a. aber dem Kölner Dom (1248folgende) und dem Straßburger Münster (Langhaus 1235folgende) wurde auch im Reichsgebiet die französische Kathedralgotik aufgegriffen und verbreitet (Freiburger Münster), begleitet von einer Blüte der deutschen Glasmalerei (v.a. im 14.Jahrhundert), der auch die großen Hallenkirchen der Bettelorden Raum gaben (Regensburg, um 1250, Erfurt, Freiburg im Breisgau, Colmar, Greifswald). Die Architektur des Ostseeraums wurde im 13./14.Jahrhundert v.a. von der Backsteingotik geprägt (u. a. Lübecker Marienkirche, Nikolaikirche in Stralsund, Schweriner Dom, Marienkirche in Danzig). Die westfälischen Hallenkirchen nahmen ihren Ausgang von der hochgotischen Wiesenkirche in Soest (1314[?] folgende), die süddeutsche Baukunst von dem Hallenchor der Heiligkreuzkirche in Schwäbisch Gmünd (H.Parler, 1351folgende), der Stiftskirche Sankt Martin in Landshut (1387folgende) und in der 2.Hälfte des 15.Jahrhunderts von den Georgskirchen von Dinkelsbühl und Nördlingen sowie der Frauenkirche in München (Neubau 146888). P.Parler schuf die ersten monumentalen Netzgewölbe der deutschen Baukunst (Prager Dom). Zu den bedeutenden Bauvorhaben gehörte auch (ab Ende des 14.Jahrhunderts) das Ulmer Münster. Neben sakralen Bauaufgaben gewann die profane Baukunst zunehmend an Bedeutung. Städtische Repräsentationsbauten (Patrizierhäuser, Zunft- und Rathäuser, Tore, Türme und Stadtmauern) sind Zeugen aufstrebender Bürgerkultur (Aachen, Braunschweig, Breslau, Lüneburg, Stralsund, Tangermünde, Thorn u.a.). Plastik und Bildhauerei: Die gotische Plastik des 13./14.Jahrhunderts übernahm die Portalprogramme der französischen Kathedralen (Straßburg, Köln, Regensburg, Freiburg im Breisgau); es entstanden Andachtsbilder wie Schmerzensmann und Pietà. In der 2.Hälfte des 14.Jahrhunderts verlieh P.Parler der Bauskulptur einen neuen Realismus. Den Übergang zum 15.Jahrhundert bestimmte die internationale Strömung des schönen Stils (schöne Madonnen). Das 15.Jahrhundert wurde zu einer der produktivsten Epochen der deutschen Bildhauerei: N.Gerhaert von Leyden (Wien, Straßburg, BadenBaden), G.Erhart, A.Krafft, B.Notke, H.Backofen, H.Leinberger. Der spätgotische Schnitzaltar erlebte eine Blütezeit in Süddeutschland (H.Multscher, M.Pacher, Niklaus Hagenauer, V.Stoß, T.Riemenschneider und Meister H.L.). Malerei und Druckgrafik: In der Malerei hatte in der 2.Hälfte des 14.Jahrhunderts Prag (Meister Theoderich) besondere Bedeutung, die böhmische Tafelmalerei wirkte u.a. auf Meister Bertram in Hamburg. Andere Zentren waren Köln (S.Lochner) und der Oberrhein (K.Witz). In der 2.Hälfte des 15.Jahrhunderts machte sich wie schon bei L.Moser niederländischer Einfluss bemerkbar: Meister des Marienlebens (Köln), Hausbuchmeister, M.Schongauer, H.Pleydenwurff, M.Wolgemut. M.Pacher brachte Elemente der italienischen Renaissance ein. Einen wichtigen Beitrag lieferte die deutsche Kunst mit der Entwicklung der Druckgrafik (Spielkartenmeister, Hausbuchmeister, Meister E.S. und v.a. M.Schongauer). Renaissance: Der Begriff wird für die deutsche Kunst des 16.Jahrhunderts mit Vorbehalt verwendet, da die Kunst auch weiterhin stark von gotischen Stilelementen durchsetzt blieb und vielfach manieristische Züge trug, z.B. in der profanen Baukunst (Rat- und Bürgerhäuser). Als einer der reinsten Renaissancebauten gilt der Ottheinrichsbau (1556folgende) des Heidelberger Schlosses, in der Bildhauerkunst erhält das Sebaldusgrab der Vischer-Werkstatt in Nürnberg (Sebalduskirche, vollendet 1519) einen bedeutenden Stellenwert; daneben wirkten u.a. A.Pilgram und H.Daucher. Die Maler dieser Zeit gehörten zu den schöpferischsten Künstlern der deutschen Kunst überhaupt. M. Grünewald schuf Altarwerke von visionärer Ausdruckskraft, die noch stark aus der gotischen Vorstellungswelt erwuchsen. A.Dürer brachte von seinen Italienreisen die ersten Landschaftsaquarelle der deutschen Kunst mit, ferner ein neues Selbstverständnis als Künstler. Sein Werk entstand aus der Spannung zwischen spätgotischer Gestaltung (v.a. in der Grafik) und dem Bemühen um renaissancehafte Klarheit in der Menschendarstellung. Zahlreiche weitere Maler sorgten für den künstlerischen Reichtum der ersten Jahrzehnte des 16.Jahrhunderts (L.Cranach der Ältere, H.Baldung, H.Holbein der Jüngere und A.Altdorfer, der Hauptvertreter der Donauschule). Niederländische und italienische Strömungen waren Grundlage der deutschen manieristischen Malerei an den Höfen von München und Prag (H.von Aachen, B.Spranger). In der Übergangszeit vom Manierismus zum Frühbarock entstanden bedeutende Werke der Bildhauerkunst (H.Gerhard, H.Reichle, J.Zürn und L.Münstermann). Barock: Ansätze deutscher Barockkunst im frühen 17.Jahrhundert, in der Architektur durch E.Holl (Augsburger Rathaus, 161520), in der Plastik durch G.Petel, in der Malerei durch die Landschaften des Frankfurters A.Elsheimer in Rom, die mythologischen und religiösen Bilder des J.Liss sowie die Stillleben von G.Flegel, wurden durch den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen. Erst seit 1680, als im übrigen Europa bereits der Spätbarock begann, entwickelte sich der deutsche Barock nun kontinuierlich fort, getragen durch den Darstellungswillen der absolutistischen Fürsten und der katholischen Kirche. Beherrschende Gattung war die Architektur. Die Bauten der österreichischen Baumeister J.B. Fischer von Erlach (Karlskirche in Wien, 1716folgende), J.L. von Hildebrandt (Oberes Belvedere in Wien, 1723 vollendet), J.Prandtauer (Stift Melk, 170236) sowie A.Schlüters Berliner Schloss (1698folgende) entstanden in Auseinandersetzung mit dem römischen Hochbarock. C. und K.I. Dientzenhofer prägten das barocke Stadtbild Prags (Sankt Nikolaus auf der Kleinseite, 1703folgende), die Brüder Asam erbauten die Klosterkirche Weltenburg (171636), J.Dientzenhofer errichtete für Fürstbischof L.F. von Schönborn Schloss Weißenstein bei Pommersfelden (171118) und die Klosterkirche in Banz (170919). J.B. Neumann schuf in der Würzburger Residenz eine der großartigsten Treppenhausanlagen; für den Kirchenbau fand er überzeugende Lösungen in der Durchdringung von Längs- und Zentralbau (Vierzehnheiligen, 1743/44folgende; Neresheim, 1745folgende). Bedeutende Barockbaumeister waren außerdem J.M. Fischer (Klosterkirche Zwiefalten, ab 1741, Klosterkirche Ottobeuren, 1756 geweiht), D.Zimmermann (Wallfahrtskirche Steinhausen [heute zu Bad Schussenried], 172833). Rokoko: Dem Rokoko zuzurechnen sind das von G.W. von Knobelsdorff 174547 errichtete Schloss Sanssouci in Potsdam, die Wies von D.Zimmermann (1745folgende) und die Münchner Amalienburg von F.Cuvilliés dem Älteren (173439). Die barocken Bauwerke verbanden sich mit Plastik und Malerei zu grandiosen Gesamtkunstwerken (Dresdner Zwinger von M.D. Pöppelmann, 171128, plastischer Schmuck von B.Permoser). Einige Baumeister waren auch als Bildhauer tätig, z.B. A.Schlüter. Im süddeutschen Raum widmeten sich zahlreiche Künstler dem Stuckdekor (J.B. Zimmermann, E.Q. Asam, P.Egell, J.A. Feuchtmayer, J.B. Straub, I.Günther) und der Deckenmalerei (u.a. J.M. Rottmayr, F.A. Maulpertsch, C.D. Asam, Januarius und Johann Zick, J.B. Zimmermann). Die bedeutendste Deckenmalerei schuf im Treppenhaus der Würzburger Residenz der Italiener G.B. Tiepolo (1751folgende). Neben den Stilmitteln des Rokoko wurden frühklassizistische Strömungen deutlich (G.R. Donner, Wien, Neumarktbrunnen, 1737folgende; A.R. Mengs, mit dem Deckengemälde »Parnaß« der Villa Albani in Rom, 1760/61). 19.Jahrhundert: F.von Erdmannsdorff, sein Schüler F.Gilly (Entwürfe) und C.G. Langhans (Brandenburger Tor, 178891) waren Vertreter des Klassizismus in Berlin. In München wirkte L.von Klenze, in Karlsruhe F.Weinbrenner. K.F. Schinkel in Berlin verwendete beliebig klassizistische oder gotische Formen für seine Bauten, womit er bereits auf den Historismus verwies, der für das weitere 19.Jahrhundert charakteristisch blieb. Neue Bauaufgaben wurden das Theater, das Museum sowie seit dem letzten Drittel des Jahrhunderts auch Bahnhöfe. Die Bildhauerei beschränkte sich auf Porträtbüsten, Grabund Denkmäler (G.von Schadow, C.D. Rauch und A.von Hildebrand). Für die klassizistischen Maler (Deutschrömer, Nazarener) wurde Rom Ausbildungs- und Wirkungszentrum. Die Malerei im Umkreis von C.D. Friedrich und P.O. Runge wurde durch ein von der literarischen Romantik beeinflusstes Naturgefühl getragen. Bei M.von Schwind verband sich die Romantik mit märchenhaften, bei L.Richter und C.Spitzweg mit biedermeierlichen Zügen. In der Mitte des 19.Jahrhunderts setzten sich realistische Auffassungen durch (A.von Menzel, W.Leibl, H.Thoma). Idealistische und symbolistische Tendenzen überwogen bei A.Böcklin, A.Feuerbach, H.von Marées. Gegen Ende des Jahrhunderts entwickelten Maler wie M.Slevogt, M.Liebermann und L.Corinth einen deutschen Impressionismus . 20.Jahrhundert: Der Jugendstil vollzog mit seiner einheitlichen künstlerischen Durchformung des gesamten menschlichen Lebensbereichs eine entschiedene Abwendung vom Historismus. Architekten zur Zeit des Jugendstils wie A.Loos, O.Wagner, P.Behrens, J.M. Olbrich, J.Hoffmann, B.Pankok, R.Riemerschmid und der in Deutschland arbeitende Belgier H.van de Velde schufen durch ihre funktionale Auffassung die Voraussetzungen für die deutschen Werkbundausstellungen: 1914 in Köln (Glaspavillon von B.Taut) und 1927 in Stuttgart (Weißenhofsiedlung). Internationale Bedeutung errang das 1919 von W.Gropius gegründete Bauhaus. Den Anschluss an den internationalen Standard fand die deutsche Architektur erst wieder mit H.B. Scharoun (Berliner Philharmonie, 196063), G.Böhm, F.Otto und G.Behnisch. Expressionismus: Die deutsche Malerei vollzog zu Beginn des Jahrhunderts mit dem Expressionismus eine entscheidende Wendung, getragen v.a. von den Malern der Brücke (E.L. Kirchner, E.Heckel, K.Schmidt-Rottluff, M.Pechstein, O.Mueller, E.Nolde) und des Blauen Reiters (F.Marc, A.Macke, W.Kandinsky, Gabriele Münter u.a.). Kandinsky wandte sich um 1910 der abstrakten Kunst zu. Die expressionistische Bildhauerei vertraten E.Barlach, Käthe Kollwitz, zeitweilig auch W.Lehmbruck und G.Marcks. Auf breiter Basis etablierte sich die deutsche abstrakte Malerei jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg, als sich nicht zuletzt aus internationalen Anregungen (De Stijl, Suprematismus und Konstruktivismus) eine systematische Bildtektonik, u.a. im Bauhaus, ausprägte (L.Feininger, J.Itten, O.Schlemmer, P.Klee, F.VordembergeGildewart, W.Baumeister u.a.). Gleichzeitig arbeiteten Künstler wie G.Grosz, O.Dix, M.Beckmann, K.Hubbuch, auch Käthe Kollwitz einen gesellschafts- und sozialkritischen Realismus aus. Auf die Verunsicherung bürgerlichen Denkens zielten die Dada-Künstler mit gattungsprengenden Collagen und Materialbildern, Nonsenslyrik und Aktionen (H.Arp, M.Ernst, R.Hausmann, K.Schwitters, Hannah Höch, J.Heartfield). Künstler der Dada-Bewegung wie H.Arp und M.Ernst, die sich dem Surrealismus zuwandten, waren bereits zur Emigration gezwungen und arbeiteten bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts meist in Paris. Ihre Ideen wurden u.a. von H.Bellmer und M.Zimmermann weitergeführt. Die Vielfalt der künstlerischen Richtungen wurde im Dritten Reich zugunsten eines ideologischen Neoklassizismus unterdrückt, die abstrakte Kunst als »entartet« verfemt und eine Vielzahl von abstrakten beziehungsweise sozialkritisch-realistischen Künstlern in die Illegalität beziehungsweise Emigration getrieben. Förderung erfuhren hingegen u.a. A.Breker und J.Thorak. Kunst der Bundesrepublik Deutschland: In dem Vakuum, das die nationalsozialistische Kunstpolitik nach 1945 hinterließ, herrschte für wenige Jahre ein Stilpluralismus von gegenständlich arbeitenden Künstlern (u.a. R. Schlichter, C.Schad) und abstrakten Malern (u.a. W.Baumeister, T.Werner, J.Bissier). Doch seit Beginn der 50er-Jahre dominierte, gefördert durch internationale, v. a. französische Kontakte (H.Hartung, Wols), die informelle Malerei (E.W. Nay, E.Schumacher, K.O. Götz, B.Schultze) als symbolischer Ausdruck westlicher Freiheit und Demokratie gegenüber der Kunstpolitik des Stalinismus. Auch in der Plastik kehrte zunächst die figürliche Plastik der klassischen Moderne (G.Marcks, G.Seitz, T. Stadler) zurück, trat aber zunehmend in Konkurrenz zur abstrakten Plastik (K.Hartung, H.Uhlmann). Seit den 60er-Jahren arbeitete die jüngere Plastikergeneration (N.Kricke, E.Hauser, O.E. Hajek, T.Lenk) fast ausschließlich nicht gegenständlich. Erst seit den 80er-Jahren tritt auch die figurative Plastik wieder öffentlich in Erscheinung (S.Balkenhol). Auf dem Gebiet der Grafik sind besonders HAP Grieshaber, H.Janssen und F.Meckseper zu nennen. Einer der wenigen, unmittelbar gesellschaftskritischen Künstler ist K.Staeck mit Plakaten und Fotomontagen. In der Malerei erfolgte in den 60er- und 70er-Jahren parallel zur internationalen Entwicklung die Auseinandersetzung mit Farbfeldmalerei (R.Geiger), Op-Art, Pop-Art (U.Lausen) und Kinetik (Gruppe »Zero« mit H.Mack, O.Piene, G.Uecker). Daneben etablierten sich sehr unterschiedliche, zum Teil originelle Formen konzeptueller Malerei, die vom Neokonstruktivismus (G.Fruhtrunk) über den Fotorealismus (K.Klaphek) bis zu individuellen Konzepten (H.Antes, S.Polke) reichen. In den 60er-Jahren entstanden Aktionskunst und Performance, zu deren bekanntesten deutschen Vertretern J.Gerz, HA Schult und W. Vostell gehören. J.Beuys wurde zur einflussreichsten Künstlerpersönlichkeit der 70er- und 80er-Jahre, die durch die Entwicklung der »sozialen Plastik« eine ganze Künstlergeneration geprägt hat. Mit ihren neoexpressionistischen Bildern wurden G.Baselitz, A.R. Penck, M.Lüpertz und A.Kiefer zu Exponenten der spezifisch deutschen Entwicklung der Neuen Wilden. Seit Mitte der 80er-Jahre führte die Postmoderne zu einer radikalen Individualisierung der Kunst und zur parallelen Existenz von informellen, realistischen sowie konzeptuellen (u.a. I.Knoebel, R.Mucha, Hanne Darboven, Rosemarie Trockel) Formsprachen. Für die Bereiche der Computerkunst und Videoinstallation entstand mit dem Zentrum für Kunst- und Medientechnologie in Karlsruhe (gegründet 1990) ein einflussreicher Kristallisationspunkt. In der Architektur sind seit den 60er-Jahren eine Reihe von innovativen, international beachteten Bauten gelungen. Zu den herausragenden Architekten gehören G.Behnisch (Olympiapark München, 1972; Deutsches Postmuseum, Frankfurt am Main, 1990; Neubau des Deutschen Bundestags, Bonn, 1992), G.Böhm (Universitätsbibliothek Mannheim, 1988), J.P. Kleihues (Umbau des Hamburger Bahnhofs in Berlin zum Museum für Gegenwart, 199296), A.Schultes (Kunstmuseum Bonn, 1992; in Zusammenarbeit mit Charlotte Frank Gewinner des städtebaulichen Wettbewerbs um das Parlaments- und Regierungsviertel im Berliner Spreebogen, 1993; Krematorium Baumschulenweg, Berlin, 1999), O.M. Ungers (u.a. Erweiterungsbau der Kunsthalle in Hamburg, 199297), M.von Gerkan, V.Marg& Partner (Flughafen Stuttgart, 1994; Neue Messe, Leipzig, 1996). Kunst der DDR: In der DDR wurde der kritische Realismus der Nachkriegszeit innerhalb der Malerei und Grafik v.a. von ehemaligen Mitgliedern der Künstlervereinigung ASSO (Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands) getragen (O.Nerlinger, O.Nagel, W.Lachnit, H.und Lea Grundig, C.Querner). Beiträge zur Grafik leisteten u.a. J.Hegenbarth, M.Schwimmer, H.T. Richter und H.Sandberg. Auch die Plastik orientierte sich an den realistischen Traditionen der Zeit vor 1933 und schuf u.a. bedeutende antifaschistische Denkmale (T.Balden, F.Cremer, W.Grzimek). Dogmatische Forderungen nach einer parteilichen und gegenständlichen Kunst führten schon Ende der 40er-Jahre zur so genannten Formalismus-Debatte (194851) und in deren Konsequenz zu einer fortschreitenden Entfernung »bürgerlicher« Lehrer aus den Kunstakademien. Künstler, die sich kulturpolitisch nicht konform verhielten, wurden diffamiert (u.a. W.Lachnit, W.Rudolph), in die innere Emigration getrieben (H.Glöckner, G.Altenbourg) oder sie verließen die DDR (u.a. G.Hoehme, G.Richter, G.Baselitz). Auf den Bitterfelder Konferenzen (»Bitterfelder Weg«, 1959, 1964) wurde der sozialistische Realismus zur alleinigen theoretischen Basis des künstlerischen Schaffens in der DDR erklärt. In einer neuen Orientierung am deutschen Expressionismus und v.a. an der Neuen Sachlichkeit entwickelte sich seit Mitte der 60er-Jahre nach anfänglichem Widerstreben der Kulturpolitiker der SED die Malerei der so genannten Leipziger Schule (B.Heisig, W.Mattheuer, W.Tübke, V.Stelzmann, S.Gille, A.Rink) zur maßgeblichen Stilrichtung des sozialistischen Realismus. Auch die neoexpressive Malerei von W.Sitte ließ sich in dieses Konzept integrieren. 1970er- und 1980er-Jahre: Mythologische und symbolische Verschlüsselungen erlaubten eine stärker subjektivverinnerlichte Kunst und eine vorsichtige Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen (u.a. Nuria Quevedo, W.Mattheuer). Die Zeichnung und Grafik (u.a. W.Wolff, D.Goltzsche, C.Weidensdorfer) sowie die angewandte Kunst besaßen einen erheblich größeren formalen Spielraum als die Malerei. Ende der 70er-Jahre wurde nicht zuletzt unter dem Druck lokaler Künstlergruppierungen (»Clara Mosch« in Karl-MarxStadt und »Lücke-TPT« in Dresden) die Doktrin des sozialistischen Realismus in Richtung eines vorsichtigen Stilpluralismus gelockert. Experimentell arbeitende Künstler, die sich in die Kunstlandschaft der DDR nicht integrieren ließen, wurden weiterhin ausgegrenzt (z.B. »1.Leipziger Herbstsalon«, 1984). Das führte zu einem massiven Exodus der Künstler aus der DDR seit 1980 (u.a. A.R. Penck, H.Leiberg, R.Kerbach, Cornelia Schleime, H.-H.Grimmling, L.Dammbeck). Mit dem Ende der DDR und der Auflösung des Verbandes Bildender Künstler (VBK) der DDR wurde dem sozialistischen Realismus die gesellschaftliche Basis entzogen. Die jüngste Künstlergeneration der DDR (u.a. Angela Hampel, M.Götze) konnte sich teilweise schnell in die gesamtdeutsche Kunst integrieren. sozialistischer Realismus, Bezeichnung für eine Methode der künstlerischen Gestaltung und Kritik in der Literatur, die eng an die marxistisch-leninistische Ideologie gebunden ist; auch übertragen auf andere Künste, v.a. auf die bildende Kunst. Historisch entstand der Begriff bereits im Umkreis der zwischen dem Ende des Sozialistengesetzes (1890) und dem Beginn des Ersten Weltkriegs in der deutschen Sozialdemokratie geführten Literaturdebatten über das Thema Literatur und Proletariat; in den frühen 1930er-Jahren wurde er vom sowjetischen Herrschaftssystem unter der Führung Stalins beansprucht und als verbindliches Programm für Kunst und Literatur formuliert (erstmals 1932 in der sowjetischen Literaturdiskussion über die dem Sozialismus angemessene »schöpferische Methode«). Auf dem 1.Allunionskongress (1934) des Verbandes der sowjetischen Schriftsteller wurde in dessen Statut festgelegt, dass der sozialistische Realismus die Hauptmethode der sowjetischen schönen Literatur und Literaturkritik sei, dass der Künstler die Wirklichkeit wahrheitsgetreu und historisch konkret in ihrer »revolutionären Entwicklung« darzustellen habe, dass diese Darstellung die Erziehung der Werktätigen im Geiste des Sozialismus zum Ziel haben müsse. Dabei wurde der sozialistische Realismus politisch und ästhetisch definiert: Man suchte ihn in Traditionszusammenhänge des Realismus des 19.Jahrhunderts zu stellen, das Kunstwerk sollte den Prinzipien Parteilichkeit, Volksverbundenheit und Volkstümlichkeit folgen, der »positive Held« galt als Repräsentant des sozialistischen Fortschritts und Identifikationsfigur. Durch den Stalinismus, der seinen Führungsanspruch auch in der Kunst durchsetzte, wurde die weit gefasste Formel des sozialistischen Realismus aufgrund willkürlicher Auslegung immer wieder zu Maßregelungen eingesetzt; opponierende Schriftsteller wurden verfolgt. Die Resonanz in der internationalen sozialistischen Literaturentwicklung war seit den 1930er-Jahren von Land zu Land verschieden; Kunst wurde unter anderem als Faktor des Geschichtsprozesses im Sinne des Antifaschismus verstanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde nach kontroversen Diskussionen um die geistige Erneuerung mit Beginn des sozialistischen Aufbaus in einer Reihe von Ostblockstaaten der sozialistische Realismus als verpflichtende Schaffensmethode deklariert. So erfuhren als formalistisch erachtete Standpunkte (Formalismusdebatte) politische Verurteilung und administrative Verdrängung. Zeitprobleme wurden verschwiegen, die Ästhetik der Moderne in Literatur und bildender Kunst ausgeklammert beziehungsweise strikt abgelehnt; wichtige Genres verkümmerten, die Produkte wurden austauschbar. Nach Stalins Tod (1953), in der Zeit des Tauwetters (1956 bis etwa 1965), begann eine öffentliche Auseinandersetzung mit den Prinzipien des sozialistischen Realismus; v.a. in der sowjetischen Literatur spiegelten sich seit den 60er-Jahren die wachsenden Probleme des Alltags, ohne dass die Doktrin widerrufen wurde. Bis zum Ende des real existierenden Sozialismus vertiefte sich zunehmend die Kluft zwischen künstlerischen Prozessen und machtkonformer Ideologie, was z.B. in der Auseinandersetzung um eine freiere Interpretation des sozialistischen Realismus zum Ausdruck kam. Diese Entwicklung verlief zum Teil mit großen (zeitlichen und qualitativen) Unterschieden in den einzelnen sozialistischen Ländern. Tachismus [-] der, nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris entstandene Richtung der informellen Kunst; der Tachismus wurde angeregt vom Automatismus und bildet eine Parallele zum Action-Painting. Die Tachisten suchten seelische Regungen unmittelbar in Farbflecken (»taches«) auszudrücken und lehnten jede bewusste Formgestaltung ab. Einer ihrer Hauptvertreter war der deutsche Künstler Wols. informelle Kunst [von der auf M.Tapié zurückgehenden französischen Wortprägung signifiance de l'informel »Bedeutsamkeit des Formenlosen«] (französisch Informel, Art informel), Benennung einer Richtung der gegenstandsfreien Malerei und Grafik, die seit etwa 1945 im Gegensatz zur geometrischen Abstraktion abgegrenzte Formen und feste Kompositionsregeln ablehnte, um durch frei erfundene Zeichen oder durch Rhythmus und Struktur ineinander greifender Flecken und Linien Geistiges unmittelbar auszudrücken. Die informelle Kunst fußt auf dem Automatismus. Die École de Paris war als Entstehungszentrum für die informelle Kunst von größter Bedeutung. Ihre Hauptvertreter sind J.Fautrier, K.F. Dahmen, H.Hartung, Wols, P.Soulages und G.Mathieu. Die Bezeichnung informelle Kunst wird sowohl in Abgrenzung zum als auch in gleicher Bedeutung wie Tachismus und abstrakter Expressionismus verwendet. Action-Painting ['æ, englisch] das, 1950 geprägter Begriff, der im abstrakten Expressionismus als Bezeichnung für eine prozesshafte Malmethode erscheint, bei der das Bild zum Dokument eines spontanen Malvorganges wird; Hauptvertreter: J.Pollock. abstrakter Expressionismus, erstmals für Ausdrucksgebärden des Expressionismus in den 1920er-Jahren verwendet (besonders für Bilder von W.Kandinsky). A.H. Barr übertrug den Begriff auf die automatische Umsetzung von Gestaltungs- und Erlebnisimpulsen ohne rationale Kontrolle in der amerikanischen Malerei der 1940er- und 1950er-Jahre (W.de Kooning, R.Motherwell, F.Kline, M.Tobey u.a.), sie steigerte sich im Action-Painting von J.Pollock. Der abstrakte Expressionismus war weltweit verbreitet, auch unter der Bezeichnung informelle Kunst. Pop-Art [', englisch, gekürzt aus popular art »volkstümliche Kunst«] die, Strömung der zeitgenössischen Kunst, die v.a. in Großbritannien und in den USA seit Mitte der 1950er-Jahre und in den 60er-Jahren die Kunstszene beherrschte. Die Pop-Art entdeckte die Welt der Unterhaltungsindustrie und der Werbung als ästhetische Wirklichkeit. Banale Objekte des Massenkonsums wurden durch Isolierung, Ausschnitt, Vergrößerung, Reihung oder durch Imitationen verfremdet und parodiert. Die Pop-Art wollte die Kunst mit moderner Lebenswirklichkeit verbinden. Grelle Farbzusammenstellungen (»Popfarben«) und große Formate dominieren. Der rasche Erfolg amerikanischer Künstler wie R.Rauschenberg, J.Johns, J.Dine, R.Lichtenstein, C.Oldenburg, J.Rosenquist, G.Segal, A.Warhol, T.Wesselmann, R.Indiana und E.Kienholz hing auch mit der Neubewertung der Volkskunst in den USA zusammen. In Großbritannien (R.Hamilton, P.Blake, D.Hockney, A.Jones, R.B. Kitaj, P.Phillips, J.Tilson, P.Caulfield) erhielt die Pop-Art Impulse von E.Paolozzi und F.Bacon. Happening ['æ; englisch »Ereignis«] das, »lebendig gemachte Pop-Art« (W.Vostell), eine Form der Aktionskunst (seit 1958), hebt die Grenzen zwischen Kunst und Leben auf. Unter Einbeziehung der Zuschauer kommt ein überraschendes Erlebnis zustande; beispielhaft für die Aufhebung der Grenzen zwischen unterschiedlichen Medien. Zu den Hauptvertretern gehörten A.Kaprow in den USA und W.Vostell in Deutschland. Parallel zum Happening entwickelten sich die Fluxusbewegung (Fluxus) und die Aktionskunst der Vertreter des »Wiener Aktionismus«. Der Begriff Happening wurde von der künstlerischen auf die politische Szene übertragen. Heute ist das Happening in Aktionen lebendig, z.B. von W.Vostell (Fluxus-Zug, 1981). Die Performance ist eine modifizierte Weiterentwicklung des Happenings. Aktionskunst, Ersetzung eines Kunstobjektes durch künstlerische Aktion, zuerst um 1918 im Dadaismus, seit 1958 durch A.Kaprow als Happening; parallel dazu die musikalischen Fluxusaktionen von J.Cage und die rituellen Aktionen von J.Beuys. Performance [', englisch] die, Kunst: eine aus den USA stammende Form der Aktionskunst, die in den 1970er-Jahren weitgehend an die Stelle von Fluxusveranstaltungen und Happenings trat. Im Gegensatz zu diesen bleiben Künstler und Publikum getrennt. Die Performance wird meist von einem einzelnen Künstler, aber auch von Gruppen vorgeführt. Häufig wird mit Mitteln des experimentellen Theaters und des modernen Balletts gearbeitet oder die Performance in Theater- und auch in Konzertaufführungen integriert. Überschneidungen ergeben sich auch mit der Body-Art und der Prozesskunst. Bedeutsam ist die Verwendung reproduktiver Medien, v.a. Film und Video, die mitunter die Originalperformance völlig ersetzen. Fluxus [lateinisch »das Fließen«] der, Begriff der zeitgenössischen Kunst für Aktionen, bei denen ein oder mehrere Künstler (mit Akteuren) versuchen, aktive Veränderungs- und Wandlungsprozesse als Prinzipien der Realität sichtbar zu machen. Im Zusammenspiel von Musik, Theater und bildender Kunst sollen die Grenzen zwischen den Künsten, aber auch zwischen Künstlern und Publikum aufgehoben werden. Maßgeblich beteiligt an der Fluxusbewegung waren N.J. Paik, J.Cage, J.Beuys sowie W.Vostell. Environment ['; englisch »Umgebung«] das (Ambiente), Ausdrucksform der bildenden Kunst in der 2. Hälfte des 20.Jahrhunderts, die aus Assemblage und Combine-Painting entwickelt wurde und wichtige Impulse aus der Happeningbewegung erhielt. Das Environment besteht aus einer räumlich definierten Anordnung verschiedenartiger Materialien und/oder (Gebrauchs-)Gegenstände und bezieht den Betrachter unmittelbar ein: A. Kaprow, R.Rauschenberg, C.Oldenburg, G.Segal, E.Kienholz, J.Beuys. Nouveau Réalisme [nu'vo ', französisch] der (Neuer Realismus), von Künstlern um den Kritiker P.Restany 1960 begründeter Realismusbegriff, der auf Ideen des Dadaismus basiert (daher auch als »Neodadaismus« bezeichnet). Die Vertreter dieser Bewegung (Arman, R.Hains, F.Dufrêne, Y.Klein, J.Tinguely, J.M. de Villeglé, M.Raysse, D.Spoerri, César, Christo, Niki de Saint Phalle) schufen Readymades, Assemblagen, Akkumulationen, Decollagen u.a. unter Verwendung realer Gegenstände (Fundstücke, v.a. Abfallprodukte). Neue Figuration, Bezeichnung für die figürliche Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem gleichnamigen Buchtitel (1959) des Malers und Kritikers H.Platschek (*1923). Zur Neuen Figuration gehören u.a. die der Pop-Art nahe stehenden Künstler und die Vertreter verschiedener realistischer Strömungen. Neue Wilde (Junge Wilde), Maler, die seit Ende der 1970er-Jahre mit einer Malerei in Erscheinung traten, die durch radikale Ausschöpfung malerischer Möglichkeiten, v.a. durch eine aggressive Farbigkeit, und eine teilweise Rückkehr zur Gegenständlichkeit gekennzeichnet ist. Der Name deutet auf die Verwandtschaft zu den französischen Fauves (»Wilde«) hin. Bekannt wurden in der Bundesrepublik Deutschland v.a. die Gruppen in Berlin (»Heftige Malerei«) mit R.Fetting, H.Middendorf, Salomé, B.Zimmer) und in Köln (»Mülheimer Freiheit«, 1983 aufgelöst), u.a. mit H.-P. Adamski, W.Dahn und G.J. Dokoupil, außerdem Elvira Bach, M.Kippenberger, V.Tannert und der Schweizer M.Disler. Parallel dazu entwickelten sich in der DDR mehrere Künstlergruppen, die sich von der Glätte und Erstarrung des sozialistischen Realismus absetzen wollten: Gruppe »Clara Mosch« in Karl-Marx-Stadt (C.Claus, T.Ranft, Dagmar Ranft-Schinke, M.Morgner, G.-T.Schade), »Lücke-TpT« in Dresden (u.a. A.R. Penck und H.Gallasch) und der »1.Leipziger Herbstsalon« (u.a. F.Heinze, O.Wegewitz, L.Dammbeck, H.-H. Grimmling); auch W.Libuda, Angela Hampel und T.Wendisch gehörten zum Umkreis der Neuen Wilden. Vergleichbare Tendenzen gibt es in Italien (»Arte cifra«), in den USA (»New-ImagePainting«) und in Frankreich (»Figuration libre«).