Finnland Info 868 21.6.11 Wer sind die Wahren Finnen? Die

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21.6.11
Wer sind die Wahren Finnen?
Die Abschlussarbeit für seinen Mastertitel schrieb Timo Soini, der Parteichef der Wahren Finnen, kurioserweise
zum Thema Populismus.
Als am 17. April die Ergebnisse der finnischen Parlamentswahl einzutrudeln
begannen, war man auch im übrigen Europa verdutzt: Was ist los in Finnland, einem
Land, dessen politische Szene man bisher nicht gerade als Lieferanten von
spektakulären Nachrichten kannte? Kyösti Karvonen, Redaktionschef der
Tageszeitung Kaleva, berichtet.
Im Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit sonnten und sonnen sich eine Partei mit
einem merkwürdigen Namen, die Wahren Finnen, und ihr temperamentvoller
Vorsitzender Timo Soini, ein begeisterter Fan des britischen Fußballteams Millwall
FC und Katholik in einem überwiegenden lutherischen Land.
In der internationalen Wahlberichterstattung wurde die Partei mit Attributen versehen
wie rechts außen, fremdenfeindlich, populistisch, EU-gegnerisch, islamfeindlich und
rassistisch.
Als Journalist habe ich die Wahren Finnen sowie ihre Vorgängerin, die Partei der
finnischen Landbevölkerung (SMP), schon seit den frühen 1980er Jahren
beobachtet. In all diesen Jahren ist es unmöglich gewesen, sie auf der politischen
Landkarte zu verorten. Auf jeden Fall wird man die Partei und ihre politische Essenz
eher über- als unterschätzen.
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Misstrauen und Abwasserreinigungszwang
Foto: Mikko Stig/Lehtikuva
Die Wahren Finnen sind eine Plattform der EU-Gegner. Sie ergatterten u.a. damit Wählerstimmen, dass sie das
Rettungspaket für Portugal in Grund und Boden verdammten.
Am wenigstens falsch liegt man sicherlich, wenn man die Wahren Finnen als
populistische Partei bezeichnet. Man kann sie auch als EU-kritisch beschreiben und
als eine Partei, die sich für eine Verschärfung der Einwanderungspolitik stark macht.
Und Tatsache ist auch, dass aus den Reihen der Partei immer wieder vereinzelte
Stimmen mit rechtsextremen Untertönen laut werden.
TIn letzter Zeit ist es der Partei gelungen, Resonanzboden für bestimmte
Unterströmungen in der Seele der Finnen zu sein. Was ein richtiger Finne ist, der
misstraut „denen da oben“ oder verabscheut sie sogar. Der gesellschaftliche Protest,
der sich im April an den Wahlurnen manifestierte, war die Folge eines
Verdrossenheitscocktails, zu dessen Zutaten u.a. die Finanzhilfen für Euroländer, die
finnische Wahlspendenaffäre sowie ein extrem unpopuläres Gesetz gehörten, das
die Finnen zwingt, ihre geliebten Sommerhäuser mit teurer
Abwasserreinigungstechnik auszustatten.
Soini selbst hat die Wahren Finnen als „Arbeiterpartei ohne Sozialismus“ bezeichnet.
Da ist unbedingt etwas dran. Als die führende finnische Tageszeitung Helsingin
Sanomat vor der Parlamentswahl die Kandidaten um Beantwortung eines
Fragenkatalogs bat, lagen die Antworten der Wahren Finnen und die der
Sozialdemokraten näher beieinander als die jeder anderen Parteienkombination.
Angst, unter die Räder zu kommen
Foto: Jussi Helttunen/Lehtikuva
Nicht vom blauen Himmel gefallen: Die Wahren Finnen träumen sicherlich davon, noch so manchen Luftballon
der EU-Politik anzupieksen.
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Die Partei der Wahren Finnen ist nicht vom Himmel gefallen. Es gibt sie seit über 50
Jahren, wenngleich zuvor unter anderen Namen. Als Partei der finnischen
Landbevölkerung hat sie schon zweimal zuvor die politische Landschaft Finnlands
aufgewühlt, in den frühen Siebzigern und 1983.
Das inhaltliche Fundament der Partei war nie besonders breit, aber zumeist stand
der Partei ein Führer vor, der sich durch politisches Talent, Charisma sowie
begnadete rhetorische Fähigkeiten und Scharfzüngigkeit profilierte.
In dieser Beziehung fügt Soini, 49, sich perfekt in die Ahnengalerie ein. Er hat einen
Master-Titel in Sozialwissenschaften – seine Abschlussarbeit verfasste er
sinnigerweise zum Thema Populismus.
Im Jahre 2008 schrieb Soini in seiner Autobiografie prophetenhaft: „Populistische
Führer betreten die Bühne häufig zu einem Zeitpunkt, wenn sozialer Umbruch und
struktureller Wandel als Bedrohung empfunden werden. Die Anhängerschaft des
Populisten besteht aus Menschen, die Angst haben, unter die Räder zu geraten.”
Vom Hinterland ins Parlament
Foto: Mikko Oksanen/Lehtikuva
Veikko Vennamo (am Ende des Tisches) gründete die beiden Vorgängerparteien der Wahren Finnen, die
Finnische Kleinbauernpartei (1959) und die Partei der finnischen Landbevölkerung (1966).
Soini erlernte das politische Handwerk als Parteiarbeiter unter der Führerschaft von
Veikko Vennamo (1913-1997), dem Gründer beider Vorgängerinnen der Wahren
Finnen (Finnische Kleinbauernpartei 1959, Partei der finnischen Landbevölkerung
1966). Vennamos Warenzeichen waren flammende Reden; einmal mussten die
Ordner ihn sogar aus dem Sitzungssaal tragen, nachdem er seine Redezeit
überschritten hatte und das Rednerpult partout nicht freigeben wollte.
VVennamo gründete die Partei in den späten fünfziger Jahren, nachdem er aus der
heutigen Zentrumspartei ausgetreten war. Vorangegangen war ein heftiger Konflikt
mit Urho Kekkonen, von 1956 bis 1982 Staatspräsident des Landes.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Vennamo eine Schlüsselrolle gespielt als es galt,
die aus Karelien, dem von der Sowjetunion annektierten Ostteil Finnlands,
Vertriebenen in anderen Teilen des Landes anzusiedeln. Es ist eine weit verbreitete
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Sicht, dass die erfolgreiche Umsiedlungsaktion ein Grund dafür war, dass dem Land
nach dem Krieg soziale Unruhen erspart blieben.
Das Auf und Ab der Partei begann 1970, als die Partei 18 der insgesamt 200 Sitze
im Parlament ergatterte. Bald darauf führten interne Zwiste zu einer Spaltung der
Partei. Die Restpartei versank im politischen Abseits, bis sie bei den Wahlen des
Jahres 1983 ein Comeback schaffte und zum ersten Mal in ihrer Geschichte Mitglied
einer Koalitionsregierung wurde. Danach begann erneut ein Abstieg in die
Bedeutungslosigkeit.
Diese Periode endete vor ein paar Jahren, als die Wahren Finnen ihren Vormarsch
begannen. Die ersten Anzeichen für das, was kommen sollte, erlebte man bei den
Kommunalwahlen des Jahres 2008 und bei der Europawahl des Jahres 2009, bei der
Soini mit einem Erdrutschsieg in das Europäische Parlament gewählt wurde.
Aus:
http://www.thisisfinland.fi/Public/default.aspx?contentid=223209&tarjolla
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