Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich KR-Nr. 285/2001 Sitzung vom 28. November 2001 1848. Anfrage (Wiedergutmachung gegenüber Meier 19) Kantonsrat Daniel Vischer und Kantonsrätin Bettina Volland, Zürich, haben am 10. September 2001 folgende Anfrage eingereicht: Der Fall Meier 19 kann noch keineswegs ad acta gelegt werden. Noch ist es nicht zu spät für eine Wiedergutmachung. Gemäss «Tages-Anzeiger» vom 4. August 2001 will der Zürcher Stadtpräsident Josef Estermann Hand für Meier 19 bieten, ihm doch noch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dies gab er im Anschluss an die Uraufführung des Films «Meier 19» von Erich Schmid in Locarno kund. Der Fall Meier 19 hat eine Stadt-Zürcher und eine kantonale Dimension. Vorliegend geht es allein um eine kantonale Wiedergutmachung. Sie legitimiert sich mit offensichtlichen und gravierenden Fehlern der kantonalzürcherischen Justiz. In der von Meier 19 in die Wege geleiteten Strafuntersuchung gegen Walter Hubatka, damals Chef der Kriminalpolizei Zürich, hat der damalige Zürcher Bezirksanwalt Rudolf Gerber den Beschuldigten in unzulässiger Weise geschont, indem er namentlich das falsche Alibi Hubatkas nicht zur Sprache brachte und sogar aktiv vertuschte. Ferner wurde der Verdacht von Meier 19, Hubatka sei in Geldnöten und sei deshalb Darlehensnehmer bei der Bank Prokredit, nicht abgeklärt. Ferner wurde entgegen allen Regeln einer unvoreingenommenen Untersuchung ein Untergebener Hubatkas mit Recherchen beauftragt, und der Beschuldigte selbst durfte dessen Rapport an den Bezirksanwalt überweisen. Nicht abgeklärt wurde schliesslich eine möglicherweise Hubatka anzulastende ad-acta-Verfügung, die laut Professor Jörg Rehberg den Tatbestand der Begünstigung erfüllen könnte (Paul Bösch, Meier 19, S. 275). Der Regierungsrat deckte auf Antrag von Justizdirektor Arthur Bachmann diesen Fehler. Hubatkas falsches Alibi wurde sodann gegenüber dem Kantonsrat vertuscht. Erst im Oktober 1975 bestätigte mit dem Zürcher Geschworenengericht erstmals eine öffentliche Instanz diese offensichtlichen Skandale. Justizdirektor Arthur Bachmann hat im Falle Meier 19 mehrmals den ihm unterstellten Justizorganen voreingenommene Weisungen erteilt und ihnen damit zu verstehen gegeben, dass sie negativen Gefühlen gegenüber Meier 19 ungehindert den Lauf lassen können (ebd. S. 198f., 203). Diese Fakten sind durch Akten belegt. Durch diese Vertuschungen und Manöver hat der Kanton Zürich fraglos Schuld auf sich geladen, indem er Meier 19 ins Leere laufen liess und eine Aufklärung des ganzen Falles verhinderte. Aufs Spiel gesetzt wurde damit die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates. Natürlich ist von der juristischen Ebene und der politischen Verantwortlichkeit zu unterscheiden, vorwiegend geht es allein um Letzteres. Vor diesem Hintergrund stellen wir folgende Fragen: 1. Wie schätzt der Regierungsrat heute den Fall ein? Hält er eine Administrativuntersuchung bezüglich der eingangs genannten Ungereimtheiten für angebracht? 2. Ist der Regierungsrat bereit zu einer Entschädigung für die damaligen Verfahren, die mindestens aus heutiger Sicht erhebliche rechtsstaatliche Mängel aufwiesen. Immerhin hat der Zürcher Stadtrat vor einigen Jahren bereits eine Entschädigung von Fr. 50000 bezahlt. Auf Antrag der Direktion der Justiz und des Innern beschliesst der Regierungsrat: I. Die Anfrage Daniel Vischer und Bettina Volland, Zürich, wird wie folgt beantwortet: Der Regierungsrat hat sich letztmals am 8. Mai 1996 in der Antwort auf die Anfrage KRNr. 37/1996 zum Fall des Zahltagsdiebstahls von 1963 bei der Stadtpolizei Zürich, zur Auseinandersetzung mit dem früheren Detektivwachtmeister Kurt Meier («Meier 19») und zur Ausrichtung einer Entschädigung an diesen geäussert. Seither haben sich in dieser Angelegenheit mit einer Ausnahme keine rechtlich erheblichen neuen Fakten ergeben. Die Ausnahme betrifft den Beschluss des Obergerichts vom 16. Dezember 1998, der mit einlässlicher Begründung das Gesuch um eine Revision des Urteils des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 15. Oktober 1975 abwies. Mit jenem Urteil war Kurt Meier der üblen Nachrede zu Lasten von Walter Hubatka, dem ehemaligen Chef der Kriminalpolizei der Stadt Zürich, schuldig gesprochen worden. Der erwähnte Beschluss des Obergerichts widerspricht den Feststellungen des Regierungsrates in der Anfrageantwort vom 8. Mai 1996 nicht. Im Sinne des damals bereits Gesagten ist daher festzustellen, dass die damalige Strafuntersuchung im Zusammenhang mit dem Zahltagsdiebstahl verschiedene Mängel aufwies und insbesondere Alibiüberprüfungen weitgehend unterblieben, die falsche Aussagen in diesem Zusammenhang aufgezeigt hätten. Die von Kurt Meier erhobenen Vorwürfe sind daher mindestens in diesem Umfang berechtigt, doch ist gleichzeitig festzustellen, dass daraus keine Schlüsse auf die unbekannt gebliebene Täterschaft gezogen werden können, deren Strafverfolgung heute infolge des Eintritts der absoluten Verfolgungsverjährung ausser Betracht fällt. Allerdings ist aus heutiger Sicht ein damals kaum angesprochener Aspekt der Angelegenheit anders zu sehen, als dies 1963 getan wurde: Kurt Meier wurde 1967 wegen einer Amtsgeheimnisverletzung zuerst im Dienst eingestellt und anschliessend aus dem Polizeidienst entlassen. Diese ging auf seine Bemühungen zurück, eine Korrektur und Ahndung eines nach seiner Auffassung als Begünstigung eines Verkehrsdelinquenten zu betrachtenden Vorgehens höherer Polizeibeamter zu erreichen. Nach seiner Entlassung befasste er sich wieder mit dem Zahltagsdiebstahl von 1963 und erreichte, dass die Strafuntersuchung 1968 wieder aufgenommen wurde. Erst nach der erneuten Einstellung der Strafuntersuchung begann er, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, unter anderem auch 1972 mit dem Flugblatt, das Anlass zu seiner Verurteilung durch das Geschworenengericht am 15. Oktober 1975 gab. Die Vorgesetzten von Kurt Meier haben auf sein Vorgehen in der Begünstigungsangelegenheit, solange bis er an die Medien gelangte, wie auch bei der Beurteilung seiner Haltung bezüglich der Aufklärung des Zahltagsdiebstahls, wiederum bis zum Zeitpunkt, als er sich an die Öffentlichkeit wandte, in einer Art und Weise reagiert, die aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar ist. Aus diesem Grunde hat denn auch die Stadt Zürich als ehemalige Arbeitgeberin von Kurt Meier diesem 1998 aus Billigkeitsgründen eine Genugtuung ausgerichtet. Der Regierungsrat beurteilt vor diesem Hintergrund die Untersuchung des Zahltagsdiebstahls von 1963 bei der Stadtpolizei und die damit zusammenhängenden Auseinandersetzungen nach wie vor so, wie er es 1996 getan hat. Die damals dargestellten Mängel und Lücken sind bekannt, sodass sich eine Administrativuntersuchung heute erübrigt. Es sind seit 1996 keine neuen Fakten bekannt geworden, die heute entgegen der 1996 geäusserten Meinung eine Entschädigung von Kurt Meier durch den Kanton Zürich rechtfertigen würden. II. Mitteilung an die Mitglieder des Kantonsrates und des Regierungsrates sowie an die Direktion der Justiz und des Innern. Vor dem Regierungsrat Der Staatsschreiber: Husi