GRUNDLAGEN DER ANALYSIS, TOPOLOGIE UND GEOMETRIE

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GRUNDLAGEN DER ANALYSIS, TOPOLOGIE UND GEOMETRIE
SOMMERSEMESTER 2016
WESTFÄLISCHE WILHELMS-UNIVERSITÄT MÜNSTER
PD DR. THOMAS TIMMERMANN
I NHALTSVERZEICHNIS
Überblick
Literatur
1. Topologische Räume und stetige Abbildungen
2. Konvergenz und Netze
3. Produkte und initiale Topologien
i
ii
ii
1
4
6
Ü BERBLICK
Die Vorlesung gibt eine Einführung in
(1) mengentheoretische Topologie
(topologische Räume und stetige Abbildungen, Netze, Kompaktheit, Approximationssatz von Stone-Weierstraß, Metrisierbarkeit, evt. Partitionen der Eins,
Zusammenhang);
(2) Fundamentalgruppe eines topologischen Raumes
(Fundamentalgruppe/-gruppoid, Windungszahl, Überlagerungen und deren Klassifikation);
(3) Grundlagen zu differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Mannigfaltigkeiten, Vektorbündel, Tangentialräume und -bündel).
Diese Inhalte sind grundlegend für die drei Vertiefungsmodule
• Funktionalanalysis,
• Topologie,
• Differentialgeometrie,
(1) und (3) darüber hinaus aber auch für fast alle Gebiete der reinen Mathematik.
Die Vorlesung folgt nicht direkt einem Buch. Als Literatur empfehle ich nachfolgende
Bücher, die in der Bibliothekt im Semesterapparat zu finden sind. Das Buch [Jän05b]
kann vom Uni-Netz aus als Ebook von www.springerlink.com kostenfrei heruntergeladen werden.
L ITERATUR
[Bre93]
[Jän05a]
[Jän05b]
[Oss92]
[Ped12]
[Que08]
[Run05]
Glen E Bredon. Topology and geometry, GTM 139. Springer, 1993.
Klaus Jänich. Topologie. Springer, 2005.
Klaus Jänich. Vektoranalysis. Springer, 2005.
Erich Ossa. Topologie. Vieweg, 1992.
Gert K Pedersen. Analysis now, volume 118. Springer, 2012.
Bv Querenburg. Mengentheoretische Topologie. Springer, 2008.
Volker Runde. A taste of topology. Springer, 2005.
ii
GRUNDLAGEN DER ANALYSIS, TOPOLOGIE UND GEOMETRIE (WWU 2016)
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1. T OPOLOGISCHE R ÄUME UND STETIGE A BBILDUNGEN
Die Begriffe Konvergenz und Stetigkeit von Abbildungen wurden in der Analysis I/II in
zunehmender Allgemeinheit erst für R, dann für Teilmengen von Rn und schließlich
metrische Räume definiert, werden aber später in fast allen Bereichen der Mathematik
in größerer Allgemeinheit benötigt. Den geeigneten Rahmen dafür bilden topologische
Räume.
Wiederholung zu metrischen Räumen. Zur Erinnerung:
Definition (Analysis 2).
• Ein metrischer Raum ist eine Menge X mit einer Metrik, also einer Abbildung d : X × X → [0, ∞) mit folgenden Eigenschaften:
(1) ∀x, y ∈ X : d(x, y) = 0 ⇔ x = y
(2) ∀x, y ∈ X : d(x, y) = d(y, x)
(3) ∀x, y, z : d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z)
1/2
Beispiel.
(1) Rn mit der euklidischen Metrik d(x, y) = ∑i (xi − yi )2
(2) jeder normierte Raum mit der induzierten Metrik
( d(x, y) = kx − yk
0, x = y,
(3) jede Menge mit der diskreten Metrik d(x, y) =
1, x 6= y.
Konvergenz und Stetigkeit können dann mit Hilfe von Umgebungen definiert werden:
Definition (Analysis 2). Sei (X, dX ) ein metrischer Raum und x ∈ X.
• Eine Teilmenge U ⊆ X heißt Umgebung von x, falls x ∈ U und es ein ε > 0 gibt
mit {y ∈ X : dX (x, y) < ε} ⊆ U.
• Eine Folge in X konvergiert gegen ein x ∈ X, falls jede Umgebung von x alle bis
auf endliche viele Folgenglieder enthält.
• Sei (Y, dY ) ein metrischer Raum. Eine Abbildung f : X → Y ist stetig in x ∈ X,
falls für jede Umgebung V von f (x) eine Umgebung U von x mit f (U) ⊆ V
existiert.
Um “lokal” über Konvergenz und Stetigkeit zu sprechen, braucht man also nur zu wissen, was die Umgebungen eines Punktes sind. “Global” ist es einfacher, mit offenen
Mengen zu arbeiten:
Definition (Analysis 2). Eine Teilmenge eines metrischen Raumes heißt offen, falls sie
Umgebung von jedem ihrer Punkte ist.
Satz (Analysis 2). Eine Abbildung zwischen metrischen Räumen ist genau dann stetig,
wenn das Urbild jeder offenen Menge wieder offen ist.
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PD DR. THOMAS TIMMERMANN
Topologische Räume. Um über Konvergenz und Stetigkeit zu sprechen, reicht es, zu
wissen, welche Teilmengen eines Raumes offen sind.
Definition 1.1. Ein topologischer Raum ist eine Menge X mit einer Teilmenge τ ⊆ P (X)
mit folgenden Eigenschaften:
/ X ∈τ
(1) 0,
(2) U,V ∈ τ ⇒ U ∩V ∈ τ
S
(3) U ⊆ τ ⇒ ( U∈U U) ∈ τ.
Man nennt dann τ eine Topologie auf X, Elemente von τ offene Mengen, deren Komplemente abgeschlossene Mengen, und erwähnt τ nicht immer.
Der Begriff eines topologischen Raumes ist sehr allgemein — topologische Räume können sehr unterschiedliche und überraschende Eigenschaften besitzen. Ihr Studium bringt
eine Vielzahl von Begriffsbildungen mit sich, die einen anfangs überrollen können. Ein
Gespür für diese Begriffsbildungen erhält man erst durch das Arbeiten mit Beispielen
und Übungsaufgaben.
Beispiel 1.2.
(1) die von einer Metrik d auf X erzeugte Topologie
τd := {U ⊆ X : U ist bezüglich d offen};
(2) die diskrete Topologie
τdiskret := P (X);
(3) jede Teilmenge A eines topologischen Raumes (X, τ) trägt die Teilraum-/Spur/Relativtopologie
τA = {U ∩ A : U ∈ τ}
(4) (ÜA) auf N ∪ {∞} die Topologie
τ = {U ⊆ N ∪ {∞} : (∞ 6∈ U) oder (∃n mit {n, n + 1, n + 2, . . .} ⊆ U)};
(5) die grobe Topologie auf X ist
/ X};
τgrob := {0,
(6) die ko-endliche Topologie
/
τco f in = {F c : F ⊆ X endlich} ∪ {0}
(endlichen Vereinigungen und beliebigen Schnitte endlicher Mengen sind endlich);
(7) die ko-abzählbare Topologie
/
τcoenum = {Ac : A ⊆ X abzählbar} ∪ {0}.
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Definition 1.3. Sei X ein topologischer Raum. Eine Teilmenge V ⊆ X heißt Umgebung
von x ∈ X, falls es eine offene Menge U ⊆ X mit x ∈ U ⊆ V gibt.
Bemerkung 1.4. Insbesondere ist eine Menge genau dann offen, wenn sie Umgebung
jedes ihrer Punkte ist.
Stetige Abbildungen. Seien X und Y topologische Räume.
Definition 1.5. Eine Abbildung f : X → Y heißt
• stetig in x ∈ X, falls für jede Umgebung V von f (x) ∈ Y eine Umgebung U von
x mit f (U) ⊆ V existiert;
• stetig, wenn Urbilder offener Mengen offen sind.
Beispiel 1.6.
(1) Trägt X die diskrete Topologie, so ist f stets stetig.
(2) Trägt Y die grobe Topologie, so ist f stets stetig.
(3) Die Identität auf X ist stetig als Abbildung von (X, τ) nach (X, τ0 ) genau dann,
wenn τ0 ⊆ τ. In dem Fall nennt man τ feiner/stärker als τ0 und τ0 gröber/schwächer
als τ. Zum Beispiel ist τgrob ⊆ τco f in ⊆ τcoen ⊆ τdiskret .
Satz 1.7. Eine Abbildung zwischen topologischen Räumen ist stetig genau dann, wenn
sie in jedem Punkt stetig ist.
Beweis. “⇒”: Sei x ∈ X und W eine Umgebung von f (x). Wähle offenes V mit f (x) ∈
V ⊆ W . Danns ist U := f −1 (V ) eine offene Umgebung von x mit f (U) = V .
“⇐”: Sei V ⊆ Y offen und x ∈ f −1 (V ). Nach Annahme ex. U ⊆ X offen mit f (U) ⊆ V ,
also x ∈ U ⊆ f −1 (V ). Nach Bemerkung 1.4 ist f −1 (V ) offen.
Lemma 1.8. Die Verknüpfung stetiger Abbildungen zwischen topologischen Räumen ist
wieder stetig.
Beweis. Sind f : X → Y und g : Y → Z stetig und W ⊆ Z offen, so ist g−1 (W ) ⊆ Y offen
und f −1 (g−1 (W )) = (g ◦ f )−1 (W ) offen.
Definition 1.9. Eine Abbildung f : X → Y heißt Homöomorphismus, falls f bijektiv
und f sowie f −1 stetig sind; in dem Fall nennt man X und Y homöomorph und schreibt
X∼
= Y.
Beispiel 1.10.
(1) R ∼
= (−1, 1) (einfach).
(2) (−1, 1) 6∼
(−1,
1)
\ {0} und (−1, 1) 6∼
=
= [−1, 1) 6∼
= [−1, 1] (Übung).
n
m
∼
(3) R = R ⇔ n = m (schwer).
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2. KONVERGENZ UND N ETZE
Für metrische Räume ließen sich viele wichtige Begriffe wie Stetigkeit und Kompaktheit äquivalent mit Hilfe offener Mengen oder mit Hilfe konvergenter Folgen definieren.
Konvergenz von Folgen. Ähnlich wie für metrische Räume definieren wir:
Definition 2.1. Eine Folge (xn )n in einem topologischen Raum X konvergiert gegen
x ∈ X, falls jede Umgebung von x alle bis auf endlich viele Folgenglieder enthält. Wir
schreiben dann xn → x oder limn→∞ xn = x.
Allgemeine topologische Räume bieten viele Überraschungen:
Beispiel 2.2.
(1) Ist (X, d) ein metrischer Raum, so konvergiert eine Folge xλ bezüglich der von d erzeugten Topologie gegen ein x genau dann, wenn xλ gegen
x bezüglich d konvergiert.
(2) Trägt X die grobe Topologie, so konvergiert jede Folge gegen jeden Punkt. Insbesondere sind Grenzwerte nicht eindeutig!
(3) Trägt X die diskrete Topologie, so konvergiert eine Folge nur, wenn sie irgendwann konstant wird (wähle U = {x}).
(4) Trage X die ko-abzählbare Topologie. Falls xn = x für alle bis auf endlich viele
n ∈ N, so folgt limn→∞ xn = x. Andernfalls existiert eine Teilfolge (xnk )k mit
xnk 6= x für alle k und U := X \ {xnk : k} ist eine offene Menge mit x ∈ U aber
xnk 6∈ U für alle k.
(3), (4) ⇒ In topologischen Räumen kann man Stetigkeit nicht mittels Konvergenz von
Folgen charakterisieren!
Beispiel 2.3. Sei X überabzählbar. Dann ist idX : (X, τcoenum ) → (X, τdiskret )
• “folgenstetig”: für jede Folge (xn )n und jedes x in X folgt xn → x in (X, τcoenum )
die Gleichung xn = x für hinreichend große n und somit xn → x in (X, τdiskret );
• aber nicht stetig, weil τdiskret 6⊆ τcoenum .
Immerhin gilt:
Satz 2.4. Ist f : X → Y eine stetige Abbildung topologischer Räume und konvergiert
eine Folge (xn )n in X gegen x ∈ X, so konvergiert ( f (xn ))n in Y gegen f (x).
Beweis. Sei V ⊆ Y eine offene Menge mit f (x) ∈ V . Dann ist U := f −1 (V ) offen, enthält
x und damit auch alle bis auf endlich viele der xn . Somit enthält f (U) = V alle bis auf
endlich viele der f (xn ).
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Konvergenz von Netzen. Eine Lösung des Problems ist die Verwendung allgemeinerer
Indexmengen als N:
Definition 2.5.
• Eine gerichtete Menge ist eine nicht-leere Menge Λ mit einer
Relation ≤ mit folgenden Eigenschaften:
(1) ≤ ist eine partielle Ordnung, also reflexiv und transitiv;
(2) jedes Paar hat eine obere Schranke: ∀λ1 , λ2 ∈ Λ∃µ ∈ Λ : λ1 ≤ µ und λ2 ≤ µ.
• Ein Netz in einem topologischen Raum X besteht aus einer gerichteten Menge
Λ und Elementen xλ ∈ X für λ ∈ Λ.
• Ein Netz (xλ )λ∈Λ konvergiert gegen ein x ∈ X genau dann, falls
∀U ⊆ X offen mit x ∈ U∃λ0 ∈ Λ∀λ ≥ λ0 : xλ ∈ U.
(1)
λ→∞
Wir schreiben dann xλ −−−→ x oder limλ→∞ xλ = x.
Beispiel 2.6.
(1) Λ := N ist mit der gewöhnlichen Ordnung eine gerichtete Menge;
ein Netz ist dann eine Folge.
(2) Für jeden Punkt x in einem topologischen Raum X ist die Menge
Λ := {U ⊆ X offen : x ∈ U}
mit U ≤ V :⇔ U ⊇ V
gerichtet. Falls xU ∈ U für alle U ∈ Λ, so folgt xU → x (setze in (1) λ0 := U).
(3) Sei I eine Menge. Dann ist
Λ := {F ⊆ I endlich}
mit F1 ≤ F2 :⇔ F1 ⊆ F2
gerichtet. Ist (xi )i∈I eine Familie in R (allgemeiner: einem normierten Raum X),
so bilden die Partialsummen
SF :=
∑ xi
für F ⊆ I endlich
i∈F
ein Netz in R (bzw. X) und ∑i∈I xi = limF→∞ SF (falls der Grenzwert existiert).
(4) Sei f : [a, b] → R beschränkt, I = (a, b) und Λ wie in (2). Für a < x1 < . . . <
xn < b setzen wir x0 = a, xn+1 = b und
n
S{x1 ,...,xn } :=
∑ (xk+1 − xk )
k=0
n
S{x1 ,...,xn } :=
sup
f (x),
x∈(xk ,xk+1 )
∑ (xk+1 − xk ) inf x ∈ (xk , xk+1) f (x).
k=0
f Riemann-integrierbar genau dann, wenn die Netze (SF )F∈F und (SF )F∈F
R
gegen denselben Grenzwert konvergieren; dieser ist dann ab f (x)dx.
Satz 2.7. Für jede Abbildung f : X → Y zwischen topologischen Räumen sind folgende
Aussagen äquivalent:
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(1) f ist stetig;
(2) für jeden Punkt x und jedes Netz (xλ )λ in X gilt: aus xλ → x folgt f (xλ ) → f (x).
Beweis. (1)⇒(2): Sei (xλ )λ ein Netz in X, das gegen ein x ∈ X konvergiert. Sei V eine
Umgebung von f (x). Da f stetig ist, existiert eine Umgebung U von x mit f (U) ⊆ V .
Wegen xλ → x existiert ein λ0 mit xλ ∈ U für alle λ ≥ λ0 , und für solche λ folgt f (xλ ) ∈
f (U) ⊆ V . Somit gilt f (xλ ) → f (x).
(2)⇒(1): Sei V ⊆ Y offen. Wir zeigen: f −1 (V ) ist offen, d.h. jedes x ∈ f −1 (V ) hat eine
offene Umgebung U mit U ⊆ f −1 (V ). Andernfalls finden wir ein x ∈ f −1 (V ) so, dass
für jede offene Umgebung U von x ein xU ∈ U \ f −1 (V ) existiert. Dann folgt wie in
Beispiel 2.6 (3) xU → x, aber f (xU ) 6∈ V für alle U und somit f (xU ) 6→ f (x). Dies ist ein
Widerspruch.
Bemerkung 2.8.
(1) Jede in R konvergente Folge ist beschränkt; für Netze gilt das
nicht.
(2) Später führen wir den Begriff eines Teilnetzes ein.
(3) Konvergenz in topologischen Räumen kann man statt mit Netzen auch mit Filtern behandeln, die wir später einführen.
3. P RODUKTE UND INITIALE T OPOLOGIEN
Wir wollen nun neue Räume konstruieren, z.B. zu gegebenem X und Y einen Produktraum X ×Y derart, dass (xλ , yλ ) → (x, y) genau dann, wenn xλ → x und yλ → y. Dafür
betrachten wir verschiedene Möglichkeiten, Topologien auf einer Menge zu beschreiben
und erzeugen.
Sei X eine Menge. Statt mit allen offenen Mengen einer Topologie auf X kann man oft
einfacher mit einer Basis zu arbeiten:
Definition 3.1. Sei τ eine Topologie auf X. Eine Teilmenge B ⊆ τ heißt Basis von τ,
falls jede offene Menge eine Vereinigung von Elementen aus B ist.
Beispiel 3.2.
(1) {(a, b) : a, b ∈ Q} ist eine Basis der gewöhnlichen Topologie auf
R.
(2) Sei τ die von einer Metrik d auf X erzeugte Topologie. Dann bilden die ε-Kugeln
Bε (x) = {y ∈ X : d(x, y) < ε} mit ε > 0 und x ∈ X eine Basis von τ.
Satz 3.3. Sei B ⊆ P (X). Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
(1) Es gibt eine Topologie τ auf X, für die B eine Basis ist.
S
(2) Es gilt U∈B U = X und für alle U,V ∈ B und x ∈ U ∩ V existiert ein W ∈ B
mit x ∈ W ⊆ U ∩V .
Beweis. (1)⇒(2): Sind U,V ∈ B , so ist U ∩ V offen, also Vereinigung von Elementen
aus B .
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(2)⇒(1): Wir nennen U ⊆ X offen, falls für jedes x ∈ U ein V ∈ B mit x ∈ V ⊆ U
existiert. Dann sind
• 0/ und beliebige Vereinigungen offener Mengen (trivialerweise) offen;
• X und die Schnitte von je zwei offenen Mengen wieder offen wegen (2).
Damit können wir Produkträume definieren: Sind X und Y topologische Räume, so ist
B := {U ×V : U offen in X und V offen in Y } ⊆ P (X ×Y )
eine Basis für eine Topologie auf X ×Y ; genannt die Produkt-Topologie. Eine Teilmenge
W ⊆ X ×Y ist also offen genau dann, wenn sie mit jedem Punkt (x, y) auch das Produkt
U ×V einer Umgebung U von x und einer Umgebung V von y enthält.
Beispiel 3.4.
(1) Trägt R die gewöhnliche Topologie, so ist die Produkt-Topologie
auf R × · · · × R auch die gewöhnliche.
(2) Für S1 = {z ∈ C : |z| = 1} ist das Produkt S1 × S1 der Torus.
Obige Definition ist ein Spezialfall folgender Konstruktion:
Satz 3.5 (Initiale Topologie). Sei X eine Menge und (Xi )i∈I eine Familie topologischer
Räume mit Abbildungen pi : X → Xi .
(1) Alle Mengen der Form
−1
p−1
i1 (U1 ) ∩ · · · pin (Un ) mit n ∈ N und U1 ⊆ Xi1 , . . . ,Un ⊆ Xin offen
(2)
bilden eine Basis einer Topologie τ auf X (genannt die initiale Topologie bzgl.
(pi )i .)
(2) Dieses τ ist die schwächste Topologie auf X, die alle Abbildungen pi stetig
macht.
(3) Ein Netz (xλ )λ konvergiert in X bezüglich τ genau dann, wenn für jedes i ∈ I das
Netz ( f (xi ))i konvergiert.
(4) Für jeden topologischer Raum Y ist eine Abbildung g : Y → X stetig genau dann,
wenn die Verknüpfung pi ◦ g : Y → Xi für jedes i stetig ist.
Beweis. (1) Offensichtlich erfüllen diese Mengen die Voraussetzung von Satz 3.3 (2).
(2) Für jedes i ∈ I ist pi bezüglich τ stetig, das f −1 (U) ∈ τ für jedes offene U ⊆ X.
Sei τ0 eine Topologie auf X, bezüglich derer jedes pi stetig wird. Sind i1 , . . . , in und
−1
U1 , . . . ,Un wie in (2), so enthält τ0 die Mengen p−1
i1 (U1 ), . . . , pin (Un ) und somit auch
deren Schnitt. Es folgt τ ⊆ τ0 .
(3) “⇒”: Folgt, da jedes pi stetig ist.
λ→∞
“⇐”: Sei x ∈ X, gelte pi (xλ ) −−−→ pi (x) für jedes i und sei V eine Umgebung von x.
Nach Def. von τ enthält V eine Umgebung U von x der Form (2). Wegen pi (xλ ) → pi (x)
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finden wir λ1 , . . . , λn mit pik (xλ ) ∈ Uk für alle λ ≥ λk . Wähle λ0 mit λ0 ≥ λ1 , . . . , λ0 ≥ λn .
Dann gilt für alle λ ≥ λ0 : pik (xλ ) ∈ Uk , also xλ ∈ U ⊆ V .
(4) Sei yλ ein Netz in Y und y ∈ Y mit yλ → y. Nach (3) gilt g(yλ ) → g(y) genau dann,
wenn für jedes i gilt: (pi ◦ g)(yλ ) → (pi ◦ g)(y).
Beispiel 3.6.
(1) (Fall |I| = 1) Ist (Y, τ) ein topologischer Raum, so ist die initiale
Topologie auf einer Menge X bzgl. einer Abbildung f : X → Y gerade
f ∗ τ := { f −1 (V ) : V ∈ τ}.
Ist X ⊆ Y und f die Inklusion, so ist f −1 (V ) = V ∩ X und f ∗ τ die TeilraumTopologie.
(2) Seien (Xi )i∈I topologische Räume. Dann ist die initiale Topologie auf X = ∏i∈I Xi
bezüglich der Projektionen pi : X → Xi die Produkt-Topologie.
(3) Die initiale Topologie auf X = C([a, b]) bezüglich der Punkt-Auswertungen
pt : C([a, b]) → C, f 7→ f (t) für alle t ∈ [a, b],
heißt Topologie der punktweisen Konvergenz — nach Satz 3.5 (3) gilt
λ→∞
fλ −−−→ f in C([a, b])
⇔
λ→∞
∀t ∈ [a, b] : fλ (t) −−−→ f (t).
(4) Sei (V, k · k) ein normierter Raum. Die initiale Topologie auf V bezüglich k ·
k : V → [0, ∞) ist nicht die von der Metrik d(v, w) = kv − wk erzeugte. Beispielsweise konvergiert im Fall (V, k · k) = (R, | · |) bezüglich der initialen Topologie
n→∞
die Folge ((−1)n )n gegen 1, weil |(−1)n | −−−→ |1|.
(5) Die initiale Topologie auf X = l 2 (N) bezüglich der Abbildungen
pξ : l 2 (N) → C,
η 7→ hξ|ηi für alle ξ ∈ l 2 (N)
heißt schwache Topologie auf l 2 (N). Bezüglich dieser konvergiert z.B. die Orthonormalbasis (e(n) )n für n → ∞ gegen 0, da für jedes ξ = (ξn )n ∈ l 2 (N) gilt:
n→∞
pξ (e(n) ) = hξ|e(n) i = ξn −−−→ 0 = pξ (0).
Bezüglich der l 2 -Norm(-Topologie) gilt natürlich e(n) 6→ 0, da ken − 0k2 = 1 6→
0.
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