Impuls von Detlef Hecking, erster Präsident der Begleitkommission der FASA Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FASA, Sehr geehrte Frau Gemeinderätin Olibet, Sehr geehrter Bischof Felix, Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Katholischen Kirche Region Bern mit ihren verschiedenen Gremien, Liebe Kolleginnen und Kollegen aus unseren reformierten Schwesterkirchen und anderen sozialpolitisch engagierten Gruppen und Organisationen, Sehr geehrte Festgemeinde Wir feiern heute 10 Jahre FASA. Die Vorgeschichte der FASA geht allerdings noch etwas weiter zurück. Im Sommer 1996, also vor 15 Jahren, haben Dekanatsvorstand und Kleiner Kirchenrat ein gemeinsames Leitbild und später auch Legislaturziele verabschiedet. Eines davon betraf die kirchliche Sozialarbeit und lautete: „Wir wollen vermehrt Begleitung, Beratung und Sozialhilfe anbieten. Wir wollen die kirchliche Sozialhilfe unterstützen und fördern und die vorhandenen Kräfte und Mittel optimal einsetzen. Dazu sollen die Aufgaben und Strukturen der bestehenden Sozialdienste überprüft, Zielsetzungen definiert und mögliche verbesserte Organisationsformen erarbeitet werden.“ Und so begab es sich zu jener Zeit, dass ein Gebot vom Kleinen Kirchenrat und vom Dekanatsvorstand ausging, dass die ganze Sozialarbeit der katholischen Kirche Bern geschätzet werde. Und dieses Gebot, ein Projektauftrag, war der allererste, der überhaupt erlassen wurde, und dies geschah zu der Zeit, als Franz der Dekan von Bern, Herbert Präsident des Kleinen Kirchenrates, Kurt Bischof von Basel und Klaus Stadtpräsident von Bern war. Und jedermann ging, um die Sozialarbeit der Katholischen Kirche Bern zu beobachten, zu schätzen und zu analysieren. So gingen auch Valeria Walpen und Markus Sinniger, Monika Füglister und Toni Hodel, Heidi Grännicher Jeannerat und Detlef Hecking, Ruedi Signer und Thomas Berz aus dem ganzen Dekanat Bern zu ihren Arbeitsgruppensitzungen in die Dreif. Von denen war zwar niemand verlobt, jedenfalls nicht miteinander, und auch niemand überraschend schwanger, aber nach ziemlich genau neun Monaten fruchtbarer Zusammenarbeit kam dann auf wundersame Weise doch ein Kind dabei heraus. Diesem Kind erging es wie vielen anderen: Stroh und Windeln schützten es nur schlecht vor dem rauen Wind, der ihm durch die Ritzen seiner Krippe entgegenschlug. Denn als die ersten von weither Angereisten nach Bern kamen und fragten, wie es denn um dieses neugeborene Kind namens Diakoniezentrum, später: FASA, bestellt sei und wo sie es finden könnten, da erschraken König Herbert und Kaiser Franz und mit ihnen ganz Bern, jedenfalls die Pfarreileiterinnen und Pfarrer und Kirchgemeinderäte, und sagten: Ein neugeborenes Kind? Bei uns? Und obendrein ein König über die Sozialarbeit in allen Pfarreien, ohne dass wir dabei noch viel zu sagen haben? Und das soll ein Kind des Heiligen Geistes sein? Nun – die Parallelen haben ihre Grenzen. Vor Mordanschlägen mussten wir die FASA in den ersten Jahren ihres jungen Lebens nicht gerade in Sicherheit bringen, und Heilserwartungen haben wir ihr auch nicht aufgebürdet. Doch der Lobgesang bei ihrer Geburt fiel tatsächlich eher verhalten und wenig engelhaft aus. Das war ja auch nicht weiter verwunderlich: Denn wie bei den Erzählungen über die Geburt Jesu dem neugeborenen Kind provokativ die Titel des amtierenden Kaisers Augustus zugesprochen werden, so ging es ja auch bei der Gründung der FASA nicht nur um Inhalte, Konzepte und gute Ideen, sondern auch um Strukturen, Leitung und Entscheidungskompetenzen. Die Gründung der FASA brachte tiefgreifende Einschnitte in die Organisationsstrukturen von Kirchgemeinden und Pfarreien sowie in den Arbeitsalltag der Sozialarbeitenden. Das war nicht allen Betroffenen gleichermassen plausibel. Der grosse Aufwand an internen Arbeitsgruppen und der enorme Ausstoss an Konzepten, Leistungsvereinbarungen, Stellenplänen und sonstigem bedrucktem Papier weckten Bedenken, und die Umsetzung der inhaltlichen und strategischen Entscheidungen stiess vereinzelt auch auf Widerstand. Doch nach intensiver Überzeugungsarbeit wurde die Einrichtung der FASA letztlich von Dekanatsvorstand, Kleinem Kirchenrat, Präsidentenkonferenz und allen Pfarreien mitgetragen. Das Ergebnis kann sich bis heute sehen lassen. Wenn ich das Angebot der FASA heute anschaue, dann finde ich klar definierte Schwerpunkte wie z.B. die Arbeit mit Seniorinnen und Senioren, Migrantinnen und Migranten, abgewiesenen Asylsuchenden sowie Kindern und Familien. Kirchliche Sozialarbeit im Dekanat Bern hat, und das war eines der Hauptziele, seit der Gründung der FASA ein wesentlich deutlicheres Gesicht und schärferes Profil gewonnen. Die Chancen einer lokal verwurzelten Arbeit in den Pfarreien einerseits und zentralisierter, überregionaler Angebote und Dienstleistungen andererseits ergänzen sich. Und schliesslich erbringt die FASA eine weitaus grössere Leistung, als es ihre bescheidenen etwa 13 Vollzeitstellen erwarten lassen: Denn durch die gezielte Anwerbung, Einsatz und professionelle Begleitung von Freiwilligen werden nicht nur die spezifischen Möglichkeiten von Kirche im Bereich Gemeinschaftsbildung und Integration genutzt, sondern zugleich das Volumen der erbrachten Dienstleistungen um ein Vielfaches erhöht. Damit leistet die FASA einen unverwechselbaren Beitrag zur sozialpolitischen Landschaft in der Region Bern. Es freut mich, dass dieser Beitrag heute durch Ihre Anwesenheit, Frau Gemeinderätin Olibet, so sichtbar gewürdigt wird. Und mit ebenso grosser Freude habe ich im Strategiepapier Ihrer Direktion entdeckt, dass Sie die Zusammenarbeit mit den Kirchen explizit als Massnahme zur Umsetzung Ihrer eigenen Leitziele vorgesehen haben. Vielleicht kann der heutige Tag einen Anstoss zur weiteren Vertiefung dieser Zusammenarbeit geben. Schliesslich sind wir ja nicht nur strategisch, sondern auch inhaltlich nahe beieinander. Im Leitbild der FASA heisst es: „Kirchliche Sozialarbeit gibt sich nicht mit der bestehenden sozialen Sicherung zufrieden, sondern arbeitet hin auf eine jeweils grössere Gerechtigkeit und eine jeweils solidarischere Gesellschaft.“ Und Ihre Partei hat im letzten Jahr bekanntlich nicht nur eine Wirtschaftsdemokratie, sondern sogar die Überwindung des Kapitalismus wieder in ihr Programm geschrieben... So weit ist das ja gar nicht voneinander entfernt, und offenbar haben unsere jeweiligen Organisationen gleichermassen einen Hang zu grossen Zielen und Visionen! Mit dem Prozess, der schliesslich vor 10 Jahren in der Gründung der FASA mündete, kam die pfarreiliche Sozialarbeit im Dekanat Bern als erster kirchlicher Tätigkeitsbereich in den Genuss oder auch unter den Druck eines umfassenden Reorganisationsprozesses. Das wurde schon damals unterschiedlich wahrgenommen: Hatte man absichtlich eine der vermeintlich schwächeren Berufsgruppen innerhalb der katholischen Kirche für eine so tiefgreifende Reorganisation ausgewählt? Immerhin galt die FASA damals auch als Pilotprojekt, mit dem die Möglichkeiten und Grenzen verbindlicher, pfarreiübergreifender Zusammenarbeit auch für andere kirchliche Tätigkeitsbereiche ausgelotet werden sollten. Oder musste man in der Tatsache, dass die Reorganisation mit externer Projektleitung und weiteren Besonderheiten ungewohnt professionell angegangen wurde, eher eine Aufwertung der Sozialarbeit im Dekanat Bern sehen? Viele der damaligen Akteure und auch ich selbst haben natürlich alles daran gesetzt, die zweite Interpretation des Prozesses zu stärken. Jedenfalls ist es, so scheint mir, gelungen, dass die Chancen dieses Prozesses die Risiken und Nebenwirkungen bei weitem überwiegen, und zwar bis heute. Der Umbau der pfarreilichen Sozialdienste zur FASA bedeutet über alle Strukturen, Leistungsvereinbarungen und Leitungsfragen hinaus vor allem ein Bekenntnis zu dem Satz Jesu: „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit…“ (Mt 5,33). Wenn sich Kirche nicht nur um Glaubensfragen, Seelenheil oder nur um sich selbst kümmert, sondern mindestens ebenso eindeutig auch um Solidarität, Gerechtigkeit und Integration, um Sozial- und Wirtschaftspolitik, dann steht Kirche plötzlich mitten drin in tagespolitischen Auseinandersetzungen. Das liegt voll und ganz auf der Linie der grossen päpstlichen Sozialenzykliken, einem der fortschrittlichsten Bereiche römisch-katholischer Theologie, und die Folgen davon haben wir ja im letzten Wahlkampf gesehen: Noch in seiner Analyse am Wahlabend hat sich der Präsident einer grossen Partei beschwert, die Schweizerischen Bischöfe hätten ihn um den Wahlerfolg gebracht… Solche Konflikte und Schlagzeilen sind, so denke ich, erheblich nachhaltiger und auch evangeliumsgemässer als jene, die die weltkirchliche bzw. römische Reformverweigerung ständig produziert. Sie, lieber Bischof Felix, haben als Ihren Wahlspruch einen Satz aus dem Epheserbrief ausgesucht: „Erkennt, was der Wille des Herrn ist“ (Eph 5,17). Ich möchte auf Ihren Wahlspruch mit dem bereits mehrfach zitierten Satz Jesu aus der Bergpredigt antworten: Der Wille des Herrn – das ist, und zwar vor vielem anderen: „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, dann wird euch alles andere dazugeschenkt.“ Vor längerer Zeit war dieser Satz einmal der Titel eines Arbeitsinstrumentes für pastorales Handeln in unserem Bistum Basel. Dass Sie, Bischof Felix, heute hierher gekommen sind, um 10 Jahre FASA mit uns zu feiern, interpretiere ich deshalb gerne als Zeichen dafür, dass auch Ihnen die bevorzugte Option Jesu für Randständige und Ausgegrenzte ein zentrales Anliegen für unsere Kirche und unser Bistum heute ist. Zum Schluss möchte ich euch, den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der FASA, und dir, Kurt Dreher, deshalb noch drei Dinge mit auf den Weg geben: Seid weiterhin das gute Gewissen unserer Kirche, dass wir nachhaltig und engagiert Sozialarbeit leisten. Ihr erfahrt in eurem Arbeitsalltag oft mehr als manche von uns Theologinnen und Theologen, was Randständigkeit und Ausgrenzung, aber auch Integration und Neubeginn konkret bedeutet. In der Sprache der Bibel heisst das: Da geht es ums Wachsen des Königtums Gottes, um die Erfahrung, dass Menschen Menschen sein können und Leben in Fülle zugesagt ist – nicht nur einigen wenigen, nicht nur der Mehrheit, sondern allen. Seid aber weiterhin auch das schlechte Gewissen unserer Kirche, dass wir viel zu wenig Sozialarbeit leisten. „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts“, hat der französische Bischof Gaillot einmal gesagt. Von einer wahrhaftig dienenden Kirche sind wir noch sehr weit entfernt, nicht nur hier in Bern. Und eine „dienende Kirche“ zeichnet sich nicht nur durch Stellenprozente für Sozialarbeit aus, sondern zeigt sich auch an der Bedeutung, die sozialpolitische Fragen in der Erwachsenenbildung, im Religionsunterricht, in Gottesdienst und Predigt haben. Und schliesslich: Seid so etwas wie die Hofnarren in unserer Kirche. Nutzt die Freiheit, die ihr gerade als Sozialarbeitende habt. Eure Position ist ja einerseits ganz selbstverständlich anerkannt und geschätzt, als unverzichtbare Basis unseres Kirchseins. Der heutige Tag zeigt das deutlich, und die Gründung der FASA hat das noch verstärkt. Und zugleich habt ihr eben auch so etwas wie die Freiheit von Hofnarren, die unbequeme Dinge sagen, überraschende Dinge tun und lieber dreimal zu wenig als einmal zu viel fragen können, ob sie dies oder jenes wirklich tun dürfen. Gerade in diesen Wochen ist es ja zum Beispiel auch 10 Jahre her, dass die Sans-Papier-Bewegung in der Schweiz neuen Schwung bekam – und zwar durch die sechswöchige Besetzung dieser Marienkirche, in der wir heute feiern. Was das Salz der Erde und das Licht der Welt ist, worin der Sauerteig besteht, der den ganzen Mehltrog durchsäuert, welche Früchte aus dem Senfkorn und den ausgestreuten Samen wachsen, welche konkrete Gestalt das Königtum Gottes heute schon annimmt – das bestimmen nicht nur wir Theologinnen und Theologen in unserer Arbeit und in unseren Predigten, sondern wesentlich auch ihr. Bei eurer Arbeit mit den vielen Menschen, die nie auch nur einen Fuss in diesen Kirchenraum setzen würden, wünsche ich euch deshalb weiterhin sehr viel Freude, Erfolgserlebnisse und auch Anerkennung – weit über diesen Fest- und Feiertag hinaus.