4.2.6 Phasen der klinischen Forschung

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4.2 Forschungsdesign
4.2.6 Phasen der klinischen
Forschung
die Pharmakokinetik. Hierbei ist wichtig zu
wissen, welche Vorhersagen mittels toxikologischer Untersuchungen überhaupt möglich sind
(Griffin 1988). Es zeigte sich in einer Übersicht, dass die besten Übereinstimmungen bei
Erbrechen, gastrointestinalen Effekten und
kardialen Problemen waren. Im »Mittelfeld«
der Vorhersagekraft befanden sich Sedierung,
Tremor, Leber und Niere, wenn auch das Risiko seitens der Tierversuche für den Menschen
um ein Mehrfaches überschätzt wurde. Durch
den Tierversuch waren hingegen (nicht zerebrale) Krämpfe, Schwitzen, Mundtrockenheit,
Kopfschmerzen, Unsicherheit beim Stehen
und Übelkeit nicht vorhersehbar – alles eher
In der klinischen Entwicklung unterscheidet
man traditionell zwischen den Phasen I bis IV.
In einigen Fällen spricht man von der Phase V,
wenn es sich um Studien nach der bereits erfolgten Zulassung des Arzneimittels handelt:
Eine neue Dosierung bzw. Anwendungsweise
oder der Einsatz bei anderer Indikation soll getestet werden (Tab. 4-5, Abb. 4-3).
Die Phase I betrifft meist die Erstanwendung
beim Menschen, die einmalige und dann
mehrmalige Gabe zur Untersuchung der Verträglichkeit bei steigenden Dosierungen sowie
Tab. 4-5 Klinische Entwicklungsphase und dafür typische Studien.
Studientyp
Phase
I
X
Verträglichkeit und Pharmakokinetik
Kontrollierte Studie, kleine Fallzahl
Kontrollierte Studie, große Fallzahl
II
IIIa
IIIb
IV
X
X
X (z. B. Outcomes-Studie)
X
X
Beobachtungsstudie
Entwicklung
Lead
Präklinische
Entwicklung
●
●
●
Genomik
Funktionsgenomik
● Proteomik
●
Kombinatorische
Chemie/
Biologie
● HTS
● Leadoptimierung
Substanzen
(Anzahl)
10000
Dauer (Jahre)
2–3
UpScaling
Galenik
● Pharmakokinetik
● Toxikologie
50
Klinische Entwicklung
Phase I
Phase II
60 – 80
Probanden:
Verträglichkeit,
Nebenwirkungen
10
1–1,5
0,5 –1
100 – 500
Patienten:
Dosierung,
Wirkung
6,8
1– 2
Markt
Phase III
Phase IV
●
Qualität
Wirksamkeit
● Unbedenklichkeit
1000 – 5000
Patienten:
Statistische
Absicherung
3,6
1– 2
●
2
Behördliche Zulassung
Markteinführung und Vertriebsbeginn
Ziel
Zulassung
Zulassung zur klinischen Entwicklung
Forschung
PostLaunchAnalyse
1
1–1,5
Σ6,5–11
Abb. 4-3 Phasen der Arzneimittelentwicklung aus Sicht der Lehrbücher (HTS = High Throughput Screening;
IND = Investigational New Drug; NDA = New Drug Approval).
4 Interventionelle Studien
subjektive Phänomene. Auch schlecht vorhersehbar waren (seltene) Probleme des blutbildenden Systems, z. B. Agranulozytose.
In einigen Fällen, etwa in der Onkologie, findet
die Phase I fast ausschließlich am Patienten
statt. In der Phase I wird auch nicht selten die
Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe untersucht,
um sicher zu stellen, dass die Substanz bei den
Patientenstudien auch vom Körper aufgenommen wird (Tab. 4-6).
In der Phase II wird an kleinen Populationen
die Wirkung gegen Placebo sowie die DosisWirkungs-Beziehung untersucht (Abb. 4-4).
Dabei kommt es noch immer vor, dass diese
Studien nicht randomisiert werden. Aus wissenschaftlichen wie ethischen Gründen ist das
kein akzeptables Vorgehen. Offene, nicht kon-
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trollierte Studien sollten in einer Arzneimittelentwicklung in der Regel nur dann durchgeführt werden, wenn in sie Patienten aus einer
vorhergehenden randomisierten Studie eingeschlossen werden, um die Langzeitwirkung
einer Substanz zu beobachten und die Motivation zu erhöhen, an der randomisierten Studie
teilzunehmen (Spodick 1982).
Gelegentlich unterscheidet man zwischen Phase IIa und IIb, wenn man eine kleine IIa-Studie dazu nutzen will, die Entscheidung über
die Fortführung der Entwicklung zu erleichtern, etwa dann, wenn die Substanz dem Placebo nicht überlegen ist.
In der Phase III werden die entscheidenden
großen Studien zur Wirksamkeit durchgeführt, wobei eine einzelne Studie ausreichen
Tab. 4-6 Vergleich der Entwicklungsphasen bei Arzneimitteln und Medizinprodukten.
Phase
Präklinik
Phase I
Phase II
Phase III
Phase IV
Postmarketing
Surveillance
Zusätzliche
Verfahren
Arzneimittel
쐌 Pharmakologisch-toxikologische
Prüfung
쐌 Pharmazeutische Qualität
쐌 Pharmakokinetik am Tier
쐌 Probandenstudien zur Verträglichkeit
und Pharmakokinetik, ggf. Surrogatparameter
쐌 Kontrollierte Studien an Patienten
zur Verträglichkeit und Wirksamkeit,
Dosisfindung (ca. 50−100 Patienten
pro Arm)
쐌 Konfirmatorische Studien zum Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
쐌 Klinische Prüfungen,
z. B. Postmarketing Surveillance
쐌 PASS
쐌 Pharmakoepidemiologie
쐌 Anwendungsbeobachtung
쐌 Einzelfallberichte
쐌 Reviews
쐌 Meta-Analysen
쐌 Anwendungsbeobachtungen
쐌 Registerstudien
CE = Communauté Européenne; MPG = Medizinproduktegesetz
Medizinprodukt
쐌 Biologische Sicherheitsprüfung
쐌 Sicherheitstechnische Unbedenklichkeit
쐌 Anwendungstests bei gesunden Probanden oder Patienten (z. B. Stents)
쐌 Dosisfindungsstudien
쐌 Kontrollierte kleine Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit
쐌 Konfirmatorische Studien zum Nachweis der vorgegebenen Leistungen
und Unbedenklichkeit
쐌 In-vitro-Diagnostika
Leistungsbewertungsprüfungen
쐌 Nach CE: klinische Prüfung nach
§ 23 MPG
쐌 Anwendungsbeobachtung
쐌 Field Monitoring
쐌
쐌
쐌
쐌
쐌
Einzelfallberichte
Reviews
Meta-Analysen
Anwendungsbeobachtungen
Registerstudien
118
4.2 Forschungsdesign
kann, sofern diese auch einen Vergleich mit der
derzeit besten wirksamen Substanz enthält.
Studien, die vor der Zulassung begonnen werden, deren Ergebnisse aber nicht mehr in
die Zulassungsakte eingehen, werden als Phase IIIb bezeichnet.
Zu der Phase IV gehören streng genommen
nur Studien, die exakt in der zugelassenen Indikation durchgeführt werden. Der Begriff ist
jedoch inzwischen aufgeweicht, so dass die
meisten Studien nach der Zulassung heute dazu gerechnet werden (Abb. 4-5).
Die frühe Entwicklungsphase wird oft auch für
so genannte Proof-of-Concept(POC)-Studien
benutzt. Hierbei soll nachgewiesen werden,
dass ein neuer Wirkmechanismus tatsächlich
beim Menschen ähnlich wie beim Tier vorhanden ist. Damit ist jedoch oft nichts über die
klinische Wirksamkeit ausgesagt. In POC-Studien werden oft nur eine oder zwei Dosierungen getestet und nicht klinisch validierte
Biomarker als Endpunkte verwendet. Der Zeitgewinn durch diese Studien wird oft überschätzt, zumal sich bei der wahrscheinlichen
Fortführung des Programms eine ausführliche
Phase IIb anschließt.
Immer öfter werden klinische Phasen miteinander kombiniert (Abb. 4-6). Während die
Phase noch allein steht, werden Phase II und
IIIa gerne miteinander verbunden, da die End-
Thrombozytenzahl
1,80
1,60
1,40
1,20
Anzahl der vom Markt
zurückgenommenen Substanzen
1,00
Placebo
5
10
20
30
Eltrombopag-Dosis (mg)
50
75
Abb. 4-4 Dosis-Wirkungs-Studien sind essentiell für die Phase II
(Dosis-Wirkungs-Studie
Eltrombopag bei der
Werlhof-Krankheit).
15
10
5
0
1
2
3
Zeitraum seit Einführung (in Jahren)
4
Abb. 4-5 Arzneimittelprobleme werden meist
in den ersten vier Jahren
nach Einführung erkannt
(Anzahl von Rücknahmen
von Markt in Relation
zum Einführungsjahr –
bis 4 Jahre nach Einführung, entspricht 80 %
aller Rücknahmen).
Verwendet wurden die
Daten aus den Jahren
1960 bis 2001.
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