Friedrich-Schiller-Universität Jena Philosophische Fakultät Institut für Philosophie PS: Einführung in die politische Philosophie der Gegenwart SS 2009 Dozent: Tim Henning Protokollantin: Carolin Rottstädt 13.06.09 Protokoll zu Sitzung vom 10.06.09 Zu Beginn der Sitzung vom 10.06.09 griff das Seminar noch einmal das Thema der vorhergehenden Stunde auf. Wie wiederholten Robert Nozicks Unterscheidung zur Überprüfung der Gerechtigkeit. Nozick unterscheidet zum einen die Endzustandstheorie und eine historische Theorie und zum anderen grenzt er eine strukturbasierte von einer nichtstrukturbasierten Theorie ab. Nozick jedoch vertritt eine Synthese beider Unterscheidungen, eine historische und nichtstrukturbasierte Theorie einer politischen Gerechtigkeit. Was heißen soll, dass eine Verteilung genau dann gerecht ist, wenn sie auf gerechte Weise zu Stande gekommen ist. Die Entwicklung der Güterverteilung ist also hier das entscheidende Kriterium. Weiterhin sagt er, dass eine vernünftige Theorie gerechter Verteilung niemals strukturbasiert sein kann, denn Gerechtigkeit ist für ihn nicht mit einer allgemeinen Regel zu beurteilen. An dieser Stelle diskutierte das Seminar das Fußballbeispiel Nozicks. Eine Person NN sei ein guter Fußballspieler und deshalb bei den großen Vereinen sehr begehrt. In seinem Vertrag werden ihm bei jedem Heimspiel 50 Pfennig von jeder verkauften Eintrittskarte zugestanden. Der Vertrag war sehr förderlich für NNs Einkommen, denn die begeisterten Zuschauer haben ihm eine halbe Million verschafft. Nun stellt sich die Frage, ob das gerecht ist? Nozick würde mit einem klaren „ja“ antworten, denn kein Zuschauer wurde gezwungen zu dem Spiel zu gehen, sie hätten ihr Geld auch für andere Freizeitaktivitäten ausgeben können. Wir besitzen bei diesem Beispiel sozusagen ein intuitives Gerechtigkeitsempfinden. Denn die Frage die sich uns daraufhin stellte, war, ob es denn nicht einem behinderten Menschen gegenüber ungerecht erscheine, weil dieser gar nicht die Chance hat soviel Geld zu verdienen? Nun, moralisch gesehen sollte ich nach Nozick Menschen helfen, die beispielsweise am verhungern sind oder sich in großer Not befinden, aber die eigentliche Frage ist doch, ob mich jemand/ein Staat dazu zwingen darf mein Geld an Bedürftige zu geben? Ich wäre so Nozick, ein schlechter Mensch, wenn ich mein Geld nicht den Hungerleidenden geben würde, aber ins Gefängnis dürfte man mich dafür nicht stecken. Das heißt, für Nozick sind strukturbasierte Theorien nicht vernünftig, da die Menschen frei sind und selbst entscheiden können. Eine vernünftige Theorie der Gerechtigkeit hat demzufolge historisch zu sein, also man muss sich anschauen, wie die Verteilung zu Stande gekommen ist und sie darf keine Strukturen haben. Mit einer Einschränkung, denn es muss dafür Sorge getragen werden, dass niemand beklaut oder belogen wurde/wird damit jeder rechtmäßig, ohne Betrug, Raub, Diebstahl oder körperliche Gewalt seinen erarbeiteten Besitz haben darf. Diesen Schutz vor Raub, Diebstahl etc., bietet uns so Nozick, ein Minimalstaat. Ein Minimalstaat? Wie soll denn ein Minimalstatt für Gerechtigkeit sorgen? Zum einen bietet er einen gewissen Schutz für alle, da er vor Gewalt schützt. Weiterhin müssen alle Transaktionen auf freiwilliger Basis geschehen und zuletzt gibt es eine Anspruchstheorie, welche durch drei Grundsätze ausgedrückt wird. Werden alle drei Grundsätze eingehalten, so haben wir alles, was wir für eine gerechte Gesellschaft und einer gerechten Verteilung von Gütern benötigt wird. Mit dem ersten Grundsatz, dem Übertragungsgrundsatz (was gerecht erworben wurde, kann frei übertragen werden), verwirklicht er eine gerechte Möglichkeit, wie etwas rechtmäßig mein Eigentum werden kann. Zum Beispiel können mir meine Großeltern ihr Haus vermachen, ohne das es ungerecht wäre. Mit dem zweiten Grundsatz, einem Grundsatz des gerechten ursprünglichen Erwerbs (initial acquisition) von Besitz, der dann nach (1) übertragen werden kann, werden die Bedingungen beschrieben, dass Dinge auf jemanden anderen durch Tausch, Handel oder Schenkung übertragen werden können. Der dritte Grundsatz, der Grundsatz der Beseitigung von Ungerechtigkeit: wie mit ungerecht Erworbenem oder Übertragenem zu verfahren sei, stellt eine gewisse Schwierigkeit dar. Denn wenn wir nun festgestellt haben, dass in der Geschichte der Verteilung, Verstöße gegen (1) und (2) aufgetreten sind, wie kann dann das Unrecht wieder korrigiert werden? Oder kann so etwas sogar verjähren? Nozick gibt, was diesen Einwand betrifft eher unbefriedigende Auskünfte, zum einen wird ja die Aneignung von Besitz durch Gewalt mit dem dritten Grundsatz verboten zum anderen mit Grundsatz (1) nicht abgestritten, dass Gewalt mit im Spiel gewesen sein kann. Deswegen spricht er von einer möglichen Umverteilung der Dinge. Zu einem bestimmten Zeitpunkt sollte dann eine Umverteilung stattfinden, von da an muss man allerdings zu sehen, dass nur noch gerechte Transaktionen stattfinden. Zusammenfassend ist zur Umverteilung zu sagen, dass sie nichts damit zutun hat, ob jemand viel oder wenig Geld/Güter/Eigentum besitzt, sondern ob eine ungerechte Transaktion dazu beigetragen hat, dass die Güter so verteilt sind. Wenn eine solche Umverteilung von statten ginge, dann also nur als Korrektur früheren Unrechts. Trotzdem treten viele Fragen auf, so zum Beispiel auch welches Unrecht ausgeglichen werden müsste? Oder ob man alles auf den Ursprung zurückführen sollte? Oder auch, welche Argumente man zu lassen könne, denn ein Argument wie das Folgende: „Dein Stamm hat meinen Stamm vor 5000 Jahren überfallen und ausgeraubt“, erscheint nicht nur lächerlich, sondern auch unbrauchbar. Zum Abschluss der Sitzung beschäftigten wir uns mit zwei Fragen, die es zu unterscheiden gilt: Die erste Frage: Ist Verteilung x gerecht?, hängt davon ab, ob die Dinge ursprünglich gerecht verteilt wurden. Die zweite Frage: Wie können wir feststellen, ob x gerecht ist?, ist eine epistemische Frage, die viel schwieriger zu beantworten ist als die erste, denn zur Beantwortung müssten uns sämtliche Daten/Ereignisse zur Verfügung stehen. Mit dieser Fragestellung wurden wohl auch die Grenzen von Nozicks Theorie verdeutlicht und letztlich erscheint es etwas unbefriedigend wenn man nicht herausbekommt was denn nun gerecht ist. Aber vielleicht ist es doch so einfach wie Nozick sagt, dass Gerecht alles sei, was aus gerechten Verhältnissen auf gerechte Weise entstehe.