Material für eine Unterrichtseinheit „Europa: Das sind auch wir… aber Griechenland?“ Vorwort: Dies ist, wie der Titel bereits sagt, eine Materialsammlung für eine Einheit. Sie enthält keine Aufgaben oder Sozialformen. Das Material ist den fachlichen Zielen der Einheit zugeordnet. Wo es notwendig erschien, sind Inhalt und der Nutzen einzelner Materialien näher erläutert. Aus urheberrechtlichen Gründen sind die meisten Materialien hier nur verlinkt. Johann Knigge-Blietschau, März 2013 Ziele der UE (Fachkompetenz) Analysekompetenz/Sachurteilskompetenz 1. Die SuS können verschiedene Europa-Definitionen nennen (geografisch, kulturell, politisch, historisch) 2. Die SuS können Aspekte ihres Alltages benennen, die im kulturellen oder politischen Sinne (EU) „europäisch“ sind. 3. Die SuS können kulturelle und politische Eigenschaften Europas nennen, die auf das antike Griechenland zurückreichen. 4. Die SuS können grundlegende Fakten zur Staatsschuldenkrise Griechenlands nennen. 5. Die SuS können die Grundzüge der „Rettungsprogramme“ wiedergeben. Werturteilskompetenz 6. Die SuS können Argumente für und wider die Rettungsprogramme nennen und einen eigenen Standpunkt beziehen. 7. Die SuS können Argumente dafür und dagegen nennen, dass Griechenland in der Eurozone und im Euro verbleibt, und einen eigenen Standpunkt beziehen. Einstieg: Karikaturen 1. http://www.toonpool.com/cartoons/Unworte%20des%20Jahres_190236 „Unworte des Jahres“, Karikatur von Christiane Pfohlmann, 15. Januar 2013, www.toonpool.com Inhalt: Eine Mitarbeiterin kommt zu Schäuble und weist ihn darauf hin, draußen sei ein Steuerzahler, der sein „Opferabo für die Pleitegriechen“ kündigen wolle. 2. http://www.toonpool.com/cartoons/Bescherung_187375 „Bescherung“, RABE, 11. Dezember 2012, toonpool.com Inhalt: Böser Weihnachtsmanndarsteller bringt Abschiedskarten vom Euro nach Griechenland 3. http://www.toonpool.com/cartoons/Griechische%20Pleite_68153 „Griechische Pleite“, Christiane Pfohlmann,15. Dezember 2009, toonpool.com Inhalt: Pleitegeier schubst die Eule der Weisheit aus der griechischen 1-Euro-Münze 4. http://www.presseurop.eu/files/images/article/stephff-euro-water.jpg?1272549192 Stephff, Il sole 24 ore 2010 Inhalt: Ein Stern geht mit einem Gewicht an den Füßen unter – die anderen Sterne versuchen ihn mit einem Seil aus dem Wasser zu ziehen, aber ein Stern hat bereits ein Messer gezückt um das Seil zu kappen. 5. http://www.courrierinternational.com/files/imagecache/dessin_656x/illustrations/articl e/2012/06/2806-stephff.jpg Stephff: Il sole 24 ore, 2010 Inhalt: Die Europäischen Sterne befinden sich in unterschiedlichen Stadien des Ertrinkens, nur noch einzelne sind über Wasser und unternehmen verzweifelte Rettungsmaßnahmen. Haie fressen bereits einzelne Sterne. 6. http://www.oliverschopf.com/html/d_archiv/archivpolkar/archiv_europa/griechenland/ griechenland_diskus.html Karikatur von Oliver Schopf 2010, www.oliverschopf.com Inhalt: Griechischer Diskuswerferstatue mit Euro statt Diskus ist der Arm abgebrochen. 7. http://www.cicero.de/karikaturen/griechenland-euro-hilfen-merkel-rettungsschirmbuhmann-krise-bundesverfassungsgericht Cicero, 7. September 2011 Inhalt: Auf einer internationalen Konferenz behauptet ein Redner unter Zustimmung des Publikums, die Griechen könnten “nur lügen”, das sehe man schon bei Homer, das sei “alles erfunden”. 8. http://www.stuttmann-karikaturen.de/archiv3.php?id=3570 Klaus Stuttmann, 12. 5. 2010, www.stuttmann-karikaturen.de Inhalt: Dicke deutsche Touristen sagen zu griechischer Bedienung: „Ihr lebt doch hier wie die Maden im Speck“ 9. http://www.toonpool.com/cartoons/Warten%20auf%20den%20Fall_176353 „Warten auf den Fall“, mandzel, 20. August 2012, www.toonpool.com Inhalt: Am Himmel steht ein Kranz Europäischer Sterne, von denen ein mit Griechenland bezeichneter Stern angeschlagen aussieht. Journalisten stehen um die erwartete Absturzstelle herum. 10. http://www.stuttmann-karikaturen.de/archiv3.php?id=4586 „Sterne“, 20. August 2012, Klaus Stuttmann, www.stuttmann-karikaturen.de Inhalt: Zwei Personen betrachten einen Kranz Europäischer Sterne am Himmel. Die eine Person sagt: „Das Faszinierende ist, dass es einige der Sterne, die wir jetzt gerade sehen, real gar nicht mehr gibt.“ zu Ziel 1: Europakonzeptionen Europa – Kasachstan und Libyen gehören dazu? Serbien und Weißrussland nicht...? Aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Themenblätter im Unterricht Nr. 56, Herbst 2007, Europa der 27 Diskussion um die Ostgrenze Europas Aus: Bundeszentrale für politische Bildung: Themenblätter im Unterricht Nr. 56, Herbst 2007, Europa der 27 zu Ziel 2: Europa und EU im Alltag von Jugendlichen Beispiel-Statements von Jugendlichen zu Europa und EU siehe Entdecken und Verstehen (Weltkunde/Gesellschaftslehre) Bd. 3., S. 302 Übersichtsblatt „ich und die EU“ der Bundeszentrale für politische Bildung http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/42848/grafik-ich-unddie-eu Anmerkung: Diese Übersicht bietet einige Anhaltspunkte für Jugendliche, wo die EU als politische Körperschaft ihren Alltag beeinflusst – viele Einträge sind aber auch nur für Erwachsene relevant („ich arbeite“). Der Inhalt europäischer Regelungen wird hier nicht erwähnt, nur, wo die EU aktiv ist. Es kann also nur als Impuls oder Anregung dienen, nicht zur Erarbeitung. Haack Verbundatlas, Erdkunde/Geschichte/Wirtschaft/Politik, S. 167: Kulturerdteile. Anmerkung: Einerseits kann dieses Material dazu dienen, Alltagskultur (Sprache, Schrift, Religion) als „europäisch“ zu erkennen. Andererseits kann dieses Material, das sehr schematisch kulturell vermeintlich homogene Kulturerdteile konstruiert, (Europa: Christlich, lateinische Schrift, germanisch-romanische Sprachen) auch gut als Grundlage für Problematisierung und Differenzierung genutzt werden. zu Ziel 3: Griechenlands Beitrag zu Europa: „Sag ihnen, sie können uns aus Europa nicht rausschmeißen. Wir haben es erfunden.“ Zitat oben aus einer Karikatur aus dem Magazin der Süddeutschen, Herbst 2010: Athen im Luftbild. Sprechblasen: „Da sind so Deutsche.“ Antwort: s.o. Der griechische Beitrag zur „Erfindung“ Europas lässt sich gut aus folgendem Beitrag der „Was ist Was“-Redaktion herauslesen: http://www.wasistwas.de/wissenschaft/die-themen/artikel/link//11111/article/die-frageder-woche-woher-kommt-der-name-europa-und-woher-haben-die-laender-ihrenamen.html Gut geeignet für diesen Komplex ist auch eine „Webquest Europa für Klassenstufe 9“, die hier zu finden ist: http://home.arcor.de/imkevogel/Europa/indexeuropa.htm Europa als Konzept und Kontinent: Der Grieche Herodot Herodot (griechischer Geschichtsschreiber, Geograph und Völkerkundler des 5. Jhd vor Christus): „Von Europa aber hat man weder erforscht, ob es im Osten noch ob es im Norden vom Meere umgeben ist. Wir wissen nur, dass es ebenso lang ist, wie die beiden anderen Erdteile. Ich weiß auch nicht, warum man eigentlich den Erdteilen, die doch ein zusammenhängendes Land sind, drei Namen gibt, und zwar Frauennamen; ferner warum man zur Grenze zwischen Asien und Libyen den ägyptischen Nil und zwischen Asien und Europa den kolchischen Phasis [heute die Stadt Poti in Georgien – Anm. KB] gemacht hat. Andere nehmen statt des Phasis den maiotischen Tanais [griechische Kolonie an der Mündung des Don in das Asowsche Meer – Anm. KB] und die kimmerischen Hafenplätze [diese lagen vermutlich an der Meerenge zwischen Asowschem Meer und Schwarzem Meer – Anm. KB] an. Ich kann die Urheber dieser Abgrenzungen nicht in Erfahrung bringen, auch nicht die Personen, nach denen die Erdteile benannt worden sind. Was Libyen betrifft, so hat es nach der Meinung der meisten Hellenen [Griechen – Anm. KB] seinen Namen nach einer eingeborenen Frau namens Libya, und Asien nach der Frau des Prometheus. (…) Von Europa aber weiß kein Mensch, weder ob es vom Meere umflossen ist, noch wonach es benannt ist, noch wer es war, der ihm den Namen Europa gegeben hat. Oder sollen wir annehmen, daß es seinen Namen nach der Europa von Tyros [Stadt im Libanon – Anm. KB] hat und vor deren Zeit namenlos war wie die anderen Erdteile? Aber diese Europa stammt doch aus Asien und ist nie in das Land gekommen, das man heute in Hellas Europa nennt. Sie ist nur von Phoinikien [heute: Libanon – Anm. KB] nach Kreta und von Kreta nach Lykien [Landschaft in Kleinasien/heutige Türkei – Anm. KB] gekommen. Doch genug davon! Wir wollen bei den überlieferten Namen bleiben.“1 Anmerkung: Dieses Material eignet sich mit Sicherheit nur für starke SuS als Vertiefung. Interessant ist z.B., dass die zweite Variante, die Herodot referiert („maiotische Tanais“) bis heute die allgemein anerkannte Grenze Europas an der Nordküste des Schwarzen Meeres darstellt. Insgesamt lässt sich aus Herodot herauslesen, wie viele Vereinbarungen notwendig sind, um Europa überhaupt als eigenen Kontinent anzusehen und dass diese grundlegenden Annahmen im Wesentlichen im antiken Griechenland getroffen wurden. (S.o.: „Wir haben es erfunden.“) Weitere Vertiefungsmöglichkeit zum Beitrag Griechenlands zur europäischen Kultur: Rechercheaufträge: o Aristoteles (Grundlagen abendländischer/europäischer Philosophie) o Homer (Grundlagen abendländischer/europäischer Literatur) o Pythagoras (Grundlagen der Mathematik) o Demokrit (Grundlagen der Naturwissenschaften) o Kleisthenes (Demokratie) o griechische Architektur o Olympia o usw. 1 Der Umriß der bewohnten Erde. Aus Herodot, Historien (4, 36 - 46).Deutsche Übersetzung aus: Herodot, Historien. Deutsche Gesamtausgabe. Übersetzt von A. Horneffer. Neu herausgegeben und erläutert von H. W. Haussig. Mit einer Einführung von W. F. Otto, Stuttgart 1979, S. 265 - 270. Griechischer Textauszug (Historien 4, 35 - 41) aus: Herodotus, Historiae, ed. Haiim B. Rosén, 2 Bde., Leipzig 1987, Bd. 1, S. 272 f. Ziel 4: Grundlegende Fakten zur Staatsschuldenkrise Griechenlands Anmerkung: Für dieses komplexe Thema geeignetes Material für 15-16jährige zu finden, ist mit Sicherheit die schwierigste Aufgabe. Einen Einstieg können folgende Grafiken bieten: Grafik „Öffentlicher Schuldenstand“ der Bundeszentrale für politische Bildung http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europa/70570/oeffentlicherschuldenstand Die Sorgenkinder der Eurozone – Schuldenstände der PIGSI-Länder http://www.welt.de/debatte/die-welt-in-worten/article112220076/Sorgenkinder-derEurozone-ai-eps.html Emotionale und intuitive Zugänge neben gut recherchierten Fakten bietet die ZDFReportage „Die Griechenland-Lüge“. Der Titel ist reißerisch, einige Teile der Reportage sind extrem zugespitzt, aber das erleichtert vielen Jugendlichen sicher, überhaupt einen Zugang zum Thema zu finden. Fundstelle: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1634150/Dokumentation-DieGriechenland-Luege#/beitrag/video/1634150/Dokumentation-Die-GriechenlandLuege Ansprechend ist auch diese Animation zu den Rettungsschirmen: Die Simpleshow zur Finanzkrise – Warum wir Geld nach Griechenland schicken: http://www.youtube.com/watch?v=aMj5u7BqiaE Jugendgerechte Erklärung des ESM: http://kids.t-online.de/esm-was-bedeutet-esm-/id_60204914/index Der Artikel der Website helles-koepfchen.de (siehe unten) ist sprachlich gut geeignet um die wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhänge für Jugendliche erfassbar zu machen (das zeigen auch die positiven Kommentare von Jugendlichen auf der Website), erfordert aber die Fähigkeit, komplex zu denken. Eine grafische Aufbereitung wäre auch für starke Lerner eine gute Hilfe. Der Artikel wird hier leicht gekürzt wieder gegeben. Die Original-Website findet sich unten in der Quellenangabe. Artikel von Björn Pawlak vom 16.Mai 2010 auf www.helleskoepfchen.de: Finanzkrise in Griechenland Sparmaßnahmen der Regierung lösen soziale Unruhen aus 5 Griechenlands Wirtschaft befindet sich in der Krise. Weil die Wirtschaft zuletzt schrumpfte, stand für den Staat durch den Ausfall von Steuereinnahmen auch weniger Geld für den eigenen Haushalt zur Verfügung. Die griechische Staatsverschuldung ist hoch. Hinzu kommt, dass Griechenland gegenüber den anderen Euro-Ländern nicht wettbewerbsfähig ist. Die Krise in Griechenland bedroht auch andere Länder innerhalb der Europäischen Union, weil die Stabilität der gemeinsamen Euro-Währung gefährdet ist. Warum fehlt dem griechischen Staat überhaupt so viel Geld, und was wird an den Sparmaßnahmen kritisiert? 10 15 20 25 Laut der deutschen Bundesregierung dienen die neuen Anleihen für Griechenland auch der Stabilisierung der Euro-Währung. Als "skandalös" wird im Fall Griechenlands die Tatsache angesehen, dass die eigentliche Verschuldung des griechischen Staates jahrelang verschleiert wurde. Um der Währungsunion der EuroLänder beizutreten, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Es stand deswegen zur Diskussion, ob Griechenland möglicherweise "zu Unrecht" Mitgliedsstaat der Währungsunion werden konnte. In reicheren Ländern Europas - zum Beispiel in Deutschland oder Frankreich kurbelt man die eigene Wirtschaft durch "Geldspritzen" wieder an. Das funktioniert in Griechenland durch das riesige Loch in der Haushaltskasse nicht. Griechenland ist auf neue "Kredite" angewiesen - das bedeutet, dass man sich Geld beschafft, indem man es leiht. Die Europäische Union (EU) und der "Internationale Währungsfonds" ("IWF") sind verantwortlich für die Beschaffung dieser Kredite. Anfang Mai einigten sich die EuroStaaten darauf, der griechischen Wirtschaft ein "Rettungspaket" zur Verfügung zu stellen. Dieses besteht aus bis zu 80 Milliarden Euro von den Euro-Ländern und 30 Milliarden Euro vom IWF. Deutschland wird sich mit bis zu 22,4 Milliarden Euro an diesem Hilfspaket für Griechenland beteiligen. "Rettung" kommt die Griechen teuer zu stehen 30 35 40 45 50 Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds üben hinsichtlich der Sparmaßnahmen politischen Druck auf die griechische Regierung aus: Im Gegenzug wird von Griechenland verlangt, einschneidende Sparmaßnahmen wie Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen vorzunehmen. Steuern zahlen die Bürger als Abgaben an den Staat. Wenn man zum Beispiel Geld verdient, muss man einen gewissen Teil davon an den Staat abgeben. Aber auch bei allen Dienstleistungen und Gütern wie Lebensmittel oder Kleidung zahlt der Käufer Steuern - diese sind als "Umsatzsteuer" (auch "Mehrwertsteuer" genannt) bereits im Preis enthalten. Auch die Ärmeren unter den Griechen sind von den Sparmaßnahmen betroffen unter anderem Rentner, Studenten und Staatsbedienstete wie Lehrer. Viele Griechen empfinden dies als ungerecht und protestieren auf der Straße, wobei es auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen ist. Das Rettungspaket für Griechenland löste wiederum eine Menge Kritik in Deutschland und anderen Euro-Ländern aus: Viele Menschen sind der Ansicht, dass die Pleite Griechenlands ohnehin nicht mehr abgewendet werden könne und deshalb unnötig Steuergelder - also vor allem Gelder der Bürger - verschwendet würden. Viele befürchten, dass weitere wirtschaftlich schwächere Länder wie Portugal bald in eine ähnliche Lage geraten könnten. Würde man diese Staaten wiederum mit Krediten in Milliardenhöhe unterstützen, gefährde man letztlich den eigenen Staatshaushalt. Andere halten dagegen, dass der Euro als gemeinsame Währung auf dem Spiel stehe, sollten weitere Euro-Länder auf eine Staatspleite zusteuern. Kritiker bemängeln, dass die verantwortlichen Politiker nicht von Beginn an geeignete Strategien und Maßnahmen für solche Fälle vorgesehen haben. Warum fehlt dem griechischen Staat Geld? 55 60 65 70 (…) Es ist gar nicht so einfach zu verstehen, wie es zur griechischen Überschuldung kommen konnte und warum diese schwerwiegender ist als in anderen Ländern. Insgesamt hat zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland noch höhere Schulden als der griechische Staat - allerdings ist die deutsche Gesamtwirtschaft sehr viel mächtiger und leistungsfähiger. Anders als die griechische Wirtschaft ist die deutsche stark "exportorientiert" "Export" ist der Verkauf von in einem Land gefertigten Waren ins Ausland. Dadurch fließt Geld in das exportierende Land, wodurch der eigene Haushalt stabilisiert werden kann. Griechenlands Wirtschaft hingegen war in den letzten Jahren eher "importorientiert" - "Import" ist der Ankauf von im Ausland gefertigten Waren. Die Folge davon ist eine Verschuldung gegenüber dem Ausland. Einen anderen Grund für Griechenlands Verschuldung sehen viele in der gängigen Praxis der Steuerhinterziehung - sowohl bei Unternehmen, als auch bei Privatpersonen. Dem griechischen Staat wird vorgeworfen, die Zahlung von Steuern nur unzureichend überwacht zu haben. Dabei soll auch staatliche Korruption (Bestechlichkeit) eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. Es wird davon ausgegangen, dass durch Steuerhinterziehung über Jahre hinweg bis zu 40 Prozent des "Bruttoinlandsprodukts" - das ist die Gesamtheit aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einem Land erwirtschaftet werden verloren gegangen ist. Die Neuverschuldung Griechenlands im Jahr 2009 entsprach übrigens 75 fast 13 Prozent des damaligen Bruttoinlandsprodukts. 80 Vorgeworfen wird dem griechischen Staat außerdem, selbst Gelder verschwendet oder veruntreut zu haben. Es ist davon die Rede, dass der griechische Staat zu viel Personal beschäftigt hat. Alle beim Staat beschäftigten Menschen bekamen zudem im Rahmen des griechischen Rentensystems deutlich mehr Geld ausgezahlt als die Angestellten in der Privatwirtschaft. Durchschnittlich beziehen griechische Arbeitnehmer weniger Rente als in anderen EU-Staaten. Auch die griechischen Ausgaben für Rüstung und Militär lag in Griechenland relativ hoch - ein Grund dafür ist das angespannte Verhältnis zum Nachbarn Türkei, mit dem man sich schon seit Jahrzehnten um die geteilte Mittelmeerinsel Zypern streitet. 85 Welche Maßnahmen wurden getroffen? 90 Wie auch die EU-Kommission legt sie den Griechen nahe, einen harten Sparkurs zu fahren. (Quelle: Heemeier || pixelio.de)Erst nach dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise wurde die hohe Verschuldung Griechenlands in vollem Umfang ersichtlich. Es fiel dem griechischen Staat in der Folge immer schwieriger, neues Geld an den internationalen Finanzmärkten zu leihen. Die Banken verleihen das Geld an einen hoch verschuldeten Kunden - in diesem Fall Griechenland - entweder überhaupt nicht mehr, oder aber zu einem höheren "Zinssatz". ("Zinsen" sind eine über die eigentlich geliehene Summe hinausgehende Zahlung, die an den "Gläubiger" - an denjenigen, der das Geld verliehen hat - zu zahlen sind.) 95 100 105 110 115 Der griechische Staat rutschte in eine "Schuldenfalle": Um alte Schulden zurückzubezahlen, einschließlich der angefallenen Zinsen, wird es nötig, sich immer weiter zu verschulden - der "Schuldenberg" wächst. Internationale "Finanzspekulationen", die sich auf griechische Staatsanleihen beziehen, stellen jetzt ein zusätzliches Risiko dar, die griechische Wirtschaft zu ruinieren. Mit Finanzspekulationen sind Geschäfte gemeint, durch die man Gewinne erzielen will, indem man zukünftige Veränderungen von Preisen und Märkten richtig einschätzt. Diese voneinander abhängigen wirtschaftlichen Vorgänge sind nur schwer zu verstehen und zu erklären. Selbst die "Finanzexperten" sind sich oft uneinig und sagen völlig unterschiedliche Entwicklungen voraus. Wie falsch die Lage eingeschätzt wurde, zeigt die weltweite Finanzkrise seit 2009 nur allzu deutlich. Am 3. Februar 2010 beschloss die EU-Kommission, den griechischen Haushalt unter die Kontrolle der Europäischen Union zu stellen. (Aufgabe der EU-Kommission ist es zu kontrollieren, dass die Beschlüsse der EU umgesetzt werden, außerdem kann sie selbst Gesetze vorschlagen.) Mit Unterstützung der EU war es möglich, neue Kredite für Griechenland zu beschaffen. Als Gegenleistung bekommt die EU-Kommission ein Mitspracherecht bei der politischen Neuausrichtung in Griechenland. Die griechische Regierung wurde dazu verpflichtet, ständig Rechenschaft über den Staatshaushalt vorzulegen. Die Neuverschuldung soll bis 2012 um 75 Prozent gesenkt werden. Neuerdings hat auch der 1944 als Sonderorganisation der Vereinten Nationen gegründete Internationale Währungsfonds weitere Notkredite für Griechenland zur Verfügung gestellt. Soziale Unruhen und Kritik 120 125 130 135 Die Sparmaßnahmen haben zu Kundgebungen und Demonstrationen geführt. Viele Griechen fragen sich, ob es bei der politischen Lösung der Finanzkrise gerecht zugeht. (Quelle: manwalk || pixelio.de)Ein Teil der griechischen Bevölkerung hat Verständnis für die Sparmaßnahmen und unterstützt den grundlegenden Kurs der Regierung. Auf der anderen Seite haben Gegner der Sparpolitik wie zum Beispiel die mit Streik drohenden Gewerkschaften, die sich für die Rechte von Arbeitern und Angestellten einsetzen, zu Demonstrationen und Kundgebungen aufgerufen. Viele Griechen haben sich an den Protesten beteiligt. Dabei kam es teilweise auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Bei den Mai-Demonstrationen versammelten sich außerdem Tausende von Staatsbediensteten, Mitglieder und Anhänger der "Kommunistischen Partei Griechenlands" ("KKE"). Ein ernst zu nehmender Einwand gegen die Sparpolitik ist die Tatsache, dass den Menschen dadurch noch weniger Geld zur Verfügung steht. Die Negativfolge wäre dann, dass die sowieso schon schwächelnde griechische Wirtschaft noch weiter erlahmen und es neue Schulden und neue Arbeitslosigkeit geben könnte - denn die Menschen werden voraussichtlich deutlich weniger Geld für Waren und Dienstleistungen ausgeben. Griechenland steckt in einer "Rezession", so nennt man einen wirtschaftlichen "Abschwung". Dieser Zustand lässt sich nicht dadurch lösen, dass der Staat noch mehr Geld einspart - eher im Gegenteil. 140 Außerdem müsste man analysieren, wie die griechische Wirtschaft in der gesamten europäischen Wirtschaft mehr Marktanteile gewinnen könnte - man spricht hier von "Wettbewerbsfähigkeit". Optimal wäre eine Situation, in der alle europäischen Staaten etwa gleich konkurrenzfähig wären. Dann hätte man eine ausgewogene "Leistungsbilanz" - so nennt man den Vergleich von Gewinnen und Verlusten einer nationalen Wirtschaft. In der Eurozone gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Ländern mit einer positiven Leistungsbilanz (zum Beispiel Deutschland) und solchen mit einer negativen wie Griechenland. Quelle: http://www.helles-koepfchen.de/artikel/2982.html2 145 2 Helles-Koepfchen.de wird redaktionell betreut und dient als Wissensportal für Kinder und Jugendliche. Es wird gefördert vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, sowie vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Helles-Koepfchen ist nominiert für den digita 2013, den deutschen Bildungsmedienpreis. Griechenland und die Eurokrise: Wütende Proteste gegen die Sparpläne Streit um die "Rettung" von Griechenland - Teil 1 von Matthias Wetzel - 11.10.2011 (…) Hilfe für Griechenland durch die EU 5 10 15 20 25 30 35 Die EU sieht vor, Griechenland mit einem "Rettungspaket" zu unterstützen: Das Land soll von allen EU-Staaten Geld bekommen, damit es nicht zahlungsunfähig wird. (Quelle: Gerd Altmann/ pixelio.de)Weil die Situation so ernst ist, hat sich die EU entschlossen, die Schulden von Griechenland zu bezahlen, falls das Land es nicht selber schafft, seine Finanzen in den Griff zu bekommen. Griechenland soll von allen EU-Ländern Geld bekommen, damit der Staat nicht zahlungsunfähig wird. Wenn Griechenland kein Geld mehr hätte, könnte nämlich eine gefährliche Situation entstehen, befürchten die Regierungen. Dabei lauern die Gefahren sowohl in Griechenland selbst wie auch in den anderen Ländern. Experten befürchten Unruhen und Chaos, wenn der griechische Staat seine Angestellten, die Rentner, Arbeitslosen, Polizeibeamten und viele andere nicht mehr bezahlen könnte. Aber auch außerhalb Griechenlands befürchten die Politiker Probleme. Da die europäischen Banken Griechenland sehr viel Geld geliehen haben, bekommen sie natürlich auch sehr viel Geld zurück. Wenn Griechenland aber pleiteginge, würden die Banken das ihnen zustehende Geld nie mehr wiedersehen. Das könnte dazu führen, dass die Banken selbst in finanzielle Schwierigkeiten kommen und ihrerseits kein Geld mehr an andere Kunden ausgeben würden. Bei dieser Diskussion geht es vor allem um Banken aus Frankreich oder Deutschland, die dem griechischen Staat viel Geld geliehen haben. Institute in den beiden Ländern haben nach einem Bericht der US-amerikanischen Wirtschaftszeitung insgesamt 119 Milliarden Dollar (das sind 87 Milliarden Euro) in Form von Krediten an Griechenland gezahlt. Ein "Kredit" ist eine Geldsumme, die sich jemand für einen bestimmten Zeitraum leiht - er muss das Geld später zurückzahlen und es fallen zusätzliche Zinsen an, an denen wiederum die Banken verdienen. Die Banken selbst verraten nicht, wie viel sie dem griechischen Staat tatsächlich gegeben haben, weil sie befürchten, dass die Leute sonst Angst bekommen würden, dass ihr Geld nicht mehr sicher ist. So sagte der Chef der Deutschen Bank, das Engagement seiner Bank gegenüber Griechenland sei "relativ gering". Ob das nun zehn Millionen oder zehn Milliarden sind, weiß keiner genau. Aber auch andere deutsche Bankinstitute haben sehr viel Geld an Griechenland gegeben. So sollen die Commerzbank und die HRE zweistellige Milliardenbeträge an Griechenland überwiesen haben. Wie viel Geld ist überhaupt eine Milliarde? 10.000 100-Euro-Scheine sind eine Million Euro. Wenn man diese als Geldbündel übereinander legen würde, wäre der Stapel etwas höher als ein Tisch. Eine Milliarde aber ist tausendmal mehr, so dass der Milliarden-Stapel insgesamt eine Höhe von einem Kilometer hätte. Und das wäre erst eine einzige Milliarde. Bei den Rettungspaketen geht es aber insgesamt um hunderte solcher kilometerhohen Geldstapel. Die Europäische Union stellt Bedingungen 40 45 50 55 60 Die EU stellt Griechenland Forderungen, um weitere Finanzhilfen zu bekommen. Umstritten ist dabei allerdings, ob es Griechenland überhaupt aus eigener Kraft schaffen kann, die Finanzkrise zu überwinden. Viele Experten sagen, dass Griechenland früher oder später pleitegehen werde und es daher besser sei, über ein geordnetes Verfahren der Staatspleite nachzudenken. Dabei spielen Begriffe wie "Schuldenschnitt", "Haircut", "Insolvenz" oder seit neuestem auch "Resolvenz" eine Rolle. Bei einem Schuldenschnitt wird ein großer Teil der Schulden, die Griechenland hat, gestrichen. Das heißt, die Banken bleiben auf einem bestimmten Teil ihrer Forderungen sitzen. Manche sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem "Haircut" - einem Haarschnitt, bei dem die Länge der Haare einfach gekürzt wird und man den Kopf wieder frei bekommt. Andere Experten sagen, dass man auf einen Staat auch die Regeln anwenden müsse, die für normale Unternehmen gelten. So müsse ein Staat, genauso wie ein Betrieb, pleite gehen, wenn er kein Geld mehr habe. Bei einem Betrieb werden dann die Sachen, die noch einen kleinen Wert haben, verkauft. Das Geld bekommen dann die Leute, die dem Betrieb Geld geborgt haben. Die Frage bei einem Staat ist aber, ob dann Grundstücke oder Fabriken verkauft werden müssten, um den Banken nach der "Staatsinsolvenz" (Insolvenz bedeutet "Zahlungsunfähigkeit") wenigstens einen Teil ihrer Forderungen zurück zu erstatten. Staatsrechtler bezweifeln, dass das so einfach möglich ist und etwa griechische Inseln an private oder staatliche Interessenten verkauft werden könnten. (…) 65 Dass eine Insolvenz dem Land wieder auf die Beine helfen kann, haben die Fälle von Russland 1998 und Argentinien 2002 gezeigt. Diese Länder konnten den Banken ihre Schulden nicht mehr bezahlen. Dadurch verlor ihre Währung plötzlich an Wert. Weil nun keine teuren Waren mehr aus dem Ausland gekauft werden konnten, wuchs die eigene Industrie, und weil die eigenen Löhne schrumpften, konnten die Länder billige Waren ins Ausland verkaufen. Das Problem bei Griechenland ist jedoch, dass es keine eigene Währung hat, die nach einem Staatsbankrott an Wert verlieren kann. Deshalb schlagen manche Experten vor, Griechenland aus der Eurozone zu entlassen, bis es seinen Staatshaushalt wieder ausgeglichen hat. 70 Sparpläne der griechischen Regierung 75 80 Um die Probleme in Griechenland in den Griff zu bekommen, hat sich eine so genannte "Troika" gebildet. Das Wort stammt aus dem Russischen und bezeichnet einen Schlitten oder Wagen, der von drei Pferden gezogen wird. Das Gremium besteht nämlich aus Vertretern von drei großen Organisationen: der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds. Diese so genannte Troika hat einen Plan ausgearbeitet, wie Griechenland aus seiner schwierigen Lage kommen könnte. So soll das Land sowohl seine Ausgaben verringern als auch die Einnahmen erhöhen. Insgesamt will der Staat in den nächsten vier Jahren 78 Milliarden Euro einsparen. Das Geld soll über eine höhere Mehrwertsteuer, eine so genannte 85 90 95 100 "Solidaritätssteuer" (diese soll zwischen ein und vier Prozent des Einkommens liegen), eine höhere Kfz-Steuer und höhere Steuern auf Heizöl zusammenkommen. Selbständige wie Handwerker oder Rechtsanwälte sollen eine Extrasteuer bezahlen. Auch Besitzer von Wohnungen sollen pro Quadratmeter jährlich fünf Euro Steuer an den Staat bezahlen. Auch die reichen Griechen werden zur Kasse gebeten. Sie müssen für Luxusgegenstände wie Segeljachten oder große Villen eine neue Steuer zahlen. Das alles soll in den nächsten Jahren 28 Milliarden Euro zusätzlich in die leeren Staatskassen spülen. Außerdem sollen 50 Milliarden Euro durch den Verkauf von Staatseigentum eingenommen werden. So will Griechenlands Ministerpräsident Papandreou die staatliche Eisenbahn, die Wasserwerke von Thessaloniki, Gaswerke, Elektrizitätswerke, Flughäfen und viele andere staatliche Unternehmen verkaufen. Um Geld zu sparen, sollen insgesamt 20.000 beim Staat angestellte Leute entlassen werden. Zudem sollen Zuschläge im öffentlichen Dienst gestrichen, die meisten frei werdenden Stellen nicht wieder besetzt und jede zweite befristete Stelle nicht verlängert werden. Gleichzeitig sollen die Griechen länger arbeiten. Die Arbeitszeit soll von 37,5 auf 40 Wochenstunden verlängert werden. Außerdem will die Regierung die Grundrenten bis auf weiteres nicht mehr erhöhen. Auch beim Militär soll weniger Geld ausgegeben werden. Geplant ist außerdem, einen staatlichen Fernsehsender und mehrere Rundfunkstationen komplett zu schließen. Weitet sich die Krise in Europa aus? 105 (…) Vertreter der Troika fahren jetzt regelmäßig nach Griechenland, um zu überprüfen, ob die Verpflichtungen eingehalten werden. Erst dann nämlich gibt die Europäische Zentralbank Geld mit relativ niedrigen Zinsen an europäische Privatbanken aus, die es dann mit einem höheren Zinssatz an Griechenland weiterverleihen. ("Zinsen" sind eine über die eigentlich geliehene Summe hinausgehende Zahlung, die an denjenigen, der das Geld verliehen hat, zu zahlen sind.) (…) Quelle: http://www.helles-koepfchen.de/artikel/3120.html