Urteil vom 20.04.2004 - 5 K 2179/03.NW

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5 K 2179/03.NW
M5129
VERWALTUNGSGERICHT
NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen
Einbürgerung
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hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2004, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ...
Richterin am Verwaltungsgericht ...
Richter am Verwaltungsgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1965 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist seit Juni 1975 in
der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft, seit 1987 ist er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Seit 1989 ist er mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet.
Am 4. Februar 1999 beantragte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gemäß § 86 AuslG in der damals geltenden Fassung und legte dazu verschiedene Unterlagen vor. Am 1. März 2000
erhielten der Kläger und seine Ehefrau eine bis zum 28. Februar 2002 gültige Einbürgerungszusicherung für den Fall, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Auf einen entsprechenden Antrag hin wurde dem
Kläger mit Beschluss des türkischen Ministerrats vom 24. Januar 2001 die Erlaub-
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nis zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit erteilt, um die deutsche
Staatsbürgerschaft zu erwerben.
Nach einem anonymen Hinweis, dass der Kläger in G... einer religiösen Vereinigung angehöre, teilte das Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz,
Abteilung für Verfassungsschutz, dem Beklagten mit Schreiben vom 11. Juni 2001
mit, dass Erkenntnisse aus den Jahren 1996 bis 1998 vorlägen. In dieser Zeit sei
der Kläger Funktionär des IGMG-Ortsvereins G... gewesen. So habe er dem Verein am 18. September 1997 als Sekretär angehört. Gemäß einem von dem Beklagten eingeholten Auszug aus dem Vereinsregister war der Kläger darin am
18. September 1997 als Sekretär des Ortsvereins G... der IGMG eingetragen worden. Die Gründung des Vereins unter dem Namen AMGT war am 23. April 1993
eingetragen und die entsprechende Satzung am 19. November 1992 errichtet
worden. Die Namensänderung in IGMG- Islamische Gemeinschaft Milli Görüs –
war am 28. September 1996 beschlossen worden.
Im Rahmen seiner Anhörung durch den Beklagten erklärte der Kläger zunächst, er
wisse nicht, dass die Vereinigung im Verfassungsschutzbericht erwähnt werde,
und er sei stolz, bei dieser Vereinigung zu sein. Mit Schreiben vom 12. Oktober
2001 führte er dann aus, dass er gläubiger Muslim sei und seit Jahren auch Mitglied der Moscheegemeinde. Als ihm das Amt des Sekretärs angetragen worden
sei, habe er es als seine Verpflichtung angesehen, der Gemeinde zu dienen. Die
Moscheegemeinde werde zu Unrecht als verfassungsfeindlich diskriminiert. Er
selbst stehe zu der Verfassung und sei ein Verfechter der freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Bis heute habe er weder von der Moscheegemeinde noch jemals von einem ihrer Mitglieder noch vom Verband Bestrebungen,
Äußerungen oder Handlungen erkennen können, die als die Werte der Verfassung
missachtend bezeichnet werden könnten. Er würde deshalb gerne wissen, nach
welchen Kriterien der Verfassungsschutz die IGMG als extremistisch einstufe. Die
Gemeinschaft verstehe sich als eine islamische Religionsgemeinschaft, sie sei
loyal gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und setze sich
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auch für die Integration der Muslime ein. Selbst wenn man die IGMG, ohne ihre
Selbstdarstellung wahrnehmen zu wollen, als extremistisch und verfassungsfeindlich einstufe, stelle sich die Frage, ob man eine solche Einstufung auch bei seiner
Situation positiv feststellen könne.
Der Einbürgerungsantrag der Ehefrau des Klägers wurde sodann getrennt weiterbearbeitet.
Mit Bescheid vom 26. November 2001 lehnte der Beklagte die Einbürgerung des
Klägers gestützt auf §§ 86 Abs. 3, 85 Abs. 2 i. V. m. 46 Nr. 1 AuslG a. F. ab, da in
seinem Fall Ausweisungsgründe im Sinn dieser Bestimmungen vorliegen würden.
Der Kläger erhob am 27. Dezember 2001 Widerspruch, dem er eine Erklärung
beifügte, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekenne.
Er führte aus, dass er Deutschland als seine Heimat betrachte und daher die
deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wolle. Er habe sich nicht nur immer verfassungstreu verhalten, sondern sich auch sozial engagiert. Er wolle zusammen
mit anderen Muslimen in der Umgebung solche Infrastrukturen schaffen, die es
erlaubten, dass man sich als Muslim in Deutschland wohl fühle. Deshalb sei er in
G... in einem Verein aktiv, welcher auch einen Gebetsraum unterhalte. Er sei zum
Sekretär dieser Moscheegemeinde gewählt worden, die sich der größten muslimischen Vereinigung in Deutschland angeschlossen und damit den Namen "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs, Ortsverein G..." angenommen habe. Weiter legte
er anhand von § 2 der Satzung des Vereins dessen Ziele dar und machte Ausführungen zu der IGMG, die sich als eine islamische Religionsvereinigung verstehe,
die das religiöse Leben der Muslime umfassend organisiere. Die sie betreffenden
Behauptungen des Verfassungsschutzes seien zum Teil falsch, zum Teil verzerrt
und reflektierten in keiner Weise die Bemühungen der IGMG in den letzten Jahren. So setze sich die IGMG für den Religionsunterricht in deutscher Sprache an
öffentlichen Schulen ein und habe eine Werbekampagne für die Annahme der
deutschen Staatsangehörigkeit gestartet. Ihr Ziel sei es, dass man die erforderlichen Gespräche mit den Muslimen führe und nicht über sie. Dies wollten wohl
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manche verhindern, gerade namhafte Personen des öffentlichen Lebens setzten
sich aber für eine differenzierte Betrachtung der IGMG ein. Er selbst habe sich
immer verfassungstreu und gesetzeskonform verhalten und sei auch 2002 der
CDU beigetreten. Er sei nach wie vor Sekretär des Ortsvereins G... der IGMG.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2003 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass die IGMG als extremistische islamistische Organisation einzustufen sei, deren Tätigkeit auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse abziele, die auf eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinauslaufe, und dass der Kläger, der jahrelang als Funktionär für die IGMG tätig gewesen sei, sich diese Ziele zurechnen lassen müsse mit
der Folge, dass ein Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 1 AuslG vorliege.
Der Kläger hat am 22. August 2003 Klage erhoben.
Er macht geltend, dass zum einen in den Bescheiden keine Feststellungen dahin
gehend getroffen worden seien, dass die IGMG die freiheitliche demokratische
Grundordnung ablehne, und dass zum anderen unabhängig davon allein seine
Funktionärstätigkeit in einer lokalen Gliederung der IGMG nicht die Annahme
rechtfertige, dass tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen würden, dass er Bestrebungen verfolge oder unterstütze, die sich gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung richten würden. Weiter sprächen auch keine speziell in seiner Person liegenden Gründe dafür, dass er Ziele im Sinn des § 86 Nr. 2 AuslG n. F.,
welcher hier anzuwenden sei, verfolge oder unterstütze. Ihm stehe daher gemäß
§ 85 Abs. 1 AuslG ein Einbürgerungsanspruch zu.
Die IGMG werde zu Unrecht insbesondere vom Verfassungsschutz als islamistische extremistische Organisation eingestuft. Der Behauptung, dass die IGMG nur
vorgebe, verfassungskonforme Ziele zu verfolgen, sich tatsächlich aber nicht vorbehaltlos zur bestehenden Rechts- und Gesellschaftsordnung bekenne, stehe sowohl die Satzung als auch eine Vielzahl von offiziellen Erklärungen der IGMG, wie
insbesondere die beigefügten Presseerklärungen, entgegen. Der Vorwurf, sie befürworte die Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele,
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werde gerade nicht erhoben. Sie bestreite aber auch den Vorwurf, ein Sammelbecken ehemaliger Anhänger der türkischen Wohlfahrts- oder Tugendpartei bzw. von
deren Nachfolgeparteien zu bilden. Zwar treffe es zu, dass es enge personelle
Verbindungen zwischen der IGMG und der islamistischen Bewegung Erbakans
gegeben habe, es gebe jedoch Anhaltspunkte dafür, dass sich diese engen Bindungen zunehmend auflösten. Bei dem gegen die IGMG erhobenen Vorwurf der
Integrationsfeindlichkeit werde übersehen, dass inzwischen Angehörige der zweiten Generation die Entwicklung der IGMG maßgeblich mitgestalteten, die kein besonderes Interesse an der Entwicklung in der Türkei mehr zeigten, sondern denen
es vorrangig um die Verbesserung der sozialen und rechtlichen Situation der hier
lebenden türkisch-stämmigen Bevölkerung gehe. Von zehn Mitgliedern des Präsidiums der IGMG seien sechs in Deutschland geboren bzw. im Kindesalter eingereist. Die Entwicklung in der IGMG sei heute offen und es sei insbesondere nicht
gerechtfertigt, allein aus den traditionellen, inzwischen signifikant gelockerten Bindungen an islamistische Bewegungen in der Türkei zu schließen, dass entgegenstehende Äußerungen nicht ernsthaft, sondern nur taktisch gemeint seien. Entgegen der Annahme in den Verfassungsschutzberichten stelle auch die türkische
Zeitung "Milli Gazete" nicht das Sprachrohr der IGMG dar; deren Beiträge könnten
ihr nicht zugerechnet werden. Das gelte ebenso für die Entgleisungen einzelner
Funktionäre. Der Umstand, dass die Zeitung teilweise in Moscheen, die der IGMG
zuzurechnen seien, ausliege, belege eher den offenen Entwicklungsprozess der
Organisation. Inzwischen werde in den Bücherkatalogen der IGMG auch nicht
mehr auf Publikationen von Milli-Gazete-Kolumnisten hingewiesen. Was das Auftreten des Necmettin Erbakan auf offiziellen Veranstaltungen der IGMG angehe,
so könne eine Distanzierung von Erbakan oder gar ein Redeverbot in Anbetracht
des offenen Umbruchprozesses in der IGMG nicht ohne erhebliche interne Konflikte durchgesetzt werden. Auch der geschichtliche Entwicklungsprozess der IGMG
belege, dass sie sich derzeit in einem solchen offenen Umbruchprozess befinde
und dass gewichtige Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die frühere, eher islamistische Prägung überwunden werde. Diese Einschätzung werde auch durch
die beigefügten Abhandlungen von Schiffauer und von Kücükhüseyin sowie auch
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durch den Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen für das
Jahr 2003 bestätigt. Eine genaue Angabe der Größenordnung der IGMG sei im
Übrigen angesichts der komplexen und nicht leicht zu überschauenden Organisationsstruktur kaum möglich. Die Schätzungen schwankten zwischen 26.500 und
73.000 Mitgliedern.
Sei daher eine zweifelsfreie Annahme, dass die IGMG verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstütze oder verfolge, nicht möglich, so müsse dies erst recht im
Fall eines Anhängers der IGMG gelten. Selbst in dem Verfassungsschutzbericht
des Bundes für das Jahr 2001 werde darauf hingewiesen, dass nicht alle Mitglieder und Anhänger der IGMG islamistische Ziele unterstützten. Es komme daher
darauf an, im Einzelfall festzustellen, mit welchem Gewicht die betreffende Person
sich für die Durchsetzung verfassungstreuer Tendenzen einsetze. Dabei sei von
besonderer Bedeutung, dass die Entwicklung der IGMG nicht auf ein Abgleiten in
die Verfassungsfeindlichkeit gehe, sondern umgekehrt die Prognose gerechtfertigt
sei, dass die Organisation insgesamt frühere verfassungsfeindliche Tendenzen
überwinden werde. Er, der Kläger, selbst setze sich aber für die Überwindung der
traditionellen Strukturen und Ziele innerhalb der Organisation und für eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Entwicklung ein. Darauf, ob er sich von der IGMG
abgewandt habe, komme es nicht an, da die Anwendung des § 86 Nr. 2, 2. Hs.
AuslG gerade voraussetze, dass eine Organisation klar als verfassungsfeindlich
beurteilt werden könne, was bei der IGMG gerade nicht der Fall sei.
In der mündlichen Verhandlung am 20. April 2004 hat sich der Kläger nochmals zu
seiner Tätigkeit für die IGMG geäußert. Er führt aus, dass er dort die üblichen Tätigkeiten eines Sekretärs wahrnehme, indem er die Mitgliederliste führe etc.. Er
habe erstmals im Rahmen seines Einbürgerungsverfahrens gehört, dass die
IGMG in den Verfassungsschutzberichten genannt werde. Er sei nach wie vor
stolz, bei der IGMG zu sein. Er habe die IGMG 1990 kennen gelernt. Vorher sei er
bei dem türkischen Kulturverein gewesen, bei dem sein Vater Vorsitzender sei. Er
selbst sei der IGMG beigetreten, weil die IGMG alle Menschen umarme und es ihr
gleich sei, ob jemand ein Muslim sei oder nicht, wie dies ihnen auch von Gott be-
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fohlen werde. Dieser Gedanke der Brüderlichkeit sei für seinen Beitritt ausschlaggebend gewesen. Im türkischen Kulturverein sei dagegen mehr auf die Nationalität
abgestellt worden. Der Ortsverein führe ab und zu Veranstaltungen durch, zum
Beispiel auch in der Stadthalle. Ihr Ziel sei es, die Muslime im sozialen und religiösen Bereich zu unterstützen. Er verfüge auch über einen Frauenausschuss. Insbesondere kümmere er sich um die Jugendlichen und deren Freizeitaktivitäten.
Zur Zeit geschehe die Unterstützung insbesondere in Form privater Gespräche.
Sie verfügten nur über einen Gebetsraum von etwa 50 m² und nicht über eine eigene Moschee, ihnen fehlten die notwendigen Räumlichkeiten für weitere Aktivitäten. Sie wollten künftig z. B. auch Nachhilfeunterricht geben, zur Zeit fehlten ihnen
dafür die finanziellen Mittel. Der Verein setze sich insbesondere auch für eine Integration der Jugendlichen ein und wolle diese nicht islamisieren. Die Vorwürfe,
dass die IGMG gegen eine Integration sei, seien nicht berechtigt. Eine Integration
müsse aber notwendig von beiden Seiten her erfolgen. Der Ortsverein G... der
IGMG sei zugleich Träger des Gebetsraums. Er finanziere sich durch freiwillige
Mitgliedsbeiträge seiner etwa 60 Mitglieder, von dem Dachverband erhalte er keine Mittel.
Gefragt nach der Toleranz gegenüber anderen Religionsgemeinschaften hat der
Kläger erklärt, dass er als Mensch die Aufgabe habe, Gutes zu tun. So sage ihm
zwar der Glaube, dass er fünfmal am Tag beten solle, wenn aber jemand – gleich
ob ein Muslim oder ein Christ – Hilfe benötige, müsse er das Gebet unterbrechen
und helfen. Die IGMG habe schon immer den Gedanken der Toleranz gegenüber
anderen Religionen vertreten, seit dem 11. September 2001 müsse sie dies besonders betonen. Auf die Frage, ob und inwieweit er seine Arbeit heute als anders
empfinde als in früheren Jahren, hat er erklärt, die Arbeit sei gleich geblieben. Sie
hätten in G... keinen Imam, sondern nur einen Hodscha, der ausschließlich für G...
zuständig sei. Dieser sage ihnen insbesondere, wie sie sich in einem Land, in dem
mehrheitlich Christen und auch Angehörige anderer Religionen lebten, verhalten
müssten. Sie sollten sich so verhalten, wie es der Koran ihnen vorschreibe, insbesondere dürften sie keine Gewalt anwenden. Dies sei auch seine Ansicht vom Koran. Sie sollten so leben, dass die anderen nicht mit Fingern auf sie zeigten. Er
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selbst sei z. B. auch in einem Fußballverein. Er sehe den Koran auch nicht als die
Grundlage der staatlichen Gesellschaft an, der Koran sage ihm vielmehr, wie er
privat zu leben habe. Einen Koran-Staat wollten sie nicht gründen. Dazu hat der
Klägervertreter darauf hingewiesen, dass der Koran keine eindeutige Aussage
dahin gehend enthalte, dass der Staat unter den Koran gestellt werden müsse.
Auf weitere Frage hat der Kläger bestätigt, dass der Vorstand des Ortsvereins G...
der IGMG, also auch er selbst, von dem Dachverband ernannt werde. Dem gehe
aber in aller Regel ein entsprechender Vorschlag der Mitgliederversammlung voraus.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids der Kreisverwaltung G... vom 26. November 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses vom 23. Juli 2003 den beklagten Landkreis zu verpflichten, ihn einzubürgern.
Hilfsweise stellt der Kläger den Antrag,
ein Sachverständigengutachten zu folgenden Beweistatsachen einzuholen:
Dass die Satzung der IGMG, sonstige Vereinsdokumente und offizielle Verlautbarungen von Verbandsfunktionären sowie das Verbandsorgan "MilliGörus/Perspektive" und die dort abgedruckten Meinungsäußerungen von
führenden Verbandsvertretern der tatsächlichen Praxis der Organisation
IGMG entsprechen,
dass es plausible und stichhaltige Tatsachen, Indizien und Hinweise dafür
gibt, dass die in der Zeitschrift "Milli Gazete" abgedruckten Meinungsäußerungen nicht der Auffassung der IGMG und ihrer führenden Vertreter entsprechen und deshalb nicht der IGMG zugerechnet werden können,
dass in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts innerhalb der IGMG ein Generationenwechsel eingeleitet wurde und derzeit im
zehn Personen umfassenden Präsidium der IGMG sechs Angehörige der
zweiten Generation sind und ähnliche Strukturen sich auch in den örtlichen
Gemeinden herausgebildet haben bzw. herausbilden, so dass sich die traditionellen, von der Gründergeneration entwickelten personellen Beziehungen
mit der früheren türkischen Wohlfahrtspartei und deren Nachfolgeorganisationen weitgehend aufgelöst haben,
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dass das Interesse der heute die IGMG dominierenden jungen Generation
überwiegend auf die Verbesserung der sozialen, politischen und rechtlichen
Rahmenbedingungen der türkisch-stämmigen Wohnbevölkerung gerichtet
und dabei an den Vorgaben des islamischen Rechts im Hinblick auf Muslime in der Diaspora orientiert ist, sich an die lokale Rechtsordnung der Aufnahmegesellschaft zu halten und deren durch die Verfassung vorgegebenen Wertvorstellungen zu bejahen,
dass es keine stichhaltigen Beweise für den Vorwurf gibt, dass die offizielle
und durch Taten bekräftigte Politik der IGMG das Ziel verfolge, die Integration der türkischen Muslime in die Gesellschaft des Aufnahmelandes Bundesrepublik Deutschland zu verhindern, und es ebenso wenig stichhaltige
Beweise für den Vorwurf gibt, dass der Aufbau eines theokratischen
Staatsmodells in der Bundesrepublik ein Nah- noch ein Fernziel der Organisation und deren örtlicher Gemeinden ist,
dass die örtlichen Gemeinden und die Mitglieder der IGMG eine wichtige
gesellschaftliche Funktion bei der Integration der türkisch-stämmigen
Wohnbevölkerung in die Mehrheitsgesellschaft ausüben.
Als Sachverständige benennt er Prof. Dr. Udo Steinbach, Deutsches Orient-Institut
in Hamburg, Prof. Dr. Werner Schiffauer, Technische Universität Berlin, und Dr.
Gerdien Jonker, Philipps-Universität Marburg.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt seine Auffassung, dass die IGMG nicht auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehe. Dies ergebe sich nicht nur aus den
entsprechenden Verfassungsschutzberichten, sondern werde auch durch verschiedene, im Einzelnen genannte Abhandlungen belegt. Die IGMG sei nach wie
vor eng an die Nachfolgeorganisationen der islamistischen türkischen Wohlfahrtspartei – heute der Saadet Partisi (Glückseligkeitspartei) – gebunden und benutze
die Zeitung Milli Gazete als ihr Sprachrohr. So sei etwa noch 2001 Mehmet Sabri
Erbakan, der Neffe von Necmettin Erbakan, zum Vorsitzenden gewählt worden.
Die Einholung des von dem Klägervertreter beantragten Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich. Sollte das Gericht jedoch ein Gutachten für notwendig
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halten, würden als Gutachter Frau Prof. Dr. Ursula Spuler-Stegemann, Universität
Marburg, und Frau Prof. Dr. Rotraud Wielandt, Universität Bamberg, benannt.
Es sei auch davon auszugehen, dass der Kläger persönlich diese Bestrebungen
der IGMG unterstütze. Er sei Mitbegründer des Ortsvereins G... – damals der
AMGT – im Jahr 1992 gewesen und seit 1997 Sekretär des Vereins. In der hierarchisch organisierten IGMG, in welcher die Untergliederungen die Entscheidungen
der Zentrale auszuführen hätten, müssten ihm die ideologischen Vorstellungen der
IGMG und der Milli-Görüs-Bewegung bekannt sein und er vertrete sie auch nach
wie vor gegenüber anderen.
Ergänzend hat der Beklagte eine Stellungnahme des Ministeriums des Innern und
für Sport Rheinland-Pfalz vom 23. Dezember 2003 vorgelegt. In dieser wird unter
Beifügung von Anlagen, insbesondere von Auszügen aus der Milli Gazete, dargelegt, dass die IGMG weiterhin Bestrebungen unterstütze, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien. Diese Einschätzung gründe
sich auf die starke Einbindung der IGMG in einen miteinander verzahnten Komplex, bestehend aus der Weltanschauung Milli Görüs, der Saadet Partisi als politischer Partei in der Türkei sowie der Tageszeitung Milli Gazete. Die Anbindung der
IGMG an diesen Komplex habe nach wie vor Gültigkeit und werde durch verschiedene Fakten auch jüngeren Datums bestätigt. Der politische Islam in der Türkei
werde seit Beginn der siebziger Jahre in hohem Maß durch Necmettin Erbakan,
die von ihm initiierte Bewegung Milli Görüs und mehrere von ihm gegründete, islamistisch orientierte Parteien geprägt. Nach verschiedenen Parteiverboten sei
schließlich 2001 die Saadet Partisi (SP) gegründet worden. Im Unterschied zu der
ebenfalls im Jahr 2001 aus der Tugendpartei (Fazilet Partisi, FP) hervorgegangene Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) unter der Führung von Recep
Tayyip Erdogan, die sich als eine islamisch geprägte konservative Partei beschreibe, bleibe das Ziel der SP die Abschaffung des Laizismus (Trennung von
Religion und Staat) und die Einführung einer auf das islamische Recht (Scharia)
gegründeten Lebens- und Gesellschaftsordnung in der Türkei. Führer der SP sei
seit Mai 2003 wiederum Necmettin Erbakan, welcher die Verknüpfung seiner Partei mit der Milli-Görüs-Bewegung personifiziere. Deren zentrales Konzept sei die
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"Gerechte Ordnung" (Adil Düzen); in dieser sei für die Demokratie und die individuellen Freiheiten und Menschenrechte kein Platz, wie dies durch verschiedene
Zitate bestätigt werde. Die IGMG stelle sich zwar offiziell als eine ausschließlich
religiös-kulturelle Gemeinschaft dar, es gebe jedoch tatsächliche Anhaltspunkte
für eine zielgerichtete Unterstützung der türkischen Saadet Partisi und damit eine
politische Parteinahme. Dies werde unter anderem durch Berichte in der Milli Gazete belegt, deren Inhalt wiederum auf enge Verflechtungen von Milli Gazete und
IGMG schließen lasse, wie dies die beigefügten Anlagen und die entsprechenden
Zitate zeigten. Insbesondere fänden sich in der Milli Gazete auch bis zum heutigen
Zeitpunkt massive antiisraelische, antijüdische und antiamerikanische Aussagen,
die gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstießen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze einschließlich der dazu vorgelegten Unterlagen, auf die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungs- und die Widerspruchsakte sowie auf die in das Verfahren eingeführten
weiteren Abhandlungen und Zeitungsartikel und die Verfassungsschutzberichte;
diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die
von ihm begehrte Einbürgerung.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt hier § 86 AuslG
i. d. F. vom 30.06.1993 (BGBl. I S. 1062) in Betracht. Diese Vorschrift – und nicht
§ 85 AuslG i. d. F. vom 15.07.1999 (BGBl. I S. 1618) – findet nach der Übergangsvorschrift des § 212a AuslG in der heute geltenden Neufassung vom
09.01.2002 (BGBl. I S. 361) im Grundsatz noch Anwendung auf den Einbürge-
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rungsantrag des Klägers, da dieser am 4. Februar 1999 und damit "bis zum
16. März 1999" gestellt worden ist. Dass die dort genannten Voraussetzungen
– soweit es nicht um das Vorliegen eines Ausweisungsgrunds gemäß § 86 Abs. 2
i. V. m. § 85 Abs. 2 Satz 2, § 46 Nr. 1 AuslG geht – erfüllt sind, ist nach der Aktenlage eindeutig und zwischen den Parteien unstreitig. Die Frage, ob eine Einbürgerung des Klägers wegen verfassungsfeindlicher bzw. ähnlicher Bestrebungen
ausgeschlossen ist, bestimmt sich jedoch nach der oben genannten Neufassung
des § 102a AuslG auch im Fall eines vor dem 17. März 1999 gestellten Einbürgerungsantrags nach § 86 Nr. 2 und 3 AuslG i. d. F. vom 15.07.1999. Der dort unter
Nr. 2 geregelte Ausschlussgrund ist jedoch im Fall des Klägers gegeben, da tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass er Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung gerichtet sind, und er auch nicht glaubhaft gemacht
hat, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen gewandt hat.
Die entsprechenden Tatsachen ergeben sich hier aus der Tätigkeit des Klägers im
Rahmen des Ortsvereins G... der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG).
Insoweit ist es nicht erforderlich, dass dem Kläger die Verfolgung oder Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen nachgewiesen wird, vielmehr genügt
es nach der in § 86 Nr. 2 AuslG getroffenen Neuregelung, dass ein tatsachengestützter hinreichender Tatverdacht
besteht (vgl. das Urteil des VGH Baden-
Württemberg vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 -, Juris, und das Urteil des BayVGH
vom 27.05.2003 - 5 B 00.1819 -, Juris).
Die IGMG mit ihrem in Kerpen ansässigen Dachverband und den ihm angeschlossenen Ortsvereinen war in der Vergangenheit als islamistische extremistische Organisation einzustufen, deren Ziele in Widerspruch zu der im Grundgesetz manifestierten freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen, und sie ist es auch
heute noch. Dies ergibt sich zwar nicht aus der Satzung, so wie sie dem Gericht
für den Ortsverein G... vorliegt, und eine solche Zielrichtung wird auch in verschie-
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denen Stellungnahmen wie insbesondere in Presseerklärungen der IGMG aus den
letzten Jahren bestritten. Sie ergibt sich jedoch aus der von dem Beklagten betonten Einbindung der IGMG in den miteinander verzahnten Komplex bestehend aus
der Weltanschauung "Milli Görüs", der jeweiligen islamistischen Partei in der Türkei – heute der Saadet Partisi – und der Zeitung Milli Gazete. Dies wird durch die
in den Verfassungsschutzberichten genannten Tatsachen, durch die in das Verfahren eingeführten Abhandlungen sowie durch die von dem Beklagten vorgelegten weiteren Unterlagen belegt. Eine Wandlung der IGMG dahin gehend, dass sie
die früher verfolgten islamistischen Ziele aufgegeben hat, lässt sich – entgegen
der von dem Klägervertreter vertretenen Ansicht – jedenfalls heute noch nicht
feststellen
(vgl.
so
das
Urteil
des
VG
München
vom
02.06.2003
- M 25 K 00.5269 - und das Urteil des VG Ansbach vom 09.02.2000 - AN 15 K
99.01436 -; ebenso im Rahmen der Prüfung des § 29d LuftVG der Bayerische
VGH im Urteil vom 16.07.2003, GewArch 2003, 493 = BayVBl. 2004, 84; a. A. das
VG Karlsruhe im Urteil vom 26.02.2003 - 4 K 2234/01 -, Juris, das von einem ambivalenten Charakter der Vereinigung ausgeht). Eine solche Wandlung wird insbesondere auch nicht durch die Abhandlungen von Schiffauer und Kücükhüseyin
belegt, auf die sich der Kläger insbesondere beruft, und auch nicht durch die Ausführungen in dem Verfassungsschutzbericht für das Land Nordrhein-Westfalen für
das Jahr 2003.
Zunächst ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen und wird auch in der Klagebegründung letztlich nicht bestritten, dass die IGMG und auch ihre Vorläuferin,
die AMGT (Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V.), aus der sie sich
1995 – neben der Europäischen Moscheenbau-Unterstützungsgemeinschaft
(EMUG) - entwickelt hat (vgl. Kücükhüseyin, Türkische politische Organisationen
in Deutschland, August 2002, S. 19), seit ihrer Gründung Ziele verfolgt haben, die
der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderliefen, und dass dies
auch im Zeitpunkt der Umbenennung 1995 und den unmittelbar folgenden Jahren
der Fall war. Dies folgte aus der engen personellen und ideologischen Bindung
dieser Vereinigungen an die jeweilige islamistische Partei in der Türkei, ursprüng-
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lich an die Nationale Heilspartei Milli Selamet Partisi-(MSP) und dann von 1983 bis
zu ihrem Verbot Anfang 1998 an die Wohlfahrtspartei (Refah Partisi - RP -), sowie
aus der Bindung an den Führer dieser Parteien, Necmettin Erbakan, wie sie etwa
in den Abhandlungen von Kücükhüseyin S. 18 ff., Schiffauer, Die islamische Gemeinschaft Milli Görüs – ein Lehrstück zum verwickelten Zusammenhang von Migration, Religion und sozialer Integration, 2003, S. 70 ff., 77, und Pfahl-Traughber,
Islamismus in der Bundesrepublik Deutschland, 2001, S. 46 dargelegt werden. Die
von diesen Parteien vertretene Weltanschauung "Milli Görüs" – etwa als "nationale
Weltsicht" (Schiffauer Anm. 4) oder "national-religiöse Anschauung" (Kücükhüseyin S. 18) zu übersetzen – beinhaltet ein islamistisches Gesellschafts- und
Staatsverständnis, das von der Einheit von Religion und Staat ausgeht und auf die
Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Einführung einer auf der Scharia basierenden Ordnung zielt (Pfahl-Traughber S. 46) und damit
zugleich auf die Überwindung der demokratischen Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland (Schiffauer S. 77). Weder die Forderung, dass die Trennung von
Politik und Religion aufgegeben werden müsse, da die Staatsgewalt nicht vom
Volk, sondern von Allah ausgehe, noch dass der Koran – in der Auslegung, die
ihm jeweils beigegeben wird – Vorrang vor den vom Parlament erlassenen Gesetzen haben solle (vgl. Pfahl-Traughber S. 44 und 46, Spuler-Stegemann, Islam in
Deutschland – Die Grenzen der Religionsfreiheit – Muslime in Deutschland, 2001,
S. 4, Müller, Islamismus in Deutschland, 2002, S. 8, Verfassungsschutzbericht des
Bundes für das Jahr 2002 S. 165 und Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2003) lässt sich mit der im Grundgesetz festgelegten demokratischen Grundordnung in Übereinstimmung bringen. Ebenso wenig lässt sich etwa
die Auffassung, dass Religionsfreiheit nur hin zum Islam bestehe, ein Abfall von
dieser Religion jedoch unter Strafe gestellt werden könne (vgl. Pfahl-Traughber S.
47, Spuler-Stegemann S. 9 f., Urteil des VG München vom 02.06.2003), mit dem
Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG vereinbaren. Auch entspricht die Stellung, die
der Frau bei einem fundamentalistischen Verständnis des Islam eingeräumt wird
(vgl. Spuler-Stegemann S. 9, Verfassungsschutzbericht des Bundes 2000 S. 208,
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Urteil des VG München vom 02.06.2003), nicht dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG.
Die Einbindung der IGMG in diese Weltanschauung wird zunächst belegt durch
die Tatsache, dass Necmettin Erbakan und andere Vorstandsmitglieder der RP als
Gastredner auf Veranstaltungen der IGMG und der EMUG sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern teilgenommen
haben, wie dies in den Verfassungsschutzberichten beispielhaft aufgeführt wird
(vgl. die Verfassungsschutzberichte des Bundes für 1994 S. 192, für 1995 S. 232,
für 1996 S. 200 f., für 1997 S. 147 und für 1998 S. 153 ff.). Weiter wird diese Bindung auch dadurch bestätigt, dass Funktionäre der AMGT bzw. IGMG bei der Parlamentswahl im Dezember 1995 für die RP kandidiert haben und auf diese Weise
etwa der langjährige Vorsitzende der IGMG, Osman Yumakogullari, ein Mandat für
die RP erlangt hat (Kücükhüseyin S. 18 ff., Verfassungsschutzbericht des Bundes
1996 S. 200). Der Neffe von Necmettin Erbakan, Mehmet Sabri Erbakan, bekleidete etwa von 1996 bis 2000 das Amt des Generalsekretärs der IGMG (vgl.
Schiffauer S. 85, Verfassungsschutzbericht des Bundes 2000 S. 206). Ebenso
belegen die in den vorliegenden Unterlagen zitierten Äußerungen etwa des ehemaligen Vorsitzenden Ali Yüksel und des damaligen Generalsekretärs Mehmet
Sabri Erbakan sowie entsprechende Papiere der IGMG (vgl. Schiffauer S. 77, Verfassungsschutzberichte des Bundes 1998 S. 154 und 155, 1997 S. 147, 1996 S.
200 f., 1995, S. 232) diese Zielsetzung im Sinn einer alleinigen Anerkennung eines auf Islam und Scharia basierenden Rechts- und Gesellschaftssystems.
Diese zunächst festgestellte Zielsetzung der IGMG wird allerdings in den letzten
Jahren und heute nicht nur offiziell in Abrede gestellt, sondern es sind auch interne Bestrebungen erkennbar, sich von einem politischen Verständnis des Islam
abzuwenden und die Vereinigung zu einer reinen Religionsgemeinschaft umzugestalten und sich auf diese Weise auch in die zivile Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland einzufügen und deren Verfassung, insbesondere die im Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte aller Menschen und die demokratische Staatsordnung, zu akzeptieren (vgl. Kücükhüseyin S. 23, Schiffauer S. 87 f.). Auch in
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den neueren Verfassungsschutzberichten (vgl. den Verfassungsschutzbericht des
Bundes 2002 S. 189 f. und den Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen
2003) wird berichtet, dass Debatten unter Mitgliedern und Funktionären über die
zukünftige Linie der Organisation stattfinden. Es lässt sich jedoch nicht feststellen,
dass eine solche Wandlung tatsächlich bereits eingetreten ist (vgl. so den Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalens 2003, Pfahl-Traughber. S. 46 f.). Dies
entspricht auch der Auffassung von Kücükhüseyin, nach dessen Meinung trotz der
vorhandenen Indizien für tiefgreifende weltanschauliche Entwicklungen innerhalb
der IGMG-Organisation nach wie vor "das Handeln im Sinne der oppositionellen
Bewegung (Milli Görüs), die gegen die säkulare Rechtsordnung der türkischen
Republik gerichtet ist, trotz aller integrationswilligen Äußerungen jedoch weiterhin
im Vordergrund" steht (S. 23). Auch Schiffauer geht davon aus, dass es in der
IGMG ebenso viele Sympathisanten für die eine wie für die andere Seite gebe (S.
91), und vertritt die Auffassung, dass in der IGMG ein Entwicklungsprozess stattfinde, dessen Ergebnis zur Zeit offen sei, man solle den Reformern nicht das
Wasser abgraben, da dies die Chance einer Überwindung der nach wie vor in den
Gemeinden vorhandenen islamistischen Positionen von innen biete (S. 94). Auch
in der Klagebegründung wird im Übrigen ausgeführt, dass in der IGMG ein Entwicklungsprozess stattfinde, der zur Zeit offen sei, dass aber die Prognose gerechtfertigt sei, dass die verfassungsfeindlichen Tendenzen durch die Angehörigen der zweiten Generation überwunden würden. Es wird jedoch letztlich nicht
behauptet, dass ein entsprechender Umbruch bereits vollzogen worden sei.
Dass die IGMG sich auch heute noch nicht zu einer Organisation entwickelt hat,
die zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht, wird zunächst durch die
Tatsache belegt, dass sie auch heute noch mit der jeweiligen islamistischen Partei
in der Türkei verbunden ist. So hat sie nach dem Verbot der RP im Januar 1998
enge Beziehungen zu der sodann gegründeten islamistischen Fazilet Partisi (Tugendpartei, FP) gepflegt (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2001 S. 214).
Abgeordnete dieser Partei sind auf Veranstaltungen der IGMG als Redner aufgetreten (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2000 S. 206) und die IGMG ihrer-
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seits hat sich in einer Presseerklärung gegen das Verbot der islamistischen Partei
ausgesprochen (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2001 S. 215). Nachdem
die Flügelkämpfe in der FP nach deren Verbot zur Bildung von zwei Nachfolgeparteien geführt hatten, der von den Necmettin Erbakan nahe stehenden "Traditionalisten" gegründeten Saadet Partisi (Partei der Glückseligkeit, SP) und der von den
"Erneuerern" um Recep Tayyip Erdogan gegründeten Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) (vgl. den Verfassungsschutzbericht des Bundes 2001 S.
214 f.), hat sich die IGMG auf die Seite der islamistischen SP gestellt und diese
u.a. vor den Parlamentswahlen in der Türkei am 3. November 2002 unterstützt
(vgl. den Verfassungsschutzbericht des Bundes 2002 S. 189 f. und den Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz 2002 S. 70, Spuler-Stegemann S. 4, sowie
den Hinweis des Beklagten auf die Meldung der türkischen Tageszeitung Hürriyet
vom 14. September 2002). Auch die engen Verbindungen zu Necmettin Erbakan,
der nach Ablauf des Verbots, sich in der Türkei politisch zu betätigen, seit dem
11. Mai 2003 den Vorsitz in der SP übernommen hat (vgl. Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2003), sind nicht abgebrochen worden (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2001 S. 215, Müller S. 8). So ist Necmettin Erbakan
nach wie vor als Gastredner bei Veranstaltungen der IGMG aufgetreten (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2002 S. 189) und er nimmt auch an sonstigen
Versammlungen der IGMG in Europa teil (Verfassungsschutzbericht NordrheinWestfalen 2003). Eine Distanzierung von Necmettin Erbakan scheinen selbst jene
Mitgliedern der IGMG zu scheuen, die dessen traditionellen Ansichten nicht folgen, weil Erbakan nach wie vor eine Identifikationsfigur darstellt und außerdem die
Gefahr einer Spaltung der IGMG gesehen wird (Schiffauer S. 90 f., Schüller in der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 18. April 2004). Im Übrigen sind
auch die insoweit bestehenden personellen Bindungen dadurch bestätigt worden,
dass sein Neffe Sabri Mehmet Erbakan seit 15. April 2001 Vorsitzender der IGMG
gewesen ist. Sein späterer Rücktritt im Oktober 2002 erfolgte wohl wegen Kritik an
seiner persönlichen Lebensführung (vgl. Schüller a. a. O., Schiffauer Anm. 24,
Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz 2002 S. 70).
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Lässt sich insoweit eine Abwendung von der ursprünglich islamistischen Weltanschauung nicht erkennen, so steht dieser Bewertung auch nicht entgegen, dass
die offiziellen Äußerungen der IGMG in den letzten Jahren regelmäßig ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung enthalten. Dies allein
belegt schon im Hinblick auf die zuvor festgestellten Bindungen an die islamistischen Parteien der Türkei nicht den Vollzug einer entsprechenden Wandlung. Davon abgesehen bestehen Anhaltspunkte dafür, dass diese Erklärungen auch aus
taktischen Motiven erfolgen (vgl. den Verfassungsschutzbericht des Bundes 2000
S. 207), und es gibt außerdem nach wie vor gegenteilige Äußerungen im Bereich
der IGMG (vgl. Kücükhüseyin S. 20 f., Müller S. 8, Bericht des MdI NordrheinWestfalen vom 7. November 2003, Verfassungsschutzbericht Bayern 2002 S. 161
f.).
Entgegen der Auffassung des Klägers sind der IGMG auch die in der türkischen
Tageszeitung "Milli Gazete" enthaltenen Artikel jedenfalls ihrer Tendenz nach zuzurechnen. Das folgt daraus, dass diese Zeitung zwar formell unabhängig ist, der
IGMG aber nahe steht (vgl. Pfahl-Traughber S. 46, Verfassungsschutzbericht
Rheinland-Pfalz 2003 S. 71). Dies wird u. a. dadurch belegt, dass in der Deutschlandausgabe der "Milli Gazete" die Berichterstattung über die IGMG einen breiten
Raum einnimmt (vgl. Kücükhüseyin S. 20 Anm. 36). So werden in ihr regelmäßig
die Veranstaltungen der IGMG bekannt gegeben und es wird auch über deren
Verlauf berichtet, außerdem wird nach wie vor auf Veranstaltungen der IGMG für
diese Zeitung geworben (vgl. die von dem Beklagten vorgelegten Auszüge aus der
"Milli Gazete" aus den Jahren 2002 und 2003 und den Verfassungsschutzbericht
des Bundes 2001 S. 215). Ebenso konnten über den Bücherkatalog der IGMG bis
in das Jahr 2001 Publikationen von Kolumnisten der "Milli Gazete" bezogen werden (vgl. Verfassungsschutzberichte des Bundes 2001 S. 215 und 2002 S. 190
und auch den Vortrag S. 12 der Klagebegründung). Für enge Verbindungen zwischen der IGMG und der Zeitung "Milli Gazete" spricht auch die Tatsache, dass
der Geschäftsführer des Verlags, Dr. Yusuf Isik, nach dem Rücktritt des damaligen
Vorsitzenden der IGMG, Ali Yüksel, im April 1999, kommissarisch deren Vorsitz
übernommen und diesen bis April 2001 innehatte (vgl. Verfassungsschutzbericht
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des Bundes 1999 S. 164 und 2001 S. 215). Gerade in der "Milli Gazete" wurden
und werden aber fortlaufend Artikel veröffentlicht, in denen laizistische und insbesondere auch antisemitische Auffassungen vertreten werden (vgl. die Verfassungsschutzberichte des Bundes 2001 S. 216 f. - 219, 2000 S. 207 und die von
dem Beklagten vorgelegten Auszüge aus der "Milli Gazete"); außerdem soll sie
nunmehr auch gegen Erdogan polemisieren und diesem dabei eine Kollaboration
mit "jüdisch-amerikanischen Kreisen" vorwerfen (Schiffauer S. 90 f).
Allein die Tatsache, dass die IGMG nunmehr - u. a. über Anzeigen in der Milli
Gazete - ihre Mitglieder dazu aufruft, sich einbürgern zu lassen (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2001, 218 f.; Schiffauer S. 86), belegt demgegenüber
noch nicht, dass sie keine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
gerichteten Bestrebungen mehr verfolgt. Das Gleiche gilt für die Forderung nach
einem islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache an öffentlichen Schulen (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2000 S. 208), da es insoweit maßgeblich darauf ankommt, wer den Inhalt dieses Unterrichts, d. h. insbesondere die
entsprechenden Lehrpläne gestaltet (vgl. Pfahl-Traughber S. 47).
Nach alledem ist davon auszugehen, dass die IGMG auch heute noch verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, ohne dass es insoweit nach Überzeugung
des Gerichts einer weiteren Aufklärung bedürfte. Das Gericht braucht auch dem
von dem Klägervertreter hilfsweise gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu sechs verschiedenen von ihm formulierten Aussagen
weder in allen noch in einzelnen Punkten nachzukommen.
Dies gilt für den unter Absatz 1 formulierten Antrag schon deshalb, weil die unter
Beweis gestellten Tatsachen derart ungenau bezeichnet sind, dass sie in ihrer
Summe eine ausreichende Substantiierung des Beweisthemas nicht erkennen
lassen. So ist beispielsweise weder konkretisiert, was unter sonstigen Vereinsdokumenten und offiziellen Verlautbarungen von Verbandsfunktionären zu verstehen
ist, und erst recht nicht, was mit dem Begriff der tatsächlichen Praxis gemeint ist.
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Die fehlende Substantiierung ergibt sich außerdem daraus, dass es schon nach
dem eigenen Vortrag des Klägers eine einheitliche Auffassung der Verbandsfunktionäre nicht gibt.
Erst recht ist das unter Absatz 2 genannte Beweisthema nicht ausreichend substantiiert. Es werden schon keine konkreten Tatsachen genannt und unter Beweis
gestellt. Außerdem handelt es sich bei der Frage, ob etwaige Tatsachen plausibel
und stichhaltig sind, um eine Bewertungsfrage. Darüber hinaus gibt es gerade
auch nach dem Vortrag des Klägers keine einheitliche Auffassung "der IGMG und
ihrer führenden Vertreter".
Der Beweisantrag unter Absatz 3 ist für die Entscheidung des Gerichts nicht erheblich. Selbst wenn man von einem Generationenwechsel in der IGMG, sowohl
im Dachverband als auch in den örtlichen Gemeinden, ausgeht, ergibt sich daraus
nicht zwingend der Schluss, dass sich die traditionellen personellen Beziehungen
mit der früheren türkischen Wohlfahrtspartei und deren Nachfolgeorganisationen
weitgehend aufgelöst haben.
Auch der unter Absatz 4 formulierte Antrag erfordert keine Beweiserhebung. Er ist
gleichfalls nicht ausreichend substantiiert und in einzelnen Punkten kommt es auf
die dort aufgestellten Behauptungen auch nicht an. Letzteres gilt für die Behauptung, dass die junge Generation, deren Dominanz wiederum unterstellt wird,
überwiegend an einer Verbesserung der sozialen, politischen und rechtlichen
Rahmenbedingungen der türkischstämmigen Wohnbevölkerung interessiert sei.
Die weitere Behauptung, dass sie sich dabei an den Vorgaben des islamischen
Rechts im Hinblick auf Muslime in der Diaspora orientiere, ist schon deshalb völlig
unbestimmt, weil es auch insoweit gerade keine einheitliche Auffassung über den
Inhalt des islamischen Rechts gibt, in welchem Ausmaß ein Muslim sich an die
Rechtsordnung der Aufnahmegesellschaft zu halten habe (vgl. Spuler-Stegemann
s. 8).
Der unter Absatz 5 gestellte Beweisantrag ist schon deshalb für die Entscheidung
unerheblich, weil es nach dem hier anzuwendenden § 86 Nr. 2 AuslG nicht auf
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"stichhaltige Beweise" für die dort genannten verfassungsfeindlichen Bestrebungen ankommt.
Auch das in Absatz 6 genannte Beweisthema ist unzureichend substantiiert. Es
werden keine konkreten nachprüfbaren Tatsachen unter Beweis gestellt, sondern
es handelt sich um eine Wertung ohne substantielle Grundlage. Im Übrigen ist sie
auch ohne Ausschlag gebende Bedeutung für die Entscheidung darüber, ob die
IGMG auch heute noch verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt.
Ist somit davon auszugehen, dass die IGMG auch heute noch Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, so ist
im Fall des Klägers auch die Annahme gerechtfertigt, dass er diese Bestrebungen
auch persönlich unterstützt.
Dafür spricht zunächst, dass der Kläger seinen Angaben nach bereits 1990 der
IGMG (AMGT) beigetreten ist und 1992/1993 den Ortsverein G... der IGMG mitgegründet hat. Im damaligen Zeitpunkt wurde aber von der IGMG - wie dargelegt – nahezu ausschließlich eine islamistische, auf die Einheit von islamischer
Religion und Staat und die Geltung der Scharia gegründete Weltanschauung vertreten. Dies legt nahe, dass der Kläger diese Ziele auch unterstützt hat. Insoweit
ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden türkischen Muslime auf etwa zwei Millionen geschätzt wird (vgl. SpulerStegemann S. 2; s. auch Kücükhüseyin S. 24), die Zahl der förmlichen Mitglieder
der AMGT aber 1994 nur auf ca. 20.000 Personen, die der IGMG 1997 auf etwa
26.500 Personen geschätzt wurde (vgl. Verfassungsschutzberichte des Bundes
1994, S. 191, 1997 S. 146). Für Rheinland-Pfalz werden für das Jahr 2003 ca. 600
Mitglieder und rund zehn örtliche Vereine angegeben (Verfassungsschutzbericht
Rheinland-Pfalz 2003 S. 70). Der Kläger selbst hat die – heutige – Zahl der Mitglieder des Ortsvereins mit etwa 60 angegeben. Dies rechtfertigt die Annahme,
dass der Beitritt des Klägers gerade zur AMGT/IGMG und die Gründung eines
entsprechenden Ortsvereins nicht ohne eine grundsätzliche Identifizierung mit den
Zielen dieser Organisation – im Unterschied etwa zu der dem türkischen Staat
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zuzurechnenden "Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religionen e. V.",
DITIB (vgl. Kücükhüseyin S. 16 f., Schiffauer S. 77 f.) – erfolgt ist. Seine für den
Beitritt abgegebene Erklärung, er habe dies getan, weil die IGMG alle Menschen
umarme und bei ihr der Gedanke der Brüderlichkeit im Vordergrund stehe, ist in
keiner Weise überzeugend. Abgesehen davon, dass diese Formulierung derart
allgemein gehalten ist, dass sie schon beinahe unverbindlich wirkt, war eine Brüderlichkeit unter allen Menschen, gleich ob es sich um Muslime handelt oder nicht,
aber - wie ausgeführt – jedenfalls damals gerade nicht die Zielsetzung der IGMG.
Auch seine weitere Erklärung in der mündlichen Verhandlung, er sei seit jeher für
Toleranz gegenüber den anderen, auch der jüdischen Glaubensgemeinschaft,
gewesen und habe den Koran nicht als Grundlage der staatlichen Gesellschaft
angesehen, lässt sich mit dem von ihm vollzogenen Beitritt zur IGMG und der Mitgründung eines Ortsvereins nicht vereinbaren. Dass ihm diese Einstellung der
IGMG unbekannt gewesen sein sollte, ist im Hinblick gerade auf die damals offen
zu Tage liegende Anbindung der Gemeinschaft an die türkische Wohlfahrtspartei
und deren Führer Necmettin Erbakan unwahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich
ist, dass er – seinen Erklärungen im Verwaltungsverfahren zufolge – weder von
einem Mitglied der IGMG noch dem Verband jemals Äußerungen gehört hat, die
sich gegen die Werte der Verfassung richteten. Des Weiteren spricht aber auch
die Tatsache, dass er dann 1997 zum Sekretär und damit zum Mitglied des Vorstands des Ortsvereins G... ernannt worden ist, dafür, dass er sich die Ziele der
IGMG zurechnen lassen muss. Seit Mitte der neunziger Jahre waren zwar erste
Ansätze dafür erkennbar, dass innerhalb der IGMG deren islamistische Ausrichtung in Frage gestellt wurde (vgl. Schiffauer S. 85, Pfahl-Traughber S. 46). Dass
damit bereits im Jahre 1997 eine Änderung der ideologischen Einstellung im Ortsverein G... verbunden gewesen wäre, lässt sich aber nicht feststellen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass der Vorstand des Ortsvereins gemäß § 11 der Satzung nicht
von der Mitgliederversammlung gewählt, sondern vom Vorstand des Dachverbands ernannt wird und von diesem auch jederzeit wieder abberufen werden
kann. Die in dieser Weise bereits bei der Vereinsgründung ernannten weiteren
Vorstandsmitglieder, nämlich der Vorsitzende und dessen Stellvertreter, sind aus-
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weislich des Vereinsregisters nach wie vor im Amt und haben 1997 nur ihre Funktionen ausgetauscht. Gerade diese streng hierarchische Struktur der IGMG, wie
sie etwa auch in § 11 Abs. 4, § 14 und § 9 der Satzung zum Ausdruck kommt, und
die damals betonte Geschlossenheit der IGMG nach außen (vgl. den Verfassungsschutzbericht des Bundes 1998 S. 154) sprechen gleichfalls dagegen, dass
der Kläger 1997 zum Mitglied des Vorstands ernannt worden sein könnte, obwohl
er eine abweichende Linie vertreten hat. Ebenso ist es aus diesem Grund unwahrscheinlich, dass der Kläger - wie er behauptet - nichts davon wusste, dass die
IGMG vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Soweit der Kläger sich auf die
Entscheidung des Hessischen VGH vom 7. Mai 1998 (NVwZ 1999, 904) beruft,
wonach einer Person die verfassungsfeindlichen Tendenzen einer Partei, die in
der Gefahr stehe, insgesamt in die Verfassungsfeindlichkeit abzugleiten, dann
nicht zugerechnet werden könnten, wenn sie sich dafür einsetze, dass diese Tendenzen auf Dauer unterbunden würden, und ihre Bemühungen noch Aussicht auf
Erfolg hätten, so lässt sich der dort entschiedene Sachverhalt mit dem hier vorliegenden nicht vergleichen. Es geht gerade nicht darum, dass die IGMG bisher keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt hätte, jetzt aber Gefahr liefe, in
die Verfassungsfeindlichkeit abzugleiten, sondern umgekehrt darum, dass die
IGMG von Anfang an verfassungsfeindliche Ziele verfolgt hat und lediglich heute
Ansätze dafür erkennbar sind, diese Einstellung zu ändern.
Der Kläger hat schließlich auch nicht im Sinn von § 86 Nr. 1 Halbs. 2 AuslG
glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen der IGMG abgewandt hat. Zwar ist in der Klagebegründung ganz pauschal erklärt worden, dass er sich für die Überwindung der traditionellen Strukturen und Ziele innerhalb der Organisation und für eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Entwicklung einsetze, diese Behauptung ist jedoch in keiner Weise glaubhaft gemacht worden. So hat der Kläger auf die Frage, ob er seine
Arbeit heute in irgendeiner Weise als anders empfinde als früher, erklärt, dass
diese gleich geblieben sei, und ergänzt, dass er die gleichen Aufgaben habe und
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im Wesentlichen die gleichen Leute betreue. Im Übrigen hat er ausgeführt, dass er
von jeher den Grundsatz der Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften vertreten habe und sich auch sonst so verhalte, wie es ihm der Koran vorschreibe. Dieser sage ihm, wie er privat zu leben habe, einen Koranstaat aber
wollten sie nicht gründen. Damit ist in keiner Weise dargelegt und erst recht nicht
glaubhaft gemacht, dass der Kläger sich von der - anzunehmenden - früheren Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen der IGMG heute nachhaltig
distanziert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten auf § 167 VwGO.
Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 wegen der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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Rechtsmittelbelehrung ...
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000 € festgesetzt (§ 13 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 25 Abs. 3 GKG mit
der Beschwerde angefochten werden.
gez. ...
gez. ...
gez. ...
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