INTERVIEW MIT RIER, WOLFAHRT UND WÜRCHER Die drei Volksmusik-Stars – Stadl verpflichtet! EIN GESPRÄCH ÜBER DIE MACHT DER HEIMATGEFÜHLE RIER, WOLFAHRT UND GOTTFRIED WÜRCHER STARS DER VOLKSMUSIK Die „Alm-Mächtigen“ der Volksmusik zwischen Hirsch, Wildschwein und Marienfigur posieren Gottfried „Friedl“ Würcher vom Nockalm Quintett, Markus Wolfahrt von den Klostertalern und Norbert Rier von den Kastelruther Spatzen (v. li.) Foto: Frank Zauritz Wenn 30 Millionen Plattenkäufer hinter einem stehen – was bitte kümmert’s da Norbert Rier (50), Markus Wolfahrt (50) und Gottfried Würcher (51), wenn sie im Radio nicht gespielt, von der Kritik ignoriert und außerhalb des Musikantenstadls kaum wahrgenommen werden? Sie sind die Vorsänger der drei erfolgreichsten Volksmusik-Combos: die Kastelruther Spatzen, die Klostertaler und das Nockalm Quintett. Zudem zaubern sie seit über zehn Jahren als „Die großen 3 der Volksmusik“ ein bisschen Alpenglühen auf die Wangen ihrer Fans. Aber deswegen sind sie keine Gefühlsdussel. Wer die drei trifft, begegnet Männern, die zu ihrem Leben stehen. Das kann nicht jeder von sich behaupten. DIE KLOSTERTALER Gründung: 1976. Die Power-Party-Band benannte sich nach ihrer Heimatregion, dem Klostertal am Arlberg. Nach 34 Jahren trennten sie sich im vergangenen August. NOCKALM QUINTETT Gründung: 1982. Der Name des Quintetts leitet sich von den Nockbergen in Kärnten ab. KASTELRUTHER SPATZEN Gründung: 1983. Die Gruppe benannte sich nach ihrem Heimatort Kastelruth in Südtirol. BILD am SONNTAG: Herr Rier, Herr Wolfahrt, Herr Würcher, Sie sind ja so etwas wie die Drei Tenöre der volkstümlichen Musik . . . MARKUS WOLFAHRT: ... wenn Sie meinen. Ich vergleich das immer mit Geigen. Wenn du eine Geige allein hörst und sei sie noch so schön gespielt, klingt sie nie so schön wie mehrere Geigen zusammen. Genauso scheint das bei uns zu sein. Sie machen seit über zehn Jahren immer mal wieder gemeinsam Musik. Standen am Anfang wirklich künstlerische Ambitionen, oder ist das Ganze nicht eher ein Marketing-Gag? WOLFAHRT: Ehrlich gesagt hatte die gemeinsame Plattenfirma die Idee, uns als „Die Großen 3 der Volksmusik“ zusammenzubringen. Und die Idee war schon von daher genial, weil wir uns dadurch jetzt viel öfter sehen. Wir kannten uns ja schon lange, und jedes Mal, wenn wir uns getroffen haben, haben wir einen Mordsplausch gehabt. Sie sind privat befreundet? WOLFAHRT: Wir sind einander durchaus auch übers Berufliche hinaus verbunden. GOTTFRIED WÜRCHER: Wir kennen uns wirklich seit hundert Jahren. WOLFAHRT: Man sagt ja immer, die Frauen seien die Tratschtanten, aber bei unserem ersten gemeinsamen Fernsehauftritt haben wir uns so viel zu erzählen gehabt, dass wir ihn fast verschlafen hätten. Das neue Album der Großen 3 heißt „Ein Wiedersehen zum Abschied“. Ist das Projekt zu Ende? Die Klostertaler haben sich ja bereits aufgelöst ... WÜRCHER: ... aber die Stimme von Markus bleibt uns ja erhalten. Und die ist das Wichtigste. Uns wird’s sicher weiter geben. Wir wissen ja alle, worum es geht. Worum geht es denn? WÜRCHER: Dass wir alle hinter dem stehen, was wir tun. Man darf sich ja nicht täuschen. Die Leute, die im Publikum sitzen, sind empfindlicher, als wir glauben. Die merken das genau, wenn da einer vor ihnen steht und Schlager singt, sein Herz aber für etwas anderes schlägt. Roy Black wirkte sehr glaubhaft als Schlagersänger, obwohl er lieber Rock ’n’ Roll gemacht hätte. WÜRCHER: Wo hört das eine auf, wo fängt das andere an? Weltweit, außer vielleicht in China, spielen wir mit zwölf Tönen. Wenn Sie einen englischen Rocksongzerlegen, kommen Sie womöglich zu dem gleichen Ergebnis wie bei einem Schlager. Das Arrangement ist anders, die Auflösung ist anders. Und wenn Sie den Text übersetzen, würde Ihnen noch schlechter werden als bei deutschen Texten. Und: Ich bin mit dem, was ich mache, ehrlich. Ich mag es, ich mein es, ich mach das aus Überzeugung – das kann nicht jeder Musiker von sich behaupten. Klingt so, als müssten Sie sich rechtfertigen. WÜRCHER: Es ist leider so. Schlager und volkstümliche Musik stecken in einer ganz bestimmten Schublade: Man darf’s eigentlich nicht mögen. Warum, weiß ich nicht. Aber das war schon zu Zeiten von Roy Black so. Keiner wollte ihn gekannt haben, aber jeder hat nach drei Bier seine Lieder mitgesungen. Roy Black war ein eher unglücklicher Mensch. WÜRCHER: Michael Schumacher wäre auch glücklicher, wenn er Ferrari fahren dürfte, er fährt aber Mercedes. WOLFAHRT: Es geht doch auch darum, was die Leute von einem erwarten. Es gibt viele Menschen, die diese Musik lieben, sonst gäbe es diese Verkaufszahlen nicht. Ihre drei Gruppen haben zusammen rund 30 Millionen Platten verkauft. NORBERT RIER: Und keiner von uns hat irgendwas geschenkt bekommen. Wir haben alle hart arbeiten müssen. Natürlich ist auch in der Volksmusik nicht alles Gold, was glänzt. Aber wenn du so eine über Jahre gewachsene Fangemeinde hast, kannst du mit dem Ehrgeiz und den Egoismen anderer Musiker doch einigermaßen gelassen umgehen. Wie gehen Sie mit dem Spott über Ihre heile Schlagerwelt um? RIER: Die heile Welt wünscht sich ja irgendwie jeder. Die einen gehen ins Kino, die anderen zu einem Konzert der Kastelruther Spatzen: für zwei Stunden abschalten und sich in eine Traumwelt begeben. WOLFAHRT: Wir kommen ja auch alle aus Gegenden, in denen die Welt noch eine gewisse Ursprünglichkeit hat . . . ... und die Gletscher schmelzen. RIER: Das müssen sie natürlich nicht gleich in den Liedern. Natürlich ist das auch Kitsch, die herrliche Bergwelt, die Natur und alles. Aber ich kann mich durch meine Herkunft doch glaubhaft da hineinleben. WOLFAHRT: Bei den alten Völkern galt Musik als Heilmittel. Der Hörnerv ist der sensibelste Nerv. Das Erste, was ein Mensch wahrnimmt, ist die Stimme der Mutter. RIER: Der österreichische Medizinautor Hademar Bankhofer meinte mal in einer Laudatio auf uns, die Musik der Kastelruther Spatzen sollte es eigentlich in der Apotheke geben.