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Lernheft 1 - Zug- und Druckbeanspruchung

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1
Technische Mechanik - Festigkeitslehre
Zug- und Druckbeanspruchung
Prof. Dr. Peter Becker
Inhalt
Einleitung und Lernziele
2
1 Einführung
3
1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre
3
1.2 Beanspruchungsarten
4
2 Zug- und Druckspannungen
6
3 Verformungen von Stäben
9
3.1 Dehnung
9
3.2 Werkstoffgesetz und Elastizitätsmodul
10
3.3 Spannungen und Verformungen statisch bestimmter Stabsysteme
13
4 Festigkeitsnachweis
20
5 Statisch unbestimmte Systeme
24
6 Temperaturbeanspruchung
29
7 Flächenpressung
36
7.1 Druckspannungen in Kontaktflächen
36
7.2 Hertz’sche Pressung
39
Zusammenfassung
42
Lösungen der Kontrollaufgaben
43
Copyright
Dieses Skript wurde von Prof. Dr.-Ing. Peter Becker, HS Karlsruhe - Technik und Wirtschaft,
erstellt. Es dient ausschließlich dem vorlesungsinternen Gebrauch der Studierenden des
Maschinenbaus an der Fakultät f. Maschinenbau und Mechatronik der Hochschule
Karlsruhe.
Es ist ausdrücklich untersagt, die Unterlage – elektronisch oder in Papierform - an Dritte
weiterzugeben oder gar für Schulungszwecke oder andere kommerzielle oder nicht
kommerzielle Zwecke zu nutzen.
Zuwiderhandlungen werden mit allen gebotenen juristischen Mitteln verfolgt.
März 2020
Prof. Dr.-Ing. P. Becker
2
Einleitung und Lernziele
In der Vorlesung zur Technische Mechanik 1 („Statik“) haben wir uns nahezu ausschließlich
mit der Berechnung von Kräften beschäftigt. Ein wesentliches Lernziel war dabei die
Ermittlung der Kräfte und Momente, die in einem Bauteil auftreten beziehungsweise durch
die ein Bauteil beansprucht wird, die sogenannten Schnittgrößen. Als Schnittgrößen haben
sie dabei die Normalkraft, die Querkraft, das Biegemoment und das Torsionsmoment
kennen gelernt.
In der Festigkeitslehre wird nun untersucht, welche Spannungen und Verformungen als
Folge dieser Beanspruchungen im Bauteil auftreten. Dies ist notwendig um ein Bauteil in
einer Konstruktion tragfähig und gebrauchstauglich dimensionieren bzw. auslegen zu
können. Im nachfolgenden Kapitel 1 („Einführung“) werden wir diesen Aspekt noch etwas
genauer ausführen, wollen aber an dieser Stelle festhalten, dass es in der Festigkeitslehre
im wesentlichen um die Berechnung von Spannungen und Verformungen unter den oben
angeführten Beanspruchungsarten geht.
Dabei werden wir uns in dieser ersten Lerneinheit zunächst auf rein
normalkraftbeanspruchte Tragelemente beschränken. Wir wissen aus der Statik, dass im
Falle einer positiven Normalkraft ein Bauteil zugbeansprucht ist. Erweist sich die Normalkraft
als negativ, dann liegt ein druckbeanspruchtes Bauteil vor. Die Spannungen, die mit der
Normalkraftbeanspruchung
einhergehen,
und
der
daran
anschließende
Festigkeitsnachweis werden in den Kapitel 2 und 4 behandelt.
Bei der Berechnung von Kräften in der Statik sind wir stets von einem starren
Werkstoffmodell ausgegangen. Starre Körper deformieren sich unter Beanspruchung nicht.
Da die Verformungen bei einer Konstruktion im Vergleich zu den Bauteilabmessungen im
allgemeinen Fall sehr klein sind, ist diese Vereinfachung zur Kräfteberechnung
gerechtfertigt. Diese Idealisierung, die uns die Berechnung von Kräften in der Statik
vereinfacht hat, wird nun fallen gelassen, zumal wir nun auch Deformationen berechnen
wollen. Wir gehen somit ab sofort von deformierbaren Körpern aus. Die Bestimmung von
Formänderungen bei Systemen mit zug- bzw. druckbeanspruchten Tragelementen erfolgt
in Kapitel 3.
Sie werden übrigens erkennen, dass die Annahme deformierbarer Körper uns in der Lage
versetzen wird, nun auch bei statisch unbestimmten Systemen die unbekannten Kräfte zu
berechnen. Mit statisch unbestimmten Systemen werden wir uns im Kapitel 5
auseinandersetzen.
Einen wichtigen Lastfall in der Technik stellt die Temperaturbeanspruchung dar. Es ist
bekannt, dass sich Systemteile bei Temperaturänderungen deformieren. Im Falle von
statisch unbestimmten Systemen treten zudem Spannungen auf, mit deren Berechnung wir
uns im Kapitel 6 dieser Lerneinheit beschäftigen werden.
Im abschließenden Kapitel 7 werden die Druckspannungen behandelt, die unterschiedliche
Systemteile an Kontaktstellen aufeinander ausüben. Solche Druckspannungen werden
auch als Pressungen bezeichnet.
Die Lernziele dieses Studienbriefes sind vielfältig und lassen sich dennoch in einem Satz
zusammenfassen:
Am Ende der Lerneinheit sollten sie in der Lage sein, die Spannungen und Verformungen
von statisch bestimmten und statisch unbestimmten normalkraftbeanspruchten
Systemen bei Beanspruchung durch Kräfte und Temperatur zu berechnen
beziehungsweise normalkraftbeanspruchte Bauteile (Stäbe, Seile) so zu
dimensionieren, dass sie zuverlässig und wirtschaftlich ihrer Funktion gerecht werden.
3
1 Einführung
1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre
In der Festigkeitslehre als einem Teilgebiet der Technischen Mechanik werden Verfahren
entwickelt, mit denen man die durch äußere Kräfte in den Bauteilen hervorgerufenen
Spannungen und Formänderungen ermitteln kann. Diese geben Aufschluss, ob die
Beanspruchungen in zulässigen Grenzen bleiben oder mit welcher Sicherheit ertragen
werden können, d. h. ein Versagen der Bauteile oder unzulässig hohe Verformungen nicht
zu erwarten sind. Andererseits ist es möglich, die erforderlichen Abmessungen von
Bauteilen oder die möglichen übertragbaren Kräfte zu errechnen.
Bei diesen Festigkeitsberechnungen ist es im allgemeinen notwendig, Idealisierungen und
Vereinfachungen vorzunehmen, da die tatsächlichen Spannungsverhältnisse oft kompliziert
sind und sich mathematisch kaum exakt erfassen lassen. Die theoretischen Betrachtungen
werden vorwiegend auf gerade Stäbe und Balken bezogen und dann auf die vielfältigen
Bauteile übertragen.
Die primäre Aufgabe der Festigkeitslehre besteht demnach darin, Bauteile so zu
konstruieren, dass sie unter Berücksichtigung von Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit
ihrer Funktion sicher und wirtschaftlich gerecht werden.
Ein Bauteil gilt als „tragfähig“, wenn die im Bauteil auftretenden Spannungen die vom
Material des Bauteils maximal ertragbaren Spannungen („Festigkeiten“) nicht übersteigt
bzw. mit einem gewissen Sicherheitsabstand unterschreitet. Generell muss beim Nachweis
der Festigkeit gelten:
Beanspruchung ≤ Beanspruchbarkeit
Die Methoden zur Ermittlung der Beanspruchungen im Bauteil liefert die Technische
Mechanik. Die Beanspruchbarkeit eines Werkstoffes entnehmen wir den experimentellen
Erkenntnissen der Werkstoffkunde. Insofern kann die Festigkeitslehre als interdisziplinäres
Fach aufgefasst werden. Es werden Kenntnisse der Technischen Mechanik und der
Werkstoffkunde benötigt.
Festigkeitsberechnungen und –betrachtungen können je nach Problemstellung auf
unterschiedliche Weise durchgeführt werden:
▪ Spannungs- und Sicherheitsnachweis: Dabei werden die in der vorgegebenen
Konstruktion auftretenden Spannungen berechnet und mit der zulässigen Spannung
verglichen.
▪ Bauteildimensionierung: Für den Entwurf eines Bauteils sind bei gegebener Belastung
durch
Kräfte
und
bekannter
Systemgeometrie
die
erforderlichen
Querschnittsabmessungen zu bestimmen.
▪ Tragfähigkeitsberechnung: Es ist zu berechnen, welchen Wert eine belastende Kraft
oder ein belastendes Moment in einem vorgegebenen System annehmen kann, ohne
dass Konstruktion oder Bauteil versagen.
▪ Werkstoffermittlung: Für ein entworfenes Bauteil sind die erforderlichen
Werkstoffkennwerte zu ermitteln, um anschließend einen geeigneten Werkstoff
auszuwählen.
4
▪ Verformungskontrolle: Zur Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit bzw.
Funktionsfähigkeit ist rechnerisch zu überprüfen, ob die im Betrieb auftretenden
Formänderungen vorgegebene zulässige Werte nicht überschreiten.
▪ Stabilitätskontrolle: Es ist zu überprüfen, ob Bauteil durch Knicken, Kippen oder Beulen
stabilitätsgefährdet sind.
Da in der Festigkeitslehre wie bereits erwähnt auch die Verformungen der Bauteile
betrachtet werden, müssen wir die Idealisierung des „starren Körpers“ aufgeben. Da wir
aber davon ausgehen, dass die bei funktionstauglichen Konstruktionen auftretenden
Verformungen sehr klein sind, dürfen die Gleichgewichtsbedingungen zur Berechnung von
Lager- und Schnittkräften weiterhin (bis auf wenige Ausnahmen) am unverformten System
aufgestellt werden. Wir können damit auf das in Statik erlernte Basiswissen zur Berechnung
von Lagerreaktionen und Schnittgrößen zurückgreifen und darauf aufbauen.
Spannungsberechnungen sind in der Regel nur für die gefährdeten Stellen eines Bauteils
erforderlich. Das sind die Stellen, an denen die Schnittgrößen mit ihren maximalen Werten
(z. B. maximales Biegemoment) auftreten oder Spannungsspitzen im Bereich von
Querschnittsübergängen (z. B. Wellenabsätze) bzw. Querschnittsschwächungen (z. B.
Kerben, Nuten, Bohrungen) zu berücksichtigen sind.
1.2 Beanspruchungsarten
Wir werden uns bis auf weiteres nur mit stabförmigen Bauteilen beschäftigen, die dadurch
charakterisiert sind, dass die Querschnittsabmessungen im Vergleich zur Länge klein sind.
Als Beanspruchung für stabförmige Bauteile haben wir in der Technischen Mechanik 1 die
Schnittgrößen (Normalkraft, Querkraft, Biegemoment, Torsionsmoment) kennengelernt.
Im Falle einer Normalkraftbeanspruchung liegt eine Zug- oder Druckbeanspruchung vor.
Die Wirkungslinie der Normalkraft (Zug- bzw. Druckkraft) ist identisch mit der Längsachse
des stabförmigen Bauteils (Abbildung 1).
Abbildung 1: a) Zug- und b) druckbeanspruchter Stab
Zug- und Druckbeanspruchung als Normalkraft treten in Fachwerk- und Pendelstäben auf.
Zugbeanspruchte Teile sind außerdem typischerweise Seile, Ketten, Schrauben und zum
Beispiel Turbinenschaufeln infolge der Fliehkraft. Druckkräfte werden auch dort übertragen,
wo sich Teile berühren. In den Berührflächen treten dann Druckspannungen auf, die als
Flächenpressung bezeichnet werden. Die wesentlichen Aspekte zur Zug- und
Druckbeanspruchung werden in dieser Lerneinheit behandelt.
Werden stabförmige Bauteile senkrecht zur Stabachse beansprucht, treten Querkräfte und
Biegemomente (Abbildung 2) auf. Man bezeichnet ein solches Bauteil als Balken oder
Träger.
5
Abbildung 2: Querkraft- und biegebeanspruchter Balken
Die Berechnung von Spannungen und Verformungen unter Biegebeanspruchung wird im
Studienbrief „Biegebeanspruchung“ behandelt.
Im Falle von Querkraft- bzw. Torsionsbeanspruchung (Abbildung 3) treten sogenannte
Schubspannungen auf, wobei dieser Begriff an dieser Stelle noch nicht näher erläutert
werden soll. Die Berechnung von Schubspannungen und Schubverformungen ist Inhalt der
Lerneinheit „Schubbeanspruchung“.
Abbildung 3: Torsionsbeanspruchter Balken
In den ersten drei Lerneinheiten werden die unterschiedlichen Beanspruchungsarten, die
wir in der Statik kennen gelernt haben, jeweils unabhängig voneinander betrachtet. Die
unterschiedlichen Beanspruchungen können aber auch kombiniert auftreten. Für den
Spannungsnachweis ist dann eine so genannte Vergleichsspannung zu berechnen, die
dann einem Festigkeitswert des verwendeten Materials gegenüber zu stellen ist. Zur
Berechnung dieser Vergleichsspannungen gibt es unterschiedliche Festigkeitshypothesen.
Kombinierte Beanspruchung, Vergleichsspannungen und Festigkeitshypothesen sind
Gegenstand der vierten Lerneinheit. In dieser Lerneinheit werden sie dann auch lernen,
dass druckbeanspruchte schlanke Stäbe knick- und damit stabilitätsgefährdet sind und wie
die Knicksicherheit von schlanken Bauteilen beurteilt werden kann.
6
2 Zug- und Druckspannungen
Wir wollen uns zunächst nur mit dem Stab beschäftigen. Ein Stab ist ebenso wie ein Balken
dadurch charakterisiert, dass seine Querschnittsabmessungen im Vergleich zur Länge klein
sind und dass eine reine Normalkraftbeanspruchung (Zug oder Druck) vorliegt. Querkräfte
und Schnittmomente sind nicht vorhanden. Typische Bauteile mit reiner
Normalkraftbeanspruchung sind Pendelstützen, Fachwerkstäbe oder Seile.
Wir betrachten einen durch die Zugkräfte F beanspruchten Stab, deren gemeinsame
Wirkungslinie mit der Stabachse identisch ist (Abbildung 4).
Abbildung 4: Zugbeanspruchter Stab
Die Normalkraft im Stab erhalten wir mit Hilfe eines Schnittes an einer beliebigen Stelle des
Zugstabes und anschließendes Formulieren einer Gleichgewichtsbedingung. Die (noch)
unbekannte Normalkraft wird dabei - wie in der Technischen Mechanik 1 gelernt - als
Zugkraft an der Schnittstelle angetragen.
Abbildung 5: Berechnung der Normalkraft im Zugstab
Es ergibt sich aus Abbildung 5, dass hier die Normalkraft genau der Zugkraft F entspricht,
was sich in diesem Fall auch ohne das Formulieren einer Gleichgewichtsbedingung leicht
erkennen lässt.
Bezüglich der Spannungsverteilung bei Normalkraftbeanspruchung gilt nun:
Die Spannungen bei Normalkraftbeanspruchung verteilen sich gleichmäßig über
die Querschnittsfläche.
Die Normalkraft im Stab, deren Bestimmung wir in der Statik gelernt haben ist die
Resultierende der in Wirklichkeit über die gesamte Querschnittsfläche gleichmäßig
verteilten Schnittkräfte. Diese Flächenkräfte, in Abbildung 6 mit  bezeichnet, nennt man
Spannungen.
Abbildung 6: Spannungen im Zugstab
7
Um aus den Spannungen die resultierende Normalkraft N zu erhalten, müssen die
Spannungen lediglich mit der Fläche über die sie wirken (hier: Querschnittsfläche A)
multipliziert werden:
N =  A
(1)
Folglich berechnet sich die Spannung  durch den einfachen Ausdruck Normalkraft geteilt
durch die Querschnittsfläche:
=
N
A
(2)
Die Spannungsberechnung bei Zug- und Druckbeanspruchung bedarf noch einiger
Anmerkungen:
▪ Die Spannung ergibt sich nach Formel (2) aus dem Ausdruck Kraft durch Fläche. Als
Einheit wird üblicherweise „N/mm²“ oder auch die Einheit „Pascal“ (Pa) verwendet. Dabei
gilt folgender Zusammenhang:
N
1
=ˆ 1 MPa
mm ²
▪ Wie in Abbildung 6 leicht zu erkennen ist, stehen die Spannungen senkrecht („normal“)
auf der Querschnittsfläche und werden daher auch als Normalspannungen bezeichnet.
Im Zusammenhang mit Normalkräften treten immer nur Normalspannungen auf. Es hat
sich mittlerweile (auch international) etabliert, Normalspannungen stets mit dem
griechischen Buchstaben  („Sigma“) zu bezeichnen.
▪ Wir wissen aus der Technischen Mechanik 1, dass im Falle einer negativen Normalkraft
eine Druckbeanspruchung vorliegt. Wird in Formel (2) eine negative Normalkraft
eingesetzt, ergeben sich auch die Spannungen mit einem negativen Vorzeichen. Dazu
merken wir uns:
➢ Eine positive Normalspannung  ist stets eine Zugspannung.
➢ Eine negative Normalspannung  ist stets eine Druckspannung.
▪ Zur Verdeutlichung, welche Art von Spannung (Zug/Druck) vorliegt, wird die Spannung
häufig mit dem entsprechenden Index „z“ bzw. „d“ versehen (z und d).
Beispiel:
Ein Doppel-T-Profil IPE 100 nach DIN 1025-5 wird durch eine Druckkraft von F = 90 kN
beansprucht. Wie lauten die Spannungen?
Aufgrund der Druckbeanspruchung beträgt die Normalkraft im Winkelprofil N = -90 kN. Beim
verwendeten Winkelprofil handelt es sich um einen standardisierten Querschnitt, dessen
Querschnittsfläche aus gängigen Tabellenwerken (z. B. Dubbel [1] oder auch im Internet
[2]) direkt abgelesen werden kann. Bei Verwendung eines nicht standardisierten Profils,
muss man die Querschnittsfläche zunächst selbst berechnen.
8
Tabelle 1: IPE-Profile nach DIN 1025-5 [2]
Hier liefert die entsprechende Tabelle uns den Wert A = 10,3 cm². Somit erhalten wir als
Druckspannung:
N
− 90  10 3 N
N
d = =
= −87,4
2
2
A 10,3  10 mm
mm 2
Die
Annahme
einer
gleichmäßigen
Spannungsverteilung ist immer zulässig,
wenn sich die Querschnittsfläche nicht oder
nur wenig ändert. Die Erfahrung zeigt, dass
bei Stäben bereits nach kurzer Entfernung
zur Lasteinleitungsstelle - bei Rundstäben
entspricht diese Entfernung in etwa dem
Durchmesser des Stabes – sich eine
gleichmäßige Spannungsverteilung einstellt
(Abbildung 7).
Abbildung 7: Spannungsverteilung im Bereich
der Lasteineinleitung
K1: Warum nennt man die Spannungen, die
bei Zug- und Druckbeanspruchung auftreten, Normalspannungen?
K2: Geben sie nachfolgende Spannungen in der Einheit N/mm² an:
a) 15,1 kN/cm² , b) 123000 Pa
K3: Eine Zugstange mit Durchmesser d wird durch die Kraft F beansprucht.
Gegeben: d = 16 mm, F = 30 kN
Berechnen sie die in der Stange auftretenden Zugspannungen.
9
K4: Das Drahtseil einer Seilwinde setzt sich aus vielen Einzeldrähten zusammen. Der
Durchmesser d eines Einzeldrahts beträgt 2 mm. Aus wie viel Einzeldrähten muss das
Stahlseil mindestens bestehen, um eine Last von F = 130 kN tragen zu können, wenn für
den Seilwerkstoff nach den einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften die maximal zulässige
Spannung zul mit 200 N/mm² vorgegeben ist?
Gegeben: d = 2 mm, F = 130 kN, zul = 200 N/mm²
K5: Das skizzierte Fachwerk ist durch
zwei Einzellasten beansprucht. Alle
Fachwerkstäbe sind Rundstäbe mit dem
Durchmesser d.
Gegeben: a = 1,0 m, d = 30 mm, F1 = 10,4
kN, F2 = 7,0 kN
Bestimmen sie die größten im Fachwerk
auftretenden
Zugund
Druckspannungen.
Abbildung 8: Fachwerk zu Aufgabe K5
3 Verformungen von Stäben
3.1 Dehnung
Wir wollen nun nach den Spannungen die Formänderungen eines beanspruchten Stabes
untersuchen und betrachten dazu zunächst einen einfachen Zugversuch:
Abbildung 9: Stabverlängerung bei Zugbeanspruchung
Der Stab hat im unbeanspruchten Zustand die Länge l0. Sie wissen bereits von der
Werkstoffkunde und vermutlich auch aus eigener Erfahrung, dass sich der Stab bei einer
Zugbeanspruchung durch eine Kraft F verlängert. Die Stabverlängerung wird in Abbildung 9
mit l bezeichnet.
Die Dehnung  eines Stabes ist nun folgendermaßen definiert:
=

0
(3)
▪ Die Dehnung gibt somit das Verhältnis von Längenänderung und Ausgangslänge wieder.
Sie ist dimensionslos. Man kann die Dehnung absolut (z. B.  = 0,012) oder in Prozent
( = 1,2%) angeben.
10
▪ Ebenso wie die Spannung  kann auch die Längenänderung l und die Dehnung 
positive und negative Werte annehmen. Hierbei gilt:
➢ l > 0 : Die Dehnung ist positiv
➢ l < 0 : Die Dehnung ist negativ
→ Stabverlängerung
→ Stabverkürzung (Stauchung)
▪ In technischen Anwendungen ist die Längenänderung l im Allgemeinen sehr klein im
Vergleich zu den Bauteilabmessungen und daher mit dem bloßen Auge nicht erkennbar.
Bei dem in Abbildung 9 dargestellten Zugversuch kommt es übrigens nicht nur zu einer
Verlängerung des Zugstabes, sondern gleichzeitig auch zu einer Veränderung d des
ursprünglichen Durchmessers d0. Im Falle einer Zugbeanspruchung (Abbildung 9) erweist
sich d als negativ, da sich der Durchmesser verkleinert, wenn der Stab zugbeansprucht
ist. Somit tritt auch eine „Querdehnung“ auf, die entsprechend (3) folgendermaßen definiert
ist:
q =
d
d0
(4)
Im Zusammenhang mit der Querdehnung wollen wir an dieser Stelle noch einen weiteren
Begriff einführen. Die sogenannte „Querkontraktionszahl“  („nü“) ist als das negative
Verhältnis von Querdehnung und Dehnung definiert:
q
=−
(5)

Die Querkontraktionszahl ist dimensionslos, immer
positiv und gibt die Größe der Querdehnung im
Verhältnis zur Längsdehnung wieder. Sie liegt bei
metallischen Werkstoffen in der Regel zwischen
0,25 und 0,35 (Tabelle 2).
K6: Bei einem Stab mit unbeanspruchter Länge l0
beträgt die Dehnung .
Werkstoff
Unlegierter Stahl
Aluminium
Grauguss GJL
Beryllium
Gummi

0,3
0,34
0,25
0,03
0,5
Tabelle 2: Querkontraktionszahlen
einiger Werkstoffe
Gegeben: l0 = 3,0 m,  = -1,5% ,  = 0,3
Wie lauten die Längenänderung l und die Querdehnung q?
K7: Was ist der wesentliche Unterschied von elastischem und plastischem Materialverhalten?
3.2 Werkstoffgesetz und Elastizitätsmodul
Der Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung wird im Spannungs-DehnungsDiagramm („--Diagramm“) dargestellt. Die Abbildung 11 zeigt den typischen Verlauf beim
Zugversuch für einen zähen (duktilen) Baustahl. Diese Zugversuche werden in der
Materialprüfung mit genormten Proben (Abbildung 10) durchgeführt. Vermutlich haben sie
das im Rahmen der Werkstoffkunde bereits kennen gelernt.
11
Abbildung 10: Zugprobe nach DIN EN 10002 (früher: DIN 50145)
Abbildung 11: Spannungs-Dehnungs-Diagramm beim Zugversuch für zähe metallische
Werkstoffe
Der typische Verlauf eines solchen Zugversuches sei im Folgenden kurz beschrieben:
▪ Die Dehnung ist zunächst sehr gering und nimmt bis zum Punkt P proportional zur
Spannung zu. Im Falle einer Entlastung würde die Dehnung in dieser Phase wieder
vollständig zurückgehen. Man nennt dieses Verhalten der vollständigen Rückverformung
bei Entlastung „elastisch“. Die Proportionalitätsgrenze P ist nicht exakt messbar.
▪ Bei Beanspruchung über die Spannung P hinaus geht der Verlauf bis zum Punkt E
(Elastizitätsgrenze) in eine leicht gekrümmte Kurve über, bleibt aber voll elastisch. Die
Fließspannung F, auch als Streckgrenze Re bezeichnet, zeigt sich deutlich durch einen
plötzlichen Spannungsabfall.
▪ Mit dem Erreichen der Streckgrenze nimmt die Dehnung bei praktisch gleichbleibender
Spannung deutlich zu. Man spricht vom „Fließen“. Die sich einstellende Dehnung ist
plastisch, d. h. im Falle einer Entlastung verformen sich diese Dehnungsanteile nicht
mehr zurück.
▪ Im weiteren Verlauf steigt die Spannung dann bis zum Erreichen eines Maximalwertes,
der Bruchspannung B bzw. Zugfestigkeit Rm wieder an und fällt anschließend leicht ab
bis die Probe schließlich reißt.
Für den konstruierenden Ingenieur ist im Wesentlichen nur der elastische Bereich von
Interesse. Die offensichtlichen Gründe dafür lauten:
12
▪ Im elastischen Bereich sind die Deformationen gering, wodurch die Funktionalität der
Konstruktion in der Regel gewährleistet ist.
▪ Die in der Konstruktion auftretenden Spannungen haben einen ausreichenden
Sicherheitsabstand zur Fließspannung und zur Bruchspannung.
Infolge dessen dürfen wir bis auf weiteres von einer proportionalen (linearen) Beziehung
von Spannungen und Dehnungen ausgehen, die sich durch folgende Gleichung ausdrücken
lässt:
(6)
 = E
Diesen für uns wichtigen linearen Zusammenhang bezeichnet man als Werkstoffgesetz für
einachsige Beanspruchung oder auch als Hooke’sches Gesetz (nach Robert Hooke 16351702). Der Proportionalitätsfaktor - in Gleichung (6) mit E bezeichnet – ist der so genannte
Elastizitätsmodul oder kurz E-Modul, ein wichtiger und in der Festigkeitslehre häufig
benötigter Materialkennwert:
▪ Wir lösen zunächst die Gleichung (6) nach der Dehnung  auf:
=

E
(7)
Da der E-Modul nun im Nenner steht, kommt es im Falle eines großen E-Moduls nur zu
sehr kleinen Dehnungen, das Material ist dann sehr steif. Der E-Modul gibt somit als
Materialkennwert die Steifigkeit eines Werkstoffes wieder. Übrigens entspricht der EModul der Steigung der Geraden des --Diagramms im elastischen Bereich.
▪ Die Einheit des Elastizitätsmoduls entspricht der Einheit der Spannung und wird meist in
N/mm² angegeben. Der E-Modul von unlegierten Baustählen beträgt E = 210.000 N/mm².
Werte für andere Werkstoffe finden sich in den üblichen Tabellenwerken (z. B. [1]).
K8: Der Elastizitätsmodul von Aluminium beträgt ungefähr 72.000 N/mm². Welches Material
ist steifer: Stahl oder Aluminium?
Die Einführung des Werkstoffgesetzes gibt uns nun die Möglichkeit, die Verlängerung (bei
Zugbeanspruchung) bzw. die Verkürzung (bei Druckbeanspruchung) von Stäben zu
berechnen. Dazu lösen wir die Definition der Dehnung (Gleichung (3)) nach der
Längenänderung l auf und ersetzen dann die Dehnung gemäß Ausdruck (7) bzw. die
Spannung nach Gleichung (2):
 =    0 =
N 0

0 =
E
EA

 =
N 0
EA
(8)
Den Ausdruck „EA“, der sich im Nenner der Formel (8) wiederfindet, das Produkt der
Materialsteifigkeit und Querschnittsfläche, wird als Dehnsteifigkeit eines Stabes
bezeichnet.
K9: Für die Zugstange aus Aufgabe K3 sind die Länge l0 und der E-Modul gegeben.
Gegeben: d = 16 mm, F = 30 kN, l0 = 3,0 m, E = 72.000 N/mm²
Bestimmen sie die Längenänderung der Zugstange.
13
K10: Welche Spannungen treten in einem Stab mit IPE80-Profil (siehe Tabelle 1) unter einer
Druckkraft F auf? Berechnen sie die Stabverkürzung!
Gegeben: F = 12,4 kN, l0 = 1,5 m, E = 210.000 N/mm²
K11: Ein aus unterschiedlichen Werkstoffen zusammengesetzter Stab wird wie in der
Abbildung 12 dargestellt axial beansprucht.
Abbildung 12: Stab aus unterschiedlichen Materialien
Gegeben:
Bronze
Aluminium
Stahl
A [mm²]
450
600
300
E [N/mm²]
83.000
70.000
210.000
zul [N/mm²]
120
80
140
a) Skizzieren sie den Normalkraftverlauf über die gesamte Stablänge.
b) Wie groß ist die maximal zulässige Kraft F, wenn die gesamte Längenänderung des
Stabes höchstens 2 mm betragen darf und die in der Tabelle angegebenen
zulässigen Spannungen einzuhalten sind?
3.3 Spannungen und Verformungen statisch bestimmter Stabsysteme
Da wir nun in der Lage sind, die Längenänderung eines beanspruchten Stabes zu
berechnen, können wir nun bei Tragwerken, die sich aus mehreren Stäben
zusammensetzen, die Verschiebung von Knotenpunkten bestimmen. Dazu betrachten wir
ein einführendes Beispiel.
Beispiel:
Die Stäbe 1 und 2 sind wie in Abbildung 13
skizziert im gemeinsamen Knotenpunkt A
gelenkig
miteinander
verbunden.
Am
Knotenpunkt A wirkt die horizontale Kraft F.
Berechnen sie die horizontale und vertikale
Verschiebung des Punktes A.
Gegeben:
A1 = 8,6 cm², A2 = 12,4 cm², l = 1,2 m,
 = 53°, F = 81,4 kN, E = 70.000 N/mm²
Abbildung 13: Beanspruchtes Stabtragwerk
14
Um die Längenänderung der beiden
Stäbe nach Formel (8) berechnen zu
können, benötigen wir zunächst die
Stabkräfte, die der Normalkraft
entsprechen. Die Berechnung der
Stabkräfte erfolgt am unverformten
System durch das Freischneiden des
Knotenpunktes A (Abbildung 14). In
Wirklichkeit verändert sich die
Geometrie des Systems durch die
Längenänderung der beiden Stäbe.
Da die Formänderungen im Vergleich
zu den Systemabmessungen sehr
klein
sind,
dürfen
wir
die
Gleichgewichtsbedingungen
am
unverformten System aufstellen.
Abbildung 15: Verschiebung des Knotenpunktes A*
Wir formulieren die
Gleichgewichtsbedingungen und berechnen die Stabkräfte:
→:
Abbildung 14
− S1  cos  + F = 0

S1 = F / cos  = 135,3 kN
: − S 2 − S1  sin  = 0

S 2 = −S1  sin  = −108,0 kN
Zur Bestimmung der Längenänderungen werden noch die
beiden Stablängen benötigt:
1 =

= 1,503 m ,
sin 
 2 =  = 1,200 m
Damit betragen die Längenänderungen:
S1   1
135,3  10 3 N  1503 mm
 1 =
=
= 3,38 mm
EA 1
70.000 N / mm ²  8,6  10 2 mm ²
 2 =
S2   2
− 108  10 3 N  1200 mm
=
= −1,49 mm
EA 2
70.000 N / mm ²  12,4  10 2 mm ²
Das Ergebnis zeigt, dass sich der zugbeanspruchte Stab 1 um 3,38 mm verlängert und
der druckbeanspruchte Stab 2 sich um 1,49 mm verkürzt. Damit ist die Länge der beiden
Stäbe im beanspruchten Zustand bekannt. Um nun die neue Lage A* des Knotenpunktes
A zu ermitteln, könnte man folgendermaßen vorgehen:
Die neue Länge des Stabes 1 und somit der Abstand vom Lager des Stabes 1 beträgt l1+l1.
Der Knotenpunkt muss sich demnach auf einem Kreis um den Lagerpunkt des Stabes 1 mit
dem Radius l1+l1 befinden. Die gleiche Überlegung lässt sich für den Stab 2 anstellen.
Dort wo sich die beiden Kreise schneiden befindet sich der Knotenpunkt A* im
beanspruchten Zustand (Abbildung 15).
15
Es erweist sich bei der beschriebenen Vorgehensweise als schwierig, aus der Geometrie
von Abbildung 15 auf die horizontale Verschiebung uA und die vertikale Verschiebung wA
des Knotenpunktes A zu schließen. Daher wählen wir zur Bestimmung der gesuchten
Verschiebungen eine etwas vereinfachte Vorgehensweise, die im Folgenden beschrieben
wird:
➢ Zunächst werden die Stäbe um die berechneten Längenänderungen li verlängert bzw.
bei negativem l verkürzt (Abbildung 16a).
➢ Nun werden an die neuen Stabenden Senkrechten zu den Stäben angetragen (Abbildung
16b). Diese Senkrechten sind Tangenten an die Kreise in Abbildung 15, d. h. die Kreise
aus Abbildung 15 werden durch ihre Tangenten ersetzt. Da wir wie bereits mehrfach
erwähnt von sehr kleinen Verformungen ausgehen, ist diese Idealisierung gerechtfertigt
und wir werden von nun an konsequent davon Gebrauch machen.
Abbildung 16: Bestimmung der Verschiebung des Knotenpunktes A
➢ Aus der Geometrie der Verformungsfigur können jetzt die der gesuchten
Knotenverschiebungen uA und wA berechnet werden. Die Analyse der Verformungsfigur
ist häufig eine knifflige Aufgabe, die einige Übung erfordert. Daher ist die
Verschiebungsfigur in Abbildung 16b noch einmal vergrößert dargestellt. Man erkennt,
dass die vertikale Verschiebung wA genau der Verkürzung des Stabes 2  2 entspricht:
w A =  2 = 1, 49 mm
Es ist hier zweifelsohne deutlich schwieriger, die horizontale Verschiebung u A zu berechnen.
Die Abbildung 16b zeigt, dass sich uA aus zwei Anteilen zusammensetzen lässt. Wir erhalten
schließlich:
uA =
 1
+  2  tan  = 7,59 mm
cos 
Da diese beiden Verschiebungskomponenten senkrecht aufeinander stehen, ließe sich mit
dem Satz des Pythagoras nun auch die Gesamtverschiebung von A leicht bestimmen.
Darauf wollen wir aber an dieser Stelle verzichten und uns noch einem weiteren Beispiel
zuwenden:
16
Beispiel:
Das dargestellte Tragsystem (Abbildung 17) besteht aus den zwei starren
(undeformierbaren) Balken AC und BD und den Rundstäben 1 und 2, jeweils mit dem
Durchmesser d. Es wird durch die vertikale Kraft F belastet.
Gesucht ist die Spannung in den Stäben und die vertikale Verschiebung des Punktes D.
Gegeben: d = 6 mm, F = 4,6 kN, a = 1,0 m
Abbildung 17: Tragsystem mit den Stäben 1 und 2
Wir berechnen zunächst wieder die beiden Stabkräfte. Dazu schneiden wir die beiden
Balken frei (Abbildung 18).
Abbildung 18: Freikörperbild
Da die Lagerkräfte in A und B zur Lösung der Aufgabe nicht erforderlich sind, beschränken
wir uns auf der Bestimmung der beiden Stabkräfte:
II : B :
S 2  4a − F  2a = 0

I : A:
S 1  3a − S 2  5a = 0

1
F = 2,30 kN
2
5
S 1 = S 2 = 3,83 kN
3
S2 =
Beide Stabkräfte ergeben sich positiv, die Stäbe sind somit zugbeansprucht. Zur
Spannungsberechnung wird noch die Querschnittsfläche benötigt, die sich für
Kreisquerschnitte leicht ermitteln lässt:
A1 = A 2 =
d2
= 28,3 mm ²
4
17
Die Spannungen lauten:
 z1
S1 3,83  10 3 N
N
=
=
= 135,3
A1
28,3 mm ²
mm 2
 z2 =
S 2 2,30  10 3 N
N
=
= 81,3
A2
28,3 mm ²
mm 2
Zur Deformationsanalyse werden zunächst die Längenänderungen der beiden Stäbe nach
(8) berechnet:
 1 =
S1  a
3,83  10 3 N  1000 mm
=
= 0,64 mm
EA 1 210 .000 N / mm 2  28,3 mm 2
 2 =
S2  a
2,30  10 3 N  1000 mm
=
= 0,39 mm
EA 2
210 .000 N / mm 2  28,3 mm 2
Zur Bestimmung der Verschiebung des Punktes D zeichnen wir wieder eine
Verschiebungsfigur und gehen dabei genauso vor wie im vorangegangenen Beispiel
beschrieben (Abbildung 19).
Abbildung 19: Verschiebungsfigur
Aufgrund der Verlängerung von Stab 1 verdreht sich der Balken AC. Die vertikale
Verschiebung des Punktes C lässt sich unter Verwendung des Strahlensatzes berechnen:
w c  1
=
5a
3a

wC =
5
 1 = 1,07 mm
3
In der Verschiebungsfigur ist nun leicht zu erkennen, dass sich die gesuchte Verschiebung
wD aus der Verschiebung des Punktes C wC und der Verlängerung des Stabes 2
zusammensetzt. Wir erhalten:
w D = w C +  2 = 1,46 mm
18
Die vertikale Verschiebung des Punktes D beträgt somit 1,46 mm. Eine horizontale
Verschiebung ist nicht vorhanden, weil sich wie im vorangegangenen Beispiel bereits
erläutert der verschobene Punkt D auf der Senkrechten zur ursprünglichen Lage des
Balkens BD befindet.
Wir fassen noch einmal das Wesentliche zur Berechnung von Spannungen und
Formänderungen bei Zug- und Druckbeanspruchung zusammen:
Spannungen und Verformungen bei Normalkraft(Zug/Druck)beanspruchung
Spannungen:
z / d =
N
A
mit N: Normalkraft, A: Querschnittsfläche
Die Spannungen verteilen sich gleichförmig über die Querschnittsfläche!
Dehnungen:
Werkstoffgesetz:

0
 = E
=
Längenänderung von Stäben:
mit l: Längenänderung, l0: unbeanspruchte Länge
mit E: Elastizitätsmodul
 =
N 0
EA
mit EA: Dehnsteifigkeit
Die Bestimmung von Formänderungen an Tragsystemen erfolgt durch Berechnung der
Längenänderung der Stäbe und geometrische Überlegungen.
K12: Warum darf beim Erstellen der Verschiebungsfigur der Kreisbogen (Abbildung 15)
durch seine Tangente (Senkrechte zur Ausgangslage des Stabes) ersetzt werden?
K13: Ein Prüfstab aus Stahl mit einer Ausgangslänge von 100 mm zerreißt bei einer Länge
von 117,9 mm. Wie lautet die Bruchdehnung?
K14: Ein gewichtsloser Stab der Länge l1+l2 mit konstantem
E-Modul ist aus zwei Stäben mit unterschiedlichen
Kreisquerschnitten zusammengesetzt. Am unteren Ende
wirkt die Zugkraft F.
Welche der folgenden Größen ändert sich an der
Übergangsstelle Ü sprunghaft?
a) Dehnung (x)
b) Verschiebung u(x)
c) Spannung (x)
d) Normalkraft N(x)
e) Dehnsteifigkeit EA(x)
Abb. 20: Zusammengesetzter Stab mit Zugkraft F
K15: Ein starrer Gelenkträger wird durch zwei Einzellasten beansprucht und durch ein Seil
mit Durchmesser d gehalten.
Gegeben: F = 9 kN, a = 1,0 m, d = 8 mm, E = 210.000 N/mm²
Berechnen sie die Zugspannung im Seil und die Absenkung des Gelenkpunktes C.
19
Abbildung 21: Belasteter Gelenkträger
K16: Auf einer hydraulischen Presse werden zwei
zylindrische Probekörper (jeweils Durchmesser d)
aufeinandergepresst. Durch die Kraft F werden die
Probekörper um insgesamt lges gestaucht.
Geg.: l1 = 57 mm, l2 = 25 mm, d = 24 mm, lges = 0,19 mm,
ESt = 210.000 N/mm², EKu = 120.000 N/mm²
a) Bestimmen sie die notwendige Kraft F, um die gegebene
Stauchung zu erreichen?
b) Wie lauten die Längenänderungen l1 und l2 der
beiden Probekörper?
c) Wie lautet die Druckspannung  in den Probekörpern?
Abb 22: Zylindrische Probekörper in hydraulischer Presse
K17: Auf die gelenkig verbundenen Stahlstäbe 1 und 2 (U-Profile nach DIN 1026), die
senkrecht aufeinander stehen, wirkt die Kraft F.
Gegeben: a = 5 m, l1 = 4 m, l2 = 3 m, F = 370 kN, zul = 240 N/mm², E = 210.000 N/mm²
a) Wie groß sind die Stabkräfte in den Stäben 1 und 2?
b) Welche genormten U-Profile
(Tab. 3) sind zu wählen, damit die
zulässige Spg. eingehalten ist?
c) Berechnen sie die horizontale und
vertikale
Verschiebung
des
Gelenkpunktes.
Profil
U
65
80
100
120
Flächen A
cm²
9,03
11,00
13,50
17,00
Tabelle 3: U-Profile nach DIN 1026
Abbildung 23: Belastetes Stabwerk
(Auszug)
20
K18: Wenn die Gewichtskräfte eines Bauteils im Vergleich zur
äußeren Belastung klein sind, können sie vernachlässigt werden.
Anders ist es bei frei hängenden sehr langen Stäben und Seilen
(z. B. in Schachtanlagen). Mit zunehmender Länge steigt die von
der Gewichtskraft hervorgerufene Zugspannung, die ihren
Größtwert an der Einspannstelle hat. Wird dort eine Spannung in
Höhe der Zugfestigkeit Rm erreicht, reißt der Stab oder das Seil.
Leiten sie für ein Seil mit konstanter Querschnittsfläche A, Dichte
, Zugfestigkeit Rm und angehängtem Gewicht G eine Formel zur
Bestimmung der Länge lreiß („Reißlänge“) her, unter der das Seil
versagt?
Gegeben: A, , G, Rm
Abb. 24:
Bestimmung der
Reißlänge
K19: In einer Schachtförderanlage hängt ein 600 m langes Drahtseil DIN 655 – B 22x160
(Dichte  = 7850 kg/m³). Es hat einen tragenden Querschnitt von 174,4 mm².
a) Welche Last in kg kann an das Seil noch angehängt werden, wenn als zulässige
Spannung zul = 160 N/mm² vorgegeben ist?
b) Schätzen sie die Verlängerung des Seils unter der in a) berechneten Last (E = 210.000
N/mm²) ab.
4 Festigkeitsnachweis
Beim Festigkeitsnachweis werden die vorhandenen Spannungen vorh im Bauteil den
zulässigen Spannungen zul gegenübergestellt. Dabei müssen die vorhandenen
Spannungen natürlich stets kleiner als die zulässigen Spannungen sein, so dass generell
gilt:
 vorh   zul
(9)
Die Berechnung der im Bauteil auftretenden Spannung vorh ist einer der ganz wesentlichen
Inhalte des Lehrmoduls. Im Falle einer reinen Zug- oder Druckbeanspruchung haben wir
dazu in den vorangegangenen Kapiteln einiges gelernt. Für andere Arten der
Beanspruchung (z. B. Biegung, Torsion) sei auf die nachfolgenden Lerneinheiten
verwiesen.
Die zulässige Spannung zul ergibt sich im Wesentlichen aus den Festigkeitseigenschaften
des verwendeten Werkstoffes, die experimentell ermittelt werden. Dabei müssen die
Festigkeitswerte des Materials aus Sicherheitsgründen reduziert werden, um beispielsweise
Unsicherheiten bei Lastannahmen auszugleichen. Dazu werden die Festigkeitswerte durch
sogenannte Sicherheitsbeiwerte S geteilt. Bezeichnet man die Festigkeitswerte zunächst
allgemein mit R, ergeben sich die zulässigen Spannungen aus:
 zul =
R
S
(10)
Bei der Wahl der Sicherheitsbeiwerte wird nach der Art des Werkstoffverhaltens
unterschieden. Sie wissen aus der Werkstoffkunde, dass zwischen zähen (duktilen) und
spröden Werkstoffen unterschieden wird. Die prinzipiellen Unterschiede werden vor allem
im --Diagramm deutlich, deren Verläufe in Abbildung 25 schematisch dargestellt sind.
21
Abbildung 25: --Diagramme für a) zähes und b) sprödes Material
Für die Berechnung der zulässigen Spannungen gilt:
Zähe Werkstoffe (Abb. 25a): Bei der Dimensionierung der Bauteile will man verhindern, dass
im Bauteil große plastische Deformationen auftreten. Die zulässige Spannung wird daher in
der Regel bestimmt, indem die Streckgrenze Re durch einen Sicherheitsbeiwert gegen
Fließen SF geteilt wird:
R
(11)
 zul = e
SF
Spröde Werkstoffe (Abb. 25b): Spröde Werkstoffe versagen fast unmittelbar mit dem Ende
der elastischen Phase. Plastische Verformungen treten praktisch nicht auf, eine
ausgeprägte Streckgrenze Re ist nicht erkennbar. Bei der Berechnung der zulässigen
Spannung wird die Zugfestigkeit Rm durch einen Sicherheitsbeiwert SB (Sicherheit gegen
Bruch) geteilt:
R
(12)
 zul = m
SB
In welchem Bereich die Sicherheitsbeiwerte üblicherweise liegen, können sie der Tabelle 4
entnehmen.
Werkstoff
Versagensart
Werkstoffkennwert Sicherheitsbeiwert
zäh (duktil)
Fließen
Re bzw. Rp0,2
1,2 ≤ SF ≤ 2,0
Bruch
Rm
2,0 ≤ SB ≤ 4,0
Bruch
Rm
4,0 ≤ SB ≤ 9,0
spröde
Tabelle 4: Sicherheitsbeiwerte SF und SB
Der beschriebene Sachverhalt bedarf noch einiger Anmerkungen:
▪ Beim Betrachten von Tabelle 4 fällt auf, dass die Sicherheitsbeiwerte für sprödes Material
deutlich größer sind. Das hängt damit zusammen, dass sich bei zähen Werkstoffen das
Materialversagen durch große Formänderungen ankündigt, so dass rechtzeitig
Gegenmaßnahmen möglich sind. Somit sind die geringeren Sicherheiten bei zähen
Werkstoffen gerechtfertigt.
22
▪ Auch für zähe Werkstoffe darf die zulässige Spannung nach Formel (12) berechnet
werden, wenn eine Sicherheit gegen Bruch gefordert ist. Allerdings ist diese
Vorgehensweise eher unüblich.
▪ Es gibt auch zähe Werkstoffe, bei denen der elastische und der plastische Bereich im -Diagramm eher kontinuierlich ineinander übergehen. Eine ausgeprägte Streckgrenze
Re ist dann nicht deutlich zu erkennen wie beispielsweise bei dem in Abbildung 25a
skizzierten Verlauf. In der Gleichung (11) wird bei diesen Werkstoffen die Streckgrenze
Re dann durch die „Ersatzstreckgrenze“ Rp0,2 ersetzt. Dieser Wert ist als die Spannung
definiert, die eine bleibende und somit plastische Dehnung von 0,2% im Werkstoff
verursacht, und darf ersatzweise als Streckgrenze verwendet werden.
▪ In Tabelle 4 ist nur das übliche Spektrum der Sicherheitsbeiwerte angegeben. Wie groß
der Sicherheitsbeiwert nun tatsächlich gewählt wird bleibt dem konstruierenden Ingenieur
überlassen. Ein erfahrener Ingenieur wird dazu neigen, den Sicherheitsbeiwert
tendenziell etwas größer zu wählen, wenn vor allem bei den Lastannahmen
Unsicherheiten bestehen.
▪ Die Abbildung 25 zeigt das Spannungs-Dehnungs-Verhalten zäher und spröder
Werkstoffe im Zugversuch. Unter Druckbeanspruchung sehen die Kurven oberhalb der
Fließgrenze anders aus. Insbesondere bei zähen Werkstoffen ist eine Druckfestigkeit in
der Regel nicht feststellbar, die Proben werden unter starker Ausbauchung platt gedrückt.
Im proportionalen (elastischen) Bereich ist der Anstieg der Hooke’schen Geraden bei
Zug- und Druckbeanspruchung gleich. Die zulässige Spannung bei Druckbeanspruchung
darf ebenfalls mit den Ausdrücken (11) und (12) und den in Tabelle 4 angegeben
Sicherheiten berechnet werden. Da Werkstoffe in der Regel eine höhere Druck- als
Zugbeanspruchung ertragen können, liegt man so auf der sicheren Seite.
▪ Die Materialkennwerte Rm, Re und Rp0,2 können den gängigen Tabellenwerken (z. B. [1])
entnommen werden.
▪ Beim Spannungsnachweis nach (9) werden vorh und zul stets mit positivem Vorzeichen
eingesetzt. Im Falle einer (negativen) Druckspannung vergleicht man einfach den
(positiven) Betrag dieser Spannung mit dem zulässigen Wert zul.
Beispiel:
An einer Zugstange mit quadratischem Querschnitt aus Baustahl S235 hängt
die Masse m (Abbildung 26).
Welche Kantenlänge a ist für den quadratischen Querschnitt der Zugstange
mindestens erforderlich, wenn als Sicherheit gegen Fließen SF gefordert ist.
Gegeben: m = 5000 kg, Re = 235 N/mm², SF = 1,5
Die Gewichtskraft mg der Masse entspricht der Normalkraft in der Zugstange.
Wir erhalten damit als vorhandene Spannung:
N mg
vorh = = 2
A a
Die zulässige Spannung ergibt sich aus
Streckgrenze und Sicherheitsbeiwert:
zul =
Re 235 N / mm2
N
=
= 157
SF
1,5
mm2
Abb. 26
23
Wir setzen die Werte in den Festigkeitsnachweis (9) ein und lösen nach der gesuchten
Kantenlänge a auf:
 vorh   zul :
mg
a2
  zul

mg
5000 Ns 2 / m  9,81 m / s 2
a
=
= 17,7 mm
 zul
157 N / mm 2
Die Kantenlänge a muss mindestens 17,7 mm betragen.
Beim Festigkeitsnachweis wird gezeigt, dass die im Bauteil vorhandene Spannung
eine zulässige Spannung nicht übersteigt:
 vorh   zul
Die zulässige Spannung wird im Allgemeinen wie folgt berechnet:
Spröde Werkstoffe:  zul =
Rm
SB
mit
Rm: Zugfestigkeit (auch Bruchspannung B)
SB: Sicherheit gegen Bruch
Zähe Werkstoffe:
 zul =
Re
SF
mit
Re: Streckgrenze (auch Fließspannung F)
SF: Sicherheit gegen Fließen
K20: Wie groß sind die Sicherheiten SF und SB , wenn als Material für die Zugstange aus
der Aufgabe K3 der Baustahl S235 (Re = 235 N/mm², Rm = 360 N/mm²) eingesetzt wird?
K21: An starrer Balken ist an seinem linken Ende gelenkig gelagert und im Punkt B durch
ein Stahlseil (Durchmesser d) gehalten. An seinem linken Ende wird er durch das Gewicht
G beansprucht. Die Eigengewichte von Seil und Balken seien vernachlässigbar.
Gegeben:
lB = 2,0 m, lS = 1,4 m, d = 12 mm, G = 19,6 kN
Stahlseil: Re = 275 N/mm², E = 210.000 N/mm², A = 400 mm²
Abbildung 27: Starrer Balken mit Stahlseil
a) In welchem horizontalen Abstand a muss das Seil positioniert werden, wenn eine
Sicherheit von SF = 1,5 gegen Fließen eingehalten werden soll?
b) Welche vertikale Verschiebung wC erfährt dann der Punkt C am rechten Balkenende?
24
5 Statisch unbestimmte Systeme
Bei statisch unbestimmten Systeme können Lager- und Stabkräfte nicht allein aus den
Gleichgewichtsbedingungen berechnet werden, da diese weniger Gleichungen liefern als
Unbekannte vorhanden sind. Aus diesem Grund war es in der Statik unter der Annahme
starrer Körper nicht möglich, bei statisch unbestimmten Systemen alle unbekannten Kräfte
zu bestimmen.
Da wir mittlerweile von elastischen Körpern ausgehen, lassen sich die fehlenden
Gleichungen als geometrische Verträglichkeitsbedingungen formulieren. Damit sind wir nun
in der Lage auch statisch unbestimmte Systeme zu behandeln und starten mit einem
einfachen Beispiel:
Beispiel: Ein starrer und
gewichtsloser Balken ist in A
gelenkig gelagert und in zwei
Stäben aufgehängt. Er wird durch
die Kraft F belastet. Die Skizze
zeigt, dass die Länge der beiden
Stäbe gleich ist: l1 = l2 = l.
Gesucht sind die Lagerkräfte in A
und die beiden Stabkräfte.
Abbildung 28: Statisch unbestimmt gelagerter Balken
Wie von der Statik gewohnt, beginnen wir mit dem Aufstellen
Gleichgewichtsbedingungen und erstellen dazu ein Freikörperbild des Balkens:
der
Abbildung 29: Freigeschnittener Balken
Sie wissen aus der Statik, dass uns an einem Balken drei linear unabhängige
Gleichgewichtsbedingungen zur Verfügung stehen. Sie lauten:
→:
:
AH = 0
A V + S1 + S 2 − F = 0
A : S1  a + S 2  2a − F  3a = 0
(13)
(14)
(15)
Die erste Gleichgewichtsbedingung (13) liefert uns augenblicklich die Lagerkraft AH. Für die
anderen drei Unbekannten AV, S1 und S2 stehen uns jedoch mit den
Gleichgewichtsbedingungen (14) und (15) nur noch zwei Gleichungen zur Verfügung. Das
System ist demnach statisch unbestimmt, zum Berechnen der unbekannten Kräfte
benötigen wir noch eine weitere Gleichung.
25
Dazu formulieren wir nun eine geometrische Verträglichkeitsbedingung und gehen dabei
stets wie folgt vor:
▪ Zunächst wird das System im deformierten Zustand skizziert. Es ist dabei darauf zu
achten, dass diese Verformungsfigur mit den Bindungen des Systems konform ist.
▪ Verdreht sich ein Bauteil (wie hier der Balken) verwenden wir die im vorangegangenen
Kapitel kennen gelernte Vereinfachung, dass sich die Punkte auf der Senkrechten zur
Originallage des Balkens verschieben.
▪ Aus der Verformungsskizze wird anschließend ein geometrischer Zusammenhang der
Formänderungen abgelesen, der uns eine weitere Gleichung liefert.
Im vorliegenden Beispiel bleibt der starre (undeformierbare) Balken auch im belasteten
Zustand gerade, er kann sich nur um den festen und daher unverrückbaren Lagerpunkt A
verdrehen. Aufgrund der nach unten wirkenden Last F wird er sich geringfügig im
Uhrzeigersinn verdrehen. Daraus ergibt sich dann die in Abbildung 30 dargestellte
Verformungsfigur. Man erkennt leicht, dass sich im verformten Zustand beide Stäbe
verlängern.
Abbildung 30: Verformungsfigur
Die geometrische Beziehung zwischen den beiden Formänderungen (Verlängerungen) der
Stäbe lässt sich nun mit dem Strahlensatz
 2  1
=
2a
a
herstellen oder mit etwas Erfahrung direkt aus der Skizze ablesen. Somit lautet die
geometrische Verträglichkeitsbedingung:
 2 = 2 1
Der Stab 2 erfährt genau die doppelte Verlängerung wie Stab 1. Mit Hilfe der Formel (8)
lassen sich l1 und l2 durch die Unbekannten S1 und S2 in den Gleichungen (14) und (15)
ersetzen:
S
S 
S2
S
 1 = 1
,  2 = 2

= 2 1
(16)
E 1A 1
E2 A 2
E2 A 2
E 1A 1
Mit den Gleichungen (14), (15) und (16) liegen nun drei Gleichungen zur Berechnung der
drei unbekannten Kräfte vor. Die Lösung des linearen Gleichungssystems liefert das
Ergebnis und wir erhalten als Lösung:
S1 = 3F 
E 1A 1
E2 A 2
E A + E2 A 2
, S 2 = 6F 
, A V = −2F  1 1
E1A 1 + 4E 2 A 2
E1A 1 + 4E 2 A 2
E1A 1 + 4E 2 A 2
26
Man erkennt, dass alle drei Kräfte von den Dehnsteifigkeiten E1A1 und E2A2 der beiden
Stäbe abhängen. Wenn wir das Ergebnis noch etwas genauer betrachten erkennen wir,
dass der Nenner bei allen Kräften gleich ist, die Ergebnisse unterscheiden sich nur im
Zähler. Der Zähler von S1 enthält die Dehnsteifigkeit E1A1 des Stabes 1, der Zähler von S2
wiederum enthält die Dehnsteifigkeit E2A2. Das bedeutet: Die Stabkraft 1 wird größer, wenn
der Stab 1 eine größere Dehnsteifigkeit erhält, das Gleiche gilt für den Stab 2. Generell
wollen wir uns für statisch unbestimmt gelagerte Tragsysteme merken:
Für statisch unbestimmt gelagerte Systeme gilt in der Regel:
▪
Steife Systemteile ziehen Kräfte an.
▪
Weiche Systemteile entziehen sich der Lastabtragung.
▪
Kräfte tendieren immer dorthin, wo sie die größere Steifigkeit vorfinden.
Ein weiteres Beispiel soll diese Erkenntnis untermauern und sie auf die anstehenden
Übungsaufgaben vorbereiten.
Beispiel: Bei einem Zugstab mit Kreisquerschnitt ist der innere Teil aus Messing und der
äußere Teil aus Stahl, wobei die Materialien starr verbunden sind.
Abbildung 31: Stahlrohr mit Messingkern
Geg: F= 1600 N, di = 60 mm, da = 50 mm, ESt = 2,1 105
N
N
, EMe = 7,8  104
, l = 3,8 m
2
mm
mm2
Wie groß sind die Spannungen im Stahl und im Messing und wie groß ist die Verlängerung
des Stabes?
Es ist offensichtlich, dass sich beide Werkstoffe an der Lastabtragung beteiligen und ein Teil
der Zugkraft F vom Stahl, der andere Teil vom Messing aufgenommen wird. Addiert man
die Zugkräfte die zum einen vom Stahl und zum anderen von dem Messing aufgenommen
werden, ergibt sich die Gesamtkraft F:
FSt + FMe = F
(17)
Die Gleichung (17) entspricht einer Gleichgewichtsbedingung, die wir gleichermaßen durch
einen Schnitt des Stabes erhalten hätten. Sie enthält mit F St und FMe zwei Unbekannte,
weshalb wir noch eine weitere Gleichung benötigen. Dazu formulieren wir wieder eine
geometrische Verträglichkeitsbedingung: Dadurch, dass beide Werkstoffe starr verbunden
sind, erfahren beide die gleiche Längenänderung. Somit gilt:
 St =  Me
mit  St =
FSt  
E St A St
,
 Me =
FMe  
EMe A Me
Daraus erhalten wir eine weitere Gleichung mit den Unbekannten FSt und FMe:
(18)
27
FSt  
F 
= Me
E St A St EMe A Me
(19)
Die Querschnittsflächen ASt und AMe von Stahl und Messing lassen sich aus gegebenem
Innen- und Außendurchmesser leicht berechnen:
A St
(
 d a − di
=
4
2
2
) = 8,64 mm
d
= i = 19,63 mm 2
4
2
2
A Me
,
Mit den Gleichungen (17) und (19) liegt damit wieder ein lineares Gleichungssystem vor,
das nach den beiden unbekannten Kräften FSt und FMe aufgelöst wird. Die Kräfte lauten:
FSt = F 
E St A St
= 868 N
E St A St + EMe A Me
FMe = F 
,
EMe A Me
= 732 kN
E St A St + EMe A Me
Wir erkennen, dass sich die Kraft F einigermaßen gleichmäßig auf die beiden Materialien
verteilt. Wie groß sind aber nun die Spannungen in Stahl und Messing? Das berechnen wir
mit der bekannten Formel (2):
 St =
FSt
868 N
N
=
= 100,5
2
A St 8,64 mm
mm 2
,
Me =
FMe
732 N
N
=
= 37,3
2
A Me 19,63 mm
mm 2
Das Ergebnis bestätigt die Erkenntnis aus dem vorangegangenen Beispiel. Das steifere
Material, der Stahl, muss die größeren Spannungen ertragen, das weichere Material
entzieht sich der Kraftübertragung. Dass FSt und FMe dennoch in vergleichbarer
Größenordnung liegen, liegt daran, dass der deutlich größere Teil der Querschnittsfläche
von Messing eingenommen wird.
Da beide Werkstoffe die gleiche Längenänderung erfahren, können beide Ausdrücke aus
(18) zur Berechnung der Stabverlängerung herangezogen werden:
 St =
FSt  
868 N  3800 mm
=
= 1,82 mm
E St A St 210 .000 N / mm 2  8,64 mm 2
K22: Wann ist ein Tragsystem statisch unbestimmt?
K23: Bei einem Stab mit Kreisquerschnitt besteht eine Hälfte aus Stahl, die andere aus
Aluminium. An der Übergangsstelle wirkt eine Kraft F, deren Wirkungslinie identisch mit der
Stabachse ist.
Gegeben: a = 1,0 m, d = 20 mm,
F = 1000 N, ESt = 210.000 N/mm²,
EAl = 70.000 N/mm²
Abbildung 32: Zweigeteilter Rundstab
a) Versuchen sie zunächst abzuschätzen, welches der beiden Lager den größeren Teil der
Kraft F erhält.
b) Berechnen sie die Lagerkräfte in A und B.
28
K24: Das in Abbildung 33 skizzierte Stabwerk
wird durch die Kraft F belastet. Beide Stäbe
weisen die gleiche Dehnsteifigkeit EA auf.
Gegeben: F, l, EA,  = 40°
a) Bestimmen sie die Stabkräfte S1 und S2.
b) Wie lautet die Verschiebung am
Lastangriffspunkt?
Abbildung 33: Belastetes Stabwerk
K25: Ein starrer Balken ist durch das
Festlager A und die Seile 1 und 2
gehalten und durch die Kraft F
beansprucht. Beide Seile haben die
gleiche Dehnsteifigkeit EA.
Gegeben: F = 18 kN, a = 3,2 m,
EA = 4,0  10 6 N
Berechnen sie
a) die Seilkräfte,
b) die Verschiebung des
Lastangriffspunktes B.
K26:
Abbildung 34: Tragsystem zu K22
Ein starrer gewichtsloser Balken ist im Punkt A
gelenkig gelagert und an zwei Drähten aufgehängt.
Beide Drähte haben den Durchmesser d. Der Draht 2 wird mit
der Überlänge s eingebaut.
Für die Drähte ist eine zulässige
Spannung zul vorgegeben.
Abbildung 35: Tragsystem zu K23
Geg.: a=0,5 m, l1=0,6 m, l2=0,4 m, d=2 mm, s=0,5 mm, E=2∙105 N/mm², zul=400 N/mm²
a) Bei welcher Kraft FV im Punkt D ist der Draht 2 gerade gestreckt, trägt aber noch nicht
mit?
b) Welche maximale Kraft Fmax darf aufgebracht werden, ohne dass die zulässige
Spannung in den Drähten überschritten wird?
29
K27: Ein starrer Balken ist gemäß Abbildung 36
an drei elastischen Seilen (Längen l1, l2 = l3) mit
gleicher Dehnsteifigkeit EASeil aufgehängt. Das
Gewicht des Balkens kann vernachlässigt
werden.
Gegeben: l1 = 1,6 m, l2 = l3 = 2,4 m, a = 1,5 m,
G = 1,0 kN, EA = 7  10 4 N
a) In welchem Abstand x vom linken Balkenende
müsste sich eine Person der Gewichtskraft G
plazieren, dass der Balken in der horizontalen
Lage verbleibt?
b) Um welchen Weg verschiebt sich dann der
Balken nach unten?
Abbildung 36: Aufgehängter Balken
c) Wie groß ist bei gegebener Zugfestigkeit Rm die Sicherheit SB gegen Bruch?
6 Temperaturbeanspruchung
Wird ein Körper erwärmt, dehnt er sich aus. Umgekehrt zieht sich ein Körper bei Abkühlung
zusammen. Bei einem stabförmigen Bauteil beträgt die Längenänderung bei
Temperaturbeanspruchung:
 =  0   T  T
(20)
Hierin bedeuten:
T [1/K]
Werkstoff
▪ l0 ist die Stablänge im
Ausgangszustand.
▪ T ist der sogenannte Wärmeausdehnungskoeffizient. Er ist
materialspezifisch und in der
nebenstehenden Tabelle
exemplarisch für einige Werkstoffe
angegeben.
Seine Einheit lautet 1/K.
Un- bzw. niedr.-legierte Stähle
12∙10-6
Austenitischer Stahl
17∙10-6
Kupfer
17∙10-6
Aluminium
24∙10-6
Graugss
10∙10-6
▪ T stellt die Temperaturänderung
FeNi36 („Invar“)
2∙10-6
dar. Sie ist positiv, wenn die
Temperatur ansteigt und negativ
bei abfallender Temperatur. Damit
Tabelle 5: Wärmeausdehnungskoeffizienten
ergibt sich nach Formel (20)
einiger Werkstoffe
automatisch eine positive
Längenänderung bei Temperaturanstieg und eine negative Längenänderung (Verkürzung) bei Temperaturabfall.
Mit Hilfe der Längenänderung l (20) können wir nun auch gemäß der Definition (3) die
thermische Dehnung T („Wärmedehnung“) angeben:
T =

=  T  T
0
(21)
30
Wird die Temperaturdehnung eines Bauteils behindert, z. B. durch eine beidseitige feste
Einspannung, so dass eine Ausdehnung des Bauteils bei Erwärmung nicht möglich ist, dann
entstehen Wärmespannungen, die beachtliche Werte annehmen können. Hier gibt es einen
wesentlichen Unterschied von statisch bestimmten und statisch unbestimmten Systemen.
Generell gilt:
▪ Statisch bestimmte Systeme werden im Falle von Temperaturänderungen verformt,
bleiben aber stets spannungsfrei.
▪ Bei statisch unbestimmten Systemen sind Temperaturänderungen immer mit
Wärmespannungen verbunden, Verformungen sind ebenfalls möglich.
Die beim Abkühlen eines statisch unbestimmt gelagerten Bauteils auftretenden
Spannungen bezeichnet man übrigens als Schrumpfspannungen.
Um den Unterschied der statisch bestimmten und statisch unbestimmten Lagerung deutlich
zu machen, betrachten wir als Beispiel ein sehr einfaches System.
Beispiel: Gesucht sind die Spannungen und Verformungen der beiden in Abbildung 37
dargestellten Tragsysteme, die jeweils um T erwärmt werden.
Abbildung 37: a) Statisch bestimmtes und b) statisch unbestimmtes Tragsystem
Beim statisch bestimmten System (a) wird sich der Balken unter der Erwärmung T
verlängern. Dabei wird sich das rechte Loslager - wie in Abbildung 37a angedeutet - um die
Verlängerung l nach rechts verschieben. Da die Verformung des Balkens nicht behindert
ist, treten im Balken keine Spannungen auf.
Beim in Abbildung 37b skizzierten Balken stellt sich der Sachverhalt anders dar: Der Balken
wird erwärmt und will sich ausdehnen. Das wird aber durch die beiden Festlager verhindert,
der Balken bleibt somit unverformt. Die horizontalen Lagerkräfte in den beiden Festlagern
drücken von beiden Seiten auf den Balken. Sie verhindern damit eine Verlängerung des
Balkens und sorgen für Druckspannungen im Balken.
Um diese Druckspannungen berechnen zu können, beachten wir den folgenden Satz:
Wirkt sowohl eine Spannung  als auch eine Temperaturänderung T, so folgt die
Gesamtdehnung  aus der Überlagerung („Superposition“) von mechanischer (7) und
thermischer Dehnung (21):
=

+  T  T
E
(22)
31
Beim Tragsystem in Abbildung 37b tritt keine Verlängerung l und somit auch keine
Dehnung  auf. Somit gilt:

(23)
 = +  T  T = 0
E
Diese Gleichung lösen wir nach der Spannung  auf und erhalten:
 = − T  T  E
Die Spannung erweist als unabhängig von der Länge und vom Querschnitt des Balkens.
Am negativen Vorzeichen erkennen wir, dass es sich erwartungsgemäß um eine
Druckspannung handelt. Um ein Gefühl für die Größe der auftretenden Wärmespannungen
zu bekommen, berechnen wir den Wert für einen Balken aus Stahl (T, E s. o.) bei einer
Temperaturerhöhung von T = 40 K:
 = − T  T  E = −12  10 −6
1
N
N
 40 K  210 .000
= −100,8
2
K
mm
mm 2
Sie sehen, dass man bei einer vergleichsweise geringen Temperaturänderung bereits
erstaunlich große Spannungen erhält.
K28: Berechnen sie die Längenänderung eines Stabes aus Aluminium der Länge l = 1,0 m,
wenn er von Raumtemperatur (20°C) auf eine Temperatur von 100°C erwärmt wird.
K29: Beim dargestellten System (Abbildung 38), das
als gewichtslos angenommen werden darf, wird der
Stab 1 um T erwärmt.
Gegeben: l = 1,2 m ,  = 53°,
 T = 24  10 −6 1/K , T = 50 K
a) Wie lauten die Stabkräfte?
b) Wie lauten die Verschiebungen uA (in x-Richtung)
und vA (in y-Richtung) des Knotenpunktes A.
Abbildung 38: Temperaturbeanspruchtes Stabwerk
K30: Welche Wärmespannung ergibt sich bei einer Eisenbahnschiene aus Stahl, die bei
einer Temperatur von 20°C spannungsfrei verlegt wird und sich unter starker
Sonneneinstrahlung auf 50°C erwärmt?
K31: Beim System in Abbildung 27 (Kontrollaufgabe 21) wird zusätzlich zur vorhandenen
Gewichtskraft das Seil um T = 35° erwärmt. Wie lautet die vertikale Verschiebung wC?
Hinweis: Rechnen sie mit den in K21 gegebenen Werten. Außerdem:  T = 12  10 −6 1/K
32
K32: Ein Stab der Länge l aus Messing wird
zwischen zwei starren Wänden platziert. Bei
der Temperatur -20°C beträgt liegt zwischen
Stabende und Wand der Abstand  vor. Der
Stab hat die Querschnittsfläche A.
Geg.: l = 2,5 m, A = 280 mm²,  = 1,9 mm,
 T ,Me = 18  10 −6 1/K , EMe = 80.000 N/mm²
Abbildung 39: Stab mit Wandabstand 
Bei welcher Temperaturerhöhung T erhält der Stab eine Druckspannung von d = -25
N/mm²?
K33: Ein zweiteiliger Stab aus Stahl und Aluminium (Abbildung 39a) wird spannungsfrei
zwischen zwei starren Wänden eingebaut und anschließend um T erwärmt.
Gegeben: T = 40 K, F = 2500 N, ASt = 14 cm², AAl = 10 cm²
ESt = 210.000 N/mm², EAl = 70.000 N/mm²,  T , St = 12  10 −6 1/K ,  T , Al = 24  10 −6 1/K
Abbildung 40: Zweiteiliger eingeklemmter Stab
a) Berechnen sie die Spannungen in Stahl und Aluminium.
b) Wie lauten die Spannungen nach der Temperaturerhöhung in den beiden Abschnitten,
wenn der Stab an der Übergangsstelle C zusätzlich durch die Kraft F belastet wird?
Vielleicht haben sie bemerkt, dass bei den statisch unbestimmten Systemen wie in Kapitel
4 gelernt stets eine geometrische Verträglichkeitsbedingung formuliert werden muss. Bei
der vorgerechneten Beispielaufgabe war das die Gleichung (23). Dass die geometrische
Verträglichkeitsbedingung nicht immer so einfach formuliert werden kann, soll das nächste
Beispiel zeigen.
Beispiel:
Bei
dem
Stabwerk
aus
der
Kontrollaufgabe 24 wird zusätzlich zur Kraft F der
Stab 1 um T = 30 K erwärmt. Material und
Querschnittsfläche A der beiden Stäbe sind
identisch.
Wie lauten die Spannungen in den beiden Stäben?
Gegeben: F = 3,8 kN, T = 30 K,
l = 1,2 m, A = 4,5 cm²,  = 40°,
E = 200.000 N/mm²,  T = 12  10 −6 1/K
Abbildung 41: Mechanisch und
thermisch beanspruchtes Stabwerk
33
Die Gesamtbeanspruchung in den beiden Stäben ergibt sich aus der Überlagerung der
mechanischen Belastung durch die Kraft F und der thermischen Beanspruchung durch die
Temperaturerhöhung T. Die Stabkräfte aus der mechanischen Beanspruchung können wir
aus der Lösung der Kontrollaufgabe 24 übernehmen:
S 1,F = −0,69 F = −2,62 kN , S 2,F = −0,40 F = −1,52 kN
Zur Berechnung der Stabkräfte aus der thermischen Beanspruchung gehen wir analog zur
Lösung von K24 vor. Wir erstellen zunächst ein Freikörperbild und formulieren die
Gleichgewichtsbedingungen am Knotenpunkt A:
→:
:
Abbildung 42: Freigeschnittener Knotenpunkt A
S 1, T + S 2, T  cos  = 0
− S 2, T  sin  − A = 0
(24)
(25)
Mit (24) und (25) liegen zwei Gleichungen zur Bestimmung der drei Unbekannten S 1,T, S2,T
und A vor. Zur Berechnung der Stabkräfte wird somit eine weitere Gleichung benötigt. Dazu
überlegen wir uns nun eine geometrische Verträglichkeitsbedingung.
Aufgrund des Loslagers kann sich der Punkt A nur in horizontale Richtung verschieben.
Außerdem können wir wegen der Erwärmung von einer Verlängerung des Stabes 1
ausgehen. Der Punkt A verschiebt sich somit nach links in die Position A* (Abbildung 43).
Die Längenänderung l2 des Stabes 2 erhält man, indem der Stab 2 aus der verschobenen
Lage auf seine ursprüngliche Lage (in Abb. 43 gestrichelt eingezeichnet) senkrecht
zurückprojiziert wird. Man erkennt, dass sich auch der Stab 2 verlängert.
Abbildung 43: Verschiebungsfigur
Der Zusammenhang der beiden Längenänderungen l1 und l2 ergibt sich nun aus der
Geometrie der Verschiebungsskizze (Abbildung 43):
1  cos  =  2
(26)
34
Die Stablängen lauten:  1 =  ,
2 =

cos 
Die Längenänderung l1 setzt sich (im Gegensatz zur Lösung der Kontrollaufgabe 24)
diesmal aus einem mechanischen und einem thermischen Anteil zusammen. Für den Stab
2 entfällt der thermische Anteil, weil der Stab nicht erwärmt wird:
 1 =
S 1, T  
+  T  T   ,
EA
 2 =
S 2, T   / cos 
EA
(27)
Die Ausdrücke (27) werden nun in die geom. Verträglichkeitsbedingung (26) eingesetzt:
S
  / cos 
 S 1, T  

+  T  T     cos  = 2, T

EA
 EA

(28)
Mit (24) und (28) liegen damit zwei Gleichungen zur Berechnung der beiden unbekannten
Stabkräfte S1 und S2 vor. Die Lösung des lin. Gleichungssystems liefert folgende Stabkräfte:
S 1, T = −
 T T  EA  cos 3 
= −10,05 kN
1 + cos 3 
,
S 2, T =
 T T  EA  cos 2 
= 13,12 kN
1 + cos 3 
Der Stab 1 erweist sich damit für die thermische Beanspruchung als Druckstab, der Stab 2
ist zugbeansprucht. Mit der nicht verwendeten Gleichgewichtsbedingung (25) könnte noch
die Reaktionskraft im Lager A berechnet werden.
Die Stabkräfte aus der kombinierten mechanischen und thermischen Beanspruchung
erhalten wir nun durch Überlagerung („Superposition“) der Stabkräfte aus den beiden
Beanspruchungen:
S 1 = S 1,F + S 1, T = −2,62 kN − 10,05 kN = −12,67 kN
S 2 = S 2,F + S 2, T = −1,52 kN + 13,12 kN = 11,60 kN
Merken sie sich zur Temperaturbeanspruchung:
▪ Bei statisch bestimmten Systemen führen Temperaturänderungen zu keinerlei
zusätzlichen Spannungen. Das System verformt sich jedoch. Die Längenänderung
von stabförmigen Bauteilen wird wie folgt berechnet:
 =  0   T  T
mit T: Temperaturausdehnungskoeffizient
▪ Bei statisch unbestimmten Systemen führen thermische Beanspruchungen zu
zusätzlichen Spannungen in den Bauteilen. Die Längenänderung von Bauteilen setzt
sich dann aus der mechanischen und der thermischen Längenänderung zusammen:
 =  0   T  T +
N 0
EA
Zur Kräfteermittlung müssen neben den Gleichgewichtsbedingungen ein oder mehrere
geometrische Verträglichkeitsbedingungen formuliert werden.
35
K34: Über eine Aluminiumschraube (Durchmesser
d = 10 mm) ist eine Stahlbuchse (Innendurchmesser di = 11 mm, Außendurchmesser da = 14 mm)
gesteckt. Die Muttern sind bei einer Temperatur von
30°C in einer Position gekontert, bei der die Buchse
kein Spiel hat, aber auch nicht unter Spannung
steht.
Materialkennwerte:
Stahl: ESt = 2,1 105
N
1
, T,St = 12  10−6
2
mm
K
Aluminium: EAl = 7,0  104
Wie lauten
Abbildung 44: Aluminiumschraube mit
Stahlbuchse
N
1
, T,Al = 24  10−6
2
mm
K
a) die Spannungen im Schraubenschaft und in der Buchse,
b) die Verkürzung der Verbindung,
wenn die gesamte Anordnung auf eine Temperatur von -40°C abgekühlt wird?
K35: Der starre und gewichtslose Balken
ABCD ist in B festgelagert und in den Punkten
C und D zusätzlich durch zwei identische
Stahlstangen (jeweils Querschnittsfläche A)
gehalten. Im Punkt A wirkt die Kraft F.
Gegeben: F = 15 kN, A = 2,5 cm²,
E = 200.000 N/mm²,  T = 12  10 −6 1/K
Wie lautet die Spannung in den beiden
Stäben, wenn die Temperatur um 80 K erhöht
wird?
Abbildung 45: Konstruktion zu K35
K36: Ein starrer Balken vom Gewicht G ist an
zwei Stangen aus Kupfer (Querschnittsfläche AKu)
aufgehängt. Um die Konstruktion zu verstärken,
soll zusätzlich eine Stange aus Aluminium
(Querschnittsfläche AAl) eingebaut werden.
Die Kupferstangen haben im beanspruchten
Zustand die Länge l. Die Aluminiumstange ist um
das Fehlmaßes  verkürzt gefertigt und weist im
unbeanspruchten Zustand die Länge l- auf.
Zur Montage soll die Aluminiumstange soll die
Aluminiumstange zwecks Überwindung des
Abbildung 46: Abgehängter Balken
Fehlmaßes um T erwärmt, im erwärmten
Zustand an der Decke befestigt und anschließend wieder auf Raumtemperatur abgekühlt
werden.
Gegeben: G = 5,0 kN, l = 0,78 m,  = 0,2 mm, AKu = 5 cm², AAl = 4 cm²,
EKu = 120.000 N/mm², EAl = 70.000 N/mm²,  T,Al = 24  10−6 K −1
36
a) Welche Erwärmung T für den Einbau der Aluminiumstange erforderlich?
b) Wie groß sind nach dem Abkühlen der Aluminiumstangen die Stabkräfte in den
Stangen?
K37: Wie groß sind beim Stabwerk in Abbildung 41 die Stabkräfte S1 und S2, wenn beide
Stäbe um T = 30 K erwärmt werden, die Kraft F jedoch nicht vorhanden ist (F = 0)?
K38: Beim skizzierten Stabwerk
sind bei allen Stäben Material
und Querschnittsfläche gleich.
Gegeben: l = 1,6 m,  = 32°,
A = 5,0 cm², E = 2,1∙105 N/mm²,
T = 12  10−6 K −1
Abbildung 47: Stabwerk
Berechnen sie die Spannungen in den Stäben bei einer Temperatur von 45°C, wenn das
Fachwerk bei 20°C spannungsfrei ist.
7 Flächenpressung
7.1 Druckspannungen in Kontaktflächen
Drückt man zwei Teile gegeneinander, so werden in den Berührflächen Kontaktkräfte
übertragen. Die dabei entstehenden Druckspannungen in den Berührflächen nennt man
auch die Flächenpressung p. Sie steht immer senkrecht auf den Berührflächen.
Abbildung 48: Flächenpressung bei Träger-Stützen-Anschluss
Zur Berechnung von Flächenpressungen sollten Sie folgendes beachten:
▪ Man geht i. d. R. vereinfachend davon aus, dass sich die bei der Flächenpressung die zu
übertragende Kraft gleichförmig über die Kontaktfläche verteilt (Abbildung 48). Die
Flächenpressung erhält man dann, indem die senkrecht auf der Fläche stehende zu
übertragende Kraft F durch die Berührfläche A geteilt wird. So ergibt sich auch bei der in
Abbildung 48 skizzierten Anschlusskonstruktion die Flächenpressung aus:
p=
F
A
(29)
37
▪ Auch wenn es sich bei Flächenpressungen um Druckspannungen handelt, werden die
Pressungen üblicherweise mit ihrem positiven Betrag angegeben. Bei Pressungen weiß
man automatisch, dass es sich um Druckspannungen handelt.
▪ Flächenpressungen an gekrümmten Berührflächen treten beispielsweise bei der
Lagerung von Zapfen auf. Gleiche Verhältnisse entstehen bei Verbindungen mit
stiftförmigen Verbindungsmitteln (z.B. Bolzen, Niete) in Bohrungen. Unabhängig von der
wirklichen Druckverteilung (die kompliziert ist) mit dem Größtwert pmax (Abbildung 49)
wird zur Vereinfachung mit einer über die Projektionsfläche A proj gleichmäßig verteilten
Pressung gerechnet. Die Projektionsfläche erhält man, indem man die gekrümmte
Berührfläche auf eine senkrecht zur Kraftrichtung ebene Fläche projiziert. Die
Flächenpressung ergibt sich dann aus:
p=
F
F
=
A proj bd
(30)
Die Pressung zwischen dem stiftförmigen Verbindungsmittel und der Bohrungswand wird
auch als Lochleibungsdruck bezeichnet.
Abbildung 49: Wirkliche und idealisierte
Flächenpressung in Zapfenverbindung
Beispiel: Auf die Zapfenlagerung einer Welle wirkt
unter dem Winkel  eine Kraft F. Wie lauten die
Flächenpressungen?
Gegeben: F = 9 kN,  = 60°, d = 40 mm, D = 60 mm,
b = 50 mm
Abbildung 50: Zapfenanschluss
38
Die in der Verbindung zu übertragende Kraft F wird zunächst in eine vertikale und eine
horizontale Komponente zerlegt:
FH = F  cos  = 4,50 kN , FV = F  sin  = 7,79 kN
Die horizontale Kraftkomponente FH wird als Kontaktpressung über die zu dieser
Komponente senkrechten Fläche übertragen. Diese Fläche ist in Abbildung 51a kenntlich
gemacht. Es ist die Differenzfläche von Welle und Zapfen. Sie lautet:
A = D2 / 4 − d2 / 4 = (D2 − d2 )/ 4 = 1571 mm2
Abbildung 51: Berührflächen
Kraftkomponente
zur
Übertragung
der
horizontalen
und
vertikalen
Es wird von einer gleichförmigen Verteilung der Pressung über die Berührfläche
ausgegangen. Damit lautet die Flächenpressung in der vertikalen Kontaktfläche aus der
Horizontalkraft:
FH 4,5  10 3 N
N
pH =
=
= 2,86
2
A 1571 mm
mm2
Die Berührfläche zur Übertragung der vertikalen Kraftkomponente FV ist gekrümmt. Sie wird
daher auf eine Ebene senkrecht zur Kraftrichtung projiziert (Abbildung 51b). Als Pressung
erhalten wir:
7,79  10 3 N
FV
FV
N
pV =
=
=
= 3,90
2
A proj b  d 50  40 mm
mm2
Beide Pressungen erweisen sich hier als gering.
K39: Zwei Rohre sollen wie in Abbildung 52 dargestellt an den Flanschen durch 6
Schrauben (Durchmesser d) miteinander verbunden werden. Die Dichtung zwischen den
Flanschen ist mit Bohrungen (Durchmesser 1,1∙d) zur Aufnahme der Schrauben versehen.
Die Schrauben sollen so angezogen werden, dass auf die Dichtung die Flächenpressung p
wirkt.
Gegeben: da = 250 mm, di = 100 mm, p = 10 N/mm², zul = 400 N/mm²
39
Abbildung 52: Rohrverbindung mit Dichtung
Welcher Schraubendurchmesser d wird benötigt, wenn die zulässige Zugspannung in der
Schraube zul beträgt?
7.2 Hertz’sche Pressung
Die Flächenpressung zwischen Körpern mit gekrümmter Oberfläche lässt sich mit den
Gleichungen von Hertz (1857-1894) berechnen. Diese Beanspruchungsart tritt
beispielsweise in Wälzkörpern (Kugeln, Rollen, Nadeln) und den Laufringen von Wälzlagern
auf.
Betrachtet man die sich berührenden Körper als starr, existiert nur eine punktförmige (bei
Kugeln) oder linienförmige (bei Zylindern) Berührung (Abbildung 53a). Eine Berührfläche ist
dann nicht vorhanden, eine Flächenpressung lässt sich nicht berechnen.
In Wirklichkeit sind die Körper nicht starr sondern deformierbar, sie deformieren sich an der
Kontaktstelle (Abbildung 53b). Es entsteht dann eine Berührfläche, in der die Kontaktkraft
übertragen wird. Die Verteilung der Pressung ist ungleichmäßig, der maßgebende maximale
Wert der Pressung p0 tritt in der Mitte der Berührfläche auf.
Abbildung 53: Berührung zweier Kugeln für a) starres, b) deformierbares Material
Die Voraussetzungen für die Anwendung der Hertz’schen Formeln sind:
▪ Homogenes, isotropes Material,
▪ Gültigkeit des Hooke’schen Gesetzes,
40
Abbildung 54: Pressung zwischen a) Kugeln, b) Zylindern
Ohne weitere Herleitung werden die Hertz’schen Formeln hier direkt angegeben.
Beachten sie die Bezeichnungen in Abbildung 54.
Pressung zwischen Kugel und Ebene oder zwischen zwei Kugeln
a=
3
1 3 FE2
3 Fr (1 −  2 )
, p0 = 3
 2 r 2 (1 −  2 )2
2
E
(31)
Pressung zwischen Zylinder und Ebene oder zwischen zwei Zylindern
a= 8
FE
Fr (1 −  2 )
, p0 =
2r (1 −  2 )
E 
(32)
Anmerkungen:
▪ Der Parameter r in den Formeln ist unter Verwendung des folgenden Zusammenhangs
zu berechnen:
1 1 1
(33)
= +
r r1 r2
▪ Im Falle einer ebenen Oberfläche gilt:
1
=0
r2
(34)
▪ Bestehen die sich berührenden Körper aus unterschiedlichen Werkstoffen, ist der EModul in den Formeln wie folgt zu bestimmen:
E =
2E 1  E 2
E1 + E 2
(35)
Als Querkontraktionszahl wird für diesen Fall  = 0,3 verwendet.
▪ Befindet sich die Kugel in einer Hohlkugel bzw. der Zylinder in einem Hohlzylinder, dann
ist der Radius r2 der/s Hohlkugel/-zylinders mit negativem Vorzeichen einzusetzen.
41
▪ Der Verlauf der Pressungen im Bereich
der Kontaktfläche lautet stets:
p(x ) = p0 
a2 − x2
a
(36)
K40: Eine zylindrische Walze (Gewicht G, Breite b)
hängt an einem Seil und liegt im Punkt A auf einer
kreisförmigen Unterlage auf. Unterlage und Walze sind
aus Stahl. Gehen sie von einer „glatten“ Berührung aus.
Gegeben: G = 30 kN, E = 210.000 N/mm², R = 0,4 m,
b = 0,6 m,  = 45°,  = 64,5°
Bestimmen sie mit den Hertz’schen Formeln die
maximale Pressung p0 und die Kontaktfläche im
Kontaktpunkt A.
Abbildung 55
Hinweis: Erstellen sie zunächst ein Freikörperbild und berechnen die Kontaktkraft in A.
K41: Auf einer unter dem Winkel 
geneigten Rollenbahn einer Förderanlage werden Behälter der Masse m
aus Stahl transportiert.
Die Rollen aus Aluminium haben den
Durchmesser d und die Breite b.
Gegeben: m = 60 kg,  = 5°,
d = 40 mm, b = 10 mm,
Abbildung 56: Behälter auf Förderband
ESt = 210.000 N/mm²,
EAl = 70.000 N/mm², pzul = 80 N/mm²
Wieviel Rollen müssen sich unter der Annahme, dass sich die Last gleichmäßig auf die
Rollen verteilt, mindestens unter dem Behälter befinden, wenn die zulässige Pressung p zul
zwischen Behälter und Rollen eingehalten werden soll?
Merken sie sich zu Flächenpressungen:
▪ Gehen sie bei flächigem Kontakt von Bauteilen davon aus, dass sich die
Berührkraft gleichförmig über die Berührfläche verteilt.
▪ Im Falle von Lochleibungsdruck (Pressung zwischen stiftförmigen
Verbindungsmitteln und Bohrungswand) projizieren sie die gekrümmte
Kontaktfläche auf die Ebene senkrecht zur Kraftrichtung.
▪ Bei punkt- oder linienförmigem Kontakt zwischen Flächen verwenden sie die
Hertz’schen Formeln.
42
Zusammenfassung
Spannungen bei Zug/Druckbeanspruchung
z / d =
Dehnung
=
N
A

0
mit
N: Normalkraft
A: Querschnittsfläche
mit
l0: Stablänge im
Ausgangszustand
l: Längenänderung
Hooke’sches Gesetz
 = E 
mit
E: Elastizitätsmodul
Querdehnung
 q = −  
mit
: Querkontraktionszahl
Längenänderung
 =
mit
EA: „Dehnsteifigkeit“
Wärmedehnung
T = T  T
mit
T: Temperaturänderung
N
EA
T: Wärmeausdehnungskoeff.
Längenänderung bei
therm. und mech.
Beanspruchung
 =  0   T  T +
N 0
EA
Festigkeitsnachweis (Spannungsnachweis):
Spröde Werkstoffe:  zul =
Rm
SB
mit
 vorh   zul
Rm: Zugfestigkeit (auch Bruchspannung B)
SB: Sicherheit gegen Bruch
Zähe Werkstoffe:
 zul =
Re
SF
mit
Re: Streckgrenze (auch Fließspannung F)
SF: Sicherheit gegen Fließen
Statisch unbestimmte Systeme
Zur Berechnung der Reaktionskräfte sind geometrische Verträglichkeitsbedingungen
(Kompatibilitätsbedingungen) zu formulieren. Die Zahl der geometrischen
Verträglichkeitsbedingungen muss dem Grad der statischen Unbestimmtheit entsprechen.
Temperaturbeanspruchung
▪ Statisch bestimmte Systeme deformieren sich, erfahren aber keine zusätzliche
Beanspruchung in Form von Spannungen.
▪ In statisch unbestimmten Systemen führt thermische Beanspruchung zu (zusätzlichen)
Spannungen. Abhängig von der Lagerung können auch zusätzliche Deformationen
auftreten.
Flächenpressung
▪ Berühr(Kontakt-)kräfte verteilen sich gleichmäßig über die Berührflächen oder projizierte
Berührflächen von Körpern.
▪ Bei gekrümmten Oberflächen mit punkt- oder linienförmigem Kontakt wird die
Kontaktpressung mit den Hertz’schen Formeln berechnet.
43
Lösungen zu den Kontrollaufgaben
K1: Weil die Spannungen normal (senkrecht) auf der Schnittfläche stehen.
K2: a) 151 N/mm² , b) 0,123 N/mm²
K3: z =
N
F
N
= 2
= 149,2
A d / 4
mm2
K4: Querschnitt des Stahlseils: A = n 
d2
4
mit n: Zahl der Einzeldrähte
F
F
=
 zul
A n  d2 / 4
z, vorh  zul :

F
130  10 3 N
n
=
= 206,9
 zul  d2 / 4 200 N / mm2    22 mm2 / 4
Es sind mindestens 207 Einzeldrähte erforderlich!
K5: Größte Zugspannung.: z = 47,3
K6:  =

0

N
N
, Größte Druckspg.: d = −38,5
2
mm
mm2
 =    0 = −0,015  3,0 m = −0,045 m = −4,5 cm
Der Stab verkürzt sich um 4,5 cm!
=−
q


q = −   = −0,3  (− 1,5% ) = 0,45 %
K7: Bei elastischem Materialverhalten kommt es nach Entlastung zu einer vollständigen
Rückverformung. Plastische Verformung bleibt auch nach der Entlastung bestehen.
K8: Generell gilt: Je größer der E-Modul desto steifer das Material. Stahl hat in etwa die
dreifache Steifigkeit von Aluminium.
K9:  =
N 0
F0
=
= 6,2 mm
EA
E d2 / 4
44
K10:  =
 =
− 12400 N
N −F
N
=
=
= −16,2
2
2
A
A
7,64  10 mm
mm2
− 12400 N  1500 mm
N 0 − F  0
=
=
= −0,12 mm
EA
EA
210 . 000 N /mm2  7,64  10 2 mm2
Fazit: Die Stabverkürzung ist sehr gering und mit dem Auge kaum wahrnehmbar.
K11: b) Die Kraft F darf maximal 18,0 kN betragen. Dann sind alle zulässigen Spannungen
und die zulässige Längenänderung eingehalten.
K12: Eine Kurve durch ihre Tangente in einem Punkt zu ersetzen ist für infinitesimale
Betrachtungen exakt.
Hier sind die Verschiebungen zwar nicht infinitesimal aber sie werden als sehr klein
angenommen. Daher liegt eine sehr genaue, für technische Betrachtungen ausreichende
Näherungslösung vor, wenn die Kreisbogen durch Tangenten ersetzt wird. Die
Verschiebungen sind dann durch geometrische Überlegungen i.d.R. leichter zu berechnen.
K13: B =
 (117,9 − 100 ) mm
=
= 0,179 =ˆ 17,9%
0
100 mm
K14: a) Sprung, b) kein Sprung, c) Sprung, d) kein Sprung, e) Sprung
K15: Zugspannung im Seil: S = 358,1
N
mm2
Absenkung des Punktes C: w C = 4,5 mm
K16: a) F = 179 kN , b) 
1
= −0,11mm , 
2
= −0,08 mm , c) d = −396
K17: a)
Gleichgewichtsbedingungen:
→:
− S 1  cos  + S 2  cos  = 0
:
S 1  sin  + S 2  sin  − F = 0
mit cos  = sin  =

S1 =
3
F = 222 kN ,
5
S2 =
4
F = 296 kN
5
4
,
5
cos  = sin  =
3
5
N
mm2
45
b)    zul :
S
  zul
A
Stab 1: A 1 
S1
= 9,25 cm2
zul
→
gewählt: U80 mit A1 = 11,0 cm²
Stab 2: A 2 
S2
= 12,33 cm2
 zul
→
gewählt: U100 mit A2 = 13,5 cm²

A
S
 zul
c) Längenänderungen der Stäbe:  1 =
S 1 1
S 
= 3,84 mm ,  2 = 2 2 = 3,13 mm
EA 1
EA 2
uC =  1  cos  −  2  sin  = 1,19 mm ,
wC =  1  sin  +  2  cos  = 4,81 mm
K18: Ermittlung der Streckenlast q: q =   g  A
Normalkraft in der Einspannstelle:
: N − G − q = 0
 N = G + q   = G + gA
Zugspannung: z =
N G
= + g
A A
Die Reißlänge ist erreicht (Seil reißt!), wenn die Zugspannung z der Zugfestigkeit Rm
entspricht:
z = R m :
G
+ g reiß = R m
A

 reiß =
R m − G /A
g
K19: a) G  19,85 kN (Das entspricht einer Masse von ungefähr 2 Tonnen, die an das
Seil noch angehängt werden darf)
b) 
ges
= 391 mm
(Das Seil verlängert sich um beachtliche 39,1 cm)
46
K20: aus Lösung K3:  z,vorh = 149,2

SF =
Re
 z,vorh
= 1,58 , S B =
N
mm 2
Rm
= 2,41
 z,vorh
K21: a) Berechnung der Seilkraft:
A:
S  a − G  B = 0

Zugspannung im Seil: z =
S =G
B
a
S G   B /a
=
A
d2 / 4
Sicherheit gegen Fließen:
SF =
Re
Re
R d2 a
=
= e
4G  B
z
4G  B
2
d a

b) Verlängerung des Seils:  S =
a=
4S F G  B
= 1890 mm = 1,89 m
R e d2
S   S G  B  S /a
=
= 1,22 mm
EA
E d2 / 4
wC
Strahlensatz:
B

wC = 
S

B
a
=
 S
a
= 1,29 mm
K22: Wenn alle äußeren (z. B. Lagerreaktionen) und inneren Kräfte (Stabkräfte,
Schnittgrößen) eines Tragsystems nicht allein mit den Gleichgewichtsbedingungen
berechnet werden können.
47
K23: a) Das Lager A wird einen wesentlich größeren Teil der Lagerkraft abbekommen,
weil Stahl gegenüber dem Aluminium das deutlich steifere Material ist.
b) A = 750 N, B = 250 N
K24: a) S1 = −0,69F , S2 = −0,40F
b) uA = 0,69
F
EA
K25: a) S1 = S2 = 14,9 kN
b) w B = 23,8 mm
K26: a) FV = 87,3 N
b) Fmax = 1065 N
K27: a) S1 = 428,6 N , S2 = S3 = 285,7 N , x = 1,286 m
b) w = 9,8 mm
K28:  =  0   T  T = 1000 mm 24  10 − 6
1
 80 K = 1,92 mm
K
K29: a) Das System ist statisch bestimmt und bleibt daher spannungsfrei. Die Stabkräfte
sind Null.
b) uA = 2,99 mm , vA = 0.
K30:  = − T  T  E = −12  10 − 6
1
N
N
 30 K  210 . 000
= −75,6
2
K
mm
mm2
K31: Die Verformungen aus mechanischer und thermischer Beanspruchung dürfen
superponiert werden.
Verschiebung aus mech. Beanspruchung: wC , G = 1,29 mm (siehe Lösung K21)
Verschiebung aus Temperaturbeanspruchung:
Seilverlängerung:  S =  S   T  T = 0,59 mm
Verschiebungsfigur siehe Lösung K21
wC , T =  S 
B
= 0,62 mm
a

WC = wC , G + wC , T = 1,29 mm + 0,62 mm = 1,91 mm
48
K32: T = 59,6 K.
K33: a) St,T = −60,7
N
N
, Al,T = −85,0
2
mm
mm2
b) Die gesuchten Spannungen ergeben sich aus der Überlagerung der Spannungen aus
der thermischen und mechanischen Beanspruchung:
St = −62,1
N
N
, Al = −84,4
2
mm
mm2
Fazit: Die Beanspruchung durch die Kraft F fällt hier kaum ins Gewicht.
K34: a) Querschnittsflächen:
Aluminium: A Al =
  (14 2 − 112 ) mm2
  10 2 mm2
= 78,5 mm2 , Stahl: A St =
= 58,9 mm2
4
4
Gleichgewichtsbedingung:
:
NAl + NSt = 0
(I)
Geometrische Verträglichkeit:
 Al =  St :

   T , Al  T +
N 
NAl
=    T , St  T + St
(EA )Al
(EA )St
NSt
NAl
−
= ( T , St −  T , Al )  T
(EA )Al (EA )St
(II)
Die Gleichungen (I) und (II) bilden ein Gleichungssystem zur Berechnung der Normalkräfte
in Schraubenschaft und Buchse. Die Lösung des Gleichungssystems lautet (T = -70 K):
NAl =
(
NSt = −
T , St
(
−  T , Al )  T  (EA )Al (EA )St
= 3196 N
(EA )St + (EA )AL
T , St
−  T , Al )  T  (EA )Al (EA )St
= −3196 N
(EA )St + (EA )AL
Spannungen:  Al =
N
N
NAl
N
, St = St = −54,3
= 40,7
2
A St
mm2
A Al
mm
b)  =  Al =  St =    T , Al  T +
N 
NAl
=    T , St  T + St = −0,11 mm
(EA )Al
(EA )St
49
K35: Gleichgewichtsbedingungen:
:
B:
BV − S1 − S 2 − F = 0
(I)
− S 1  0,8 − S 2  1,4 + F  3,0 = 0
(II)
Geometrische Verträglichkeit:
Strahlensatz:
 1  2
=
0,8
1,4
mit  1 =    T  T +
(III)
S 1
S 
,  2 =    T  T + 2
EA
EA
(IV)
S 1 0,8 
S 
=
    T  T + 2 
EA 1,4 
EA 
(V)
(IV) in (III):    T  T +
Lösung des linearen Gleichungssystems mit den Gleichungen (II) und (V):
S 1 = −1,66 kN ,
S 2 = 32,1 kN
Spannungen in den Stäben: 1 =
S
S1
N
N
, 2 = 2 = 128,4
= −6,6
2
A
A
mm
mm2
50
K36: a) Die Aluminiumstange kann befestigt werden, wenn die Verlängerung l dem
Fehlmaß  entspricht:
 = ( −  )   T , Al  T
 =  :

T =

= 10,7 K
( − ) T , Al
b) Vor dem Einbau der Aluminiumstange (Zustand „0“) betragen die Stabkräfte in den
Kupferstangen:
S Ku, 0 =
1
G = 2,50 kN
2
Nun wird die Aluminiumstange spannungsfrei eingebaut und anschließend um T = -10,7 K
abgekühlt. Die daraus resultierenden Stabkräfte sind mit den Stabkräften vor dem Einbau
zu überlagern. Wir betrachten bis auf weiteres nur den Temperaturlastfall.
Gleichgewichtsbedingung:
:
S Al + 2S Ku = 0
(I)
Geometrische Verträglichkeit: Aufgrund der Symmetrie des Systems wird sich der Balken
nicht verdrehen. Damit erfahren alle Stäbe die gleiche Längenänderung:
 Al =  Ku :
   T , Al  T +
S 
S Al  
= Ku
(EA )Al (EA )Ku
(II)
Lösung des linearen Gleichungssystems (Gleichungen (I) und (II)) liefert die Stabkräfte aus
dem Temperaturlastfall:
S Al =
− 2 T , AlT (EA )Ku
 T , AlT (EA )Al
= −2,92 kN
= 5,83 kN , S Ku =
1 + 2(EA )Ku /(EA )Al
2 + (EA )Al /(EA )Ku
Die Stabkräfte nach der Abkühlung (Zustand „1“) lauten:
S Al,1 = S Al,0 + S Al = 0 + 5,83 kN = 5,83 kN
S Ku,1 = S Ku,0 + S Ku = 2,50 kN − 2,92 kN = −0,42 kN
Fazit: Das Fehlmaß bei der Aluminiumstange führt dazu, dass die Kupferstangen am Ende
des Abkühlungsvorgangs sogar druckbeansprucht sind. Sie tragen den Balken somit nicht
mehr, das Gegenteil ist der Fall: Sie drücken den Balken zusätzlich nach unten. Das
Fehlmaß sollte hier kleiner gewählt werden!
K37: S1 = 6,46 kN , S2 = −8,44 kN
51
→:
K38: Gleichgewicht:
− S 1  cos  + S 3  cos  = 0
 S1 = S 3
: S1  sin  + S2 + S3  sin  = 0

2S1  sin  + S2 = 0
(I)
Geometrische Verträglichkeit (Kompatibilität):
 2  sin  = 1
(II)
mit
 1 =
S 1  1
S   /sin 

+  T  T   1 = 1
+  T  T 
EA
EA
sin 
(III)
 2 =
S 2  2
S 
+  T  T   2 = 2 +  T  T  
EA
EA
(IV)
(III) und (IV) in (II) einsetzen:
S 1   / sin 

S 2  

+  T  T 
 EA +  T  T   sin  =
EA
sin 
(V)
Lösung des linearen Gleichungssystems mit den Gleichungen (I) und (V):
cos 2   sin 
cos 2 
S 1 = −EA   T  T 
= −17,5 kN , S 2 = 2 EA   T  T 
= 18,5 kN
1 + 2 sin 3 
1 + 2 sin 3 
K39: Fläche der Dichtung:
AD =
  (1,1d)2  2
da 2 di2
−
−6
= da − di2 − 7,26 d2
4
4
4
4
(
)
Ermittlung der Presskraft F, die benötigt wird, um die Pressung p zu erzeugen:
p=
F
AD
 F = p  AD
52
Die Presskraft F wird durch Anziehen der Schrauben aufgebracht und verteilt sich als
Zugspannung auf die 6 Schraubenquerschnitte mit der Querschnittsfläche AS:
F
p  AD
z =
=
=
6 A S 6d2 / 4
p
(
)
 2
da − di2 − 7,26 d2
1 da 2 − di2 − 7,26 d2
4
=
p
6d2 / 4
6
d2
Festigkeitsnachweis für die Schraube:
1 da 2 − di2 − 7,26 d2
p
 zul
6
d2
z  zul :

d
da 2 − di2
= 14,6 mm
6   zul /p + 7,26
K40: Kontaktkraft: NA = 22,50 kN
Pressung zwischen Zylinder und Hohlzylinder:
Die Berührfläche im Punkt A:
p0 = 50,8
N
mm2
A A = 564 mm2
K41: n  8,4
Es müssen sich stets mindestens 9 Rollen unter dem Behälter befinden.
Literatur:
[1] Dubbel – Taschenbuch für den Maschinenbau, 23. Auflage. Grote, K.-H., Feldhusen, J.
(Hrsg.), Springer-Verlag.
[2] bauforumstahl e. V. – Querschnittswerte [pdf-Dokumente online]. Verfügbar unter
http://www.bauforumstahl.de/Querschnittswerte [6.12.2013]
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