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ethik 2018 stockhammer 15082018

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Titel der Prüfungsarbeit
Welche Ableitungen aus der Ethik ergeben sich für die
zwischenmenschliche Kommunikation?
Verfasser
Thomas Peter Wilfried Stockhammer
Magister in Mediation und Konfliktbearbeitung (Mag.)
Wien, am 15. August 2018
emca-campus Leobersdorf
Prof. PhDr.Dr.Dr.Dr. Christa Zuberbühler, MEd MBA MPA MSc
1
Inhalt
1. Einleitung
1.1.
Fragestellung und Struktur
1.2.
Definitionen der Zwischenmenschlichkeit, Arten der Kommunikation
1.3.
Kommunikation als soziale Interaktion oder Beziehungsintervention
1.4.
Themenbereichsgliederung in der Anwendung
3
3
5
6
2. Exposition:
2.1.
Idee der Wechselwirkung
2.2.
Ethik in der sozialen Kommunikation
2.3.
Ethik in der Marktkommunikation
2.4.
Ethik in der öffentlich/institutionellen Kommunikation
2.5.
Ethik und Psychotherapie
6
7
8
10
11
3. Reflexion
3.1.
Problemstellung Euphemismus versus Wahrheitsbegriff
3.2.
Wahrnehmung und Entwicklung Ethik versus Compilance
11
12
4. Quellenverzeichnis
13
Prüfungsarbeitarbeit EMCA Campus Leobersdorf (2018)
2
1. Einleitung
1.1.
Fragestellung und Struktur
Die Fragestellung nach den „Ableitungen aus der Ethik“ eröffnet sehr differenzierte
Themenkreise, deren vorherige Aufarbeitung Not tut, bevor ich mich der Beantwortung der Frage nach der Auswirkung auf „zwischenmenschliche Kommunikation“ widmen werde.
Der vorgegebene Inhaltsumfang von äußerst 15 Seiten schränkt die eingehende Behandlung dahin gehend ein, als überblicksartige Beleuchtung historischer, philosophischer und gesellschaftlicher Relevanz vorgenommen wird.
Struktural werde ich mich daher
– auf Begriffdefinitionen und deren Ableitung,
– auf Eigenschaften zwischenmenschlicher Kommunikation,
– auf Formen ethischer Grundsätze sowie
– deren Anwendungen und Entwicklungen
konzentrieren.
Methodische Ansätze sowie praktische Beispiele runden die Beobachtung der Fragestellung schlussendlich ab.
1.2.
Zwischenmenschlichkeit und Arten der Kommunikation
Beginnend mit dem lateinischen Begriff com-municare1 ergibt sich bereits die Reichhaltigkeit der deutschen Bedeutung im Wort Kommunikation. Mun-ire bedeutet im
weitesten Sinn des Wortstammes zusammenhängen, befestigen. Davon abgeleitet
werden Begriffe wie mun-i-cipio, als Stadtgemeinde – wörtlich als die „zusammengefassten“ von capio (=fangen), der mu(n)-rus, also die Mauer selbst, leitet sich vom
selben Wortstamm ab und mun-io bedeutet Pflicht, mun-us habere ein Amt bekleiden.
Com-mun-icare bedeutet daher mit der verbindenden Vorsilbe co(n)-, dieses verbundene Gebilde mun- untereinander zu teilen, Neudeutsch etwa zu sharen. Als christhistorisches Beispiel klingt etwas Abscheu mit, wenn von ex-com-mun-icatio die
Rede ist. Jemand (in Ungnade Gefallener) wird also ex(tra) mu-ros, also aus der Gemeinschaft gestoßen, sozusagen von der Kom-mun-ikation ausgeschlossen.
1 Stowasser, 1982, Wörterbuch Lateinisch-Deutsch
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Da Exkommunikation nicht nur aus Furcht von Gesellschaft oder Machthabern gegen
jene, die wider die Regeln handelten, sondern durchaus als Strafe (also die Wegnahme von Nährendem) eingesetzt wurde, kann umgekehrt davon ausgegangen
werden, dass jedes Individuum Kommunikation anstrebt. Andernfalls würde der Vorenthalt von Kommunikation nicht als Strafe erlebt werden können.
Daraus ergibt sich die Annahme eines Menschen als kommunizierendes, als kommunizieren-wollendes Wesen, auf dessen Bedürfnisse in der Folge Bezug genommen
wird.
Die Beschränkung der Fragestellung auf die Zwischenmenschlichkeit der Kommunikation stößt dennoch ein weites Feld auf, nicht nur deshalb, weil die Möglichkeiten
der zwischenmenschlichen Kommunikation durch technische Entwicklung der letzten
zwei Jahrhunderte eine Loslösung der Unmittelbarkeit der Kommunikation ermöglicht
hatte, sondern auch, weil durch den höheren Bildungsstand mehr Chancen zur Teilhabe und Teilgabe an Kommunikation geboten werden.
So erwuchsen verschiedene Arten der Kommunikation aus archaischer Körpersprache, aus der andropologischen Formung der Stimmbänder und aus dem kontrollierten Einsatz des Klanges der menschlichen Stimme bis hin zu Verbindung einzelner
Laute zu einer akustischen Begriffsformung. Grundlagen zwischenmenschlicher
Kommunikation waren geschaffen, die über Jahrtausende ausreichten, um rudimentäre, später prosperierende Siedlungs- und Kulturstrukturen zu ermöglichen.
Mit der Entwicklung der Schrift, etwa aus Piktogrammen ähnlich der Höhlenmalerei
aus Lascaux2, wurde „etwas Bleibendes“ geschaffen. Denn Menschen konnten mit
den bildlichen Mitteilungen interagieren, darauf reagieren oder gar lernen. Auch
Macht und Politik kristalliert leicht an graphischen Symbolen, wie schon der Blick an
die Zerstörung der Relief-Kartuschen3 des Gott-Pharaos Amun zeigt, nachdem seine
Herrschaft geendet hatte. Mit der Zerstörung der graphischen Symbole sollte er über
den Tod hinaus mund-tot gemacht werden, sozusagen der weiteren Kommunikation,
und damit jeder Macht über künftiges Wirken, beraubt.
Diese Methodik zeigt sich – sehr technik-unabhängig – im Sprengen4 und folgendem
Verbieten der Symbolik des Nationalsozialismus nach Ende des Weltkrieges bis zur
aktuellen Diskussion des „Rechts auf Vergessen5“ als Aspekt des Datenschutzes zur
Google-Löschung persönlicher Daten.
2
3
4
5
Höhlenmalerei www.lascaux.fr/de
wikipedia.org/wiki/Kartusche_(Altes_Ägypten)
Sprengung auf dem Zeppelinfeld hitlers-ruinen.de/wp-content/uploads/sprengung_neu.jpg
Recht auf Vergessen www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/172/Seite.1720450.html
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Eine allgemein gültige Definition für den Begriff Ethik, wie in der Fragestellung erwähnt, existiert jedoch nicht. Dies war auch in DDr. Matthias Becks Seminarvortrag
am EMCA-Campus „Grundfragen der Ethik“ einer der wesentlichen Inhalte. Vordenker ethischer Thematik wie Sokrates’ „Ich weiß, dass ich nichts weiß“6, René Descartes’ „Cogito ergo sum7 (Ich denke/erkenne, also bin ich)“ sowie Immanuel Kants8
„Kategorischer Imperativ“, aber auch Autoren kirchlicher Leitsätze schienen sich die
Köpfe über diese Themen ebenso ergebnislos zerbrochen zu haben.
1.3.
Kommunikation als soziale Interaktion und Beziehungsintervention
Im Hinblick auf Paul Watzlawicks erstes Axiom seines Kommunikationsmodells, „Man
kann nicht nicht kommunizieren“9 erleben wir wiederum den Hinweis auf einen Menschen mit der Motivation zu kommunizieren. Denn denklogisch würde dem Individuum die Existenz geraubt, wäre die Kommunikation unmöglich.
Ohne im Weiteren auf ein ziemlich theoretisches Beispiel einer solipsistischen Existenz einzugehen, ist Kommunikation auf Wechselwirkung ausgerichtet. Man „will“
also etwas mit eigener Kommunikation bewirken. Einen Reiz, eine Reaktion, einen
Auslöser und so weiter, jedenfalls immer eine Wechselwirkung. Als Zweck leitet
Watzlawick im selben Modell durchaus einen Lustgewinn für das Selbst ab, was sich
auch in zahlreichen Publikationen Sigmund Freuds widerspiegelt.
Diese soziale Interaktion nimmt in Form der beschriebenen Intervention Bezug auf
die persönliche Beziehung zu anderen Menschen.
In der menschlichen Entwicklungspsychologie wird für diese Wechselwirkung bereits
ab dem vierten Lebensmonat aktiv interveniert, siehe „Still-Face-Experiment“10. Der
Wunsch nach Beziehung scheint also weit prioritärer im menschlichen Wesen verankert zu sein als beispielsweise das Erkennen des eigenen Ichs und damit des SelbstBewusstseins, etwa mittels des Spiegelbilds (etwa um das siebte Lebensmonat).
In der weiteren Kindesentwicklung erlangen soziale Regeln und Hemmnisse, nennen
wir sie „Erziehung“, aber auch das Erfahrungslernen großen Einfluss auf die (soziale)
Kommunikation. Kulturelle, genderbezogene und gesellschaftliche Einflüsse wirken
hier stark unterschiedlich ein, nennen wir dies nun den „ethischen Einfluss“.
Auch hier ist nun nicht von „der“ einheitlich gültigen Ethik die Rede, sondern von Verhalten, das auf Basis sozialer, individualhistorischer, situativer und kognitiver Rahmenbedingungen entwickelt wird.
6
7
8
9
10 Edward Z. Tronick, 1975
Platons Apologie, Sokrates (469-399 v.Chr.)
René Descartes (1596-1650)
Immanuel Kant (1724-1804)
Paul Watzlawick (1921-2007), www.paulwatzlawick.de/axiome.html
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1.4. Themenbereichsgliederung in der Anwendung
Als Übersicht einer Gliederung stellen sich folgende Bereiche zwischenmenschlicher
Kommunikation wesentlich dar:
– unmittelbare Kommunikation
• direkt, persönlich, dialogisch
• Körpersprache (auch Tanz, Musik)
• Laute, Sprache…
– mittelbare Kommunikation
• indirekt, sequentiell wechselwirkend
• Schrift, technische Medien
• Bilder, Filme
• Taten…
2. Exposition
2.1.
Idee der Wechselwirkung
Eine auf Wechselwirkung aufgebaute zwischenmenschliche aktive Kommunikation
auf Basis persönlicher Motive würde rasch zu Konflikten mit „den anderen“ führen.
Diese Konflikte könnten im schlechtesten Ergebnis die „Ex-Kommunikation“ mit sich
bringen. Der Mensch als vernunftbeseeltes Wesen11 verfügt, sofern nicht entsprechende psychische Störungen hinderlich wirken, über die Fähigkeit der Empathie.
Diese ermmöglicht ihm, Reaktionen „der anderen“ vorherzusehen. Die Verhaltenstherapie spricht hier von „den wichtigen anderen“12, denn in der Regel beschränkt
sich die zwischenmenschliche Kommunikation auf ein direktes Umfeld, in dem mit
einer Wechselwirkung zu rechnen ist.
Diese Wechselwirkung wird auf Basis der eigenen Wünsche im Idealfall herbeigeführt, um das eigene Lustempfinden zu erhöhen.
Und genau hier entsteht eine schmale Grenze zwischen Manipulation und Fremdmotivation. Also die ethische Fragestellung zur Kommunikation.
Ein durchaus archetypisches Beispiel: Ein Mann begehrt eine Frau. Sozial hat er jedoch gelernt, dass der simple Ausdruck des Begehrens in „eher nicht“ zur Befriedigung dieses Bedürfnisses bringt. Denn umgekehrt hat die Frau sozial gelernt, dass
das Stattgeben des möglicherweise spiegelnden Begehrens zu einer Zeugung führen
11 Wenz, 2007, Gott: Implizite Voraussetzungen christlicher Theologie, S. 286
12 Parfy, Schuch, 2002, Verhaltenstherapie
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kann, welche zu Problemen führen könnte, sofern nicht davon auszugehen ist, dass
der Mann danach an einer Beziehung interessiert ist, um dem Bedürfnis der Versorgung zu entsprechen. Um dieser Sorge zu begegnen, verschleiert der Mann sohin
zunächst seine wahre Absicht und macht Geschenke und Komplimente, zeigt also
fürsorgliches Verhalten über einen zumindest so langen Zeitpunkt, als die Frau ihm
„das Bleiben danach“ zugesteht. In diesem Fall wird das Ziel im Idealfall gemeinsam
erreicht. Es sind natürlich in anderen Fällen andere Ziele der Wechselwirkung denkbar.
Wir können in diesem Beispiel zahlreiche manipulative Methoden erkennen, die man
durchaus als „unmoralisch“ bezeichnen könnte, im Wesentlichen auch als ethisch
fragwürdig. Jedoch hätte es wohl selten einen partnerschaftliche Beziehungsaufbau
gegeben, würden es Menschen nicht „aushalten“, im Sinne eines „höheren“ Zweckes
rein ethisches Verhalten zu verletzen.
R.F. Bales nennt dies in seiner Interaktionsanalyse13 sinngemäß eine durch Kommunikation beeinflusste gemeinsame Verhaltensänderung, wobei sich alle wechselwirkenden an ihren jeweiligen Erwartungen und situativen Handlungskonzepten
orientieren.
Inwieweit kann die schmale Grenze zur Manipulation also mit einer ethischen Grundhaltung vereinbart werden bzw. auf welche Bereiche ist diese anwendbar?
Wiewohl das Thema breit aufzustellen ist, konzentriere ich mir in dieser Arbeit auf
vier zentrale Bereiche, die für die Fragestellung relevant erscheinen.
2.2.
Ethik in der sozialen Kommunikation
Im Rahmen seines Vortrages bezog sich DDr. Matthias Beck im Querverweis auf Publikationen der katholischen Kirche, wie auch im vorliegenden Skriptum erkennbar
hervorgeht. Im Päpstliche Rat für soziale Kommunikationsmittel14 wird wohl mit dem
Gedanken an das Eisbergmodell15 in seinen zahlreichen Anwendungen Bezug genommen, in dem vermerkt wird, dass „die für die ethische Frage von zentraler Bedeutung sind, werden nicht nur von den Kommunikationsempfängern — Zuschauern,
Hörern, Lesern — getroffen [werden], sondern insbesondere von denjenigen, die die
sozialen Kommunikationsmedien kontrollieren und über ihre Strukturen, ihre Politik
und ihren Inhalt entscheiden.“ (Päpstlicher Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel, Aetatis novae 2, Vatikanstadt, 2000)16
13
14
15
16
Robert Freed Bales, 2001, Social Interaction Systems: Theory and Measurement
vatican.va/roman_curia gekürzte URL: https://bit.ly/2MobtXB
wikipedia.org/wiki/Eisbergmodell und weiterführende Quellen
vatican.va/roman_curia gekürzte URL: https://bit.ly/2MobtXB
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Wiewohl dieses Eisbergmodell auch in den folgenden vier Themenpunkten passend
scheint, so sehr zeigt sich, dass im persönlichen Umfeld die unbewussten Motivationen und Wünsche stärkeren Niederschlag finden können, als im wissenschaftlichen
oder öffentlichen Bereich. Dies wohl auch deshalb, weil in letzteren Bereich mittlerweile strenge Verhaltensregeln und Normen eingeführt wurden, welche als Compliance strikter Kontrolle unterworfen werden. In familiär/regionalen BekanntschaftsClustern oder Peer-Groups gelten weniger restriktive Normen, die zusätzlich durch
Generationen und kulturelle Einflüsse einem starken Wandel unterlegt sind. Als ethi-
sche Beobachtung im persönlichen Umfeld, das durchaus von zeitgemäßem Handeln und Denken geprägt ist, stelle ich eine differenziertere Ausdrucksweise,
vorwiegend auf dem Bereich des Gender und Diversity-Feldes fest, bei gleichzeitigem Beibehalten des individuellen Verhaltens und Wunschdenkens. Als Beispiel sei
genannt, dass keine Menschen wegen ihrer internationalen Herkunft und/oder sexuellen Orientierung gering geschätzt werden, gleichzeitig finden sich im engen familiär/sozialen Umfeld kaum Vertreter derartiger Gruppierungen wieder. Menschen mit
Migrationshintergrund finden zeitweise Eingang in eine (höflich distanzierte) Kommunikation, die sich vorwiegend um biographische Fragen etwa zum Herkunftsort, den
Ernährungsgewohnheiten oder „Heimreisen“ drehen, jedoch weniger zum Gefühlserleben, religiösen und politischen Einstellungen oder gar einem folgenden Treffen „bei
einem Bier“. Insofern zeigt die persönliche Beobachtung eine Steigerung ethischer
Grundhaltung bei gleichzeitigem Beibehalten eines exkludierenden Sozialverhaltens.
Als mögliche Gründe erkenne ich das individuelle Bedürfnis, „schwierige Themen“ in
der Freizeit nicht anzusprechen oder die Vermeidung der Äußerung einer möglicherweise im Beisein „Fremder“ nicht-kompatibler Einstellungen und Meinungen.
Da Sprache das Denken formt, hege ich die Hoffnung, dass die erwähnte Differenzeirung der Sprache mit der Zeit dazu beiträgt, auch ein Mehr an ethischem Handeln zu
erreichen.
2.3.
Ethik in der Marktkommunikation
Marktkommunikation stellt eine besondere Art der zwischenmenschlichen Kommunikation dar. Umso mehr, als durch die Technik seit den 1990ern gefördert immer stärker responsible Elemente einfließen. Daher kann hier schon lange nicht mehr platt
von „Werbung“ gesprochen werden. Stichworte wie Micro-Targeting17, Data-BaseMarketing, 1to1- und Digital-Marketing18 zeigen, dass es für Unternehmen heute
längst nicht mehr ausreicht, „irgendwo irgendwas“ zu schalten, um ihre Produkte zu
17 Microtargeting, H.Böll-Stiftung, 2017, boell.de/de/2017/02/09/microtargeting-digitales-marketing
18 zum Beispiel: Google Academy Squared Online (Avado), www.wearesquared.de
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verkaufen. Rechtliche Belange scheinen hier hinterher zu hinken, die aktuelle, stark
verkürzte, aufgeheizte Diskussion der DSGVO19 geht meiner Meinung nach am
Thema vorbei, zumal sie nur einige wenige, wenngleich wichtige Aspekte beleuchtet.
Weitere legistische „Updates“ aus den USA (Stichwort ePrivacy20) werden in punkto
Datenschutz noch viel restriktiver vorgehen, jedoch gleichzeitig technische und legistische Hintertüren öffnen, mit denen der Nutzer heute noch gar nicht rechnet, siehe
Artikel in der FAZ vom 27.5.201821.
Eine der führenden internationalen Werbeagenturen McCann22 folgt seit den 1920er
Jahren dem Motto des legendären Graphikers Raymond Loewy „Truth well told“. Fast
alle Design- und Werbetreibenden weltweit orientieren sich an ähnlichen Leitsätzen,
ohne die sie wohl nicht lange am Markt verbleiben könnten. Lesen wir hier nicht eine
bewusste Verkürzung, ja, Verzerrung der „Wahrheit“? Was, wenn ein Produkt in
Wahrheit gar nicht so „well“ ist? Welche und wie viele möglicherweise negative Aspekte darf ich weglassen, um immer noch bei der „Truth“ zu bleiben?
Stellen wir also die Frage nach der Ethik in der Kommunikation, so stehen wir plötzlich an der Definition eines Wahrheit-Begriffes, den uns jedoch kein Philosoph bieten
kann. Oder will. Denn Fakten allein bilden nicht die „ganze Wahrheit“ ab. Auch die
vierte Dimension grätscht uns ins Thema: „Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“. Und
selbst dieses Zitat wird „in Wahrheit“ vielen zugeschrieben. Der wohl älteste ist der
römische Autor Aulus Gellius (um 130-180 n.Chr.).
Ethik in der Marktkommunikation also am Ende?
Nicht ganz. Jedenfalls nicht mehr oder weniger als vor einigen Jahrzehnten. Konsumenten werden differenzierter, siehe voriges Thema. Sogenannte „Gutmenschen23“
gelten weiland nicht unbedingt als sympathisch, aber jedenfalls als Innovatoren, was
Bewusstseinsbildung betrifft. Ethische und nachhaltige Produkte wachsen in ihrem
Bereich stärker als sogenannte Industrieware. Ohne hier in Begeisterung zu verfallen, denn auch auf den „ethischen Produktsektor“ hat sich eine Marketingindustrie
versammelt, mit all denselben Methoden. Aber... wäre es unethisch, mit ethischen
Mitteln unethische Produkte zu verdrängen?
Dass Ethik in Unternehmen und Bildung auf dem Vormarsch ist, zeigt die GoogleAcademy24, bei der ich im Vorjahr eine intensive Ausbildung zum Digital Marketing
Manager absolvierte. Ein Modul von fünfen beschäftigte sich mit Ethik in der digitalen
Welt. Gerade von diesem Absender hätte ich dies zunächst nicht erwartet.
19 DSVGO Ratgeber der WKO dsgvo.wkoratgeber.at
23 DerStandard.at, 24.10.2012, https://bit.ly/2w85gYC
20 Barbara Steinbrenner, DiePresse.com, gekürzte URL: https://bit.ly/2KVBlIf 24Google Academy Squared Online, www.wearesquared.de
21 Patrick Bernau, faz.net 18.5.2018, gekürzte URL: https://bit.ly/2L2pOrk
22 McCann Ericksson Werbeagentur, die Story, www.mccann.de/about/story/
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2.4.
Ethik in der öffentlichen/institutionellen Kommunikation
Ein wesentlicher Schritt zu ethischem Handeln im staatlichen Absender war das
Gleichbehandlungsgesetz von 197925, das wesentliche, bis dahin inexistente Themen
regelte. Nach üblichen Jahren der Ratifizierung und Umsetzung haben diese Themen
mittlerweile Einfluss genommen auf sämtliche Ausschreibungen, das Handeln, das
Sprechen und damit die gesamte Kommunikation staatlicher Institutionen in Österreich. Innerhalb der EU gibt es vergleichbare Regelungen, was allerdings den Rah-
men hier sprengen würde.
Gleichbehandlung ist nicht nur das Binnen-I. Auch ich selbst bin davon kein Anhänger, sei es aus orthographischen, typographischen oder Lesbarkeits- und damit Verständnisgründen. Und hier erkenne ich einen wesentlichen Widerspruch zur
ursprünglichen Idee ethischen Handelns in staatlicher Kommunikation mit der Praxis.
Denn schlechte Verständlichkeit ist schlechte Kommunikation. Sie erhöht Barrieren,
lenkt ab und regt „die dunklen Bereiche“ des Eisbergs an, präsent zu werden: Ablehnung, Widerstand. Mit Kalkül oder passiert? In den letzten Jahren wurde der GenderGap selbst im öffentlichen Bereich Österreichs real nicht kleiner. Eine echte
Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts. Aber es wurden zig Artikel über Pros
und Cons des Binnen-I und gendergerechter Schreibweise26 (also formalen mittlbaren Kommunikationsmitteln) publiziert. Ist es ethisch, Formales über Inhaltliches zu
stellen und damit breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu verlieren? Die Abwahl der
Grünen Partei aus dem Nationalrat zeigte, dass hier ein Sündenbock gesucht wurde.
2.5.
Ethik und Psychotherapie
Diese Bereich zeigte sich bei schneller Betrachtung wohl nicht sofort in den Fokus.
Dennoch zeigt das Psychotherapiegesetz von 1990 strenge ethische Normen auf,
die sich im Menschenbild und in der Methodik wiederfinden. Sofern sich ethische
Fragen in der Psychoanalyse historisch um die ungelöste Kontroverse zwischen Sigmund Freund dem Gründer der „Budapester Schule“ Sandor Ferenczi28 sich am
Thema der Übertragung/Gegenübertragung kristallierten, erkennen an diesem Extrembeispiel. Ist eine therapeutische Gegenübertragung (mit einer Patientin) ein unethischer Missbrauch oder eine Methode zur Heilung? Das Psychotherapiegesetz
folgte sinnhafterweise Freud und schloss derlei Möglichkeiten unter Androhung des
Ausschlusses (siehe Ex-Kommunikation) aud der Psychotherapeutenliste aus.
Die hehren Ziele und Regeln der einzelnen Psychotherapieschulen, sich in Wert25
26
27
28
Gleichbehandlungsanwaltschaft Österreich, gekürzte URL https://bit.ly/2KUnBO4
Gender& diversityfreundlich Medien gestalten, gekürzte URL https://bit.ly/2Bddapl
Psychotherapiegesetz 1990, www.jusline.at/gesetz/psthg
Sandor Ferenczi (1873-1933), wikipedia.org/wiki/Sándor_Ferenczi
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schätzung, Achtsamkeit und gemäß den Feedback-Regeln zu äußern, werden leider
nicht immer in der Anwendung gespiegelt. Hohe Zahlen an Burn-Out infolge starken
institutionellen Drucks auf die einzelnen Psychotherapeutinnen und -Therapeuten
„als Triplett von emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung/Dehumanisierung und
reduzierter persönlicher Leistungsfähigkeit“29 fanden Einzug in wissenschaftliche Arbeiten. Inwiefern eine Erhöhung bzw. Verfeinerung der ethischen Regel- und Verhaltenswerke hier Linderung oder Heilung versprechen kann, entzieht sich meiner
Einschätzung.
3. Reflexion
3.1.
Euphemismus versus Wahrheitsbegriff
„Der Euphemismus betrügt um die Wahrheit des Schreckens“, so stellt es der Deutsche Hochschulverband 2011 in seinem Buch „Glanzlichter der Wissenschaft: Ein Almanach“30 auf den Punkt.
Die ethische Begutachtung ausschließlich der Form, also die euphemistische Umbenennung „des Schreckens“ wird wohl wenig ändern im Verhalten des Menschen. Und
widerspräche damit doch eigentlich dem Grundsatz der Kommunikation zu Beginn
dieser Arbeit. Teile der Kommunikation könnten wir In-formation nennen. In-Form gebrachte Stücke der Kommunikation.
Birgt die Demokratie die ethische Gefahr ist sich, alles mehrheitlich abzustimmen?
Wahr ist, was viele denken? Hat Bruno Kreisky nicht geäußert, Demokratie gerate an
ihre Grenzen, wo es heiße, heikle Fragen (etwa die Todesstrafe31) zu entscheiden?
Auch diese Thematik könnte weit intensiver in einer gesonderten Arbeit erörtert werden. Daher vermeide ich es, hier den Rahmen zu sprengen.
29 Thieme, Krankenhauspsychiatrie, 2006, gekürzte URL https://bit.ly/2KXo5D7
30 Dt. Hochschulverband, 2011, Glanzlichter der Wissenschaft: Ein Almanach
31 Rathkolb, 1975, Paradoxe Republik, S. 71
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3.2.
Wahrnehmung Entwicklung Ethik versus Compliance
Werden ethische Fragen aufgrund ihrer selbst beantwortet? Führen firmeninterne
Verhaltensregeln zu einer Verhaltensänderung im Privateben? Inwieweit führen USimportierte Moden zur staatlichen Beeinflussung des bürgerliche Individuums? Welchen Mechanismen folgen „Gold-Plating“32, also die Übererfüllung von Gesetzen und
Verordnungen im staatlichen Bereich? Führt eine Abschottung aus dem digitalen
leben zu einer Vermeidung der digitalen Überwachung? Welche Auswirkungen haben
strenge Regeln auf die Entwicklung Jugendlicher und ihren pubertären Widerstand?
Inwieweit führt Consumer-oriented Marketing zu zyklischem, vorhersehbar kalkulierbaren Kaufverhalten im Moment-Of-Truth?
Themen für folgende Arbeiten?
32 DerStandard.at, 7.4.2018, verkürzte URL: https://bit.ly/2vNhJkX
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4. Quellenverzeichnis:
1 Der kleine Stowasser, 1982, Wörterbuch Lateinisch-Deutsch
2 Höhlenmalerei www.lascaux.fr/de
3 wikipedia.org/wiki/Kartusche_(Altes_Ägypten)
4 Sprengung auf dem Zeppelinfeld hitlers-ruinen.de/wp-content/uploads/sprengung_neu.jpg
5 Recht auf Vergessen www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/172/Seite.1720450.html
6 Platons Apologie, Sokrates (469-399 v.Chr.)
7 René Descartes (1596-1650)
8 Immanuel Kant (1724-1804)
9 Paul Watzlawick (1921-2007), www.paulwatzlawick.de/axiome.html
10 Edward Z. Tronick, 1975
11 Wenz, 2007, Gott: Implizite Voraussetzungen christlicher Theologie, S. 286
12 Parfy, Schuch, 2002, Verhaltenstherapie
13 Robert Freed Bales, 2001, Social Interaction Systems: Theory and Measurement
14 vatican.va/roman_curia gekürzte URL: https://bit.ly/2MobtXB
15 wikipedia.org/wiki/Eisbergmodell und weiterführende Quellen
16 vatican.va/roman_curia gekürzte URL: https://bit.ly/2MobtXB
17 Microtargeting, H.Böll-Stiftung, 2017, boell.de/de/2017/02/09/microtargeting-digitales-marketing
18 Google Academy Squared Online (Avado), www.wearesquared.de
19 DSVGO Ratgeber der WKO dsgvo.wkoratgeber.at
20 Barbara Steinbrenner, DiePresse.com, gekürzte URL: https://bit.ly/2KVBlIf
21 Patrick Bernau, faz.net 18.5.2018, gekürzte URL: https://bit.ly/2L2pOrk
22 McCann Ericksson Werbeagentur, die Story, www.mccann.de/about/story/
23 DerStandard.at, 24.10.2012, https://bit.ly/2w85gYC
24Google Academy Squared Online, www.wearesquared.de
25 Gleichbehandlungsanwaltschaft Österreich, gekürzte URL https://bit.ly/2KUnBO4
26 Gender& diversityfreundlich Medien gestalten, gekürzte URL https://bit.ly/2Bddapl
27 Psychotherapiegesetz 1990, www.jusline.at/gesetz/psthg
28 Sandor Ferenczi (1873-1933), wikipedia.org/wiki/Sándor_Ferenczi
29 Thieme, Krankenhauspsychiatrie, 2006, gekürzte URL https://bit.ly/2KXo5D7
30 Dt. Hochschulverband, 2011, Glanzlichter der Wissenschaft: Ein Almanach
31 Rathkolb, 1975, Paradoxe Republik, S. 71
32 DerStandard.at, 7.4.2018, verkürzte URL: https://bit.ly/2vNhJkX
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