Imperfektive und perfektive Verbformen bei der Gestaltung des Profils des Textes Gliederung Einführung Aspektualität und Aspekt Imperfektive und perfektive Verbalformen in romanische Sprachen Imperfektive und perfektive Verbalformen im spanische Texte Imperfektive und perfektive Verbalformen im französische Texte Zusammenfassung Literatur Einführung Mit einem Text wird immer eine bestimmte Absicht verfolgt. Um diese zu verdeutlichen, setzt man bewusst bestimmte Sprachmittel ein. Diese können eine rasche Geschehensabfolge darstellen, wenn man damit eine Steigerung der Spannung und der Erwartungshaltung bewirken will. Für die Erzählung ist es wichtig, dass die chronologische Abfolge von Ereignissen beschrieben wird. Aspektualität und Aspekt Der Aspekt ist eine grammatische Kategorie des Verbs, die den Ausdruck des Verlaufs der Verbalhandlung ermöglicht. In Sprachen ohne grammatischen Aspekt, wie in Deutsch gibt es andere Ausdrucksmittel, die in der funktional-semantischen Kategorie der Aspektualität aufgefasst werden (vgl. Haßler, 2016: 191). In Aspektsprachen bildet der grammatische Aspekt den Kern der Aspektualität. In den romanischen Sprachen fehlt dieser Kern, stattdessen wird von „Verbformen, die Aspektualität grammatisch markieren und die zueinander in Opposition stehen, wie z.B. das imparfait und das passé simple oder das passé composé im Französischen“ gesprochen (Haßler, 2016: 192). Imperfektive und perfektive Verbalformen in romanische Sprachen In den romanischen Sprachen ist die Aspektualität eng mit der Temporalität verbunden. Das bedeutet, dass keine Verbform nur aspektuelle Merkmale ohne Temporalität ausdrücken kann. Die Romanische Sprachen verfügen nicht über eine AspektKorrelation, d.h. es gibt nicht jeweils zwei Verben, die sich als perfektiv und imperfektiv gegenüberstehen. Diese grundlegende Opposition liegt mit den zusammengesetzten Tempusformen und dem einfachen Perfekt einerseits gegenüber den Imperfektformen andererseits vor. Imperfektive und perfektive Verbalformen im spanische Texte Böhm (2016: 19) ordnet diese Oppositionen einem Zentrum der Aspektualität zu. Für das Spanische nennt sie drei Oppositionen: die grammatische Opposition zwischen dem Imperfekt und dem einfachen Perfekt, die zusammengesetzten Verbformen die progressive Verbalperiphrase estar + Gerundium. Im Spanischen lässt sich der grammatische Aspekt (imperfektiv/perfektiv) mithilfe der Vergangenheitstempora pretérito perfecto simple (canté) und pretérito imperfecto (cantaba) ausdrücken (vgl. RAE 2009: 1687f.; 1762). Imperfektive und perfektive Verbalformen im spanische Texte Beim Gebrauch des pretérito perfecto simple, mit perfektive Aspekt betrachtet man die Handlung in ihrer Gesamtheit und als abgeschlossen. Der pretérito imperfecto, mit imperfektive Aspekt erlaubt einen Innensicht der Handlung und deren Verlauf, ohne Anfang und Ende der Handlung zu berücksichtigen (Böhm 2013: 121). In den folgenden Sätzen kann man anhand der Verbformen die Situationen im imperfektiv von der im perfektive unterscheiden: • A las cinco cuando llegó, habló por teléfono con su hermano. En ese momento Ana leía el periódico y pensaba en otras cosas, por eso no lo vio. Um fünf Uhr als er ankam, telefonierte er mit seinem Bruder. In diesem Moment las Ana die Zeitung und dachte über andere Dinge nach, deshalb sah sie sie nicht. Imperfektive und perfektive Verbalformen Beispiele • De pequeño Juan cantaba en los eventos de la escuela. El profesor de música controlaba atentamente las presentaciones. Los chicos jugaban en el patio. • Als kleiner Junge sang er bei Schulveranstaltungen. Der Musiklehrer Kontrollierte die Präsentationen sorgfältig. Die Jungs spielten auf dem Hof. • A las doce Carmen hizo la comida. A esa misma hora, el presidente leyó un largo discurso. Um zwölf Uhr machte Carmen das Essen. Zur gleichen Zeit las der Präsident eine lange Rede. • Ayer estuve en casa. Ich war gestern zu Hause. • La Caballé cantó el año pasado en Madrid. La Caballé sang letztes Jahr in Madrid. Imperfektive und perfektive Verbalformen im französische Texte Aspekt und Aspektualität spielen für Weinrich keine Rolle. Er unterscheidet die Tempora der erzählten Welt hinsichtlich der Reliefgebung. Das einfache Perfekt wäre das Tempus eines Handlungsvordergrundes, das Imperfekt der eines Handlungshintergrundes. Nach Weinrich gibt es drei Bedeutungsdimensionen, nach denen das Tempus-System organisiert ist. Diese beruhen auf folgenden semantischen Oppositionen (Weinrich 1982: 157): Tempus-Perspektive: Rückschau vs. Vorausschau Tempus-Register: Besprechen vs. Erzählen Tempus-Relief:Vordergrund vs. Hintergrund Weinrich Tempus-System: Imperfekt – Weinrich In Bezug auf die Tempusperspektive ist das Imperfekt neutral. Semantisch ist das Imperfekt durch die Merkmale Erzählen und Unauffälligkeit Charakterisiert. Das Imperfekt ist in der Erzählung das Tempus des Hintergrunds. In Reliefgebender Funktion wechselt sich mit dem „Aorist“ einfachen Perfekt ab. Diese Funktion wird auch in syntaktischen Kleinstrukturen, wie mit Konjunktionen verbundenen Satzgefügen, festgestellt. Beispiele: Au mois de mai 1968, le général de Gaulle se trouvait en Roumanie, quand la révolte des étudiants éclata/ Im Mai 1968 befand sich General de Gaulle in Rumanien, als (auf einmal) die Studentenrevolte ausbrach. Il rentra tout der suite en France, car il craignait une révolution/ Er Kehrte sofort nach Frankreich zurück, denn er fürchtete eine Revolution. Beispiele: Je vous avoue que pendant un certain temps j’étais partisan du centralisme politique, mais il m’arrive de plus en plus de penser qu’il faut s’orienter vers le régionalisme / ich gestehe Ihnen, dass ich eine Zeitlang Anhänger des politischen Zentralismus war, aber es kommt mir immer häufiger der Gedanke, dass man sich zum Regionalismus hin orientieren muss. Pendant toutes ces années il souffrait beaucoup, il mourait même de temps en temps, mais il n’a jamais fait a ses heritiers le plaisir de mourir pour de vrai/ während all dieser Jahre hatte er viel zu leiden, er lag sogar von Zeit zur Zeit im sterben, aber er hat seinen Erben nie das Vergnügen gemacht, wirklich zu sterben. „Aorist“ (passé simple) – Weinrich Das einfache perfekt ist das Tempus des Vordergrunds. die Tempusform wird mit den Mitteln der einfachen Tempus-Konjugation gebildet, ihre semantische Bedeutung erhält sie durch die Merkmalen Erzählen und Auffälligkeit. Zum Imperfekt steht er nur durch sein ReliefMerkmal Auffälligkeit in Opposition. Erzählungen könnten also dadurch ihr Relief erhalten, dass der Erzähler zwischen dem Imperfekt und dem einfachen Perfekt wechselt (Weinrich 1982: 188). Bispiele: Le ciel était livide quand soudain l’orage éclata/ Der Himmel war fahl, als plötzlich das Gewitter ausbrach. Finalement éclata l’orage qui nous enseignait le langage du tonnerre/ Schließlich brach das Gewitter aus, das uns die sprache des Donners lehrte Je le vis, je rougis, je pâlis à sa vue/ Ich sah ihn, ich errötete, ich erbleichte bei seinem Anblick (Racine, Phèdre) Zusammenfassung Der grammatische Aspekt ermöglicht eine Handlung als abgeschlossen oder nicht abgeschlossen auszudrucken. Der Aspekt ist nicht in alle Sprachen vorhanden, wird aber mit anderen Ausdrucksmitteln ausgedrückt, die in der funktionalsemantische Kategorie der Aspektualität aufgefasst werden. In den Romanischen Sprachen wie im Spanischen lässt sich der grammatische Aspekt (imperfektiv/perfektiv) mithilfe der Vergangenheitstempora pretérito perfecto simple (canté) und pretérito imperfecto (cantaba) auszudrücken. Literatur Böhm,Verónica (2016): La imperfectividad en la prensa española y su relación con las categor ías semánticas de modalidad y evidencialidad. New York: Peter Lang (Potsdam linguistic investigations,Volume 19). Haßler, Gerda (2016): Temporalität, Aspektualität und Modalität in romanischen Sprachen. Berlin/Boston: De Gruyter. RAE (2009): Nueva gramática de La lengua española. Madrid: Espasa, 17211743. Weinrich, Harald (1982): Textgrammatik der französischen Sprache. Stuttgart: Klett.