Sprachen Christina Müller Aspekt in der Grammatik - Ort des Aspekts im Tempussystem des Spanischen bzw. der romanischen Sprachen Studienarbeit " Estructuras del léxico verbal español " Hauptseminar Wintersemester 2006/2007 1.) Was versteht man in der Grammatik unter "Aspekt"? 2.) Tempussystem des Spanischen bzw. der romanischen Sprachen in ihrer Gesamtheit und der Ort des "Aspekts" in diesem System auf. 3.) Verwendete Hilfsmittel 1.) Unter Aspekt versteht man in der Grammatik eine verbale Kategorie, die die Haltung des Sprechers zur zeitlichen Struktur von Ereignissen oder Handlungen ausdrückt: "[...], während der Aspekt ausdrücken soll, wie der Sprecher sich zu dem Vorgang einstellt oder wie er ihn dem Hörer erscheinen lassen will, und zwar entweder als ein Miterleben des Vorgangs oder ein einfaches Konstatieren desselben".1 Es geht bei dem Aspekt also um verschiedene Möglichkeiten der sprachlichen Erfassung von Situationen. Aspekt leitet sich von dem lateinischen Wort "aspectus" ab, was soviel wie "Blickrichtung"2 bedeutet und damit auf die Oppositon zwischen perfektiv und imperfektiv, also die verschiedenen "Blickpunkte"3 des Sprechers hinweist. In den meisten Sprachen existieren Stammveränderungen oder unterschiedliche Konjugationsendungen durch die der Aspekt neben Tempus und Modus realisiert wird. Da er auf diese Weise in der "Bedeutung selbst des Verbs enthalten ist", nennt Guillaume ihn auch "temps impliqué".4 Je nach Betrachtungsmöglichkeit der Verbbedeutung "kann man fast alles, was nicht anderen schon definierten Kategorien entspricht, dem Aspekt zuschreiben".5 Bei Sprachen, die dies morphologisch nicht realisieren können, kann der Aspekt auch syntaktisch oder lexikalisch ausgedrückt werden. Der Aspekt bezieht sich auf den zeitlichen Zusammenhang von Vorgängen oder der Art und Weise des Geschehens einer Handlung. Hierbei ist wichtig zu unterscheiden, ob ein Vorgang als Verlauf oder als Ereignis gesehen wird, denn der Aspekt drückt den zeitlichen Charakter von Situationen im Hinblick auf sie selbst aus. So grenzt auch Coseriu den Aspekt vom Tempus ab, in dem er schreibt: "[...]; en el aspecto se trata de las cualidades del proceso mismo (esto es el 'tiempo interno'), sin atender a la posición del sujeto hablante."6Andere Definitionen, wie zum Beispiel von Meillet7, bezeichnen den Aspekt als Indikator für die Dauer und den Grad der Vollendung der vom Verb angegebenen Prozesse. Somit stellt der Aspekt die Betrachtungsweise der Verbalhandlung in der Zeit dar. Bei den indogermanischen Sprachen lassen sich drei Aspekte unterscheiden. Zum einen gibt es den perfektiven Aspekt, um auszudrücken, dass die eine Handlung abgeschlossen bzw. "vollständig"8 ist und zeitlich vor der anderen liegt und Einfluss auf den Zustand des Sprechers oder auf die zweite Handlung hat. Zweitens kennt man den imperfektiven Aspekt, bei dem die Unabgeschlossenheit, die Regelmäßigkeit, das Gewohnheitsmäßige, das 1 2 3 4 5 6 7 8 Knobloch, S. 172 Glück, S. 58 Glück, S. 59 Coseriu, S. 81 Coseriu, S. 81 Coseriu, S. 60 Coseriu, S. 84 Comrie, S. 128 1 Andauern oder die Gleichzeitigkeit zweier Handlungen hervorgehoben wird. Die dritte Aspektart ist der aoristische Aspekt, der bei einmaligen bzw. punktuellen Ereignissen verwendet wird. Im Deutschen ist diese Aspektart nicht morphologisch realisierbar, jedoch kennen viele Sprachen separate Formen für den Aorist und können diesen somit von dem Imperfekt abgrenzen. 2.) Der Ort des Aspekts sind die Vergangenheitstempora, denn dort kann man die Opposition perfektiv vs. imperfektiv konstatieren, die ebenso wie die Opposition punktuell vs. durativ oder Handlung vs. Zustand zur Unterscheidung der Vergangenheitstempora voneinander genutzt wird. Pefektiv ("vollständig") meint abgeschlossene und in ihrem Ablauf überschaubare Ereignisse, wobei der "Blickpunkt des Sprechers außerhalb des Geschehens liegt "9. Im Gegensatz dazu umfasst imperfektiv ("unvollendet") unabgeschlossene Handlungen, die in ihrem Ablauf nicht überschaubar sind, wobei der "Blickpunkt des Sprechers inmitten des Geschehens"10 angesiedelt wird. Diese Opposition gibt dem Sprecher die Möglichkeit, sich auf die innere zeitliche Struktur einer Situation zu beziehen oder nicht. Interessant ist, dass in allen romanischen Sprachen die Grundlage der Organisation des Verbs ungefähr gleich ist, denn zum Beispiel die "Stellung des Imperfekts entspricht in den romanischen Verbalsystemen überall demselben funktionellen Prinzip"11, so dass das Verstehen der romanischen Tempussysteme leicht fällt, sobalb man eines dieser kennt. Im Folgenden werde ich nun das spanische Tempussystem näher erläutern. Die Vergangenheitstempora pretérito imperfecto, pretérito indefinido sowie pretérito perfecto haben jeweils unterschiedliche Merkmale, an denen man erkennen kann, in welchem Kontext sie verwendet werden, worauf ich im Folgenden näher eingehen möchte, denn die Abfolge der Tempora in einem Text ist geordnet. Das pretérito imperfecto benutzt man bei Ereignissen bzw. Handlungen, die als habituell oder iterativ (in der Vergangenheit) beschrieben werden (wie zum Beispiel Bräuche) und für das Inaktuelle bzw. Vergangene. Es kann aber auch etwas ausdrücken, was aktuell dem Augenblick des Sprechens entspricht, man jedoch als unsicher ansieht. Dabei handelt es sich um Ausdrücke der Höflichkeit oder um Konditionalsätze. Es ist eine nicht konkrete Vergangenheit, die man benutzt, um Gedanken, physische und psychische Zustände, Zweifel, Orte und Handlungen der Vergangenheit zu beschreiben, deshalb steht das imperfecto oft mit 9 Glück, S. 59 Glück, S. 59 11 Coseriu, S. 91 10 2