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Hausarbeit+Bioethik

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Theologische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik
Seminar [EvRel-MEd-GUG-S]: Bioethik. Überblick und Reflexion der
Neuvermessung einer zentralen Disziplin der Gegenwart
Dozent*in: Prof. Dr. theol. André Munzinger
Wintersemester 2019/2020
Die Bedeutung des Begriffs „Leben“
in Albert Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
als Wegweiser für die Bioethik
vorgelegt von
Marek Kretschmann
Matrikelnummer: 1021907
Master of Education: Biologie und Französisch (4. Fachsemester)
Erweiterungsfach auf Masterebene: Ev. Religion (1. Fachsemester)
Stadtfeldkamp 13
24114 Kiel
E-Mail: [email protected]
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ........................................................................................................... 1
2
Albert Schweitzer – eine Jahrhundertpersönlichkeit ....................... 2
2.1
Zur Biographie ................................................................................................ 2
2.2
Zum Werk ....................................................................................................... 3
3
Historischer und philosophischer Kontext Schweitzers ................... 5
4
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben................................................ 7
5
4.1
Die Grundzüge der Ehrfurchtsethik ........................................................... 8
4.2
Die Bedeutung des Lebensbegriffs ... Fehler! Textmarke nicht definiert.
4.2.1
Die verschiedenen Dimensionen des Begriffes „Leben“ ..................... 11
4.2.2
Der Begriff „Sein“ im Verhältnis zum Lebensbegriff .......................... 13
4.3
Der Wille zum Leben als Essenz der Ehrfurchtsethik ........................... 14
4.4
Lebensbejahung als Voraussetzung für die Ehrfurchtsethik ................ 17
4.5
Kritikpunkte an Schweitzer und seiner Ethik ......................................... 19
Schweitzer – ein Pionier der Bioethik? ................................................. 20
5.1
Eine Definition von Bioethik .................................................................... 20
5.2
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben als Impuls für die Bioethik .. 21
6
Schlussbetrachtung und Ausblick .......................................................... 24
7
Literaturverzeichnis..................................................................................... 26
Einleitung
1
Einleitung
Der Begriff des Lebens zeichnet sich durch seine Unbestimmtheit und seine
große Assoziationsfähigkeit aus. Jede Person hat eine andere Wahrnehmung des
Lebens und ein anderes Verständnis davon, was Leben bedeutet. Dadurch
gewinnt der auf den ersten Blick vielleicht leicht verständliche Begriff an Tiefe,
was es wiederum erschwert, ihn präzise zu definieren oder wenigstens zu umreißen. Das Leben bleibt damit geheimnisvoll und rätselhaft.1
Der Begriff „Leben“ spielt speziell für Albert Schweitzer in seinem ethischen
Konzept der Ehrfurcht vor dem Leben eine besondere Rolle. Bereits seit seiner
Kindheit hat er sich dafür eingesetzt, Leben zu schützen und die Menschen dazu
aufzufordern, ihren Dienst an der Welt und seinen Geschöpfen zu leisten. In der
vorliegenden Arbeit wird den Fragen nachgegangen, wie Schweitzer den
Lebensbegriff in seiner Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben versteht und inwieweit seine Vorstellung vom Leben und der rechte Umgang mit diesem als
Wegweiser für die heutige Bioethik angesehen werden können.
Zu Beginn wird sich mit der Biographie und dem Werk Schweitzers auseinandergesetzt. Der historische und philosophische Zeitkontext werden im
Anschluss dargestellt, um das ethische Konzept der Ehrfurchtsethik besser
verstehen zu können. Dieses wird zunächst in seinen Grundzügen präsentiert und
erklärt, ehe sich dem unterschiedlichen Dimensionen der Begriffe „Leben“ und
„Sein“ gewidmet wird. Angelehnt an Schweitzers Idee eines mehrstufigen
Ethikkonzepts, werden hier aufbauend auf den Definitionen und Erklärungen
zum Lebensbegriff der Wille zum Leben und seine Bedeutung dargelegt. Die
Erläuterungen zur Lebensbejahung vertiefen dann die Vorstellung Schweitzers
vom Leben sowie die inhaltliche Konzeption seiner Ethik. Das Kapitel endet mit
kritischen Stimmen, die sich zu Schweitzer und der Ehrfurcht vor dem Leben
äußern. Aufgegriffen werden einige der genannten Punkte im Kapitel zur
Bioethik. Nach einer einführenden Definition wird der Mehrwert der
Ehrfurchtsethik für den bioethischen Diskurs untersucht. In der Schlussbetrachtung werden die bisherigen Ergebnisse zusammengefasst und ein
Ausblick für weiterführende Arbeiten gegeben.
Vgl. JURIĆ, HRVOJE, „From the Notion of Life to an Ethics of Life“, in: Synthesis Philosophica
59/1 (2015), 33-46, hier 33f.
1
1
Albert Schweitzer – eine Jahrhundertpersönlichkeit
2
Albert Schweitzer – eine Jahrhundertpersönlichkeit
Albert Schweitzer kann zurecht als Jahrhundertpersönlichkeit bezeichnet
werden, weil er durch sein Schaffen einen entscheidenden Beitrag zu den
unterschiedlichsten Forschungszweigen leistete und sein Werk nach seinem Tod
noch vielfach zitiert und diskutiert wird.
2.1
Zur Biographie
Albert Schweitzer wurde 1875 als Sohn eines Pfarrers im Elsass geboren und
wuchs in einem liberal geprägten protestantischen Pfarrhaus in Günsbach auf.2
1893 begann er nach dem Abitur sein Studium der evangelischen Theologie und
Philosophie an der Universität Straßburg. Schwerpunkte seiner Arbeit und
Studien bildeten die Leben-Jesu- und Paulusforschung. Er promovierte mit einer
Arbeit über Immanuel Kants Religionsphilosophie zum Dr. phil. und arbeitete
nach seiner Habilitation 1901 als Privatdozent und später Professor an der
Theologischen Fakultät zu Straßburg.3 Nebenher befasste er sich mit der
Musiktheorie, dem Orgelspiel und dem musikalischen Werk Johann Sebastian
Bachs.4 Darüber hinaus fing Schweitzer ein Studium der Medizin an, welches er
1913 ebenfalls mit einer Promotion abschloss.5
Im gleichen Jahr bricht er nach 20 Jahren „intensivster theologischer,
philosophischer und musik-wissenschaftlicher Studien zu dem großen Wagnis
seines Lebens“6 auf. Zusammen mit seiner Frau Helene Bresslau begann er
mitten im tropischen Urwald, in Lambaréné7 ein Hospital aufzubauen und dort
als Arzt tätig zu werden.8
2
Vgl. OERMANN, NILS OLE, Albert Schweitzer, 1875-195. Eine Biographie, München 22010,
13f.
3
Vgl. ZAGER, WERNER, Art. „Schweitzer, Albert“, in: WiBiLex 2009/02 (PDF-Dokument,
https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/53957/), abgerufen am 15.07.2020, 1.
4
Vgl. ebenda.
5
Vgl. OERMANN (22010), „Schweitzer“, 97ff.
6
Siehe GRÄSSER, ERICH, Studien zu Albert Schweitzer. Herausgegeben von Andreas Mühling
(BASF 6), Bodenheim 1997, 21.
7
Lambaréné ist eine Stadt im heutigen Gabun.
8
Schweitzers innere Überzeugung, Menschen helfen und dienen zu wollen und zu müssen,
veranlasste ihn einen Ort zu suchen, an dem er seinem Willen zu einem rein-menschlichem
Dienen ausleben und sich damit selbstverwirklichen konnte. „Das sollte da geschehen, wo es
dringend nötig ist, wo man etwas dafür tun muß, Menschen zu einem menschlichen Leben zu
verhelfen.“ Lambarene für ihn wurde damit zu einem Ort, der Raum für eine „Freiheit der
helfenden Tat, Eigeninitiative und Selbstverantwortung“ schaffte, ohne durch jegliche Art von
Behörden oder Institutionen des öffentlichen Lebens in seinem Handeln behindert zu werden.
Vgl. Vgl. SPEAR, OTTO, Albert Schweitzers Ethik. Ihre Grundlinien in seinem Denken und
Leben. Mit ausführlichem Literaturverzeichnis (EZS 80), Hamburg 1978, 43.
2
Albert Schweitzer – eine Jahrhundertpersönlichkeit
Schweitzers weiteres Leben spielte sich fortan zwischen dem europäischen und
dem afrikanischen Kontinent ab: Immer wieder reiste er zwischen Europa und
Afrika hin und her, um Konzerte und Vorträge zum Zweck der Geldbeschaffung
für das Spital zu halten.9 In Lambarene wirkte er mehr als 30 Jahre. In dieser
Zeit verfasste er sein größtes Werk, „Die Kulturphilosophie“, in der er sich in
mehreren Bänden mit dem Verfall der Kultur auseinandersetzte und seine Ethik
der Ehrfurcht vor dem Leben formulierte.10 Sein praktisches Wirken in Afrika
sowie seine wissenschaftlichen Beiträge brachten Albert Schweitzer weltweite
Anerkennung und Auszeichnungen ein. Im Jahre 1953 wurde ihm für seinen
humanitären Einsatz der Friedensnobelpreis verliehen.11 1965 starb er in
Lambaréné und wurde dort neben seiner Frau beigesetzt.
Schweitzer war ein Mensch, der aufgrund seiner vielen Facetten und Interessen
das Bild des 20. Jahrhunderts als „Theologe, Philosoph und Prediger, als
Tropenarzt, Bach-Forscher, Organist und Orgelbaufachmann, Baumeister,
Entwicklungshelfer und Friedensmahner“12 prägte.
2.2
Zum Werk
Das Werk Schweitzers ist aufgrund seiner vielfältigen Interessen sehr umfassend
und breit aufgefächert. Bei Schweitzer treffen, wie bereits angedeutet,
unterschiedlichste Bereiche der Geistes- und Naturwissenschaften, der Musik
und der Theologie aufeinander, wodurch sich neue Anregungen für die
jeweiligen Fachdisziplinen ergaben.13
Sein Hauptinteresse galt neben den Fremdreligionen Indiens und Chinas oder
Goethes Werken, die er rezipierte und untersuchte, der Philosophie und Ethik.14
So flossen unter anderem unterschiedliche Aspekte des Jainismus15 und
Vgl. ZAGER (2009), „Schweitzer“, 2.
Vgl. OERMANN (22010), „Schweitzer“, 148-169.
11
Vgl. ZAGER (2009), „Schweitzer“, 2.
12
Siehe GÜNZLER, CARL, Albert Schweitzer: Einführung in sein Denken (BsR 1149), München
1996, 9.
13
Schweitzers Denken und Arbeit lösen damit die vorhandenen Grenzen zwischen
unterschiedlichen Wissenschaften aus. Vgl. ebenda, 20ff.; 145f.
14
Vgl. ECK, STEFAN BERNHARD, Auf dem Prüfstand: Albert Schweitzer und die Ethik der
Ehrfurcht vor dem Leben, Herausgegeben von Arbeitskreis Tierrechte & Ethik, Saarbrücken
2002, 16.
15
Beim Jainismus handelt es sich um eine der drei großen Religionen Indiens. Ähnlich dem
Buddhismus geht es bei dieser Heilslehre darum, „dem Menschen einen Weg aus dem
unendlichen Kreislauf der Wiedergeburten aufzuzeigen“. Allerdings existieren hier unendliche
viele Seelen, „die ewig sind und denen von Natur aus Erkenntnis und Vollkommenheit eigen
sind.“ Diese stehen mit ihren Eigenschaften in verschiedenen Beziehungen zueinander und sind
9
10
3
Albert Schweitzer – eine Jahrhundertpersönlichkeit
Buddhismus16 neben den Gedanken Schoppenhauers, Goethes und Nietzsches in
die Entstehung der Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben ein, die er in seiner
„Kulturphilosophie“ verschriftlichte.17
Er konzipierte dafür vier Bände mit weit mehr als 2000 Seiten, die sich jeweils
mit einem anderen Schwerpunktthema auseinandersetzen. Ziel war es die
gegenwärtigen Probleme der damaligen Zeit aufzuzeigen und entsprechende
Lösungsansätze aufzuzeigen und zu illustrieren. Zu seinen Lebzeiten erschienen
die ersten beiden Bände: „Kulturkritik: Verfall und Wiederaufbau der Kultur“
und „Kultur und Ethik: Ehrfurcht vor dem Leben“. Die verbliebenen Teile
sollten die Titel „Die Weltanschauung der Ehrfurcht vor dem Leben“ und „Der
Kulturstaat“ tragen, wobei die Ausarbeitung des letzteren nicht mehr begonnen
wurde.18 Die einzelnen Bände der „Kulturphilosophie“ setzen sich wiederum aus
unterschiedlichen Teilen zusammen und sind in größere Kapitel untergliedert.
Dies ist dabei aber nicht auf einen inhaltlichen Sachzusammenhang, sondern auf
die verschiedenen Entstehungsphasen zurückzuführen.19 In vielen Fällen sind es
Neufassungen vorheriger Kapitel, die überarbeitet oder ergänzt wurden.
Insgesamt kristallisiert sich bei Schweitzers Kulturphilosophie heraus, dass es
ihm um eine tiefergreifende Veränderung der Kultur und Gesellschaft sowie des
Menschen ging, weshalb er die zentrale Botschaft seiner Ehrfurcht vor dem
Leben als ethischen Appell formulierte. 20
Mittelpunkt der spezifischen Karma-Lehre des Jainismus. Siehe DEEG, MAX, Art. „Jainismus“,
in Metzler Lexikon Philosophie: Begriffe und Definitionen (2007), 282f.
16
Die geistige Strömung des Buddhismus hat die Kultur und das Denken Asiens und der
westlichen Welt mit ihrer Erlösungs- und Karma-Lehre geprägt. Teile dieser Lehre sind
beispielsweise der „Edle achtfache Pfad“, der zum Nirvāna führt, und die vier „Edlen
Wahrheiten“, die Grundeinsichten in das Wesen der Welt geben. Siehe DEEG, MAX, Art.
„Buddhismus“, in Metzler Lexikon Philosophie: Begriffe und Definitionen (2007), 86f.; Speziell
die buddhistischen Ideale „der allumfassenden Güte, des Mitleids, der Mitfreude am Glück aller
Lebewesen und des Gleichmutes, der aus dem Gefühl der Gleichheit erwächst“, waren für
Schweitzer von Bedeutung. Vgl. ECK (2002), „Auf dem Prüfstand“, 16f.
17
Vgl. SCHWEITZER, ALBERT, Kulturphilosophie, Band I: Verfall und Wiederaufbau der Kultur.
Band II: Kultur und Ethik. Mit einem Nachwort von Claus Günzler, München 2007; Ders., Die
Weltanschauung vor dem Leben. Kulturphilosophie III. und IV. Teil, Herausgegeben von Claus
Günzler und Johann Zürcher, München 2000.
18
Vgl. ZAGER (2009), „Schweitzer“, 2.
19
Vgl. Ders., „Die Weltanschauung der Ehrfurcht vor dem Leben“. Einführung in den dritten
Band der Kulturphilosophie von Albert Schweitzer, in: Ders. (Hg.), Ethik in den Weltreligionen:
Judentum – Christentum – Islam (ThST 22), Neukirchen-Vluyn 2002, 95-108, hier 98.
20
Gleiches gilt für seine ethischen Predigten aus dem Jahre 1919, die sich bereits dem
Grundprinzip seiner „Ehrfurcht vor dem Leben“ widmeten und mit den zentralen Ideen
auseinandersetzen. Im Kern steht dabei „Du sollst Leben miterleben und Leben erhalten.“ Diese
Aussage wird dahingehend erweitert, dass die Grenze der Unterscheidung zwischen Lebewesen
aufgehoben werden soll und es daher gilt, alles Leben als solches wahrzunehmen und
4
Historischer und philosophischer Kontext Schweitzers
3
Historischer und philosophischer Kontext Schweitzers
Um Schweitzers kulturkritisches Denken und Argumentieren besser nachvollziehen zu können, ist es notwendig, sowohl seinen kultur-historischen als auch
philosophischen Zeitkontext genauer zu betrachten.
Der Epochenumbruch vom 19. in das 20. Jahrhundert ging einher mit
tiefgreifenden Veränderungen und Entwicklungen in der Politik, Gesellschaft,
Wissenschaft und Literatur.21 Die technisch-industrielle Revolution des
vorangegangenen Jahrhunderts bildete die Grundlage für die Veränderungen der
elementaren Lebensgrundlagen und -verhältnissen in den Städten. Im Zuge
dieser Revolution kam es zu einem in der europäischen Gesellschaft weit
verbreiteten Fortschrittsoptimismus.22 Jedoch wurde das europäische Denken
und Lebensgefühl aufgrund verschiedener Krisen wie dem 1. Weltkrieg oder
wirtschaftlichen Notsituationen selbst in eine Krise gestürzt.23 Diese von
führenden Persönlichkeiten ihrer jeweiligen Domäne, wie Philosophie oder
Literatur, bezeichnete „Kulturkrise“ oder der „Kulturpessimismus“24 stehen im
Widerspruch zum Fortschrittsgedanken und zeichnen sich durch die Erkenntnis
aus, dass „die moralischen Fähigkeiten des Menschen mit seinen technischen
Fertigkeiten nicht Schritt halten“ können.25
Man befand sich allgemein in einer „Atmosphäre der Auflehnung gegen erstarrte
Formen“26. Schweitzers eigene Kritik zielt auf eine Veränderung der damaligen
wertzuschätzen, was sich in einem dienlichem Verhalten und sorgsamen und verantwortlichen
Umgang mit anderen ausdrückt. Vgl. SPEAR (1978), „Grundlinien“, 9f.
21
Vgl. NONN, CHRISTOPH, Das 19. und 20. Jahrhundert. Orientierung Geschichte (UTB 2942),
Paderborn 22007, 13ff.
22
„Neben dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt, der in der gleichzeitigen Zunahme von
Wissen und technischer Beherrschung der Natur besteht, soll sich der moralisch-politische
Fortschritt in der Optimierung der sittlichen Anlagen des Menschen […] manifestieren.“ Siehe
TESLAK, GERHILD, Art. „Fortschritt“, in: Handwörterbuch Philosophie (2003), 358.
23
Vgl. NONN (22007), „19. und 20. Jahrhundert“, 25ff.
24
Der Begriff des Kulturpessimismus meint die Abwendung von kulturellen Errungenschaften
als dem Menschen zukommende Leistung, die es ihm gestattet, über seine Naturwesenhaftigkeit
hinauszugelangen.“ Siehe PREUßNER, ANDREAS, Art. „Kultur“, in: Handwörterbuch Philosophie
(2003), 438.
25
„Die Auffassung, dass die Kultur der Menschheit in allen Bereichen einen steten Fortschritt
darstellt, fand schon früh ihre Kritiker. Dem Fortschrittsdenken, das durch den Glauben an die
permanent wachsende Vervollkommnung der geistigen und sittlichen Fähigkeiten des Menschen
geprägt ist und die Geschichte teleologisch interpretiert, stehen Theorien des Verfalls und
zyklische Geschichtsbilder gegenüber.“ Siehe TESLAK (2003), „Fortschritt“, 358.
26
Diese Atmosphäre spiegelt sich in der Lebensphilosophie, „die völlig verbunden war mit und
fundiert in einer metaphysischen Idee vom wahren Leben, das elementar, geheimnisvoll alles
durchwaltet“, von verschiedenen Kunst- und Literaturschaffenden und Philosophen wider. Vgl.
SPEAR (1978), „Grundlinien“, 12.
5
Historischer und philosophischer Kontext Schweitzers
Kultur27 und damit verbunden der gesellschaftlichen Zustände ab.28 Die These
seiner Zeitkritik war es, dass „ethisches Denken und Wollen ein Sichbestimmen-lassen durch ethische Ideale der Kern wahrer Kultur ist.“29
Sein philosophisches Denken und Argumentieren ist entscheidend von seinen
Lehrern in Straßburg Theobald Ziegler, einem Vertreter des Historismus30 und
Positivismus31, und Wilhelm Windelband, einem Wegbereiter des Neukantianismus und der Wertphilosophie32, geprägt worden.33 Durch den
gedanklichen Austausch mit diesen Vorbilder entwickelte sich seine
charakteristische Denkweise: pessimistisches Erkennen in Verbindung mit
optimistischem Hoffen und Wollen.34 Er sieht im 1. Weltkrieg beispielsweise
den Beweis für den Niedergang der menschlichen Kultur. Weiterhin beigetragen
zu seiner Kulturkritik und skeptischen Haltung gegenüber der damaligen
Gesellschaft haben die Philosophen Friedrich Nietzsche, Immanuel Kant und
„Kultur […] ist nach Schweitzer ,Fortschritt, materieller und geistiger Fortschritt der
Einzelnen wie der Kollektivitäten. Kultur ist, wie Schweitzer ausführt ein Instrument des
Menschen im Kampf ums Dasein, das dazu dient, den Selektionsdruck zu mindern.“ Siehe
KÖRTNER, ULRICH, „Ehrfurcht vor dem Leben – Verantwortung für das Leben: Bedeutung und
Problematik der Ethik Schweitzers“, in: ZThK 85/3 (1988), 329-348, hier 335.
28
„Die zeitkritischen Gedanken Schweitzers und Ideen, welche die Maßstäbe seiner Kritik sind,
stehen in einer sehr positiven Beziehung zum Kulturwillen und ethischen Denken des 18.
Jahrhunderts und besonders zu dessen Höhepunkten: dem Humanitätsgedanken, der Idee des
andauernden Friedens und der Reich-Gottes-Idee der Religionsphilosophie Kants.“ Siehe SPEAR
(1978), „Grundlinien“, 14.
29
Siehe ebenda, 49.
30
Als Historismus wird eine geisteswissenschaftliche Strömung bezeichnet, die sich mit der
historischen Wirklichkeit als ein Ergebnis von Prozessen, Veränderungen und Entwicklungen
befasst. „Zentral sind dabei […] die formulierten Kategorien der Individualität und der
Entwicklung, die, zusammengenommen, die Menschheitsgeschichte als universelle Realisierung
der Humanität verstehen lassen, in der dennoch jede Stufe eine unverwechselbare
Selbstständigkeit besitzt.“ Siehe KAEGI, DOMINIC, Art. „Historismus“, in Metzler Lexikon
Philosophie: Begriffe und Definitionen (2007), 244.
31
Beim Positivismus handelt es sich um eine Überzeugung des erkenntnistheoretischen
Grundsatzes des Faktischen und Nützlichen, der die Wissenschaft und ihre Beweisbarkeit als
Prämisse hat und sich wissenschaftliche Methodik und Genauigkeit stützt. „Nützlich ist nur die
Wissenschaft, die sich an die Tatsachen hält. Faktisches gibt den Bestimmungsgrund für
Nützliches ab.“ Siehe PRECHTL, PETER, Art. „Positivismus“, in Metzler Lexikon Philosophie:
Begriffe und Definitionen (2007), 471
32
Bei dem Neukantianismus handelt es sich um eine philosophische Bewegung, die auf die
transzendentale Logik und erkenntnistheoretischen Schriften Immanuel Kants beruft und sich
der geltungstheoretischen Begründung der Geisteswissenschaften widmet. Ausschlaggebend
war hierfür der Konflikt zwischen Naturwissenschaft und Religion hinsichtlich der
Unterscheidung und Gewichtung des Materiellen und Geistigen. Windelband teilte die Welt in
zwei Bereiche ein, sodass Geistes- und Naturwissenschaft nicht mehr miteinander kollidieren,
da sich die Methode der Erkenntnisgewinnung jeweils unterscheidet. Vgl. LEMBECK, KARLHEINZ, Art. „Neukantianismus“, in Metzler Lexikon Philosophie: Begriffe und Definitionen
(2007), 410f.
33
Vgl. GRÄSSER, ERICH, Albert Schweitzer als Theologe (BHTh 60), Tübingen 1979, 13f.
34
Vgl. ebenda, 16.
27
6
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
Arthur Schopenhauer.35 Durch die Rezeption ihrer philosophischen Ansätze und
Ideen gestaltete Schweitzer seine eigene Philosophie und theoretischen Konzepte weiter aus. So lässt er sich bei Schopenhauers Motiv des universalen Mitleids und Nietzsches Willensphilosophie inspirieren, um davon ausgehend seine
Ideen und Überlegungen in ein eigenes ethisches36 Modell zu integrieren.37
Gleichzeitig äußert er an beiden Philosophen Kritik und versuchte durch seinen
Ansatz, deren Modelle miteinander zu verbinden und fortzuführen.38
Schweitzers philosophischer Hintergrund lässt sich als das Ergebnis einer tiefergehenden Beschäftigung und Diskussion mit anderen Strömungen, Meinungen
und Autoren auffassen. Das angestrebte Ziel war, eine Lösung für die Krise der
Kultur zu finden. Diese fand er in dem von ihm neu formulierten ethischen
Grundprinzip, das sich an wahrhaftigen und lebendigen Idealen orientiert und
auf eine Gesinnungsänderung ausgerichtet ist.39 Hierfür müsse nach Schweitzer
das Verhältnis des Menschen gegenüber anderen Kreaturen überdacht und
überarbeitet und damit insgesamt die bisherige Weltanschauung des Menschen
verändert werden. Als ausgearbeiteten Lösungsansatz präsentiert Schweitzer
sein ethisches Konzept der „Ehrfurcht vor dem Leben“.
4
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
Nachdem nun in Ansätzen der kultur-historische und philosophische Kontext, in
dem Schweitzer lebte und wirkte, dargestellt worden ist, soll im nächsten Schritt
seine Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben näher vorgestellt und ein Schwerpunkt
auf seinen Lebensbegriff gelegt werden.
Vgl. HÄRLE, WILFRIED, „Ehrfurcht vor dem Leben. Darstellung, Analyse und Kritik eines
ethischen Programms“, in: MJTh 9 (1997), 55; „Methodisch bezieht er sich auf unübersehbar
auf Kants vernunftkritischen Anspruch, inhaltlich hingegen auf Schopenhauers empirische
Fundierung der Ethik.“ Siehe GÜNZLER (1996), „Einführung“, 59f.
36
„Ethik fragt nach Schweitzer nach der Möglichkeit einer Höherentwicklung und geistigen
Vervollkommnung des Menschen. Sie ist ,die auf die innere Vollendung seiner Persönlichkeit
gerichtete Tätigkeit des Menschen.‘“ Siehe KÖRTNER (1988), „Verantwortung für das Leben“,
335.
37
Vgl. KÖRTNER (1988), „Verantwortung“, 340f.
38
Vgl. ebenda, 143f.; Günzler meint in Schweitzer einen „Verfechter des nachmetaphysischen
Denkens, der auf eine realitätsbezogene Ethik der Anerkennung fremder Lebensansprüche
hinauswill und sich dabei auf Schopenhauers Modell des Vorrangs von Lebenswille und
Leiberfahrung vor dem erkennenden Subjekt à la Kant beruft, zugleich aber dessen lebens- und
weltverneinende Deutung des Seins ablehnt wie die der Brahmanen oder Buddhas,“ zu erkennen.
Siehe GÜNZLER (1996), „Einführung“, 71.
39
Vgl. HÄRLE (1997), „Darstellung“, 56.
35
7
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
4.1
Die Grundzüge der Ehrfurchtsethik
Schweitzer bezeichnet die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben als eine
„elementare, unabweisbar Verwirklichung heischende Forderung menschlichen
Lebens.“40 Ausgangspunkt für diese Forderung ist die individuelle Erfahrung.41
Bereits in Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend berichtet Schweitzer
davon, dass er ein ausgesprochen großes Mitleid mit den Tieren hatte und
versuchte, sie vor Unheil zu bewahren.42 Es handelt sich bei dieser
Wahrnehmung der Welt um „eine grundlegende Werterfahrung, die in concreto,
am einzelnen Lebewesen, gemacht wird und unmittelbar ins Normative hinein
verallgemeinert und übertragen wird.“43 Eindrücklich beschreibt Schweitzer
zudem die Begegnung mit einer Nilpferdherde auf einer Flussfahrt, die ihn zu
seiner Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben inspirierte.44 Durch dieses Erlebnis ist
er zu der Erkenntnis gekommen, dass Ethik, die sich nur auf das zwischenmenschliche Verhältnis konzentriert, unvollständig bliebe. Vielmehr müsse
Ethik als die „extensiv und intensiv ins Grenzenlos gehende Verantwortlichkeit
für alles in seinen Bereich tretende Leben“45 verstanden werden.
Der Objektbereich der Ethik wird bei Schweitzer entsprechend seines
Lebensbegriffs vergrößert. Auf diese Weise würde der Mensch zu einer neuen
Einsicht und Haltung gelangen, die wiederum als Anlass zur Erneuerung des
Individuums und der Kultur genommen werden könne.46 Zusammengefasst hat
Vgl. SPEAR (1978), „Grundlinien“, 20.
Schweitzers Ethikverständnis gründet nicht auf „rationale und auf Konsistenz bedachte
Konstruktion“, sondern bekräftigt die ursprüngliche Erfahrung durch Erleben. Siehe
HAUSKELLER, MICHAEL, „Verantwortung für alles Leben? Schweitzers Dilemma“, in: Ders.
(Hg.), Ethik des Lebens, Albert Schweitzer als Philosoph (Die graue Reihe 46), Kunsterdingen
2006, 210-236, hier 213.
42
Ein markantes Beispiel hierfür ist das von Schweitzer beschriebene Gebet an Gott für alle
lebendigen Wesen: „Lieber Gott, schütze und segne alles, was Odem hat, bewahre es vor allem
Übel und laß es ruhig schlafen.“ Siehe SCHWEITZER, ALBERT, Die Ehrfurcht vor dem Leben.
Grundtexte aus fünf Jahrzehnten. Herausgegeben von Hans Walter Bähr, München 82003, 13.
43
Entscheidend hierbei ist, dass die Leidensfähigkeit eines Lebewesens erkannt und daraus
folgend die Verletzung oder Tötung als ungerecht bewertet wird. Siehe HAUSKELLER (2006),
„Verantwortung“, 213f.
44
Schweitzer vergleicht diese Erfahrung mit einer Traumoffenbarung bzw. einem Geistesblitz.
Vgl. SCHWEITZER (82003), „Grundtexte“, 20.
45
Vgl. SCHWEITZER (2007), „Kulturphilosophie I + II“, 305.
46
Vgl. SCHWEITZER (82003), „Grundtexte“, 21; Gansterer sieht in Beziehungsgeflecht der
Begriffe „Ehrfurcht vor dem Leben“, „Humanität“, „Kultur“ und „Friede“ das zentrale Anliegen
Schweitzers. Durch das Denken und Erleben des Willen zum Leben findet der Mensch zur
Gesinnung der Ehrfurcht vor dem Leben, die es ihm ermöglicht, einerseits sich selbst als
Individuum (Humanitätsgesinnung) und andererseits sich als Teil der Gesellschaft
(Kulturgesinnung) ethisch zu vollenden und Prozesse der Veränderung anzustoßen, die
letztendlich im friedlichen Miteinander zusammenkommen. Vgl. GANSTERER, GERHARD, Die
40
41
8
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
Schweitzer seine Überlegungen in der folgenden Aussage: „Die fundamentale
Tatsache des Bewußtseins des Menschen lautet: ,Ich bin leben, das leben will,
inmitten von Leben, das leben will.‘“47
Anhand dieses prägnanten Ausspruchs lassen sich die universale Dimension des
Schweitzerschen Lebensbegriffs und der Kern seiner ethischen Gesinnung
festmachen, indem er den natürlichen Dualismus zwischen Arten gewissermaßen gleichsetzt. Jedes Lebewesen ist wertvoll hat seine Berechtigung zu
leben, die sich im Willen zum Leben manifestiert. Die Koexistenz des
Individuums mit der Fülle an unterschiedlichen Lebewesen auf der Welt und die
Kollision ihrer Interessen stehen über der Unterscheidung und Hierarchisierung
von Lebensformen. Das Interesse jedes einzelnen Lebewesens, das einer Pflanze
wie das eines Tieres, habe dabei den gleichen Wert.48 „Ethisch ist er [der
Mensch] nur, wenn ihm das Leben als solches heilig ist, das der Menschen und
das aller Kreatur.“
Der Begriff der „Ehrfurcht“ spielt in diesem Zusammenhang eine besondere
Rolle. Schweitzers Verständnis von Ehrfurcht spiegelt das ambivalente
Verhältnis des Menschen als moralisches Subjekt zur Natur und Welt dar.
„Ehrfurcht ist ein haltungsethischer Begriff, der das Verantwortungssubjekt
gegenüber der leidenden Welt in die richtige Haltung bringt, nämlich für die
Übernahme tätiger Verantwortung motiviert zu sein.“49
Abgeleitet aus dem Schweitzerschen Ehrfurchtsbegriff und Ethikverständnis,
ergibt sich das „Grundprinzip des Sittlichen“50, das als Handlungsmaxime
genommen werden soll: „Gut ist, Leben erhalten und Leben fördern; böse ist,
Leben vernichten und Leben hemmen.“51 Es wird schnell offensichtlich, dass
diese Forderung schwer umsetzbar ist, weil das einzelne Leben immer abhängig
Ehrfurcht vor dem Leben: die Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes Albert Schweitzers in der
theologisch-ökologischen Diskussion (Forum interdisziplinäre Ethik 6), Frankfurt am Main
1997, 128.
47
Siehe ebenda.
48
Vgl. GRÄSSER (1997), „Studien“, 72.
49
Siehe BARANZKE, HEIKE, „Was Bedeutet ,Ehrfurcht‘ in Albert Schweitzers Verantwortungsethik? Eine Begriffsanalyse im Vergleich mit Schwantje, Kant, Goethe und Nietzsche“, in:
Synthesis Philosophica 53/1 (2012), 7-29, hier 24f.
50
Vgl. SCHWEITZER (2007), „Kulturphilosophie I + II“, 308ff.
51
Diese Formulierung findet man in unterschiedlichen Erweiterungen in seinen Werken. Neben
den zentralen Elementen des Lebenserhalts und seiner negativen Entsprechungen lässt sich
beispielsweise die Ergänzung des Steigerns bzw. Schädigens des Lebens als Differenzierungsmöglichkeit in manchen Werken wiederfinden. Vgl. GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen
Schlüsselbegriffes“, 98f.
9
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
von anderem Leben ist und das Überleben des einen zwangsläufig mit dem
Sterben des anderen einhergeht.52 Um diesen Einwand zu entkräften, versucht
Schweitzer durch zusätzliche Erläuterungen seines „Grundprinzips des
Sittlichen“, dem Menschen Handlungsoptionen aufzuzeigen. Diese haben
jedoch zur Folge, dass es wieder zu einer Unterscheidung zwischen menschlichem und nicht-menschlichem Leben kommt: „Alles, was in ,der gewöhnlichen ethischen Bewertung des Verhaltens der Menschen zueinander als gut
gilt‘, läßt sich „zurückführen auf materielle und geistige Erhaltung oder
Förderung von Menschenleben und das Bestreben, es auf seinen höchsten Wert
zu bringen.“53 Der höchste Wert ist dabei für nicht-menschliches Leben nur von
geringer Relevanz. „Die Hingabe an das Ideal (universales Verantwortungsbewusstsein) und das Ergriffensein bis ins Innerste im Miterleben und Mitleiden
mit einzelnen Menschen und Tieren wirken bei Schweitzer trotzdem
zusammen.“54
Ehe sich vertiefend mit den zentralen Elementen der Ehrfurchtsethik, dem
Willen zum Leben und der Lebensbejahung, befasst wird, ist notwendig, sich
vor Augen zu halten, was Schweitzer überhaupt unter dem Begriff „Leben“
versteht und wie er ihn gebraucht. Im Folgenden wird deshalb versucht, die
verschiedenen Dimensionen des Schweitzerschen Lebensbegriffs zu definieren.
4.2
Die Bedeutung des Lebensbegriffs
Schweitzers Ausdrucksweise ist geprägt durch seine äußerst vielfältige Nutzung
von Begriffen und Termini.55 Diese Terminologie erschwert jedoch an manchen
Stellen, seinen Gedankengängen und Argumentationen folgen zu können, weil
viele Ideen und Begriffe nicht hinreichend erläutert werden. Sie bleiben daher
meist vage und unscharf in ihrer Bedeutung, was eine hermeneutische Interpretation vor grundlegende Probleme stellt.56 Für den Begriff „Leben“ gibt es
Vgl. HAUSKELLER (2006), „Verantwortung“, 211f.
Siehe SCHWEITZER (2007), „Kulturphilosophie I + II“, 308.
54
Spear thematisiert in diesem Abschnitt das Werk von Helmut Groos zu Schweitzers Ethik.
Siehe SPEAR (1978), „Grundlinien“, 63.
55
Siehe hierfür Kapitel 4.1 „Die Unschärfe der Begrifflichkeit Schweitzers“ in GANSTERER
(1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 129-131.
56
Die Besonderheiten Schweitzers Terminologie lassen sich wie folgt zusammenfassen: „1.
Schweitzer stellt sein antithetisches Denken häufig durch die Doppeldeutigkeit von zentralen
Begriffen dar. Er belegt ein und denselben Begriff einmal mit einem negativen und ein andermal
mit einem positiven Bedeutungsgehalt. […] 2. Im Gegenzug dazu besetzt Schweitzer ganz
unterschiedliche Begriffe mit ein und demselben Inhalt. […] 3. Einmal als antithetisch definierte
52
53
10
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
beispielsweise keine eindeutige Definition seitens Schweitzers.57 Allerdings ist
dies von ihm auch nicht beabsichtigt. Vielmehr möchte er „diese Dimension des
Wunderbaren, das staunend machende Rätsel des Lebens“58 hervorheben.
Charakteristisch für Schweitzers wissenschaftliche Arbeits- und Vorgehensweise ist die „problemgeschichtliche Perspektive“, wonach „die geschichtliche
Selbstentfaltung eines Problems den unabdingbaren Schlüssel zu dessen Lösung
darstelle.“59
4.2.1 Die verschiedenen Dimensionen des Begriffes „Leben“
Wenn Albert Schweitzer über das Leben spricht, begegnen einem eine Vielzahl
unterschiedlicher Begriffe, die von ihm synonym verwendet werden: „Wesen“,
„Geschöpfe“, „Kreatur“, „Lebewesen“ beziehungsweise „lebendige Wesen“ und
„alles Leben“ stellen hier nur eine Auswahl dar.60 Er verwendet diese
allgemeinen Umschreibungen, um aufzuzeigen, dass es sich um „alle Erscheinungsformen“ des Lebens handelt.61 Dadurch weitet er seinen Lebensbegriff
gleichzeitig auf unterschiedliche Formen von Leben aus. Diese sind einander
ebenbürtig und lassen sich hinsichtlich ihres Wertes durch bestimmte Kriterien
nicht unterscheiden.62 Eine solche Unterscheidung hätte zur Folge, dass die
Tötung und Vernichtung spezieller Arten oder Lebensformen, die als wertlos
eingestuft werden, unter Umständen erlaubt und möglich sei.
Laut Günzler differenziert Schweitzer aber zwei Ebenen von Leben, die jeweils
von ihrem Kontext abhängig sind: Wenn Schweitzer über konkrete ethische
Forderungen spricht, meint er damit das organische Leben mit dem Fokus auf
Mensch und Tier, wohingegen das anorganische Leben bei der Beziehung
Begriffe werden später aus ungeklärten Gründen inhaltlich wieder völlig gleichgesetzt.“ Vgl.
GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 132.
57
Vgl. ebenda, 74.
58
Mit der Dimension des Wunderbaren stellt Gansterer einen Bezug zwischen Schweitzer und
Ronald Dworkin her. Nach Dworkin sind klar abgegrenzte Kriterien nicht ausschlaggebend
dafür, ob ein Leben vom Mensch respektiert werden sollte. Als Begründung führt er den Aspekt
der Heiligkeit des Schöpfungsprozesses an, der vom Menschen aufgrund seiner
Unergründlichkeit und Bedeutung für das Leben geachtet werden sollte. Siehe ebenda, 279.
59
Siehe GÜNZLER (1996), „Einführung“, 11.
60
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 138f.
61
Dem Begriff „Leben“ wird je nach verwendetem Kontext ein neuer Sinn zugeschrieben. Vgl.
GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 103.
62
Damit bezieht Schweitzer sich sowohl auf die Unterscheidung zwischen menschlichem und
nicht-menschlichen Leben als auch zwischen „primitiven“ und „höheren“ Völkern und Rassen.
Vgl. SPEAR (1978), „Grundlinien“, 19.
11
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
zwischen Mensch und den natürlichen Phänomenen miteinbezogen wird.63 Dies
bedeutet, dass in einer ethischen Anwendungs- oder Handlungssituation speziell
die Menschen als „Wesen, denen die Fähigkeit eines überlegenden und
zielbewussten Sich-Betätigens“64 zu eigen ist, angesprochen werden.
Im Unterschied dazu wird der umfassende Lebensbegriff von Schweitzer in
Situationen benutzt, in denen es nicht um konkrete Handlungsanweisungen,
sondern um das abstrakte Konstrukt der Beziehung zwischen Leben, Welt und
Wirklichkeit geht. Die Verwendung des Begriffs in seinem umfassenden Sinn
von verschiedenen Lebensformen zielt auf die universale Dimension des Lebens
ab. Für Schweitzer spielt diese Universalität eine besondere Rolle in der
Argumentationsstruktur seiner Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben. Ausgehend
von den naturwissenschaftlichen Forschungs- und Kenntnisständen zur
damaligen Zeit argumentiert Schweitzer wie folgt: „Der neuesten Forschung
zufolge ist das vermeintlich nicht mehr Zerlegbare selber etwas Zusammengesetzes. […] Jedenfalls sind sie (die Atome) nicht einfach kleinste Teile von
Materie, sondern von einer ihnen eigentümlichen Bewegung belebte
Sinneseinheiten. Wir haben die Atome als Individuen anzusehen.“65 In der
Konsequenz bedeutet dies, dass sowohl alles Organische wie der Mensch, Tiere
und Pflanzen als auch alles Anorganische wie Atome und Moleküle lebendig ist.
Auf diese Weise wird die Dimension der Universalität des Lebens erneut
verdeutlicht.66 Eine Abgrenzung des Lebendigen von dem Toten wäre bei solch
einer Argumentation nicht zielführend und möglich, da es in Schweitzers Augen
keine tote Materie existiere. Der Bedeutungsgehalt des Begriffs „Leben“ würde
weiterhin eingegrenzt werden. Schweitzer will aber gerade dies verhindern, um
die bisherige Enge der Ethik der Hingebung zu überwinden, die er als
einschränkend betrachtet.67
Vgl. GÜNZLER, CLAUS, „Ehrfurcht vor dem Leben – Albert Schweitzers Ethik als Grundimpuls
für die Umwelterziehung“, in: Ders. et al., Ethik und Erziehung, Stuttgart 1988, 171-199, hier
189.
64
Vgl. SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 182.
65
Siehe ebenda, 231.
66
Vgl. KÖRTNER, ULRICH, „,Ehrfurcht vor dem Leben‘ – Zur Stellung der Ethik Albert
Schweitzers in der ethischen Diskussion der Gegenwart“, in: Angela Berlis et al. (Hgg.), Albert
Schweitzer: Facetten einer Jahrhundertgestalt Berner Universitätsschriften 59), Bern 2013, 99136, hier 102.
67
Vgl. HÄRLE (1997), „Darstellung“, 74.
63
12
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
Ebenso vergleicht er „Leben“ und „Kräfte“ miteinander: „Auch das, was wir als
Materie bezeichnen, bleibt uns etwas Rätselhaftes. Wir wissen nur, daß es etwas
in Raum und Zeit Gegebenes und eine Äußerung von Kräften ist.“68 Für Härle
kommt es nun zu einem Interpretationsproblem. Wenn das „Leben“ unterschiedlichen „Kräften“ entspricht, ändert sich damit die Ausrichtung Schweitzers
Ethik, deren Ziel es ist, Leben durch Hingabe zu erhalten. Bei einer
Gleichsetzung der Begriffe würde der Fokus der Hingabe sich erweitern und
praktisch jede Art von Kraft und Energie einbeziehen und als erhaltenswert
betrachten. Damit würde „der Lebensbegriff kein universaler, sondern ein
seinerseits begrenzter und in Richtung universale Hingebung an das Sein zu
transzendierender Begriff“69 sein. Allerdings ist davon auszugehen, dass eine
solche Interpretation seiner Aussagen von Schweitzer nicht intendiert war,
sondern für ihn der Lebensbegriff in Koexistenz mit seinem Seinsbegriff zu
stehen hat, und damit die universale Dimension von größerer Bedeutung ist.70
4.2.2 Der Begriff „Sein“ im Verhältnis zum Lebensbegriff
Durch die Universalisierung des Lebensbegriffes verwischt die Grenze zum
Seinsbegriff und es wird dadurch schwieriger, diese beiden Ausdrücke
voneinander zu unterscheiden. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Begriffe des
Lebens und Seins äquivalent zueinander sind und deshalb gleichgesetzt werden
können.71
Schweitzer beschreibt das Sein wie folgt: „Das Sein tritt in belebten
Seinseinheiten in Erscheinung“.72 Für Schweitzer setzt sich das Sein also aus
verschiedenen Komponenten zusammen, die jeweils leben können, weil er
weiterhin sagt, dass es unterschiedliche Zustände von Sein gibt.73 In Bezug auf
die bereits dargestellten Ebenen des Lebensbegriffes Schweitzers lässt sich bei
dieser Definition des Seins eine Verbindung zur zweiten Ebene herstellen, bei
der das Organische und das Anorganische miteinbezogen werden.74 „Da wir nun
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 38.
Vgl. HÄRLE (1997), „Darstellung“, 75.
70
Vgl. ebenda.
71
Vgl. ebenda, 74.
72
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 232.
73
Vgl. ebenda.
74
Auffallend ist, dass der angesprochene Bereich des Anorganischen nur selten von Schweitzer
in seinen Ausführungen berücksichtigt wird. Aber auch wenn der „Bereich des NichtLebendigen in Schweitzers Ethik keine nennenswerte Rolle spielt, will er sich offenbar die
68
69
13
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
für uns selber zugleich immaterielles (geistiges) und materielles Sein sind, ist es
uns etwas Natürliches anzunehmen, dementsprechend auch von allem anderen
Sein anzunehmen, dass es etwas Immaterielles sei, das als etwas Materielles in
Erscheinung trete.“75 Folglich muss auf den Kontext geachtet, in dem Schweitzer
die Ausdrücke „Sein“ und „Leben“ verwendet, weil das Sein ebenfalls auf
zweierlei Weise unterschieden werden kann. „Alles Sein ist Leben, nur dass es
in näherer oder entfernterer Analogie mit dem in mir vorhandenen ist.“76 Das
Sein kann in diesem Fall mit dem Leben gleichgesetzt werden, wobei
hervorzuheben ist, dass es unterschiedliche Einheiten gibt, die aber zueinander
in Bezug gesetzt werden müssen. Gansterer beschreibt diese Ebene als „das
Gesamt der sichtbaren Wirklichkeit“77.
Schweitzer macht aber noch weitere Ebene auf: „Unser Sein ist in naturhafter
Weise in dem unendlichen Sein enthalten.“78 Er ordnet folglich das sichtbare
Sein einer weiteren Kategorie von Sein unter, die umfassender aber auch vager
erscheint. Gansterer meint dazu, dass Schweitzer versucht, „eine Wirklichkeit
zu umschreiben, die hinter der Welt des Sichtbaren verborgen scheint.“ 79 In
solch einem Kontext ist es nun fraglich, ob man „Leben“ und „Sein“ noch
äquivalent zueinander gebrauchen kann, weil eine Ebene der Seinsbestimmung
hinzukommt, die übergeordnet und umgreifender ist und damit der
Bedeutungsgehalt des Begriffs „Leben“ überstiegen wird.
4.3
Der Wille zum Leben als Essenz der Ehrfurchtsethik
Bisher wurde sich noch nicht der Frage gewidmet, wie man zu der beschriebenen
Erfahrung bzw. der Ehrfurcht vor dem Leben gelangt, um dann übereinstimmend
mit dem „Grundprinzip des Sittlichen“ sich in seiner Umwelt ethisch korrekt zu
verhalten. Eine Antwort besteht in dem Erkennen und Erleben des eigenen
Möglichkeit einer Ausweitung der Ethik in diese Richtung offenhalten.“ Vgl. GÜNZLER (1988),
„Grundimpuls“, 190.
75
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 38; Es ist anzumerken, dass in diesem Fall
„materiell“ und „immateriell“ beziehungsweise „organisch“ und „anorganisch“ mit „belebt“ und
„unbelebt“ korrelieren und dadurch die „Austauschbarkeit“ der Begriffe zustande kommt Vgl.
GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 104.
76
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 373.
77
Als Argument bringt Gansterer ein Zitat Schweitzers an, wonach das Ergriffensein vom Willen
zum Leben als Ausdrucksform der Ehrfurcht vor dem Leben sich auf dem Sein gründet. Siehe
GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 105.
78
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 232.
79
Siehe GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 105.
14
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
Willen zum Leben und desjenigen, der einem in anderen Lebewesen begegnet:
„Ich bin leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“80
Der Wille zum Leben wird von Schweitzer aufgrund seiner elementaren
Bedeutung in den Vordergrund seiner Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
gerückt und sein Lebensbegriff folglich konkretisiert: „Wir sind nicht nur Leben,
sondern Wille zum Leben.“81 Daraus leitet sich eine sich bedingende Folge ab:
Alles, was lebt, hat den Willen zu leben und umgekehrt lebt alles, was den Willen
zum Leben in sich trägt.
„Der Trieb, unser Leben zu erleben und auszuleben, gehört zu unserem
Wesen.“82 Dieser Wille ist damit ein ureigener und essentieller Bestandteil, über
den Menschen, Tiere und Pflanzen als Lebewesen verfügen.83 Man könnte den
Willen zum Leben auch als eine Art von Instinkt beschrieben, die das Verhalten
der Lebewesen zunächst unterbewusst steuert.84 Sie haben zwar ein Bedürfnis
danach, sich ausleben, was ihnen bereits von Anfang gegeben ist. Das bedeutet,
dass man nicht nur sein möchte, sondern auch am Leben bleiben möchte.85
Diesen Wunsch nach Leben kann ein Lebewesen auf der einen Seite aber nur
durch das Erleben des Willens zum Leben bestätigen, woraus sich dann eine
Erfahrung entwickelt.86 Auf der anderen Seite ist mit Wunsch nach Leben
zwangsläufig wieder der Tod anderer Lebewesen verbunden.87 Schweitzer ist
diese unumgängliche Tatsache durchaus bewusst und gibt daher als
Handlungsimpuls, die unterschiedlichen Umstände und Alternativen voneinander abzuwägen.88
„Die Grunderfahrung der Ehrfurcht vor dem Leben ist das Erleben eines in uns und anderen
Lebewesen wirksamen universalen Willens zum Leben.“ Siehe KÖRTNER (1988), „Verantwortung für das Leben“, 337.
81
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 31.
82
Siehe ebenda.
83
Der Wille zum Überleben eignet sich hingegen nur bedingt für einen Vergleich, weil das
Konkurrenzdenken stärker betont wird, welches wiederum eine Unterscheidung zwischen den
Lebewesen forciert. Vgl. Siehe KÖRTNER (1988), „Verantwortung für das Leben“, 341f.
84
Vgl. GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 96.
85
Vgl. KÖRTNER (1988), „Verantwortung für das Leben“, 340f.
86
Vgl. ebenda, 342f.
87
„Denn Leben beruhe ja immer auf Vernichtung, dergestalt, daß alles Lebendige vom Tod
anderer Lebewesen lebe, so daß immer, wenn wir Leben bewahren und fördern, wir damit
unweigerlich dazu beitragen, daß anderes Leben gehemmt und vernichtet wird – durch jenes
Leben nämlich, das wir bewahrt haben.“ Siehe SCHNEIDER, MANUEL, „Über Leben und Tod –
zur konvivialen Ethik Albert Schweitzers“, in Günter Altner et al. (Hgg.), Leben inmitten von
Leben. Die Aktualität der Ethik Albert Schweitzers, Stuttgart 2005, 15-26. hier 19.
88
Vgl. HAUSKELLER (2006), „Verantwortung“, 12f.; 20ff.
80
15
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
„Von unserem Lebenwollen aus verstehen wir das Leben um uns herum als
Lebenwollen und das Sein der Welt als Seinwollen.“89 Zwei unterschiedliche
Perspektiven werden dieser Erfahrung zum Ausdruck gebracht: die Erfahrung in
einem selbst als Selbstreferenz und die Erfahrung um mich herum als Referenz
der Wirklichkeit.90 Man überträgt dafür den eigenen Willen, den man selbst
erlebt hat und achtet, auf andere Lebewesen und nimmt an, dass sie auf die
gleiche Weise den Willen zum Leben erleben und sich auch verwirklichen
wollen. „Zum völligen Erleben unseres Daseins gehört das Sich-Ausleben in
dem Heraustreten aus uns selbst.“91 Man muss dafür, wie von Schweitzer
beschrieben, über seine eigene Individualität hinausgehen und seine Beziehung
zu anderem Leben begreifen und analog dazu den Willen zum Leben in anderen
Lebewesen genauso behandeln und wertschätzen wie man es mit seinem
persönlichen Willen zum Leben tut.92 Durch diesen Vorgang der Übertragung
entwickelt sich das ethische Programm der „Ehrfurcht vor dem Leben“, nämlich
die gleiche Behandlung und der gleiche Respekt gegenüber allen Lebewesen,
weil das Leben in seinen verschiedenen Formen als ebenwürdig bewertet werden
sollte.93 Schweitzer spricht dabei von einer gewissen „Nötigung, allem Willen
zum Leben die gleiche Ehrfurcht vor dem Leben entgegenzubringen wie dem
eigenen“, wenn seine ihm gegebenen Fähigkeiten anwendet.94
Die Erfahrung des Willen zum Leben, die als „unmittelbar“, „natürlich“,
„intuitiv“ und „unbewusst“ in der Literatur beschrieben wird, kann aber nur
durch den Prozess des Denkens und sich Auseinandersetzens mit dem Willen
und dem Erkennen des Willen erzielt werden.95 Erreicht wird dies nur, wenn alle
Kräfte und Fähigkeiten des Menschen miteinbezogen werden.96 Die Fähigkeit
zu Denken ist bei Schweitzer das Ergebnis des Strebens von Lebewesen nach
materieller und geistiger Vervollkommnung. Speziell dem Menschen als ethisch
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 31.
Vgl. GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 88.
91
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 182.
92
Vgl. LENK, HANS, Albert Schweitzer – Ethik als konkrete Humanität (Forum Humanität und
Ethik 1), Münster 2000, 14.
93
Vgl. ebenda; GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 90f.
94
Vgl. ebenda, 96f; Vgl. KÖRTNER (1988), „Verantwortung für das Leben“, 338.
95
Vgl. ECKER, MANFRED, „Evolution und Ethik. Der Begriff der Denknotwendigkeit in Albert
Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben“, in: Claus Günzler et al. (Hgg.), Albert
Schweitzer heute. Brennpunkte seines Denkens (BASF 1), Tübingen 1990, 51-81, hier 59.
96
Vgl. MÜLLER, CHRISTIAN, „Albert Schweitzers ethische Mystik der Ehrfurcht vor dem Leben“, in IZPP 1 (2010), 1-11, hier 1.
89
90
16
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
handelndes Lebewesen ist sie eigen.97 Daneben existieren weitere Fähigkeiten
und Fertigkeiten, die neben dem Mensch auch in Tieren Gestalt annehmen
können und dementsprechend spezifisch und vielfältig sein können. Schweitzer
schränkt aber ein: „Es ist nicht so, dass wir die Ideen, von denen wir leben und
nach denen wir unser Leben gestalten wollen, erst im Denken entdecken. Sie
sind in unserem Willen zum Leben gegeben. Wir tragen sie in uns. Im Denken
tun wir nichts anderes, als dass wir von ihnen völlig Kenntnis nehmen und sie
zu klären, zu entwickeln und zu vertiefen suchen.“98
Das Denken fungiert folglich als ein Hilfsmittel zum Erkennen des Lebenswillen
und zur Ausgestaltung des Lebens. Das Erkennen des Willens zum Leben
wandelt sich in das Erleben des Willens zum Leben um und wird deshalb auch
als „denkendes oder erkennendes Erleben“ bezeichnet.99 Entscheidend hierfür
ist, dass der Wille zum Leben aktiv bejaht wird, um vom Menschen bewusst
wahrgenommen und erlebt werden zu können. 100
4.4
Lebensbejahung als Voraussetzung für die Ehrfurchtsethik
Die aktive Lebensbejahung wird „durch das Bemühen, sich mit all seinen
Gemütskräften auf das ihn umgebende Leben einzulassen“101 erreicht.
Ansonsten könne der Wille zum Leben nicht realisiert werden bzw. würde
verfallen. Dies wiederum würde bedeuten, dass das Leben selbst sein Sinn
verliert und somit nichtig wird.102 „Das Leben ist [aber] die fundamentale
Gegebenheit. Wir besitzen das Leben nicht, um uns davon abzuwenden oder es
wegzuwerfen, sondern um es zu bejahen.“103 Schließlich ist aus unerklärlichen
Gründen den Lebewesen der Wille zum Leben gegeben, die ihn bejahen und sich
selbst dadurch als Teil der Welt bestätigen.
Die Bejahung des Lebens ist damit integrativer Bestandteil der Ehrfurcht vor
dem Leben. Wie bereits beschrieben, geht es dabei um die gleiche Wertschätzung von allem Leben und der daraus resultierenden gleichen Behandlung
Vgl. GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 90f.
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 27.
99
Vgl. GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 90.
100
Vgl. ebenda, 96.
101
Siehe MÜLLER (2010), „Mystik“, 3.
102
„Mein Leben trägt einen Sinn in sich selber. Er liegt darin, daß ich die höchste Idee lebe, die
in meinem Willen zum Leben auftritt […] die Idee der Ehrfurcht vor dem Leben. Daraufhin gebe
ich meinem Leben und allem Willen zum Leben, der mich umgibt, einen Wert, halt mich zum
Wirken an und schaffe Werte.“ Siehe SCHWEITZER (2007), „Kulturphilosophie I + II“, 82.
103
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 377.
97
98
17
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
aller Lebewesen durch die „durch das Denken bewusst gemachte Anerkennung
des vorrationalen Dranges zum Leben, den der Menschen in sich und außerhalb
seiner selbst staunend beobachten oder miterleben kann.“104 Diese Theorie muss
allerdings in die Praxis umgesetzt werden: „Lebens- und Weltbejahung kann
nicht ohne Wirken sein. Weil wir unser Leben und anderes Leben als etwas an
sich Wertvolles ansehen, vermögen wir nicht dabei zu verbleiben, nur so für uns
dahinzuleben, sondern wir empfinden die Nötigung, die besten materiellen und
geistigen Daseinsmöglichkeiten für uns und das andere Leben, das sich in dem
Bereiche unserer Betätigung findet, zu schaffen.“105
Auf diese Weise wird dem Leben die Chance zur Selbstvervollkommnung
gegeben, indem man sein Leben als Hingabe zu anderem Leben betrachtet und
dadurch eins mit demjenigen wird.106 Im Endeffekt bedeutet diese Hingabe eine
Selbstbejahung des eigenen Lebens. Auf dieser Idee aufbauend muss im
Umkehrschluss das Leben aller anderen Wesen bejaht werden, wodurch alle
Lebewesen nebeneinander auf die gleiche Stufe gestellt werden müssen.107
Schweitzer formuliert dies so: „Denn nun stellt sich die Frage, ob nicht auch eine
Wesensverwandtschaft zwischen dem Menschen und den Geschöpfen bestehe.
Sie zu bejahen und die Folgerung, dass es ethische Pflichten allen lebendigen
Wesen gegenüber anzuerkennen hat, ist ein unvermeidbares Wagnis.“108 Dieses
Wagnis steht für eine neue Möglichkeit der Betrachtung des Lebens und der
Welt. Denn „die Natur bejaht das Leben als solches. Die Individuen kommen für
sie nur als Repräsentanten des Lebens in Betracht.“109 Die geistige
Verbundenheit aller Lebewesen muss erkannt, bejaht und erhalten werden,
sodass eine Einheit aus individuellem und universellem Willen zum Leben
entstehen kann.110 Eine Hierarchisierung von unterschiedlichen Werten, das
Vorgeben von bestimmten Regeln oder Handlungsanweisungen seien nach
Schweitzer nicht notwendig, um das leitende ethische Prinzip mit der
Siehe GANSTERER (1997), „Rolle des ethischen Schlüsselbegriffes“, 92.
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 31.
106
Vgl. NEUENSCHWANDER, ULRICH, Ethik der Lebensbejahung, in: Claus Günzler et al. (Hgg.),
Albert Schweitzer heute. Brennpunkte seines Denkens (BASF 1), Tübingen 1990, 9-17, hier 14.
107
Diese Art der Begründung ist nach Günzler zwar nicht „denknotwendig“, aber doch
„folgerichtig“. Vgl. GÜNZLER (1996), „Einführung“, 118.
108
Siehe SCHWEITZER (2000), „Kulturphilosophie III“, 139.
109
Siehe ebenda, 44.
110
Vgl. MÜLLER (2010), „Mystik“, 6.
104
105
18
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
Lebenswirklichkeit zu vermitteln.111 Er setzt sein Vertrauen vielmehr in das
verantwortungsbewusste Denken und Handeln des einzelnen Individuums, das
sich selbst bejaht und sich dadurch ethisch verhält: „Dieses muß entscheiden,
wie es seine konkrete Verantwortung unter dem Anspruch des Prinzips zu
realisieren hat; normative Subsysteme können ihm dabei nicht helfen, ja würden
die Verantwortung eher entschärfen.“112
4.5
Kritikpunkte an Schweitzer und seiner Ethik
Wenn sich näher mit der Rezeption von Schweitzers Ethikkonzept in der
akademischen Forschung befasst wird, fällt schnell auf, dass die Ehrfurcht vor
dem Leben „weder zur moralischen Orientierung tauge, noch sich überhaupt in
die Tat umsetzen lasse.“113 Von vielen wird diese fehlende Umsetzbarkeit und
nicht vorhandenen konkreten Handlungshinweise für die Lebenswelt vermisst
und bemängelt.114 Ebenso werden von Schweitzer „keine weiteren Urteilskriterien“ für Abwägungsprozesse in Konfliktsituationen genannt, sodass er
„den ethischen Dauerkonflikt institutionalisiert.“115
Günzler charakterisiert die zentrale Schwäche der Ehrfurchtsethik, wie im
Folgenden beschrieben wird: „Schweitzers im Letztbegründungsrationalismus
verwurzelte Überzeugung, daß aus einem einzigen ethischen Prinzip heraus das
gesamte Feld der sittlichen Entscheidungen zu erfassen sei, zeugt von einer
verkürzten, weil rein naturphilosophischen Wahrnehmung der Realität und
übersieht die soziale, vor allem die gesellschaftlich-institutionelle Wirklichkeit
mit den ihr eigenen Konflikte.“116 Zudem wird Schweitzer angelastet, wenn es
darum geht, Ehrfurcht vor dem nicht-menschlichen Leben zu empfinden, nicht
unbedingt genau in der Ausführung zu sein. In Erinnerungen aus seiner Zeit in
Lambaréné wird ersichtlich, dass das Töten von so mancher Tierart wie Spinne
oder Leopard trotz fehlender Gründe nicht von Schweitzer missbilligt wird.117
Vgl. GÜNZLER (1996), „Einführung“, 129.
Siehe ebenda.
113
Siehe HAUSKELLER (2006), „Verantwortung“, 210.
114
Insgesamt werden das Verständnis von Ethik im Sinne Schweitzers und sein „Grundprinzip
des Sittlichen“ aufgrund widersprüchlicher Aussagen in Frage gestellt. Es kommt daher zu einer
Dilemma: „Entweder wir wollen leben, dann müssen wir immer wieder das tun, was wir selbst
als moralisch schlecht erkennen, oder aber wir wollen im Einklang mit Schweitzers
Grundprinzip des Sittlichen handeln, dann können wir nicht leben.“ Vgl. ebenda, 210ff.
115
Siehe KÖRTNER (1988), „Verantwortung“, 343.
116
Siehe GÜNZLER (1996), „Einführung“, 129.
117
Siehe SCHWEITZER, ALBERT, Selbstzeugnisse. Aus meiner Kindheit und Jugend. Zwischen
Wasser und Urwald. Briefe aus Lambarene, München 81988, 89; Es darf aber nicht vergessen
111
112
19
Schweitzer – ein Pionier der Bioethik?
Schweitzer geht es konkret aber nicht darum vorzugeben, wie seine Ethik im
alltäglichen Leben umgesetzt werden soll. Diese Fragestellung ist zunächst
zweitrangig. Wichtiger ist für ihn die Frage nach den allgemeinen Ideen und
Prinzipien zu stellen, die unser Denken und Handeln bestimmen.118 Hinzu
kommt, dass für Schweitzer das erlebende Denken im Vordergrund steht. An
dieser Stelle setzt dann seine Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben an, die als
ethische Gesinnung das Handeln des einzelnen Menschen beeinflussen kann.119
5
Schweitzer – ein Pionier der Bioethik?
Bevor der mögliche Mehrwert des Schweitzerschen Lebensbegriff und damit
verbunden der Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben für die Bioethik als Disziplin
herausgestellt werden kann, muss zunächst geklärt werden, was unter dem
Begriff der Bioethik zu verstehen ist.
5.1
Eine Definition von Bioethik
Unter Bioethik ist die wissenschaftliche Analyse und Bewertung vom Umgang
mit Leben.120 „Das thematische Spektrum der Bioethik erstreckt sich über das
gesamte semantische Feld des Begriffs ,Leben‘“121, weshalb sie in verschiedene
Disziplinen wie Tier- oder Naturethik zu untergliedern ist. Zurückzuführen ist
die Bioethik auf die Hauptströmungen der zeitgenössischen Moralphilosophie,
die da wären: „die Tugendethik, die deontologische bzw. kantianische Ethik und
der Konsequentialismus.“122 Heutige Entwicklungen neigen dazu, Teile der
werden, dass Schweitzer selbst nur ein Mensch ist. Er warnt davor, die Entscheidungen anderer
Menschen zu verurteilen, nur weil man in der konkreten Situation anders gehandelt hätte. Die
eigene Entscheidung müsse vor sich selbst gerechtfertigt werden können. Vgl. HAUSKELLER
(2006), „Verantwortung“, 222f.
118
„Ethische Prinzipien können, auch wenn sie später Einfluss auf die Praxis haben sollen, nicht
schon bei ihrer Bildung Rücksicht auf die Praxis nehmen. Man darf nicht vom Machbaren
ausgehen und anhand dessen ableiten, was gut ist.“ Siehe Vgl. HAUSKELLER (2006),
„Verantwortung“, 212.
119
Vgl. JURIĆ (2015), „Notion of Life“, 39f.
120
Der etymologische Hintergrund von „Bioethik“ ist für ihr allgemeines Verständnis durchaus
relevant. Leben wurden von den Griechen mit zwei unterschiedlichen Termini beschrieben: βίος
und ζωή. Letzter bezieht sich auf allgemein Lebendiges und Lebewesen, wohingegen der erste
den Menschen und seine Lebensweise charakterisiert. Die heutige Bioethik würde demnach nur
das menschliche Leben berücksichtigen, was in vielen Fällen zutrifft. Dieser Trend der
Reduktion auf eine Ethik des βίος wird kritisiert und ein integrativer Ansatz bevorzugt. Vgl.
ebenda, 34f.
121
Siehe STURMA, DIETER / HEINRICHS, BERND, „Bioethik – Hauptströmungen, Methoden und
Disziplinen“, in Dies. (Hgg.) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Referenzzentrum für Ethik
in den Biowissenschaften (DRZE), Handbuch Bioethik, Stuttgart / Weimar 2015, 1-8, hier 1.
122
Diese drei Hauptmodelle nutzen jeweils unterschiedliche Begründungsformen, um ihre
inhaltlichen Zielsetzungen zu erklären. Grob gesagt geht es der Tugendethik darum, den
20
Schweitzer – ein Pionier der Bioethik?
verschiedenen Modelle zu neuen Theorien und Konzeptionen zusammenzuführen, da kein Ansatz an sich ausreiche, um Bioethik zufriedenstellend zu
definieren.123 Die Diskussionen über bioethische Inhalte ziehen immer mehr das
mediale und gesellschaftliche Interesse auf sich, weil Grundfragen des Lebens
thematisiert werden, die für jede Person eine Relevanz besitzen. Durch den
medizinischen und biotechnischen Fortschritt, der in den letzten Jahren gelungen
ist, stellt sich nun die Frage nach der moralischen Bewertung solcher
Möglichkeiten, speziell im Hinblick darauf, welchen Einfluss diese auf das
Leben an sich haben und wie sie es verändern.124
5.2
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben als Impuls für die Bioethik
Gerade in der heutigen Zeit, in der die Stimmen nach einem nachhaltigeren und
sorgsameren Umgang mit der Natur und dem menschlichen Leben lauter
werden, ist die Aktualität der Schweitzerschen Ethik der Ehrfurcht vor dem
Leben unbestritten.125 Sie bestätigt ihre Bedeutsamkeit, indem sie „die Grenzen
des Wachstums und die global drohenden tödlichen Folgen der technisierten und
anthropozentrischen modernen Zivilisation“126 wahrnimmt und auf sie überwindet. Denn gerade „das anthropozentrische Denken und seine tödlichen
Folgen für Mensch und Natur“, das heutzutage immer noch stark den Umgang
mit der Natur aus Gründen des eigenen Überlebens prägt, werden von
Schweitzer eindeutig kritisiert.127
Trotz dessen wird Schweitzers Werk in der philosophischen Forschung und
ethischen Debatten eher vernachlässigt, als dass es von Forschenden als
Charakter des Menschen und seine Fähigkeiten und Kompetenzen zu bilden und zu fördern. Sie
stellt die Frage „Wie werde ich gut?“. Im Gegensatz dazu kommt es bei deontologischen
Ansätzen auf die gegenseitigen Verpflichtungen und moralischen Ansprüche an. Hier steht die
Frage „Was soll ich tun?“ im Vordergrund, wohingegen im Konsequentialismus die Folgen des
Handels stärker thematisiert werden. Vgl. STURMA / HEINRICHS (2015), „Bioethik“, 2f.
123
Beauchamp und Childress haben in ihrem Werk zur Medizinethik einen anerkannten
Theorieansatz auf der Basis der vorgestellten moralphilosophischen Hauptströmungen
formuliert. Dabei sind die von ihnen genannten Prinzipien „Autonomie“, „Wohltun bzw.
Fürsorge“, „Nichtschaden“ und „Gerechtigkeit“ besonders hervorzuheben. Vgl. BEAUCHAMP,
TOM L. / CHILDRESS, JAMES, F., Principles of Biomedical Ethics. Oxford 52001, 12ff.
124
Vgl. DABROCK, PETER, „Bioethik des Menschen“, in: Wolfgang Huber et al. (Hgg.), Handbuch der Evangelischen Ethik, München 2015, 517-583, hier 519.
125
„Die Förderung der Ehrfurcht vor dem Leben muss zu einem der Hauptelemente der globalen
Ethik zählen. Ohne das denkende Bewusstsein, dass wir Leben sind, das auf Kosten des anderen
existiert, kann sich keine Verantwortung für die Zukunft entwickeln.“ Siehe GLOBOKAR,
ROMAN, „Die Weltanschauung der Ehrfurcht vor dem Leben als Grundlage für globale Ethik, in
Synthesis Philosophica 53/1 (2012), 31-50, hier 48.
126
Siehe KÖRTNER (1988), „Verantwortung für das Leben“, 330.
127
Siehe Ders. (2013), „Stellung der Ethik“, 116.
21
Schweitzer – ein Pionier der Bioethik?
Bezugspunkt für neue Überlegungen herangezogen wird.128 Schweitzer war mit
seiner Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben, wonach allem, was lebt, der gleiche
Wert zugesprochen wird, aber seiner Zeit weit voraus, wenn man bedenkt, dass
die heutige Genetik und Mikrobiologie damals in ihren Kinderschuhen
steckte.129 Man kann seine Ethik in gewisser Weise als revolutionär bezeichnen,
weil sich die Ethik und Philosophie zur damaligen Zeit in weiten Teilen auf das
Handeln von Menschen an Menschen beschränkt haben.
Der umfassende Lebensbegriff spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige
Rolle, wenn er alles Lebendige auf der Welt einschließt und folglich dieses als
wertvoll und schützenswert betrachtet wird.130 Daneben zählen „Ehrfurcht“ und
„Verantwortung“ zu den weiteren Schlüsselbegriffen seiner Ethik, die universell
von ihm geltend gemacht wird. Damit gilt er „in Einführungen zur Umweltethik
immer als Paradebeispiel für den Biozentrismus“131, weil bei ihm sowohl das
menschliche, tierische als auch pflanzliche Leben als Objektbereich der
Ehrfurchtsethik angesehen wird.132 Besonders im Hinblick auf bioethische
Fragestellungen bietet dieser biozentrische Zugang eine interessante Ausgangsposition. Die biologische Vielfalt wird als Ganzes in den Fokus des Interesses
genommen, da dem ethischen Menschen nach Schweitzer das Leben als solches
heilig sei und die Natur ihren eigenen Wert habe.133 „Die Ehrfurcht gilt also
letztlich der sich erst im Staunen erschließenden Sichtbarkeit und Dankwürdigkeit des Geschöpfseins bzw. der Zeugnishaftigkeit der Lebewesen von
. Vgl. KÖRTNER (2013), „Stellung der Ethik“, 99; Zurückzuführen ist dieser Umstand auf die
recht späte Veröffentlichung der gesammelten Werke Schweitzers sowie der schwierige Zugang
aufgrund des eher appellativen Charakters seiner Sprache. Vgl. POHL, SABINE, „Albert
Schweitzers Ehrfurcht vor dem Leben und die Bioethik“; in: Robert Ranisch et al. (Hgg.),
Selbstgestaltung des Menschen durch Biotechniken (Tübinger Studien zur Ethik 4), Tübingen
2015, 113-129, hier 113.
129
Vgl. KÖRTNER (2013), „Stellung der Ethik“, 101.
130
„Mit anderen Worten ist das Grundprinzip der Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben das Prinzip
einer universellen Verantwortung für das Leben, die Mitleid und Liebe einschließt, sich aber in
beidem nicht erschöpft.“ Siehe Ders. (1988), „Verantwortung für das Leben“, 338.
131
Siehe GORKE, MARTIN, „Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben als Wegbereiterin einer
holistischen Umweltethik. Gemeinsamkeiten und Unterschiede“, in: Micheal Hauskeller (Hg.),
Ethik des Lebens. Albert Schweitzer als Philosoph, Zug 2006, 259-278, hier 262.
132
Es sei an dieser Stelle anzumerken, dass bei dem Schweitzerschen Lebensbegriff, wie bereits
beschrieben, auch das anorganische Leben, seien es Schneeflocken oder Kristalle, bedacht wird,
sodass eine Verantwortungsethik im Sinne Schweitzers holistisch gedacht werden muss. Vgl.
ebenda; Bei einer solchen Auffassung Schweitzers Ethik kann man von einer physiozentrischen
Tendenz sprechen, bei der die gesamte Natur zum Objektbereich wird. Vgl. KÖRTNER (2013),
„Stellung der Ethik“, 101.
133
Vgl. JURIĆ (2015), „Notion of Life“, 40.
128
22
Schweitzer – ein Pionier der Bioethik?
ihrem Ursprung aus einer höheren Vernunft.“134 Dieser Lebensbegriff findet in
bioethischen Debatten allerdings kaum beachtet, weil dort das Leben „einen
übergeordneten Zusammenhang“ oder den Evolutionsprozess charakterisiert
und es weniger um konkrete Lebensformen geht.135
Schweitzers Position der Gleichheit allen Lebens wurde im Laufe der Zeit immer
stärker radikalisiert. So wird von Verfechtern dieser Position das Argument
gebracht, dass alle Lebewesen aus bioethischen Gründen prinzipiell das gleiche
Recht auf Leben hätten, weil sie dem Selbstzweck dienen würden. Einzuwenden
sei jedoch, dass die Selbstzweckformel zur Begründung von Eigenwert und
besonderer Würde alles Lebendigen nicht unbedingt überzeugend ist, da sich aus
dem generellen Überlebens- und Fortpflanzungsinstinkt von Organismen keine
moralische Forderung nach gleichem Lebensrecht ableite.136
Wie bereits angesprochen, wird bei Schweitzers Ethik die fehlende Realisierbarkeit der Handlungsmaximen kritisiert und ihm Willkür vorgeworfen. Bei
genauerer Betrachtung findet sich allerdings ein Kriterium, dass in Einzelsituationen herangezogen werden kann, um zwischen verschiedenen Interessen
abzuwägen und eine moralische Entscheidung zu treffen: das Kriterien der
Notwendigkeit.137 „Mit der Notwendigkeit gibt uns die Natur das Recht, niederes
Leben dem höheren zu opfern. Aber indem wir davon Gebrauch machen, haben
wir uns unsere Verantwortung immer gegenwärtig zu halten. Nur da, wo es
durch einen ausreichenden Zweck gerechtfertigt ist, dürfen wir eingreifen.“138
Grundsätzlich kann Schweitzer zugestimmt werden bei der Forderung nach einer
gleichen moralischen Behandlung aller Formen des Lebens, obgleich die
praktische Umsetzung seiner Ethik eher schwierig ausfällt.139 Es handelt sich
134
Vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz
wird dem ethischen Konzept Schweitzers der Ehrfurcht vor dem Leben insofern eine Wichtigkeit
beigemessen, als dass es „als ein Korrektiv und […] Gleichgewicht zum Interesse an der
Verwertung nichtmenschlichen Lebens“ Beachtung erhält, die sich auf der Erkenntnis gründet,
dass der Mensch Teil des Lebens um ihn herum ist und daher sich selbst und anderes Leben
achten und schützen sollte. Vgl. HILPERT, KONRAD, „Religion in den bioethischen Diskursen
Deutschlands“, in: Friedemann Voigt (Hg.), Religion in bioethischen Diskursen.
Interdisziplinäre, internationale und interreligiöse Perspektiven, Berlin/New York 2010, 187215, hier 201f.
135
Vgl. KÖRTNER (2013), „Stellung der Ethik“, 103.
136
Vgl. KNOEPFFLER, NIKOLAUS, „Umwelt- und Tierethik (Bioethik I)“, in Ders. et al. (Hgg.),
Einführung in die angewandte Ethik (Angewandte Ethik 1), 75-105, hier 78.
137
Vgl. Pohl (2015), „Bioethik“, 123.
138
Siehe SCHWEITZER, ALBERT, Wir Epigonen (Werke aus dem Nachlass Bd. 9), Herausgegeben
von Ulrich Körtner und Johann Zürcher, München 2005, 195.
139
Vgl. KÖRTNER (2013), „Stellung der Ethik“, 119.
23
Schlussbetrachtung und Ausblick
hierbei um kein allgemeingültiges Sittengesetz, das in jeder Situation gilt. Im
Vordergrund steht die Forderung nach einer Reflexion des Verhältnisses mit der
Umwelt, anderem Leben und der eigenen Verantwortung, auf deren Basis dann
moralische Urteile getroffen werden können.140 Entsprechend handelt es sich bei
dieser Wahl zwischen Handlungsalternativen um eine Güterabwägung. Für die
einzelnen Disziplinen der Bioethik ergibt sich folglich ein Rahmen, der für
Entscheidungen herangezogen werden kann. „So muss abgewogen werden, wer
von den Ergebnissen einer bestimmten Anwendung profitiert, wie sich die
Ausgangssituation darstellt und wie groß die Nachteile sind, die anderen durch
die Forschung und Anwendung der Technologie entstehen.“141 Diese
notwendige Reflexion kann als die eigentliche Stärke der Ethik der Ehrfurcht
vor dem Leben verstanden werden. Indem sie keine konkreten Handlungsgebote
vorgibt, bleibt ihr der Freiraum, auf unterschiedliche Situationen angemessen
und flexibel zu reagieren.142
Die Ehrfurcht vor dem Leben ist eine ethische Gesinnung, „die das Denken und
Handeln in eine Richtung lenkt, ohne zu beanspruchen, genau und für jeden
einzelnen Schritt den Weg anzeigen zu können, den wir zu gehen haben.“143 Sie
ähnelt damit einer Art Kompass, der bei bioethischen Fragestellungen ein
Wegweiser darstellen kann. Der Mehrwert seines Lebensbegriffs und ethischen
Konzepts lässt sich somit bestätigen, auch wenn die genannten Kritikpunkte ihre
Berechtigung haben. Schweitzer zählt damit zu den Wegbereitern der heutigen
Bioethik, indem er den Objektbereich der Ethik erweitert hat und versucht hat,
eine brauchbare Antwort darauf zu geben, was Leben überhaupt ist. „Schweitzer
war Bioethiker, Tierethiker, z. T. Ökoethiker avant la lettre, ohne die zentrale
Humanität vernachlässigt zu haben.“144
6
Schlussbetrachtung und Ausblick
Der „Urwalddoktor“ Albert Schweitzer hat mit seiner Ethik der Ehrfurcht vor
dem Leben ein Konzept geschaffen, das bestimmend für sein eigenes Leben und
wegweisend für die heutige Bioethik war.
Vgl. Pohl (2015), „Bioethik“, 125.
Siehe ebenda.
142
Vgl. Hauskeller (2006), „Verantwortung“, 235.
143
Siehe ebenda.
144
Siehe Lenk (2000), „Humanität“, 31.
140
141
24
Schlussbetrachtung und Ausblick
Die Begriffe „Leben“ und „Ehrfurcht“ sind dabei zentral für das Verständnis von
Schweitzers Ethik. Trotz der oft synonymen Terminologie sind gerade beim
Lebensbegriff zwei unterschiedliche Dimensionen zu differenzieren und eine
Abgrenzung vom Seinsbegriff vorzunehmen. Einerseits gibt es die universelle
Bedeutung, bei der es um die Erklärung der Welt geht, und anderseits diejenige,
die das konkrete ethische Handeln an Lebewesen in den Blick nimmt. Dafür ist
die Erkenntnis wichtig, dass Lebewesen über einen Willen zum Leben verfügen
und dieser sich nicht nur im Menschen äußert. Die Fähigkeit des erlebenden
Denkens ist aber nur letzterem eigen, wodurch Schweitzer dem Menschen eine
größere Verantwortung zuspricht als Tier und Pflanze. Dieser muss begreifen,
dass alles Leben schutzbedürftig ist, weil es den gleichen Wert hat: „Ich bin
Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Der Wille zum Leben
ist schließlich in allem Lebendigen vorhanden und sollte entsprechend geachtet
und respektiert werden. Daraus entwickelt sich der Anspruch seiner Ethik, alles
Leben auf die gleiche Weise zu behandeln und es zu fördern und erhalten.
In diesem ethischen Anspruch stecken wichtige Impulse für die Beantwortung
bioethischer Fragestellungen. Wo fängt das Leben an und wo hört es auf? Was
darf verändert werden und welche Grenzen gibt es im Umgang mit dem Leben?
Entsprechend der Ehrfurchtsethik muss grundsätzlich reflektiert werden, ob die
Handlungen wirklich notwendig sind oder ob es Alternativen gibt. Gerade vor
dem Hintergrund von Tierversuchen oder Bioengineering bietet es sich an, zu
untersuchen, inwieweit ethisches Handeln im Sinne der Ehrfurcht vor dem
Leben möglich ist und ob die Versuche und Methoden der Naturwissenschaften
sogar mittels Schweitzers Konzept gerechtfertigt werden können.
Ziel sollte es sein, „eine Atmosphäre wirklich gewollten friedlichen
Miteinanderlebens und auch miteinander und zugunsten allen Wirtschaftens [zu
schaffen]. Wir alle müssen uns zusammentun, daß die Erde zu einem allen
gedeihlichen Reich der Humanität werden kann.“145 Der Mensch muss sich
folglich den globalen Herausforderungen seiner Zeit annehmen und ernsthaft
versuchen, an den gegenwärtigen Zuständen etwas zu verändern. Schweitzers
Ehrfurchtsethik bietet dabei ein mögliches Konzept, wie man ethisch handeln
sollte. Es ist nicht ohne Makel, aber diese gehören zum Leben einfach dazu.
145
Siehe SPEAR (1978), „Grundlinien“, 39.
25
Literaturverzeichnis
7
Literaturverzeichnis
Abkürzungen von Monographiereihen oder Zeitschriften sowie erfolgen nach
dem Abkürzungsverzeichnis von
Schwertner, Siegfried M., IATG3. Internationales Abkürzungsverzeichnis für
Theologie und Grenzgebiete, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage,
Berlin/New York 32014.
Kurztitel wurden nach dem Muster Verf. (Publikationsjahr), „zentrales
Titelsubstantiv“, Seite. gebildet.
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Zwischen Wasser und Urwald. Briefe aus Lambarene, München 81988.
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Herausgegeben von Claus Günzler und Johann Zürcher, München 2000.
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Herausgegeben von Hans Walter Bähr, München 82003.
Ders., Wir Epigonen (Werke aus dem Nachlass Bd. 9), Herausgegeben von
Ulrich Körtner und Johann Zürcher, München 2005.
Ders.,, Kulturphilosophie, Band I: Verfall und Wiederaufbau der Kultur. Band
II: Kultur und Ethik. Mit einem Nachwort von Claus Günzler, München 2007.
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NONN, CHRISTOPH, Das 19. und 20. Jahrhundert. Orientierung Geschichte (UTB
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ZAGER, WERNER, Art. „Schweitzer, Albert“, in: WiBiLex 2009/02 (PDFDokument, https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/53957/), abgerufen
am 15.07.2020.
29
Literaturverzeichnis
Theologische Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Erklärung
(ab Sommersemester 2008 obligatorisch den Hausarbeiten beizufügen)
Name, Vorname
Kretschmann, Marek
Matrikel-Nummer
1021907
Hiermit versichere ich, dass ich die Hausarbeit mit dem Titel:
Die Bedeutung des Begriffs „Leben“
in Albert Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
als Wegweiser für die Bioethik
selbstständig verfasst habe und alle von anderen Autoren übernommenen Gedanken wie auch
Textstellen oder Passagen aus digital verfügbaren Dokumenten in der Ausführung meiner
Arbeit gekennzeichnet sowie die Quellen korrekt zitiert habe.
Ferner versichere ich, dass diese Arbeit noch nicht an anderer Stelle vorgelegen hat und ich die
unten genannten Gesetzesgrundlagen zur Kenntnis genommen habe.
Kiel, 26.07.2020
Ort, Datum, Unterschrift
Bei Täuschungsversuchen finden die §§ 6, 7 12 und 21 der Studien- und Prüfungsordnung für
Staatsexamens- und Magisterstudiengänge sowie § 21 der Prüfungsverfahrensordnung für Studierende
der BA und MA-Studiengänge Anwendung.
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