Po Marktwirtschaft Gh Preis und Markt Der Markt – Angebot und Nachfrage 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 In der heutigen Wirtschaft ist der Markt die zentrale Erscheinung. (...)Jeder von uns kennt eine ganze Anzahl von Märkten. Sehr bekannt ist der Gemüsemarkt, der sich in fast jeder Groß- oder Kleinstadt auf einem zentralen Platz abspielt. Wir beschäftigen uns ein wenig mit diesem Markt und erinnern uns, was wir bei unserem letzten Besuch dort gesehen haben: Da waren eine Anzahl Stände der verschiedenen Gemüse- und Obstarten. An anderen Ständen wurden Schnitt- und Topfblumen feilgeboten, wieder andere bieten Eier, Butter und Käse an oder auch Bäckereiwaren, Fleischwaren usw. Die Händler und Marktfrauen bezeichnen wir von jetzt an mit einem besonderen Ausdruck, wir nennen sie Verkäufer oder Anbieter. Die Marktstände sind reihenweise angeordnet, es befinden sich Wege dazwischen, auf denen sich eine mehr oder weniger zahlreiche Menge von Hausfrauen, Familienvätern, Kindern usw. drängt, die kaufen wollen. Alle diese letzteren nennen wir von jetzt an mit dem besonderen Ausdruck Käufer oder Nachfrager. Überblicken wir den Markt, so stellen wir fest, daß er eine Versammlung von Marktteilnehmern ist; so nennen wir alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager oder deren Personal auf dem Markt zu tun haben. Der Markt ist darüber hinaus aber noch ein Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Denn alle Ware, die auf dem Markt angeboten wird, nennen wir „Angebot", und alle Ware, die auf ihm verlangt wird, nennen wir „Nachfrage“. Die Hausfrauen usw., z. B. wenn sie ihre Besorgungen für große Familien machen, möchten nun oft sehr viel mehr einkaufen, als sie zum Schluß mit nach Hause nehmen. Ihre „eigentliche“, ihre subjektive oder 1atente Nachfrage ist sehr groß, aber ihr Geldbeutel ist klein. Infolgedessen können sie nicht all das kaufen, was sie möchten sondern nur das was sie bezahlen können. Dabei wollen sie auch nicht ihr gesamtes Geld ausgeben, sondern sie überlegen vorsichtig und sorgsam, wieviel von dem Wochen- oder Monatsverdienst des Vaters oder des Verdieners der Familie sie an diesem Tage wirklich nur hier am Gemüsemarkt ausgeben dürfen, ohne bei anderen Bedürfnissen oder in den Tagen danach in Verlegenheit zu kommen. Nur die Käufe, die sie bei solcher vorsichtigen Überlegung wirklich abschließen, bilden die „effektive Nachfrage“ am Markte. Nur diese ist wissenschaftlich und tatsächlich zu beachten. Demgegenüber ist die latente oder subjektive Nachfrage oft vielfach größer. All die Wünsche, die aus Geldmangel unerfüllt bleiben müssen, sind in der latenten Nachfrage mit eingeschlossen. Sie sind für die Preisbildung unerheblich. Die Konkurrenz 55 Wir hatten schon gesehen, daß an unserem Markt 60 65 70 75 80 85 90 95 Gemüse, Eier, Butter usw. gehandelt werden Dies sind die „Waren“ oder die „Güter“. Auf unserem Gemüsemarkt, das erkennen wir sofort, werden eine ganze Anzahl von Waren, es sind wohl 50 oder mehr, gehandelt. Wir befassen uns jetzt nur mit einer dieser Waren, und zwar einer Ware von überall gleicher Qualität, also etwa mit Graubrot in l-kg-Laiben oder mit Weißkohl oder mit Bauernbutter, denn wir werden sehen, daß ein „homogener“ Markt nur eine Ware umfaßt und daß an jedem Markt die Preisbildung zunächst unabhängig von der Bildung anderer Warenpreise an anderen Märkten erfolgt. Jeder Qualitätsunterschied bedingt eine neue Ware und einen selbständigen Preisbildungsprozeß. Welchen Zweck haben nun die vielfachen Marktveranstaltungen? Sie dienen offenbar dazu, den Käufern nicht nur einen leichten Zugang zur Ware zu verschaffen, sondern diesen Käufern auch eine große Übersicht über das Angebot, die Kenntnis von günstigen Gelegenheiten und von günstigen Einkaufsmöglichkeiten zu bieten. Denn es sind hier auf Jedem Einzelmarkt viele Anbieter gleichzeitig versammelt, und der Kaufer sieht sehr bald klar, wenn er mit dem gestrigen Tage vergleicht, ob die Preise eine steigende oder fallende Tendenz haben, ob der Gemüseladen in seinem heimatlichen Stadtteil seine Preise dieser Tendenz angepaßt hat, wo er am billigsten kauft usw. Auf der anderen Seite, wenn man die Verkäufer betrachtet, so haben sie den Vorteil, daß sie nicht nur ein paar Dutzend, sondern viele hundert Käufer auf einmal vorfinden ohne viel herumzuziehen, oder Boten, Karren usw. aussenden zu müssen. Den Verkäufer reizt also die Größe der Absatzmöglichkeiten: man sagt „die Größe des Marktes“. Boshafterweise kann man sagen: Sein „Egoismus“, d. h. die Gewinnsucht des Erzeugers und Händlers, reizt ihn, gute Geschäfte zu machen. Diese mächtigste Triebkraft wird benutzt, um mehr Ware und bessere Ware heranzubringen. Damit steht der Markt auf einem sehr festen, vielleicht aber etwas unmoralischen Fundament. Dieses Fundament würde oft verständnisvollere Beurteilung finden, wenn man sich verdeutlichte, daß alle anderen Berufe ebenfalls eine Vergütung für ihre Tätigkeit erhalten, und es ist allgemein bekannt daß diese 100 Vergütung fast nie ohne Einfluß auf das Verhalten 105 110 115 120 125 130 135 140 145 150 155 des Berufstätigen bleibt. Allerdings wird die Freude des Anbieters über den großen Markt auch keine reine Freude sein, denn gerade wegen der Größe des Marktes wird eine für den Verkäufer besonders unangenehme Erscheinung, nämlich die Konkurrenz, hier besonders deutlich. Die Konkurrenz, man sagt auch Wettbewerb, Rivalität, besteht darin, daß mehrere verkaufen möchten, und daß sie sich nun unterbieten. Der eine verkauft die Kirschen für 85 Pfg., der andere etwa für 70 Pfg. Vielleicht kann man sagen, die billigeren Kirschen seien weniger gut oder nicht so frisch, denn es werden ja am Obstmarkt verschiedene Qualitäten gehandelt. Aber häufig ist die gleiche Ware an einem Stand tatsächlich preiswerter als an einem anderen. Es wird also wirklich unterboten. Ist diese Konkurrenz, diese gegenseitige Unterbietung, die für die Verkäufer so sehr ärgerlich ist, nun aber abzulehnen? Blicken wir auf dem Markt umher, so finden wir, daß es die große Zahl der Konsumenten ist, die von der Konkurrenz profitiert, die sich an diesem Tag z. B. freuen, daß die Händler sich unterboten haben und die Kirschen billiger werden. Wir müssen nun beide Marktparteien, die Käufer und die Verkäufer, als gleich wichtig ansehen und können daher die Interessen einer Partei, die so v. H. des Marktes vertritt, nicht ohne weiteres in den Windll schlagen, indem wir uns nach den Interessen der anderen Seite richten. Das können wir auch deswegen nicht, weil die Konkurrenz nicht allein unter den Verkäufern wirkt (hier zum Vorteil der Hausfrauen), sondern sie wirkt auch in den Reihen der Hausfrauen, und hier zum Nutzen der Verkäufer. Ist z. B. ein Artikel, eine bestimmte Obstsorte und dergleichen, an einem Tage knapp, so werden viele Hausfrauen sich vielleicht vor einem Obststande versammeln. Man wird die halbgeleerten Körbe anschauen, und man wird vielleicht anfangen, sich zu überbieten, um unbedingt noch Ware zu bekommen. In diesem Fall ist es die Marktfrau, also der Anbieter, der von der Konkurrenz der Nachfrager untereinander seinen Vorteil hat und einen höheren Preis erhält. Gegen die egoistische Triebkraft des Eigennutzes ist also am Markt eine Gegenkraft, die Konkurrenz, gesetzt, die auf der uralten menschlichen und wohl auch bei den Tieren zu findenden Eigenschaft der Rivalität beruht. Ohne Konkurrenz diente der Markt nur der Ausbeutung der einen Marktseite durch die andere; ohne Egoismus, ohne Gewinntrieb wäre der Markt wahrscheinhch ohne Ware, ohne Angebot, also ohne Interesse. Gewinntrieb und Konkurrenz müssen beide dasein, sich beide gegenseitig in Schach halten. Nur wenn beide da sind, funktioniert der Markt. Hierin liegt schon einer der Gründe, daß Versuche etwa Art Wege der Zwangswirtschaft die Konkurrenz durch etwas ande- 160 165 170 175 180 185 190 195 200 205 210 res zu ersetzen, z. B. durch Behördentätigkeit, so wenig Erfolg gehabt haben. Die Zeiten des Feilschens sind vorbei. Nicht nur die Ladengeschafte, sondern auch die Anbieter am Wochenmarkt haben fast immer feste Preise, oft auf Preisschildern angegeben, für ihre Ware gegenüber allen Kunden und Kundinnen. Noch im vorigen Jahrhundert war das anders, ähnlich heute im Orient. Hier findet man noch die Formen des Handels lebendig, die wir selbst m unseren mittelalterlichen Städten gehabt haben. Man handelte um einen größeren Warenposten unter Umständen stundenlang hin und her. Der Käufer machte die Ware schlecht, der Verkäufer pries sie, man war völlig uneins in der Frage der Preishöhe, bis man sich zum Schluß ungefähr in der Mitte des großen Abstandes zwischen dem ersten Angebotspreis und der ersten Preisansage des Nachfragers traf. Heute sind nahezu alle Preise vom Verkäufer für den jeweiligen Tag festgesetzt. Der Verkäufer übt damit aber keine despotische Macht auf den Käufer aus, er zwingt ihn nicht, einen überhöhten Preis zu bezahlen, denn neben seinem Stand befinden sich reihenweise die Stände der anderen Marktteilnehmer, zu deren Besichtigung die Kundinnen augenblicklich weitergehen, wenn einer seinen Preis zu hoch festgesetzt hat. So ist der Preis wohl einseitig vom Verkäufer festgesetzt, aber doch nur unter dem Druck der scharfen Konkurrenz am Markte. Preis und Menge Nun werden von Tag zu Tag wechselnde Mengen von Waren angeboten und auch sehr verschiedene Mengen nachgefragt. In einem guten Obstjahr werden viermal so viel Kirschen angeboten wie in einem schlechten. Auch die Hausfrau kann die Menge ihrer Nachfrage außerordentlich stark verändern: Ist der Preis der Kirschen hoch, so kauft sie vielleicht nur ein halbes Pfund für sich und das Kind. Ist der Preis niedrig, so kauft sie etwa drei Pfund für die ganze Familie. Ist der Preis aber besonders stark gefallen, so denkt sie ans Einmachen, bereitet alles vor und kauft vielleicht 20, 40 oder 100 Pfund. Die nachgefragte Menge, wenn wir nur diesen einen Haushalt betrachten, kann also zwischen ½ Pfund und 100 Pfund schwanken. Sie kann also auf das Zweihundertfache steigen. Und auch auf der Angebotseite sind zwischen Mißernten, wo mancher Baum nur wenige Pfund trägt, und Rekordernten mit zentnerschwerem Behang ähnlich große Unterschiede. Wenn solche mengenmäßigen Verschiedenheiten von Angebot und Nachfrage auch nicht bei allen Waren in gleicher Stärke auftreten, so bleiben sie doch überall beträchtlich. Der Markt ist nun in der Volkswirtschaft gewissermaßen diejenige Maschinerie, durch die die angebotene Menge und die nachgefragte Menge stets zur 215 220 225 230 235 240 245 250 255 260 265 Übereinstimmung gebracht werden. Ist das Angebot klein, die Nachfrage groß, so steigen die Preise, die Käufer werden schnell ihr Geld los und haben zum Schluß nur wenig Ware. Zu dem zustandegekommenen Preise sind dann die erst so ungleich erscheinenden Waagschalen „Geldmenge der vorhandenen Käufer“ und „Warenmenge“ gleichgewichtig im Wert geworden: die kleine Warenmenge der Anbieter multipliziert mit dem hohen Preise (z. B. 80 kg à 4 DM) ist nun „wertgleich“ geworden mit der erst so großen, dann aus Entsetzen vor dem hohen Preis so zusammengeschrumpften effektiven Nachfrage der Nachfrager: auch sie beträgt nur noch 80 kg, und sie ist bereit, 4 DM je kg zu bezahlen. Die Wert- (Preis-) Veränderung hat die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage beseitigt. Der Preis am Markt verteuert sich also, weil damit die knappe Ware vernünftig auf die wenigen ganz dringlichen Käufer aufgeteilt werden soll. Dringlich ist die Nachfrage, die mit viel Geld ausgestattet ist. Ist ein Nachfrager arm, und handelt es sich um Leben und Gesundheit, so muß man ihm durch Nächstenliebe oder soziale Fürsorge etwas schenken, damit er dringlich und effektiv nachfragen kann. Ist der Preis niedrig, so wird auch kostbare Ware wenig geachtet und für wenig wichtige Zwecke verschleudert. Denn: Ist das Angebot groß und die Nachfrage zunächst klein, so fallen die Preise, bis die Käufer bei den gestürzten Preisen bereit sind, sehr viel mehr Mengen aufzunehmen, wodurch sie ebenfalls ihr Geld loswerden. Dlese einfache Tatsache, daß zu einer großen Menge ein niedriger Preis und zu einer kleinen Menge ein hoher Preis gehört („ihr zugeordnet ist“), hat z. B. die merkwürdige Folge, daß die Bauern bei einer Mißernte in Getreide meist mehr verdienen als bei Einer guten Ernte. Denn der Preis steigt bei einer schlechten Ernte noch mehr, als die schlechte Ernte dem Bauern Geldausfall bringt, so daß er sich insgesamt besser steht; mit anderen Worten: der steigende Preis drängt zwar die Nachfrage zurück, 1edoch nicht im gleichen Verhältnis, sondern weniger. Wenn wir nicht an die Landwirtschaft, sondern an die Industrie denken, wo nicht die Natur die Menge des Angebots, d. h. die Größe der Ernten bestimmt, sondern wo der Fabrikant durch die Größe einer Maschinenanlage bestimmen kann, wieviel Ware angeboten wird, so sehen wir, daß auch hier die nachgefragte Menge von der Höhe des Preises abhängt. Bieten die Fabriken (Anbieter) alle zusammen mehr an, so müssen sie bereit sein und auch von vornherein darauf rechnen, nur einen niedrigeren Preis zu bekommen. In der Autoindustrie z. B. würde ein heutiger Personenwagen, in Handarbeit hergestellt, vielleicht 100 000 DM oder mehr kosten. Bei einem so hohen Preis würden sich nur sehr wenige reiche Leute finden, die bereit wären, einen so hohen Preis zu bezahlen. Die moderne Massenfertigung erlaubt es dem Produzenten, den Preis des Personenautomobils auf vielleicht 8 000 270 oder 10 000 DM zu ermäßigen, worauf nun nicht nur die zehn- oder zwanzigfache Menge, sondern vielleicht die hundertfache Menge abgesetzt werden kann. Umgekehrt: Wurde der heutige Preis von 10 000 DM auf 100 000 DM erhöht, so ginge die Nach275 frage nicht wie im obigen Fall in geringerem Verhältnis zurück, sondern überproportional. Als gemeinsames Kriterium können wir aber erkennen: Zu jedem Preis gehört eine bestimmte Menge Der Gleichgewichtspreis 280 Wenn zu einem bestimmten Preis (etwa 80 Pfg. für 285 290 295 300 305 310 315 320 Kirschen) viel Ware angeboten und wenig Ware nachgefragt ist, sinkt der Preis, die Preisschilder werden umgeschrieben, es ist noch kein Gleichgewicht da. Umgekehrt: Sind wenig Kirschen zu 60 Pfg. da und kommen immer mehr Käuferinnen, so fehlt ebenfalls das Gleichgewicht, der Preis bewegt sich, er steigt. Erst wenn der Preis die Höhe erreicht hat wo die ärmeren Hausfrauen nicht mehr bieten oder die einmachlustigen Frauen nicht mehr kaufen wollen, so daß genau so viel Pfund angeboten wie nachgefragt werden, haben wir einen Gleichgewichtspreis (etwa beim Preis von 75 Pfg.); denn die zu diesem Preis angebotene und die nachgefragte Menge der Kirschen sind gleich. Dieser Preis von 75 Pfg. ist an diesem Tage der „beste“, denn er bietet Käufern und Verkäufern das meiste. Weil sich an unserem Wochenmarkt alles darum dreht, daß die Gemüsehändler usw. möglichst bis Marktschluß alles verkauft haben (denn sie wollen die Ware nicht wieder mit nach Hause nehmen), und weil die Hausfrauen ebenfalls zu Mittag ihren Familien ein Essen auf den Tisch setzen wollen und daher kaufen müssen, spielt die Frage, wie die Gütermengen am Markt mögllchst schnell und restlos geräumt werden, täglich die Hauptrolle. Wie wir gesehen hatten, ist der Preis dazu da, die angebotenen und nachgefragten Mengen in Übereinstimmung zu bringen. Man sagt: »Er hat eine Lenkungsfunktion.« Ist die angebotene Menge übergroß, so daß die Händler wieder viel Ware mit nach Hause nehmen mußten, so sinkt der Preis, bis die Käufer umgestimmt werden und größere Mengen kaufen. Haben die Hausfrauen noch nicht genug eingekauft, um ihrer Familie zum Mittag etwas bieten zu können, so werden sie bereit sein, im Preis etwas heraufzugehen, auch etwas teurer zu kaufen, und werden damit den Anbietern am Gemüsemarkt, die an diesen Tagen nur wenig in den Körben hatten, doch eine ganz schöne Geldeinnahme verschaffen. Den Ausgleich im Haushalt zwischen den leeren Mägen und der vom Markt nach Hause gebrachten Menge der Einkäufe muß dann die Hausfrau durch mehr Kartoffeln geschickte Zubereitung usw. versuchen. Lebensstandard und Einkommen Damit sind der Preis und indirekt die gesamte Men325 genlenkung der Volkswirtschaft aber das Ziel der 330 335 340 345 350 355 360 365 370 375 ganzen Marktveranstaltung, und daher werden die Preise in der Presse bekanntgegeben und überall beachtet. Von den Preisen hängt es ab, ob der Lebensstandard der Arbeiter und Angestellten hoch oder niedrig ist. Denn bei hohen Preisen kann man sich nur wenig für sein Geld kaufen, man hat also einen „schlechten Lebensstandard“. Bei niedrigen Preisen dagegen können sich die Familien viel kaufen, der Wert des Geldes ist hoch und der Lebensstandard ebenfalls. Die Höhe der Preise beeinflußt also das wirtschaftliche Leben des einzelnen aufs stärkste. Das gilt aber auch für den Verkäufer, wenn auch mit anderen Folgen: Hat er bei gleichen Kosten einen hohen Preis für seine Ware bekommen und setzt sich dies den ganzen Monat über fort, so hat er ein hohes Einkommen. War dagegen die Konkurrenz groß, die angebotene Warenmenge übermäßig, so ist sein Einkommen am Ende des Monats gering. Es kann sogar negativ sein: er kann mit Verlust gearbeitet haben. Unternehmer, also Händler, Handwerksmeister, Bauer oder Fabrikant, auch Arzt und Rechtsanwalt sind dadurch gekennzeichnet, daß sie alle an hohen Preisen für ihre eigene Waren oder Leistung interessiert sind. Bei allen anderen Waren dagegen sind sie, wie alle Konsumenten, an billigen Preisuneinteressort. Abschließend ist zu bemerken, daß dieses „Modell“ des Marktes bereits alle Urelemente der ökonomischen Theorie enthält: den Preis, die Entstehung der Einkommen und die Rolle des Geldes; die Erörterung von Markt und Preis kann daher als eine Einführung in die ökonomische Theorie betrachtet werden. Nun wurden allerdings an dieser Stelle der Preis und der Markt als „statische“ Phänomene behandelt: In unserem Modell spielt sich das ganze Geschäft an einem Tage, und zwar im extremen Falle bis zur Räumung der Läger und der Geldbestände, ab, wobei die Warenbestände der Konsumenten, da für den Konsum festgelegt, nicht zählen. Die wirtschaftliche Wirklichkeit aber ist dynamisch, d. h. in ihr bleiben teilweise Läger unverkauft. Läger und Investitionen wechselnder Größe sind da, so daß deren Besitzer Kredit benötigen, es bleibt Geld übrig, das in Banken eingelegt wird, überhaupt die Kapitalbildung und das Wachstum tritt auf, und damit zieht sich der momentan-statische Zustand in die` Länge der Zeit, er wird ein Prozeß, ein Hergang, mit dem ganzen Auf und Ab der Preise und Konjunkturen, den wir in der Wirtschaft „Dynamik nennen. Der moderne dynamische Markt steht aber begrifflich noch aus einem ganz anderen Grunde im Gegensatz zum soeben behandelten statischen Markt: er ist nicht 380 385 390 395 400 405 410 415 420 425 430 mehr „homogen“, sondern „heterogen“. Der klassisch-homogene Markt etwa der Zeit um 1750 kannte nur wenige Dutzende von Waren, die gehandelt wurden: etwa Roggen in einer üblichen Qualität, Wolle, ebenfalls landesüblich, usw. Fertigbekleidung und Wäsche, Wichse, Kerzen usw. waren nicht am Markte, sondern wurden in den Haushaltungen für den Eigenbedarf selbst hergestellt. Wie erwähnt, wurde an jedem „Markt“ nur eine homogene, d. h. technisch-physikalisch gleichförmige Ware gehandelt. Der Preis bildete sich durch Überbietung innerhalb des Kreises der Nachfrager bei gleichzeitiger Unterbietung innerhalb des Kreises der Anbieter, wobei alle Beteiligten nur die eine homogene Ware betrachteten. Der heutige Markt ist anders, nicht nur, weil er dynamisch ist, sondern auch, weil er heterogen ist: Tausende von Waren in je Dutzenden von Qualitäten werden angeboten, und der Nachfrager soll sich durchaus nicht auf eine beschränken, sondern alle überblicken und zwischen ihnen wählen. Nicht mehr die Anbieter bewerben sich um den Nachfrager, sondern zahlreiche Waren suchen gewissermaßen das Geld des Nachfragers, und zahlreiche alternative Wünsche je eines Nachfragers entscheiden sich zwischen den Bestandteilen des vielfältigen angebotenen Sortiments. Es entsteht die heterogene Konkurrenz z. B. zwischen dem Fernsehapparat und der Waschmaschine, aber auch zwischen jenem und einer Omnibusreise nach dem Mittelmeer, einem Kleinfahrzeug, einer Aktie oder einem Fotoapparat. In der Rohstoffindustrie sind in ähnlicher Weise nahezu alle Waren, auch die früher konkurrenzlosen Monopolgüter unter die scharfe Konkurrenz der Ersatzmittel Kunststoffe usw. geraten, die oft das ursprüngliche Gut an Qualität übertreffen. Die Preisbildung in ihrer Wichtigkeit ist erhalten geblieben ebenso die Möglichkeiten, daran zu verdienen, wenn man niedrige Kosten hat oder dem Käufer eine höhere Qualitätsstufe suggeriert. Nicht mehr ein Preis ist da, sondern viele Preise schichtenweise übereinander für die vielen Qualitätsunterschiede, die wir etwa bei den ökonomisch fast gleichen, technisch aber völlig verschiedenen 10 oder 12 Typen von Mittelklasse-Personenwagen finden, die alle um das Geld des Nachfragers konkurrieren. Im ganzen ist die Konkurrenz verschärft, sind die alten Monopolstellungen gebrochen, haben sich die Begriffe „Markt“, „Preis“, „Konkurrenz“ völlig verändert und damit auch der darauf begründete Aufbau der ~ Theorie, in der aber doch die klassische Grundsubstanz, die Mengenregulierung durch den beweglichen Preis auf selten des Angebots und der Nachfrage, erhalten scheint, wenn auch ganz anders aufgebaut und drapiert. Ein hoher Grad von Wirklichkeitsnähe ist erreicht. Aus: Fischer Lexikon „Wirtschaft“ (1958), S. 189 ff.