Preis und Markt

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Marktwirtschaft
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Preis und Markt
Der Markt – Angebot und Nachfrage
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In der heutigen Wirtschaft ist der Markt die zentrale
Erscheinung. (...)Jeder von uns kennt eine ganze Anzahl von Märkten. Sehr bekannt ist der Gemüsemarkt, der sich in fast jeder Groß- oder Kleinstadt auf
einem zentralen Platz abspielt. Wir beschäftigen uns
ein wenig mit diesem Markt und erinnern uns, was
wir bei unserem letzten Besuch dort gesehen haben:
Da waren eine Anzahl Stände der verschiedenen
Gemüse- und Obstarten. An anderen Ständen wurden
Schnitt- und Topfblumen feilgeboten, wieder andere
bieten Eier, Butter und Käse an oder auch Bäckereiwaren, Fleischwaren usw. Die Händler und Marktfrauen bezeichnen wir von jetzt an mit einem besonderen Ausdruck, wir nennen sie Verkäufer oder Anbieter. Die Marktstände sind reihenweise angeordnet,
es befinden sich Wege dazwischen, auf denen sich
eine mehr oder weniger zahlreiche Menge von Hausfrauen, Familienvätern, Kindern usw. drängt, die kaufen wollen. Alle diese letzteren nennen wir von jetzt
an mit dem besonderen Ausdruck Käufer oder Nachfrager.
Überblicken wir den Markt, so stellen wir fest, daß er
eine Versammlung von Marktteilnehmern ist; so nennen wir alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager oder deren Personal auf dem Markt zu tun haben.
Der Markt ist darüber hinaus aber noch ein Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Denn alle
Ware, die auf dem Markt angeboten wird, nennen wir
„Angebot", und alle Ware, die auf ihm verlangt wird,
nennen wir „Nachfrage“. Die Hausfrauen usw., z. B.
wenn sie ihre Besorgungen für große Familien machen, möchten nun oft sehr viel mehr einkaufen, als
sie zum Schluß mit nach Hause nehmen. Ihre „eigentliche“, ihre subjektive oder 1atente Nachfrage ist
sehr groß, aber ihr Geldbeutel ist klein. Infolgedessen
können sie nicht all das kaufen, was sie möchten
sondern nur das was sie bezahlen können. Dabei wollen sie auch nicht ihr gesamtes Geld ausgeben, sondern sie überlegen vorsichtig und sorgsam, wieviel
von dem Wochen- oder Monatsverdienst des Vaters
oder des Verdieners der Familie sie an diesem Tage
wirklich nur hier am Gemüsemarkt ausgeben dürfen,
ohne bei anderen Bedürfnissen oder in den Tagen danach in Verlegenheit zu kommen. Nur die Käufe, die
sie bei solcher vorsichtigen Überlegung wirklich abschließen, bilden die „effektive Nachfrage“ am Markte. Nur diese ist wissenschaftlich und tatsächlich zu
beachten. Demgegenüber ist die latente oder subjektive Nachfrage oft vielfach größer. All die Wünsche,
die aus Geldmangel unerfüllt bleiben müssen, sind in
der latenten Nachfrage mit eingeschlossen. Sie sind
für die Preisbildung unerheblich.
Die Konkurrenz
55 Wir hatten schon gesehen, daß an unserem Markt
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Gemüse, Eier, Butter usw. gehandelt werden Dies
sind die „Waren“ oder die „Güter“. Auf unserem
Gemüsemarkt, das erkennen wir sofort, werden eine
ganze Anzahl von Waren, es sind wohl 50 oder mehr,
gehandelt. Wir befassen uns jetzt nur mit einer dieser
Waren, und zwar einer Ware von überall gleicher
Qualität, also etwa mit Graubrot in l-kg-Laiben oder
mit Weißkohl oder mit Bauernbutter, denn wir werden sehen, daß ein „homogener“ Markt nur eine Ware umfaßt und daß an jedem Markt die Preisbildung
zunächst unabhängig von der Bildung anderer Warenpreise an anderen Märkten erfolgt. Jeder Qualitätsunterschied bedingt eine neue Ware und einen
selbständigen Preisbildungsprozeß. Welchen Zweck
haben nun die vielfachen Marktveranstaltungen? Sie
dienen offenbar dazu, den Käufern nicht nur einen
leichten Zugang zur Ware zu verschaffen, sondern
diesen Käufern auch eine große Übersicht über das
Angebot, die Kenntnis von günstigen Gelegenheiten
und von günstigen Einkaufsmöglichkeiten zu bieten.
Denn es sind hier auf Jedem Einzelmarkt viele Anbieter gleichzeitig versammelt, und der Kaufer sieht
sehr bald klar, wenn er mit dem gestrigen Tage vergleicht, ob die Preise eine steigende oder fallende
Tendenz haben, ob der Gemüseladen in seinem heimatlichen Stadtteil seine Preise dieser Tendenz angepaßt hat, wo er am billigsten kauft usw. Auf der anderen Seite, wenn man die Verkäufer betrachtet, so
haben sie den Vorteil, daß sie nicht nur ein paar Dutzend, sondern viele hundert Käufer auf einmal vorfinden ohne viel herumzuziehen, oder Boten, Karren
usw. aussenden zu müssen. Den Verkäufer reizt also
die Größe der Absatzmöglichkeiten: man sagt „die
Größe des Marktes“. Boshafterweise kann man sagen: Sein „Egoismus“, d. h. die Gewinnsucht des Erzeugers und Händlers, reizt ihn, gute Geschäfte zu
machen. Diese mächtigste Triebkraft wird benutzt,
um mehr Ware und bessere Ware heranzubringen.
Damit steht der Markt auf einem sehr festen, vielleicht aber etwas unmoralischen Fundament. Dieses
Fundament würde oft verständnisvollere Beurteilung
finden, wenn man sich verdeutlichte, daß alle anderen Berufe ebenfalls eine Vergütung für ihre Tätigkeit erhalten, und es ist allgemein bekannt daß diese
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des Berufstätigen bleibt.
Allerdings wird die Freude des Anbieters über den
großen Markt auch keine reine Freude sein, denn gerade wegen der Größe des Marktes wird eine für den
Verkäufer besonders unangenehme Erscheinung,
nämlich die Konkurrenz, hier besonders deutlich. Die
Konkurrenz, man sagt auch Wettbewerb, Rivalität,
besteht darin, daß mehrere verkaufen möchten, und
daß sie sich nun unterbieten. Der eine verkauft die
Kirschen für 85 Pfg., der andere etwa für 70 Pfg.
Vielleicht kann man sagen, die billigeren Kirschen
seien weniger gut oder nicht so frisch, denn es werden ja am Obstmarkt verschiedene Qualitäten gehandelt. Aber häufig ist die gleiche Ware an einem
Stand tatsächlich preiswerter als an einem anderen.
Es wird also wirklich unterboten. Ist diese Konkurrenz, diese gegenseitige Unterbietung, die für die
Verkäufer so sehr ärgerlich ist, nun aber abzulehnen?
Blicken wir auf dem Markt umher, so finden wir, daß
es die große Zahl der Konsumenten ist, die von der
Konkurrenz profitiert, die sich an diesem Tag z. B.
freuen, daß die Händler sich unterboten haben und
die Kirschen billiger werden. Wir müssen nun beide
Marktparteien, die Käufer und die Verkäufer, als
gleich wichtig ansehen und können daher die Interessen einer Partei, die so v. H. des Marktes vertritt,
nicht ohne weiteres in den Windll schlagen, indem
wir uns nach den Interessen der anderen Seite richten.
Das können wir auch deswegen nicht, weil die Konkurrenz nicht allein unter den Verkäufern wirkt (hier
zum Vorteil der Hausfrauen), sondern sie wirkt auch
in den Reihen der Hausfrauen, und hier zum Nutzen
der Verkäufer. Ist z. B. ein Artikel, eine bestimmte
Obstsorte und dergleichen, an einem Tage knapp, so
werden viele Hausfrauen sich vielleicht vor einem
Obststande versammeln. Man wird die halbgeleerten
Körbe anschauen, und man wird vielleicht anfangen,
sich zu überbieten, um unbedingt noch Ware zu bekommen. In diesem Fall ist es die Marktfrau, also der
Anbieter, der von der Konkurrenz der Nachfrager untereinander seinen Vorteil hat und einen höheren
Preis erhält. Gegen die egoistische Triebkraft des Eigennutzes ist also am Markt eine Gegenkraft, die
Konkurrenz, gesetzt, die auf der uralten menschlichen und wohl auch bei den Tieren zu findenden Eigenschaft der Rivalität beruht. Ohne Konkurrenz
diente der Markt nur der Ausbeutung der einen
Marktseite durch die andere; ohne Egoismus, ohne
Gewinntrieb wäre der Markt wahrscheinhch ohne
Ware, ohne Angebot, also ohne Interesse. Gewinntrieb und Konkurrenz müssen beide dasein, sich
beide gegenseitig in Schach halten. Nur wenn beide
da sind, funktioniert der Markt. Hierin liegt schon einer der Gründe, daß Versuche etwa Art Wege der
Zwangswirtschaft die Konkurrenz durch etwas ande-
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res zu ersetzen, z. B. durch Behördentätigkeit, so wenig Erfolg gehabt haben.
Die Zeiten des Feilschens sind vorbei. Nicht nur die
Ladengeschafte, sondern auch die Anbieter am Wochenmarkt haben fast immer feste Preise, oft auf
Preisschildern angegeben, für ihre Ware gegenüber
allen Kunden und Kundinnen. Noch im vorigen Jahrhundert war das anders, ähnlich heute im Orient. Hier
findet man noch die Formen des Handels lebendig,
die wir selbst m unseren mittelalterlichen Städten gehabt haben. Man handelte um einen größeren Warenposten unter Umständen stundenlang hin und her.
Der Käufer machte die Ware schlecht, der Verkäufer
pries sie, man war völlig uneins in der Frage der
Preishöhe, bis man sich zum Schluß ungefähr in der
Mitte des großen Abstandes zwischen dem ersten
Angebotspreis und der ersten Preisansage des Nachfragers traf. Heute sind nahezu alle Preise vom Verkäufer für den jeweiligen Tag festgesetzt. Der Verkäufer übt damit aber keine despotische Macht auf
den Käufer aus, er zwingt ihn nicht, einen überhöhten
Preis zu bezahlen, denn neben seinem Stand befinden
sich reihenweise die Stände der anderen Marktteilnehmer, zu deren Besichtigung die Kundinnen augenblicklich weitergehen, wenn einer seinen Preis zu
hoch festgesetzt hat. So ist der Preis wohl einseitig
vom Verkäufer festgesetzt, aber doch nur unter dem
Druck der scharfen Konkurrenz am Markte.
Preis und Menge
Nun werden von Tag zu Tag wechselnde Mengen
von Waren angeboten und auch sehr verschiedene
Mengen nachgefragt. In einem guten Obstjahr werden viermal so viel Kirschen angeboten wie in einem
schlechten. Auch die Hausfrau kann die Menge ihrer
Nachfrage außerordentlich stark verändern: Ist der
Preis der Kirschen hoch, so kauft sie vielleicht nur
ein halbes Pfund für sich und das Kind. Ist der Preis
niedrig, so kauft sie etwa drei Pfund für die ganze
Familie. Ist der Preis aber besonders stark gefallen,
so denkt sie ans Einmachen, bereitet alles vor und
kauft vielleicht 20, 40 oder 100 Pfund. Die nachgefragte Menge, wenn wir nur diesen einen Haushalt
betrachten, kann also zwischen ½ Pfund und 100
Pfund schwanken. Sie kann also auf das Zweihundertfache steigen. Und auch auf der Angebotseite
sind zwischen Mißernten, wo mancher Baum nur
wenige Pfund trägt, und Rekordernten mit zentnerschwerem Behang ähnlich große Unterschiede. Wenn
solche mengenmäßigen Verschiedenheiten von Angebot und Nachfrage auch nicht bei allen Waren in
gleicher Stärke auftreten, so bleiben sie doch überall
beträchtlich.
Der Markt ist nun in der Volkswirtschaft gewissermaßen diejenige Maschinerie, durch die die angebotene Menge und die nachgefragte Menge stets zur
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Übereinstimmung gebracht werden. Ist das Angebot
klein, die Nachfrage groß, so steigen die Preise, die
Käufer werden schnell ihr Geld los und haben zum
Schluß nur wenig Ware. Zu dem zustandegekommenen Preise sind dann die erst so ungleich erscheinenden Waagschalen „Geldmenge der vorhandenen Käufer“ und „Warenmenge“ gleichgewichtig im Wert
geworden: die kleine Warenmenge der Anbieter multipliziert mit dem hohen Preise (z. B. 80 kg à 4 DM)
ist nun „wertgleich“ geworden mit der erst so großen,
dann aus Entsetzen vor dem hohen Preis so zusammengeschrumpften effektiven Nachfrage der Nachfrager: auch sie beträgt nur noch 80 kg, und sie ist bereit, 4 DM je kg zu bezahlen. Die Wert- (Preis-) Veränderung hat die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage beseitigt. Der Preis am Markt verteuert sich also, weil damit die knappe Ware vernünftig auf die
wenigen ganz dringlichen Käufer aufgeteilt werden
soll. Dringlich ist die Nachfrage, die mit viel Geld
ausgestattet ist. Ist ein Nachfrager arm, und handelt
es sich um Leben und Gesundheit, so muß man ihm
durch Nächstenliebe oder soziale Fürsorge etwas
schenken, damit er dringlich und effektiv nachfragen
kann. Ist der Preis niedrig, so wird auch kostbare Ware wenig geachtet und für wenig wichtige Zwecke
verschleudert. Denn: Ist das Angebot groß und die
Nachfrage zunächst klein, so fallen die Preise, bis die
Käufer bei den gestürzten Preisen bereit sind, sehr
viel mehr Mengen aufzunehmen, wodurch sie ebenfalls ihr Geld loswerden.
Dlese einfache Tatsache, daß zu einer großen Menge
ein niedriger Preis und zu einer kleinen Menge ein
hoher Preis gehört („ihr zugeordnet ist“), hat z. B. die
merkwürdige Folge, daß die Bauern bei einer Mißernte in Getreide meist mehr verdienen als bei Einer
guten Ernte. Denn der Preis steigt bei einer schlechten Ernte noch mehr, als die schlechte Ernte dem
Bauern Geldausfall bringt, so daß er sich insgesamt
besser steht; mit anderen Worten: der steigende Preis
drängt zwar die Nachfrage zurück, 1edoch nicht im
gleichen Verhältnis, sondern weniger. Wenn wir
nicht an die Landwirtschaft, sondern an die Industrie
denken, wo nicht die Natur die Menge des Angebots,
d. h. die Größe der Ernten bestimmt, sondern wo der
Fabrikant durch die Größe einer Maschinenanlage
bestimmen kann, wieviel Ware angeboten wird, so
sehen wir, daß auch hier die nachgefragte Menge von
der Höhe des Preises abhängt. Bieten die Fabriken
(Anbieter) alle zusammen mehr an, so müssen sie bereit sein und auch von vornherein darauf rechnen, nur
einen niedrigeren Preis zu bekommen. In der Autoindustrie z. B. würde ein heutiger Personenwagen, in
Handarbeit hergestellt, vielleicht 100 000 DM oder
mehr kosten. Bei einem so hohen Preis würden sich
nur sehr wenige reiche Leute finden, die bereit wären, einen so hohen Preis zu bezahlen. Die moderne
Massenfertigung erlaubt es dem Produzenten, den
Preis des Personenautomobils auf vielleicht 8 000
270 oder 10 000 DM zu ermäßigen, worauf nun nicht nur
die zehn- oder zwanzigfache Menge, sondern vielleicht die hundertfache Menge abgesetzt werden
kann. Umgekehrt: Wurde der heutige Preis von 10
000 DM auf 100 000 DM erhöht, so ginge die Nach275 frage nicht wie im obigen Fall in geringerem Verhältnis zurück, sondern überproportional. Als gemeinsames Kriterium können wir aber erkennen: Zu
jedem Preis gehört eine bestimmte Menge
Der Gleichgewichtspreis
280 Wenn zu einem bestimmten Preis (etwa 80 Pfg. für
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Kirschen) viel Ware angeboten und wenig Ware
nachgefragt ist, sinkt der Preis, die Preisschilder werden umgeschrieben, es ist noch kein Gleichgewicht
da. Umgekehrt: Sind wenig Kirschen zu 60 Pfg. da
und kommen immer mehr Käuferinnen, so fehlt
ebenfalls das Gleichgewicht, der Preis bewegt sich,
er steigt. Erst wenn der Preis die Höhe erreicht hat
wo die ärmeren Hausfrauen nicht mehr bieten oder
die einmachlustigen Frauen nicht mehr kaufen wollen, so daß genau so viel Pfund angeboten wie nachgefragt werden, haben wir einen Gleichgewichtspreis
(etwa beim Preis von 75 Pfg.); denn die zu diesem
Preis angebotene und die nachgefragte Menge der
Kirschen sind gleich. Dieser Preis von 75 Pfg. ist an
diesem Tage der „beste“, denn er bietet Käufern und
Verkäufern das meiste. Weil sich an unserem Wochenmarkt alles darum dreht, daß die Gemüsehändler
usw. möglichst bis Marktschluß alles verkauft haben
(denn sie wollen die Ware nicht wieder mit nach
Hause nehmen), und weil die Hausfrauen ebenfalls
zu Mittag ihren Familien ein Essen auf den Tisch setzen wollen und daher kaufen müssen, spielt die Frage, wie die Gütermengen am Markt mögllchst schnell
und restlos geräumt werden, täglich die Hauptrolle.
Wie wir gesehen hatten, ist der Preis dazu da, die angebotenen und nachgefragten Mengen in Übereinstimmung zu bringen. Man sagt: »Er hat eine Lenkungsfunktion.« Ist die angebotene Menge übergroß,
so daß die Händler wieder viel Ware mit nach Hause
nehmen mußten, so sinkt der Preis, bis die Käufer
umgestimmt werden und größere Mengen kaufen.
Haben die Hausfrauen noch nicht genug eingekauft,
um ihrer Familie zum Mittag etwas bieten zu können,
so werden sie bereit sein, im Preis etwas heraufzugehen, auch etwas teurer zu kaufen, und werden damit den Anbietern am Gemüsemarkt, die an diesen
Tagen nur wenig in den Körben hatten, doch eine
ganz schöne Geldeinnahme verschaffen. Den Ausgleich im Haushalt zwischen den leeren Mägen und
der vom Markt nach Hause gebrachten Menge der
Einkäufe muß dann die Hausfrau durch mehr Kartoffeln geschickte Zubereitung usw. versuchen.
Lebensstandard und Einkommen
Damit sind der Preis und indirekt die gesamte Men325 genlenkung der Volkswirtschaft aber das Ziel der
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ganzen Marktveranstaltung, und daher werden die
Preise in der Presse bekanntgegeben und überall beachtet. Von den Preisen hängt es ab, ob der Lebensstandard der Arbeiter und Angestellten hoch oder
niedrig ist. Denn bei hohen Preisen kann man sich
nur wenig für sein Geld kaufen, man hat also einen
„schlechten Lebensstandard“. Bei niedrigen Preisen
dagegen können sich die Familien viel kaufen, der
Wert des Geldes ist hoch und der Lebensstandard
ebenfalls. Die Höhe der Preise beeinflußt also das
wirtschaftliche Leben des einzelnen aufs stärkste.
Das gilt aber auch für den Verkäufer, wenn auch mit
anderen Folgen: Hat er bei gleichen Kosten einen hohen Preis für seine Ware bekommen und setzt sich
dies den ganzen Monat über fort, so hat er ein hohes
Einkommen. War dagegen die Konkurrenz groß, die
angebotene Warenmenge übermäßig, so ist sein Einkommen am Ende des Monats gering. Es kann sogar
negativ sein: er kann mit Verlust gearbeitet haben.
Unternehmer, also Händler, Handwerksmeister, Bauer oder Fabrikant, auch Arzt und Rechtsanwalt sind
dadurch gekennzeichnet, daß sie alle an hohen Preisen für ihre eigene Waren oder Leistung interessiert
sind. Bei allen anderen Waren dagegen sind sie, wie
alle Konsumenten, an billigen Preisuneinteressort.
Abschließend ist zu bemerken, daß dieses „Modell“
des Marktes bereits alle Urelemente der ökonomischen Theorie enthält: den Preis, die Entstehung der
Einkommen und die Rolle des Geldes; die Erörterung
von Markt und Preis kann daher als eine Einführung
in die ökonomische Theorie betrachtet werden.
Nun wurden allerdings an dieser Stelle der Preis und
der Markt als „statische“ Phänomene behandelt: In
unserem Modell spielt sich das ganze Geschäft an einem Tage, und zwar im extremen Falle bis zur Räumung der Läger und der Geldbestände, ab, wobei die
Warenbestände der Konsumenten, da für den Konsum festgelegt, nicht zählen. Die wirtschaftliche
Wirklichkeit aber ist dynamisch, d. h. in ihr bleiben
teilweise Läger unverkauft. Läger und Investitionen
wechselnder Größe sind da, so daß deren Besitzer
Kredit benötigen, es bleibt Geld übrig, das in Banken
eingelegt wird, überhaupt die Kapitalbildung und das
Wachstum tritt auf, und damit zieht sich der momentan-statische Zustand in die` Länge der Zeit, er wird
ein Prozeß, ein Hergang, mit dem ganzen Auf und
Ab der Preise und Konjunkturen, den wir in der Wirtschaft „Dynamik nennen.
Der moderne dynamische Markt steht aber begrifflich
noch aus einem ganz anderen Grunde im Gegensatz
zum soeben behandelten statischen Markt: er ist nicht
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mehr „homogen“, sondern „heterogen“. Der klassisch-homogene Markt etwa der Zeit um 1750 kannte
nur wenige Dutzende von Waren, die gehandelt wurden: etwa Roggen in einer üblichen Qualität, Wolle,
ebenfalls landesüblich, usw. Fertigbekleidung und
Wäsche, Wichse, Kerzen usw. waren nicht am Markte, sondern wurden in den Haushaltungen für den Eigenbedarf selbst hergestellt. Wie erwähnt, wurde an
jedem „Markt“ nur eine homogene, d. h. technisch-physikalisch gleichförmige Ware gehandelt.
Der Preis bildete sich durch Überbietung innerhalb
des Kreises der Nachfrager bei gleichzeitiger Unterbietung innerhalb des Kreises der Anbieter, wobei alle Beteiligten nur die eine homogene Ware betrachteten.
Der heutige Markt ist anders, nicht nur, weil er dynamisch ist, sondern auch, weil er heterogen ist: Tausende von Waren in je Dutzenden von Qualitäten
werden angeboten, und der Nachfrager soll sich
durchaus nicht auf eine beschränken, sondern alle
überblicken und zwischen ihnen wählen. Nicht mehr
die Anbieter bewerben sich um den Nachfrager, sondern zahlreiche Waren suchen gewissermaßen das
Geld des Nachfragers, und zahlreiche alternative
Wünsche je eines Nachfragers entscheiden sich zwischen den Bestandteilen des vielfältigen angebotenen
Sortiments. Es entsteht die heterogene Konkurrenz z.
B. zwischen dem Fernsehapparat und der Waschmaschine, aber auch zwischen jenem und einer Omnibusreise nach dem Mittelmeer, einem Kleinfahrzeug,
einer Aktie oder einem Fotoapparat. In der Rohstoffindustrie sind in ähnlicher Weise nahezu alle Waren,
auch die früher konkurrenzlosen Monopolgüter unter
die scharfe Konkurrenz der Ersatzmittel Kunststoffe
usw. geraten, die oft das ursprüngliche Gut an Qualität übertreffen. Die Preisbildung in ihrer Wichtigkeit
ist erhalten geblieben ebenso die Möglichkeiten, daran zu verdienen, wenn man niedrige Kosten hat oder
dem Käufer eine höhere Qualitätsstufe suggeriert.
Nicht mehr ein Preis ist da, sondern viele Preise
schichtenweise übereinander für die vielen Qualitätsunterschiede, die wir etwa bei den ökonomisch fast
gleichen, technisch aber völlig verschiedenen 10 oder
12 Typen von Mittelklasse-Personenwagen finden,
die alle um das Geld des Nachfragers konkurrieren.
Im ganzen ist die Konkurrenz verschärft, sind die alten Monopolstellungen gebrochen, haben sich die
Begriffe „Markt“, „Preis“, „Konkurrenz“ völlig verändert und damit auch der darauf begründete Aufbau
der ~ Theorie, in der aber doch die klassische
Grundsubstanz, die Mengenregulierung durch den
beweglichen Preis auf selten des Angebots und der
Nachfrage, erhalten scheint, wenn auch ganz anders
aufgebaut und drapiert. Ein hoher Grad von Wirklichkeitsnähe ist erreicht.
Aus: Fischer Lexikon „Wirtschaft“ (1958), S. 189 ff.
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