Standard, 6. November 2006 Lungenerkrankungen am Vormarsch Pneumologie-Fachleute warnen: Mehr Raucher in Österreich - Zahl der Patienten mit chronischen Krankheiten wird steigen Wien/Graz - Tragisch, aber wahr - die Zahl der chronischen Lungenerkrankungen wird in Österreich genau so zunehmen wie die Fälle an Lungenkrebs. Der Grund dafür laut Experten der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP): Der Anteil der Raucher nimmt in Österreich seit Jahren zu. Die Fachleute rufen anlässlich der Jahrestagung ihrer Gesellschaft in Graz (9. bis 11. November) zu einem Paradigmenwechsel in Richtung Krankheitsverhütung auf. "Todesspirale" "Den europäischen Gesundheitssystemen geht das Geld aus. Wir haben weniger Geld für die Behandlung von Krankheiten übrig. Die Lungenerkrankungen sind besonders bedeutsam, weil sie in Europa pro Jahr 102 Milliarden Euro an Kosten - das sind 118 Euro pro Kopf verursachen. (...) Wir müssen an dieser Todesspirale etwas ändern", warnte Sylvia Hartl, Generalsekretärin der Gesellschaft der österreichischen Pneumologen und in dieser Funktion jetzt auch für die European Respiratory Society (ERS) tätig. Die Crux Lungenerkrankungen - am häufigsten sind die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Asthma - sind chronische Leiden. Das Bronchuskarzinom ist und bleibt in den meisten Fällen unheilbar. COPD und Lungenkarzinom ist gemeinsam, dass es sie ohne das Rauchen de facto nicht gäbe. Gerade hier aber spielt sich in Österreich eine Tragödie ab. Otto C. Burghuber, Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP): "Seit 1997 hat der Prozentsatz der Männer und Frauen, die rauchen, um zehn Prozent zugenommen. Es rauchen jetzt schon 48,1 Prozent der Männer und 46,5 Prozent der Frauen." Immer mehr pulmonalen Erkrankungen Das wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zwangsläufig in mehr Kranken und auch in einer wachsenden Bedeutung der Pneumologie äußern. Der Fachmann: "In Österreich gibt es klare Signale, dass die pulmonalen Erkrankungen zunehmen. Die Unfälle nehmen ab, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen seit den 50er Jahren. Die Lungenerkrankungen nehmen hingegen seit 1986 zu. In den nächsten 15 Jahren werden Asthma, COPD und Lungenkrebs um 15 Prozent ansteigen, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen um zehn und die gastrointestinalen Leiden um 20 Prozent abnehmen." Seltene Diagnose Österreich ist mit seinen weichen und bisher sanktionslosen Einschränkungen des Rauchens zum Beispiel in Lokalen laut den Fachleuten in Gefahr, zu einer "Bananenrepublik" zu verkommen. Burghuber: "Eine behandlungspflichtige chronischen Bronchitis (COPD, Anm.) haben 10,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung, diagnostiziert ist sie aber nur bei 5,6 Prozent." Lösung Der wohl einzige langfristig wirksame Ausweg aus dieser prognostizierten Krise: restriktive Maßnahmen gegen das Rauchen. Jugendliche müssen einfach davon abgehalten werden, zur Zigarette zu greifen, älteren Rauchern massive Behandlungsangebote zum Aufhören im Gesundheitswesen zur Verfügung stehen. Zwar gibt es beispielsweise wissenschaftliche Studien, wonach auch beim sonst zumeist inkurablen Lungenkrebs mit Frühestdiagnose per Computertomographie eine Zehn-Jahres-Überlebensrate von 90 Prozent erreicht werden kann, aber das Lungenkarzinom ist immer der Endpunkt einer jahrzehntelangen Entwicklung. Burghuber: "Eine Studie hat gezeigt, dass sich in einer Bevölkerung Programme 'Quit Smoking' effektiv auf die Mortalität auswirken, obwohl nur 20 Prozent der Raucher wirklich damit aufhören." Immens wichtig wären Projekte zur Verhinderung des Einstiegs junger Menschen in den Zigarettenkonsum. Denn: 50 Prozent jener, die vor dem 20. Lebensjahr damit anfangen, stoppen ihren Tabakkonsum nie wieder. (APA) 13. Oktober 2006 Diabetes und Zigaretten Netzhaut- und Nierenerkrankungen als Folge - Ärzte fordern: Rauchen aufgeben, mehr Bewegung und ausgewogene Ernährung Bochum/Stuttgart/Heilbronn - Laut einer aktuellen Studie der Deutschen DiabetesGesellschaft (DDG) schädigt das Rauchen bei Menschen mit Zuckerkrankheiten wie Diabetes nicht nur die kleinen Blutgefäße, sondern kann dadurch auch Erkrankungen an Augen und Nieren verursachen und weiter beschleunigen. Späterkrankungen wie Diabetes mellitus, Sammelbegriff für unterschiedliche, heterogene Störungen des Stoffwechsels mit einer Überzuckerung des Blutes, werden durch das Rauchen erheblich in ihrem Krankheitsverlauf angetrieben. Studie Petra Busch, Diabetologin in der Medizinischen Klinik II der SLK Kliniken Heilbronn, sowie andere Wissenschaftler werteten für die Studie knapp 12.000 Menschen mit Diabetes Typ 1 mellitus von Krankenakten aus 182 Behandlungszentren aus. Busch weist darauf hin, dass von den knapp 12.000 beobachteten Patienten mit Diabetes Typ 1 nur rund 5.900 persönliche Angaben machten. Von dieser Zahl, so Busch, waren über 3.500 Personen Raucher, die mehr als eine Schachtel am Tag konsumieren. Antwort auf strittige Fragen Die Studie bestätigt die strittig diskutierte Frage vieler Wissenschaftler, dass Diabetiker, die zur Zigarette greifen, einem 2,4-fach häufigeren Risiko ausgesetzt sind, eine Retinopathie, eine durch Diabetes mellitus verursachte Netzhauterkrankung, zu bekommen. Außerdem zeigte die Analyse, dass eine vermehrte Eiweißausscheidung im Urin als wichtiger Indikator für schwere Nierenschäden unter den rauchenden Diabetikern sogar um den Faktor 5,9 häufiger festgestellt werden konnte. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass dies teilweise an der schlechteren Blutzuckereinstellung bei Rauchern mit Diabetes liegt. Die Studie stützt diese Annahme insofern, als das sie zeigt, dass deren HbA1c-Wert im Blut, das heißt Glycohämoglobin (GHb) als eine Form des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin), an den Glukose gebunden hat, gegenüber Diabetikern, die nicht rauchten, erheblich angestiegen war. Hinzu kommt, dass Raucher häufiger erhöhte Cholesterinwerte aufwiesen. Risikohinweis der Ärzte Die Forderung der Fachärzte wie von Busch und anderen Wissenschaftlern richtet sich somit an alle Diabetiker, nicht nur das Rauchen aufzugeben, sondern auch mit ausreichender Bewegung und ausgewogener Ernährung gesünder zu leben. Die vorgestellte Studie bietet dabei eine wesentliche Argumentationsgrundlage und verleiht bisherigen Annahmen und Vermutungen neue Beweiskraft. Denn die durch das Rauchen generell verursachten Folgeerkrankungen, wie Gefäßverkalkung (Atherosklerose) in den großen Blutgefäßen und bei Diabetikern die so genannte Makroangiopathie, führen im schlimmsten Fall zum Herzinfarkt, Schlaganfall oder Raucherbein. Auch eine Schädigung der kleinsten Blutgefäße, die so genannte Mikroangiopathie ist als Folgeerkrankung nicht auszuschließen. Diabetiker, die gleichzeitig auch Raucher sind, riskieren daher Durchblutungsstörungen in Auge (Retinopathie) und Niere (Nephropathie), was seinerseits zu Erblindung und Nierenversagen führen kann. Buschs Forderung richtet sich jedoch nicht nur an Patienten selbst, sondern auch an behandelnde Ärzte, solche Patienten auf ihr zusätzliches Risiko hinzuweisen. (pte)