Grosser Rat - beim Kanton Aargau

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Art. 1122-1123
16. März 1999
85. Sitzung
16. März 1999, 10.00 Uhr
Vorsitzender:
Dr. Urs Hofmann, Aarau
Protokollführer:
Marc Pfirter, Staatsschreiber
Tonaufnahme/Redaktion:
Norbert Schüler
Präsenz:
Anwesend 183 Mitglieder
Abwesend mit Entschuldigung 17 Mitglieder
Entschuldigt abwesend: Chopard-Acklin Max, Untersiggenthal; Forrer Walter, Oberkulm;
Frey Ernst, Kaiseraugst; Frunz Eugen, Nussbaumen; Hauri Fritz, Staffelbach; Leoff Patricia, Hägglingen; Lüscher-Grieder Adolf, Oberentfelden; Lüscher Edith, Staufen; Meier
Judith, Schneisingen; Meyer-Sandmeier Robert, Dintikon; Najman Dragan, Baden; Nef
Walter, Klingnau; Sailer-Albrecht Elisabeth, Widen; Stutz-Lang Hans, Islisberg; Vögtli
Theo, Kleindöttingen; Werthmüller Ernst, Holziken; Zollinger-Keller Ursula, Untersiggenthal
Vorsitzender: Ich begrüsse Sie alle recht herzlich zur
85. Ratssitzung der laufenden Legislaturperiode.
Die Bundesversammlung wird ersucht, die Entgeltlichkeit
der Rechtsmittelverfahren in den diversen Bundesgesetzen
der Sozialversicherung einzuführen.
1122 Mitteilungen
Begründung:
Vorsitzender: Die FDP-Fraktion teilt mit, dass anlässlich der
heutigen Fraktionssitzung auf Beginn des Amtsjahres
1999/2000 Frau Corina Eichenberger-Walther, Kölliken, zur
Fraktionspräsidentin gewählt wurde. Vizepräsident wird Dr.
Rudolf Jost, Villmergen.
1. Seit anfangs 1996 sind die Fallzahlen der zu behandelnden Beschwerden am Versicherungsgericht massiv angestiegen. Währenddem im Kanton Aargau im Jahr 1995 958
Beschwerden eingereicht wurden, waren es 1998 deren
1'452. Diese Situation dürfte in etwa auf alle Gerichte in der
Schweiz, welche im Sozialversicherungsrecht zuständig
sind, zutreffen. Die Gründe für diese Zunahme sind insbesondere in der konjunkturellen Entwicklung zu suchen.
Regierungsrätliche Vernehmlassungen an Bundesbehörden:
Vom 3. März 1999 an das Bundesamt für Bauten und Logistik in Bern zur Bauproduktion des Bundes
Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Beschlüsse des
Grossen Rates; Neueingänge:
1. Beschwerde vom 11. Februar 1999 der Erbengemeinschaft Martin Huser, Niederrohrdorf, gegen den Beschluss
des Grossen Rates vom 12. Januar 1999 betreffend Nutzungsplanung der Gemeinde Niederrohrdorf.
2. Beschwerde vom 11. Februar 1999 von Franz Senn,
Unterendingen, gegen den Beschluss des Grossen Rates vom
12. Januar 1999 betreffend Bau- und Nutzungsordnung der
Gemeinde Tegerfelden.
3. Beschwerde vom 15. Februar 1999 von Hansjörg und
Heidy Blattner, Tegerfelden, gegen den Beschluss des Grossen Rates vom 12. Januar 1999 betreffend Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde Tegerfelden.
1123 Antrag der CVP-Fraktion auf Direktbeschluss
betreffend Einreichung einer Standesinitiative zur Einführung der Entgeltlichkeit der Rechtsmittelverfahren
im Sozialversicherungsbereich; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der CVP-Fraktion wird folgender Antrag eingereicht:
Text:
Der Grosse Rat wird ersucht, eine Standesinitiative gemäss
Art. 93 Abs. 2 BV mit folgendem Inhalt einzureichen:
Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die Erfolgsquoten der
zu behandelnden Beschwerden gleichzeitig mit der Zunahme der Fälle am Sinken sind. Während 1995 noch 17 % der
Beschwerden gutgeheissen wurden, waren es 1997 nur noch
7,15 % und 1998 9 %.
Total Fälle
davon AHV
IV
ELG
KVG
UVG
ALV
KIGA
Diverses
Gutheissungen
Prozent
teilw. Gutheissung
Prozent
1994
958
118
88
41
70
52
390
112
87
151
15.8
84
8.8
1995
961
171
121
43
108
86
296
64
72
164
17
95
9.9
1996
1364
276
147
67
23
90
514
102
145
115
8.5
76
5.6
1997
1598
242
149
6
41
95
538
135
392
114
7.15
157
9.8
1998
1452
207
162
0
48
102
352
317
264
130
9
143
9.8
Diese Fakten lassen darauf schliessen, dass sehr oft zum
Rechtsmittel gegriffen wird, ohne dass allfällige Erfolgschancen genügend abgeklärt werden. Bei zahlreichen
Rechtssuchenden dürfte dabei der Faktor der Unentgeltlichkeit aller Verfahren im Sozialversicherungsbereich eine
entscheidende Rolle spielen. Mit wenig Aufwand, d.h. lediglich einem Antrag auf Überprüfung des Entscheides der
Vorinstanz, wird das Verfahren vor der Rechtsmittelinstanz
ausgelöst. Gleichzeitig kann die Überprüfung des Entschei-
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16. März 1999
des absolut kostenlos verlangt werden, d.h. der Beschwerdeführer trägt kein Kostenrisiko.
2. Die Unentgeltlichkeit der Verfahren im Sozialversicherungsbereich ist bundesrechtlich in den entsprechenden
Gesetzen stipuliert (Bsp. Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG, Art. 69
IVG, Art. 130 Abs. 2 UVG). Sie bezweckt den Schutz des
Schwächeren, des Kranken, Verunfallten, Arbeitslosen etc.,
welcher Recht sucht und zumeist in finanziell engen Verhältnissen lebt. Die Hürde zur Ergreifung eines Rechtsmittels wurde daher absolut niedrig gehalten, um jedem den
Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen. Ähnliche unentgeltliche Verfahren mit analogem Zweck bestehen im Bereich des Arbeitsrechtes und des Mietrechtes. Währenddem
in diesen Verfahren jedoch die Unentgeltlichkeit der Verfahren eingeschränkt ist (im Mietrecht z.B. nur vor der Schlichtungsbehörde und im Arbeitsrecht nur bei Streitwerten unter
Fr. 20'000.--), gilt sie im Sozialversicherungsrecht gestützt
auf die einschlägigen bundesrechtlichen Bestimmungen
generell. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb hier eine
Vorzugsstellung in einem solchen Ausmass gerechtfertigt
ist.
3. Steigende Beschwerdeverfahren für sich allein sind kein
Anlass zur Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten.
Wenn aber gleichzeitig die Zahl der gutgeheissenen Beschwerden sinkt und sogar unter 10 % liegt, so wird die
Unentgeltlichkeit offensichtlich missbraucht und widerspricht ihrem eigentlichen Sinn und Zweck.
Die Erfahrung der Justiz hat gezeigt, dass die Entgeltlichkeit
eines Verfahrens selbst bei einer geringen Gerichtsgebühr
dazu führt, dass der Rechtssuchende sein Anliegen sowie
seine Erfolgschancen seriöser überprüft und vermehrt nur
bei effektivem Empfinden, ein Entscheid sei ungerecht bzw.
seine Rechte missachtet, das Rechtsmittel ergreift.
4. Die Einführung einer geringfügigen pauschalen Kostenvorschusspflicht und damit der Entgeltlichkeit für den Zugang zumindest zu den Rechtsmittelinstanzen drängt sich
auf. Die Unentgeltlichkeit des erstinstanzlichen Verfahrens
wird dabei nicht angetastet.
Die Gerichtsgebühr soll zudem bescheiden sein (z.B. Fr.
100.-- bis Fr. 150.--), damit schlecht Bemittelte nicht ungebührend benachteiligt werden. Zudem steht ihnen das Institut der unentgeltlichen Rechtspflege zur Verfügung, sofern
ihr Verfahren nicht offensichtlich aussichtslos ist.
Mit der Entgeltlichkeit des Rechtsmittelverfahrens wird
unser Rechtsstaat weder asozial noch besteht die Gefahr
einer Zweiklassenjustiz. Es bestehen bis zu den obersten
kantonalen Gerichten genügend Möglichkeiten der Einwirkung auf ein Verfahren, der Information etc. Wenn aber die
obersten kantonalen Gerichte mit zahlreichen rechtlich
unhaltbaren oder erfolglosen Beschwerden eingedeckt werden, leidet die Qualität und das Ansehen der Justiz.
Art. 1124-1125
1124 Motion Josef Muff, Wohlen, betreffend Gesetz
über die Bezirks- und Kreiseinteilung vom 6. Mai 1840;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von Josef Muff, Wohlen, und 37 mitunterzeichnenden
Ratsmitgliedern wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, dem Grossen Rat Anträge für die Änderung der Kreiseinteilung der Friedensrichterinnen und Friedensrichter zu unterbreiten (§ 21 des Gerichtsorganisationsgesetzes).
Begründung:
Die Kreiseinteilung der Friedensrichterinnen und Friedensrichter ist überholt und entspricht nicht mehr den heutigen
Verhältnissen. Die Bevölkerung hat im ganzen Kanton sehr
stark zugenommen und in einigen Friedensrichter-Kreisen
hat die Bevölkerung mehr zugenommen als im Kantonsdurchschnitt. Um eine gleichmässige Verteilung der Arbeit
zu erreichen, müsste die Kreiseinteilung neu geregelt werden. Mögliche Änderungen wären zum Beispiel die Verkleinerung der Kreise, Vergrösserung im Voll- oder Nebenamt,
mehrere Friedensrichterinnen und Friedensrichter im gleichen Kreis oder eine Friedensrichterin bzw. ein Friedensrichter mit mehreren Statthalterinnen bzw. Statthaltern,
flexible Einteilung je nach der Person, die das Amt führt.
Die Kreiseinteilung könnte auch dem Bezirksgericht übertragen werden und damit sofort den jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden.
1125 Motion Regine Roth, Möhlin, betreffend Gründung eines Kantons Nordwestschweiz nördlich des Jurahöhenzuges; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Regine Roth, Möhlin, wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, die verfassungsmässigen und gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, die die
Gründung eines Kantons Nordwestschweiz nördlich des
Jurahöhenzuges erlauben. Dabei soll in der Verfassung die
Bevölkerung der betroffenen Gebiete nach dem Prinzip des
Selbstbestimmungsrechts abschliessend (vorbehalten bleibt
die Erwahrung durch die Eidgenossenschaft) über ihre regionale und kantonale Zugehörigkeit bestimmen können.
Begründung:
In der letzten Zeit ist Bewegung in die Frage der Zusammensetzung der Schweiz und der Gebietsaufteilung ihrer
Kantone gekommen. Dieser Vorstoss will die Möglichkeit
einer Gebietsveränderung für das Fricktal (Bezirke Laufenburg und Rheinfelden) schaffen. Der in der Motion aufgezeigte Weg ist ein demokratischer Weg. Der Vorstoss richtet
sich nicht gegen den Kanton Aargau, sondern er will den
Weg für eine friedliche demokratische Lösung aufzeigen.
Die Zeit ist reif für eine Veränderung. Die Gebiete nördlich
des Jura gehören kulturell und wirtschaftlich zusammen. Es
ist nur logisch, wenn sie auch politisch eine neue gemeinsame Heimat finden.
1733
Art. 1126-1127
1126 Postulat Josef Muff, Wohlen, betreffend Schmutzwasserkanal von der ARA Wohlen-VillmergenWaltenschwil in die Aare; Einreichung und schriftliche
Begründung
Von Josef Muff, Wohlen, und 37 mitunterzeichnenden
Ratsmitgliedern wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird aufgefordert, die Notwendigkeit zu
prüfen und mit einem Bericht darzulegen wie und wann
dieses Projekt verwirklicht werden soll. Im Bericht erwarte
ich im weiteren, dass die Kosten und die Kostenteilung
aufgezeigt werden und eine Absichtserklärung der Regierung wie sie zu diesem Projekt steht.
Begründung:
An der Wohler Einwohnerratssitzung vom 26. Oktober 1998
wurde der Jahresbericht und die Rechnung 1997 des Abwasserverbands Wohlen-Villmergen-Waltenschwil zur Kenntnis
genommen. In der Diskussion wurde zu meiner Überraschung der vor x Jahren schon einmal geplante Kanal in die
Aare wieder ein Thema. Weil nach Angabe des Präsidenten
des Abwasserverbandes dieses Projekt keine Vision mehr ist
und die Planungen schon wieder angelaufen sind, möchte
ich über dieses Vorhaben nähere Details von der Regierung
erfahren.
1127 Interpellation Urs Hümbeli, Hägglingen, vom
16. März 1999 betreffend Behandlung der SD-Motion,
Änderung des § 4 des Unvereinbarkeitsgesetzes; Einreichung und schriftliche Begründung; Antrag auf dringliche Behandlung; Ablehnung
Von Urs Hümbeli, Hägglingen, wird folgende Interpellation
eingereicht:
Text:
Wann können wir mit der Stellungnahme der Regierung
rechnen?
Begründung:
Die Motion der Schweizer Demokraten ist seit beinahe zwei
Jahren pendent.
Vorsitzender: Der Postulant beantragt dringliche Behandlung gemäss § 74 der Geschäftsordnung.
Urs Hümbeli, Hägglingen: Die Geschäfte, die eine Ausstandsregelung für Staatsbedienstete fordern, werden von
der Aargauer Regierung nur zu gerne auf die lange Bank
geschoben, - eine Bank, bei der man das Ende trotz klarer
Wetterverhältnisse nicht sehen kann. Ich erlaube mir, etwas
weiter auszuholen: Die Schweizer Demokraten haben vor 2
Jahren ein Begehren in Form einer Motion angemeldet. Zu
jener Zeit war unser Kollege Dr. Andreas Brunner noch
Grossratspräsident. Einige Monate später beschloss das
Büro - notabene mit Zustimmung aller Fraktionen -, dass der
Vizepräsident Kurt Wernli einen weiteren Vorstoss ausarbeiten solle, damit die unübersichlichen Zustände mit der
Austandspflicht im Aargauer Parlament endlich geregelt
werden können. Das Bundesgericht äusserte klar, dass die
16. März 1999
Kantone die Möglichkeit haben, Staatsbedienstete gänzlich
aus dem Parlament auszuschliessen. Inzwischen verfloss
viel Zeit, besser noch: sehr viel Zeit! Unser vom Büro beauftragter Motionär wurde längst zum Grossratspräsidenten
gewählt. Eines Tages erkundigte ich mich, wo denn diese
beiden Motionen eingemottet seien. Die Antwort von Herrn
Fricker lautete: Es sei eine Kommission gebildet worden,
die sich mit diesen Vorstössen befasse. Dieses Gespräch
fand statt, bevor unser Herr Kurt Wernli als Bürobeauftragter und amtierender Grossratspräsident zum Regierungsrat
gewählt wurde, was automatisch zur Folge hatte, dass sein
Vorstoss abgeschrieben wurde. Das Gesetz schreibt aber
auch vor, dass eine Eingabe nicht über eine halbe Legislaturperiode unbeantwortet sein sollte. Dass es effizienter
gehen kann, hat der Grossratspräsident Dr. Rudolf Rohr
bewiesen: Er hat während seiner Amtszeit der Regierung
öfters die rote Karte gezeigt. Damit hatte er Erfolg, hatte er
doch am Ende seiner Amtszeit keine verstaubten Vorstösse
mehr unter den Pendenzen. Ich bitte Sie daher, unsere
Dringlichkeit zu unterstützen.
Regierungsrat Kurt Wernli: Herr Hümbeli hat gesagt, die
Motion, die ich im Auftrag des Büros eingereicht hatte, sei,
weil ich in der Zwischenzeit nicht mehr dem Grossen Rat
angehöre, abgeschrieben worden. Das ist natürlich nicht so!
Der Grosse Rat hat diese Motion überwiesen und der Regierung damit den Auftrag erteilt, im Sinne der Motion die
gesetzlichen Grundlagen auszuarbeiten. Wir sind daran. Das
Büro selber hat damals die Anregung gemacht, im Rahmen
der Parlamentsreform auch dieses Problem eingehend zu
prüfen und allfällige Vorschläge auszuarbeiten. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung unseres Staatsschreibers hat diese
Parlamentsreform in Angriff genommen und arbeitet nun
seit bald einem Jahr an dieser Aufgabe. Ein erster Zwischenbericht zuhanden der Regierung steht kurz vor der
Vollendung. Darin wird auch das Problem der Unvereinbarkeit durchaus geprüft und mögliche Lösungen werden erörtert. Ich bitte Herrn Hümbeli aber um Verständnis, dass wir
im Rahmen dieser umfassenden Parlamentsreform ein Einzelstück nicht herausbrechen können und wollen. Das ist
nicht im Sinne des Parlaments, wenn wir nun diese eine
Problematik vorgängig bearbeiten würden. Ich ersuche
deshalb den Rat, hier keine Dringlichkeit zu beschliessen,
denn es würde sich dadurch nicht viel ändern. Wir könnten
Ihnen im Sinne einer Zwischensituation sagen, was diese
Arbeitsgruppe allenfalls als Grundlage erarbeitet hat. In
dieser Arbeitsgruppe sind prominente Vertreter und Vertreterinnen aus dem Grossen Rat dabei, die diese Parlamentsreform auch beeinflussen können.
Rolf Urech, Hallwil: Es geht hier nur darum, die Interpellation von Herrn Hümbeli für dringlich zu erklären oder nicht.
Wir vergeben uns gar nichts, wenn wir Dringlichkeit beschliessen. Der Herr Innendirektor hat bereits einige Äusserungen gemacht, wie es in der Arbeitsgruppe läuft. Wenn
wir mit der Ausstandsregelung bzw. der Wahlfähigkeit von
Staatsangestellten etwas erreichen wollen, müssen wir das
vor den Wahlen tun, damit das Volk noch darüber abstimmen kann. Ich bitte Sie deshalb, hier Dringlichkeit zu beschliessen.
Vorsitzender: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Gemäss § 74 Abs. 2 GO stimmt der Grosse Rat über diesen
Antrag ab, wobei die Annahme eine Mehrheit von zwei
Dritteln der anwesenden Ratsmitglieder erfordert. Die Prä-
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16. März 1999
senzaufnahme ergibt, dass 157 Ratsmitglieder anwesend
sind.
Abstimmung:
Für dringliche Behandlung: 22 Stimmen.
Vorsitzender: Damit wird das Quorum von 105 Stimmen
nicht erreicht und die dringliche Behandlung abgelehnt.
1128 Interpellation Eva Kuhn, Full, vom 16. März 1999
betreffend Kündigung eines Belegsarztes am Regionalspital Leuggern und den daraus resultierenden Problemen; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Eva Kuhn, Full, und 33 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Nachdem der Vorstand des Regionalspitals seinem langjährigen Belegarzt Dr. Markus Zeugin auf Ende Juni 1999 den
Vertrag kündigte, herrscht im Bezirk Zurzach Unruhe. Breite Bevölkerungskreise aus dem Patientenstamm von Dr.
Zeugin konnten sich mit dieser überraschenden Kündigung
ihres fachlich überragenden, weit über die Region Zurzach
bekannten Arztes nicht einverstanden erklären und gründeten eine Patientenorganisation.
Diese lancierte daraufhin eine Unterschriftensammlung, die
immer noch läuft. Mit dem Stand von 1'200 Unterschriften
wurde beim Spitalvorstand im Herbst 98 eine Petition eingereicht, in der der Vorstand des Spitals Leuggern aufgefordert
wurde, auf die Kündigung zurückzukommen. Die Unterschriftensammlung läuft momentan weiter und weist ca.
2'000 Unterzeichnende auf.
Im Januar 1999 kam es daraufhin zu Verhandlungen zwischen einer Delegation der Patientenvereinigung und des
Spitalvorstandes. Ergebnis war eine Sondervereinbarung
zwischen Dr. Zeugin und dem Spital Leuggern, die ihm
weitere Operationen am Spital Leuggern ermöglicht hätte.
Ausserdem wurde vereinbart, einen Ombudsmann als
Schlichtungsstelle einzusetzen. Diese Sondervereinbarung
wurde auch bereits in der Presse veröffentlicht.
Der Gesamtvorstand des Spitals lehnte jedoch diese Sondervereinbarung ab und hält nach wie vor an der ursprünglichen
Kündigung per Ende Juni 99 fest. Die Patientenorganisation
reagierte daraufhin mit grossem Unverständnis und gab sich
mit diesem Entscheid nicht zufrieden; dies tat sie an einer
eindrücklichen Grosskundgebung am 27. Februar kund und
gab bekannt, dass sie weitere Aktionen ins Auge fasst.
Regionalspitäler stellen gemäss Spitalkonzept die medizinische Grundversorgung für rund 80 % der Einwohnerinnen
und Einwohner ihrer Spitalregion sicher. Die kompromisslose Haltung des Spitalvorstandes erscheint deshalb im Hinblick auf die grosse Zahl von Patientinnen und Patienten und
Sympathisantinnen und Sympathisanten problematisch und
wirft einige Fragen auf. Ich bitte deshalb den Regierungsrat,
folgende Fragen zu beantworten:
1. Wie beurteilt er die harte Haltung des Spitalvorstandes
angesichts der Tatsache, dass es sich bei Dr. Zeugin um
einen offensichtlich bei der Bevölkerung geschätzten und
beliebten, fachlich anerkannten Arzt handelt?
1735
Art. 1128-1129
2. Wie verträgt es sich mit dem Leistungsauftrag für die
Regionalspitäler, einem Arzt zu künden, der in unmittelbarer
Nähe des Spitals Praxis und Wohnsitz hat?
3. Wie ist das Verhalten des Spitalvorstandes bei diesem
Problem zu interpretieren, dessen Aufgabe es ist, im Sinne
aller potentiellen Patientinnen und Patienten der Region zu
entscheiden und zu handeln und Hand zu bieten für friedliche Kompromisse?
4. Kann es sich ein Spital von der Grösse des Regionalspitals Leuggerns finanziell leisten, auf die Patienten und Patientinnen eines erfolgreich behandelnden und operierenden
Arztes zu verzichten?
5. Wie beurteilt der Regierungsrat die Haltung des Spitalvorstandes bzw. hinsichtlich des unbewältigten Konfliktes in
Bezug auf mögliche Imageschädigung und finanzielle Verluste für das Spital Leuggern, indem z.B. Patientinnen und
Patienten in grösserem Ausmass an andere Spitäler abwandern?
6. Hat der Regierungsrat Kenntnis davon, dass Belegärzte
am Regionalspital Leuggern auch an Privatspitälern praktizieren, was klar dem Leistungsauftrag für Regionalspitäler
widerspricht?
7. Wie kontrolliert der Kanton die Einhaltung des Leistungsauftrages für Regionalspitäler speziell in Bezug auf
- Transparente, demokratische Statuten der Trägervereinigung
- Tätigkeit von Belegärztinnen und -ärzten an Privatspitälern
(laut Leistungsauftrag ausgeschlossen)
- Erreichbarkeit und fachliche Qualifikation der Belegärztinnen und -ärzte für Notfälle?
8. Wie beurteilt der Regierungsrat die Führungsaufgabe und
Kompetenz von Spitalvorständen, die privatrechtlich organisiert sind und vornehmlich von Laien und Laiinnen ausgeführt wird? Wie führt der Kanton das Controlling durch? Ist
der Einsatz eines kantonalen Delegierten des Gesundheitsdepartementes für diese Kontrolle ausreichend?
9. Kann sich der Regierungsrat vorstellen, in diesem Streit
eine vermittelnde Rolle zu übernehmen und zum Wohle des
Regionalspitales Leuggern als Schlichtungsstelle zu wirken?
1129 Interpellation Rosi Magon, Windisch, betreffend
Leck in einem Wärmetauscher des Kernkraftwerks
Beznau 2; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Rosi Magon, Windisch, und 37 mitunterzeichnenden
Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Am 2. Januar musste Block 2 des Kernkraftwerks Beznau
heruntergefahren und vom Netz genommen werden. Laut
Mitteilung der NOK war der Grund ein Leck in einem
Wärmetauscher (Dampferzeuger). Wie viel Radioaktivität
dabei austrat, wurde nicht bekanntgegeben. Es wurde lediglich festgehalten, dass die geltenden Grenzwerte nicht erreicht worden seien. Trotzdem ist dieser Zwischenfall von
allgemeinem Interesse. Seit Jahren ist bekannt, dass es sich
Art. 1130-1131
beim Dampferzeuger um eine der Schwachstellen in den
Reaktoren des Beznau-Typs handelt. Die beiden Dampferzeuger von Beznau 1 wurden denn auch bereits 1993 für 100
Millionen ersetzt. Die Dampferzeuger von Block 2 sollen
nun diesen Sommer ersetzt werden. Voraussichtliche Kosten
120 Millionen.
In diesem Zusammenhang habe ich einige Fragen zur Sicherheit und Wirtschaftlichkeit des KKW Beznau 2. Ich
bitte den Regierungsrat, sie zu beantworten.
1. Wann wurde das Leck im Wärmetauscher erstmals entdeckt? Wie konnte das Leck während der Feiertagsphase
entdeckt werden?
16. März 1999
Varianten (darunter auch ein Holzneubau) erarbeitet worden
sind. Verschiedentlich wurde auch den Initianten für eine
Brückenvariante aus Holz versichert, dass eine solche evaluiert werde. Der vor kurzem bekannt gewordene Entscheid
für eine Betonbrücke an diesem für Natur und Landschaft
ausserordentlich bedeutsamen Ort ist für die Bevölkerung
schwer nachzuvollziehen. Die Bevölkerung setzt ihre Hoffnung in den Regierungsrat, und ich lade Sie ein, einen mutigen Entscheid zugunsten einer Holzbrücke zu fällen und von
der Idee einer Brücke für Schwersttransporte wegzukommen.
2. War dieses Leck vorhersehbar aus den Erkenntnissen, die
man über diesen Wärmetauschertyp hat? Wenn ja, warum
wurde der entsprechende Wärmetauscher in Beznau 1 bereits 1993 ersetzt ohne Konsequenzen für Beznau 2?
1131 Interpellation Herbert H. Scholl, Zofingen, betreffend Belagssanierung auf der A1; Einreichung und
schriftliche Begründung
3. Die Kosten für den Austausch der beiden Dampferzeuger
sind im Vergleich mit den damaligen Baukosten von 290
Millionen Franken für Beznau 2 sehr hoch. Was für eine
Rolle spielten die hohen Investitionskosten beim Hinausschieben des Austauschentscheides?
Von Herbert H. Scholl, Zofingen, und 19 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
4. Ist der Regierungsrat nicht auch der Meinung, dass eine
solche Investition bei einem dreissigjährigen Reaktor sich
nicht mehr lohnt, da sich bei der gegenwärtigen europaweiten Stromschwemme die Reparaturkosten kaum mehr amortisieren liessen und demzufolge ein Abschalten des Reaktors
sinnvoller wäre?
5. Wie nimmt der Kanton seine finanzpolitische Verantwortung wahr angesichts der Tatsache, dass er mit 28 % (14 %
AEW, 14 % Kanton) an den NOK beteiligt ist?
6. Wusste die HSK von dieser Schwachstelle?
7. Bestanden zwischen der HSK und der Beznau-Betreiberin
Vereinbarungen? Wenn ja, welche?
1130 Interpellation Rosi Magon, Windisch, betreffend
Neubau Aarebrücke Vogelsang-Lauffohr; Einreichung
und schriftliche Begründung
Von Rosi Magon, Windisch, und 36 mitunterzeichnenden
Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird um genaue Auskunft gebeten, wie
es zum Juryentscheid kommen konnte betreffend Neubau
der Aarebrücke Vogelsang-Lauffohr. Es wird dabei keine
Holzbrücke vorgesehen. Insbesondere sind Zielsetzung,
Randbedingungen, Entscheidungskriterien und Zusammensetzung der Jury von Interesse. Ausserdem bitte ich den
Regierungsrat um seine Stellungnahme bezüglich offenem
Brief in der Aargauer Zeitung von Samstag, 13. März, von
Walter Benz und seiner Bitte an Sie, dem Bau einer Holzbrücke zum Durchbruch zu verhelfen.
Begründung:
Im Rechenschaftsbericht des Regierungsrates 1997 wurde
als Antwort auf mein Postulat ausgeführt, dass verschiedene
Text und Begründung:
Die Erfahrungen mit den bereits sanierten Abschnitten auf
der Autobahn A1 sind nicht überall positiv ausgefallen. Von
Benützerinnen und Benützern der Autobahn ist vielfach zu
hören, dass die Ebenheit der neu sanierten Belagsoberfläche
nicht besser sei als die Ebenheit der Überholspur vor der
Sanierung. Als Vergleich wird die Autobahn im Limmattal
herangezogen, welche dieses Jahr saniert werden soll. Diese
weise nach 15 Jahren Nutzungsdauer noch eine deutlich
bessere Belagsebenheit auf als die 1998 ausgeführte Bauetappe der A1 im Aargau.
Andere Sanierungen von Autobahnen, wie beispielsweise
die A1 in den Kantonen Bern und Solothurn oder die A3 im
Kanton Glarus sind deutlich besser herausgekommen. In
Fachkreisen wird offenbar bereits wieder von der "Aargauer
A1 Rumpelpiste" gesprochen, womit nicht etwa die alten
Betonbeläge, sondern die neu sanierten Flächen gemeint
sind. Selbst Laien können diese Unebenheiten erkennen,
wenn sie die Bewegungen des vorausfahrenden Fahrzeuges
verfolgen.
Deutliche Unebenheiten sind insbesondere auf folgenden
Abschnitten feststellbar:
Splittmastixbelag
- Fahrtrichtung Bern-Zürich,
km 233.500, Rothrist, bis km 237.000, Einfahrt Zofingen/Oftringen (Normal-Spur);
Überholspur im Raum Oftringen;
km 252.500 bis Hunzenschwil, Normalspur und Überholspur in den Bereichen von Unterführungen;
Hunzenschwil bis Lenzburg
km 259.200 Normalspur, besonders im Bereich der
Kunstbauten
- Fahrtrichtung Zürich-Bern
Ausfahrt Zofingen/Oftringen, km 237.000 bis Kantonsgrenze Kanton Solothurn
km 233.500, Normalspur und Überholspur, deutliche Unebenheiten im Bereich der Etappierungen und bei Überführungen/Durchlässen
1736
16. März 1999
Flüsterbelag/Drainasphal
- Fahrtrichtung Bern-Zürich
km 250.000 bis 252.500, Normalspur mit deutlichen Unebenheiten, Überholspur
knappe Grenzwerte
- Fahrtrichtung Zürich-Bern
Im Bereich Einfahrt/Ausfahrt Anschluss Hunzenschwil,
Normalspur und Überholspur;
Gränichen, km 252.500 - 250.000, Normalspur
Zudem bewährt sich offenbar der neu eingebaute Flüsterbelag nicht. Schon vor dem Wintereinbruch waren Kornausbrüche feststellbar. Zusätzliche Schäden entstanden, als
Nutzfahrzeuge die Autobahn mit Schneeketten befuhren.
Die gewählten Drainbeläge haben offensichtlich Nachteile,
auf welche während des Submissionsverfahrens durch Konkurrenzofferten aufmerksam gemacht wurde. Offerierte
Varianten wurden von der Vergabestelle aber nicht berücksichtigt.
Ich bitte den Regierungsrat um die Beantwortung folgender
Fragen:
1. Sind dem Regierungsrat die Unebenheiten der Belagsoberfläche auf den sanierten Strecken der A1 bekannt?
2. Ist der Regierungsrat bereit, diese Unebenheiten durch
eine neutrale Expertise, beispielsweise durch das Institut für
Strassenbau der ETH Zürich, beurteilen zu lassen?
3. Weshalb hat die Vergabestelle den Flüsterbelag mit
Drainasphalt ausgewählt, dessen Eignung sich schon vor
dem Wintereinbruch, aber erst recht während des letzten
Winters als ungenügend erwiesen hat?
4. Trifft es zu, dass bessere Lösungen im Submissionsverfahren für diesen Flüsterbelag nicht berücksichtigt wurden?
5. Wer hat die finanziellen Folgen für diese Mängel der
Belagssanierung auf der A1 zu tragen?
Art. 1132-1134
Thomas Pfisterer mit Familie. Erstens: In unserer Familie
haben wir ein Problem: Das Kind ist rechtmässig in der
Schweiz, gestützt auf eine richterliche Anordnung, die für
die ganze Dauer des Verfahrens gilt. Dieses Kind wehrt sich
gegen seinen leiblichen Vater. Heute - erst spät im Verfahren - wissen wir, nach Abklärungen der Spezialgruppe der
zuständigen Kantonspolizei Zürich, dass dieses Kind wahrscheinlich von seinem Vater sexuell missbraucht worden ist.
Selbstverständlich hat die Familie Pfisterer nicht mehr
Rechte als irgend jemand, sie hat aber auch nicht weniger!
Zweitens: Zwischen der Familie und dem Amt gibt es
selbstverständlich keine Verwischungen und ich lasse mich
weiterhin nicht durch Pressionen in meiner Amtsführung
beeinflussen.
Drittens: Der Regierungsrat ist seit langem über dieses
Spannungsverhältnis im Bild. Als die Ständeratskandidatur
eine Thema wurde, habe ich selbstverständlich den Ortsund den Bezirksparteipräsidenten informiert, habe auch den
Anwalt meiner Schwiegertochter informiert und bekam
überall die Antwort, dass da kein Zusammenhang bestehe.
Ich habe auch immer gesagt, dass ich nicht kandidieren
werde, wenn dadurch das Kind oder die Frau in irgend einer
Weise gefährdet würden.
Viertens: Die nötigen rechtlichen Schritte, um gegen die
Behauptungen der letzten Sonntagspresse vorzugehen, sind
eingeleitet. Danke.
1134 Postulat Martin Bossard, Kölliken, vom 15. Dezember 1998 betreffend Moratorium für Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen im
Kanton Aargau; Ablehnung
(vgl. Art. 953 hievor)
Antrag des Regierungsrates vom 24. Februar 1999:
1132 Zur Traktandenliste
Vorsitzender: Traktandum Nr. 5, Interpellation Dr. Dragan
Najman, Baden, betreffend Kriegstourismus muss abgesetzt
werden, da Herr Najman für die heutige Sitzung entschuldigt ist. Auf Wunsch der Kommission liegt noch folgende
Änderung für die Revision des Gesetzes über Raumplanung,
Umweltschutz und Bauwesen vor: Wegen Abwesenheit des
Kommissionspräsidenten Daniel Knecht während der nächsten Sitzungen wird die Behandlung dieses Geschäftes bei
der Behandlung der Geschäfte im Baudepartement vorverschoben. Traktandum 20 wird damit vor Traktandum 12
gesetzt.
1133 Dr. Thomas Pfisterer, Landstatthalter; Abgabe
einer persönlichen Erklärung
Lanstatthalter Dr. Thomas Pfisterer: Ich bedaure, dass ich
zu einem hängigen Gerichtsverfahren vor einem aargauischen Gericht eine kurze Erklärung abgeben muss. Es gibt
einen Regierungsrat Pfisterer und es gibt einen Privatmann
1737
Der Regierungsrat lehnt das Postulat mit folgender Begründung ab:
Die Frage des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen wirft eine Reihe von Fragen auf, die teilweise schwierig
zu beantworten sind. Der Regierungsrat hat sich deshalb mit
der Möglichkeit des Anbaus von gentechnisch verändertem
Mais durch die Firma Plüss-Stauffer in Oftringen intensiv
auseinandergesetzt. Beim vorliegenden Gesuch handelt es
sich nicht um eine generelle Bewilligung des Anbaus von
gentechnisch verändertem Mais sondern um die Bewilligung
für einen befristeten Versuch. Der Regierungsrat ist der
Auffassung, dass es zeitlich und örtlich klar eingegrenzte
Versuche braucht, um wissenschaftlich abgestützte Antworten auf die Fragen im Zusammenhang mit der Freisetzung
gentechnisch veränderter Pflanzen zu erhalten. Der im Postulat verlangte Nachweis der langfristigen ökologischen
Unbedenklichkeit ist ohne entsprechende kontrollierte Versuche gar nicht zu erbringen.
Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen bedarf
gemäss Umweltschutzgesetz einer Bewilligung des Bundes.
Art. 29 des Umweltschutzgesetzes (USG) verlangt, dass der
Bundesrat Vorschriften über die Anforderungen und das
Verfahren für die Erteilung der Bewilligung erlässt. Anfang
Art. 1134
1998 hat der Bundesrat deshalb den Entwurf einer Freisetzungsverordnung in die Vernehmlassung geschickt. Der
Entwurf wird bis zum Inkrafttreten der Verordnung im
Frühjahr 1999 als Richtlinie verwendet. Der Entscheid ob
gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden dürfen
liegt also beim Bund und nicht beim Kanton. Im Falle eines
Freisetzungsversuchs kann der Standort-Kanton jedoch
seine Vorstellungen als Stellungnahme zum Gesuch einbringen. Es wird auf die entsprechende Stellungnahme der kantonalen Fachstelle, die in Absprache mit der Abteilung
Umweltschutz und der Abteilung Landwirtschaft erarbeitet
und vom Regierungsrat genehmigt wurde, verwiesen. Zusätzliche Überlegungen können zudem der Antwort des
Regierungsrates auf die Interpellation der SP-Fraktion vom
1. Dezember 1998 zum gleichen Thema entnommen werden.
Mit der Ablehnung der Genschutz-Initiative wurde ein
generelles Verbot des Anbaus von gentechnisch veränderten
Pflanzen verworfen. Der Bund muss eine Bewilligung erteilen, wenn u.a. eine Risikobewertung belegt, dass der Freisetzungsversuch Mensch und Umwelt nicht gefährden kann.
Das Risiko für die Umwelt ist unter Berücksichtigung der
Sicherheitsmassnahmen aufgrund von Ausmass und Wahrscheinlichkeit möglicher Schäden zu beurteilen.
Der Regierungsrat lehnt das Postulat ab, weil er ein generelles Verbot des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen für nicht sinnvoll hält und weil der Kanton Aargau im
vorgegebenen gesetzlichen Rahmen keine Möglichkeit hat,
ein Verbot für den Anbau von gentechnisch veränderten
Pflanzen auszusprechen. Er wird jedoch bei Freisetzungsversuchen jeden Fall einzeln prüfen und gemäss der jeweiligen Beurteilung Anträge an den Bund stellen.
Vorsitzender: Der Regierungsrat beantragt, das Postulat
abzulehnen.
Martin Bossard, Kölliken: Erstens: Zuhanden des Protokolls
ist festzuhalten: Ich habe dieses Postulat am 1. Dezember
1998 eingereicht und nicht am 15. Dezember, wie es hier
irrtümlicherweise heisst. Das Postulat wurde von mir unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Genversuche eingereicht.
Zweitens: Zuhanden der Medien: Ich finde es äusserst problematisch, wenn praktisch alle unsere Stellungnahmen, die
wir den Zeitungen im Kanton Aargau übergeben, unterschlagen werden. Ich könnte Ihnen sicher ein halbes Dutzend Fälle aufzählen, bei denen wir etwas eingeschickt
haben, unsere Meinung aber einfach unterschlagen wurde.
Drittens: Das ist kein Jux-Vorstoss! Wir meinen es absolut
ernst mit unseren Forderungen. Begründen werde ich das
durch erstens grundsätzliche Überlegungen, dann politischjuristische, ökologische und schliesslich agronomischtechnische. Zum Grundsätzlichen: Vor und nach der Abstimmung zur Genschutzinitiative gab es Umfragen, die mit
einer erstaunlichen Konstanz ergaben, dass rund 70 % der
Bevölkerung gegen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel
sind. Von den Bauern haben die Biobauern signalisiert, dass
sie keine Gentechnik anwenden wollen, sie legten das in
ihren Richtlinien auch gleich fest. Für die IP-Bauern gilt das
Gleiche. Diese beiden Gruppen vertreten über 90 % aller
Bauern. Also: Weder von den Konsumenten noch von den
Produzenten will eine grosse Mehrheit etwas damit zu tun
haben.
16. März 1999
Zum politisch-juristischen Aspekt: Im Zusammenhang mit
der Genschutzinitiative sagte man, dass unmittelbar nach der
Abstimmung die entsprechenden Schritte für die Ausarbeitung eines Gen-Lex-Paketes eingeleitet würden. Dort sollte
auch geregelt sein, unter welchen Bedingungen gentechnisch veränderte Pflanzen in die Umwelt gelangen dürften.
Diese Gesetze wurden noch nicht gemacht. Die Versuche,
die Plüss-Staufer dieses Jahr in Oftringen machen will,
sollen aufgrund der Vorentwürfe des BUWAL durchgeführt
werden. Es gibt noch keine rechtliche Basis für solche Versuche. In Europa haben verschiedene Länder Moratorien
ausgesprochen. Wir stehen also im Kanton Aargau absolut
nicht alleine da, wenn wir uns heute auch für solch ein
Moratorium entscheiden. In diesen Ländern, die ein Moratorium haben, geht es genau um diese Pflanzen, die PlüssStaufer nun anpflanzen will. Es sind Pflanzen, die antibiotikaresistend sind. Mit der Agrarpolitik werden wir in den
nächsten Jahren zweistellige Milliardenbeträge für die Ökologisierung der Landwirtschaft ausgeben. Gentechnologie ist
aber das Gegenteil der Ökologisierung der Landwirtschaft.
Was soll der Staat hier denn machen? Einerseits fördert er
die ökologische Landwirtschaft, andererseits gibt er grünes
Licht für genetische Versuche in der Landwirtschaft. Das
macht unseres Erachtens keinen Sinn.
Zum ökologischen Aspekt: Wenn man diese Pflanzen anbaut, haben wir verschiedene Probleme zu befürchten. Erstens können sie nicht isoliert werden. Gerade Mais verbreitet
seine Pollen über mehrere Kilometer hinweg, womit er die
veränderten Gene auf Pflanzen überträgt, die von diesem
Versuch gar nicht betroffen sind. Das finden wir problematisch. Das Schlagwort hierzu heisst: Gen-Smog. Man kann
damit anfangen, was man will. Tatsache ist, dass sich diese
veränderten Gene nicht am Versuchsort festhalten lassen!
Die Regierung schreibt selbst, dass diese Pflanzen einen
veränderten Stoffwechsel haben. Das eingebaute Gen bewirkt, dass ein Spritzmittel in der Pflanze abgebaut werden
kann. Diese Abbauprodukte sind teilweise bekannt. Teilweise kann man aber auch noch nicht abschätzen, wie der
Mensch darauf reagieren wird, wenn er diese konsumiert.
Das Spritzmittel ist vorhanden und wir werden zumindest
Bestandteile davon konsumieren. Das finden wir höchst
problematisch! Zudem wird die ganze Gentechnik dazu
führen, dass die Vielfalt der Nutzpflanzen weiter abnimmt.
Das ist eigentlich etwas, das wir - auch in Verträgen festgelegt - nicht wollen. Ich erinnere etwa an Rio 1992 und die
Verpflichtungen der Schweiz.
Zum agronomisch-technischen Bereich: Dieser Versuch ist
unnötig, weil dieser Versuch in Frankreich schon gemacht
wurde und die Versuchsergebnisse alle vorliegen. Man wird
in der Schweiz nichts anderes herausfinden als in Frankreich. Damit habe ich nicht gesagt, dass diese Versuche
unbedenklich seien. Weiter handelt es sich bei diesem Versuch um eine veraltete Generation von Gentech-Versuchen.
Die neuen gentechnisch veränderten Pflanzen haben keine
Antibiotikaresistenz mehr. Diese Resistenz wird auch von
der Regierung als problematisch erachtet. Agronomisch
bietet diese Versuchanordnung, wie sie uns Plüss-Staufer
präsentiert, keine Vorteile. Wir haben heute bessere Verfahren. Die Maisfelder werden heute beispielsweise mit Direktsaat, Frässaat oder Bahnspritzung angesät und bestellt. Das
sind wesentlich kostengünstigere Verfahren, als es in diesem
Versuch angeboten wird. Wieso sollten wir ein neues Verfahren
einführen,
das
dermassen
problematisch
1738
16. März 1999
eingeschätzt wird und die Alternativen schon seit 20 Jahren
bekannt sind.
Abschliessend noch eine Bemerkung zu den Expertenmeinungen: Wir haben heute Nachmittag das Traktandum Sondermülldeponie Kölliken. Vor 20 Jahren behaupteten alle
Experten, diese Deponie sei absolut unbedenklich und heute
werden wir über einen weiteren Kredit von über 40 Millionen befinden müssen! Im Zusammenhang mit der Gentechnik und den Diskussionen, die wir mit Plüss-Staufer und
dem BUWAL geführt haben, wurde klar, dass keiner die
Haftung übernehmen will. Wir von den Grünen können so
etwas schlicht und einfach nicht tolerieren! Etwas einführen,
das in jeder Hinsicht sinnlos ist, wobei niemand die Verantwortung dafür übernehmen will, das geht nicht. Wir schlagen vor, dass man nun abwartet, bis sich internationale
Klarheit über die Gentechnik zeigt. Wenn sich zeigt, dass
diese Dinge unbedenklich sind, können wir immer noch
einsteigen. Momentan haben wir aber genügend Alternativen in der Landwirtschaft, so dass wir das nicht brauchen.
Evi Bischoff, Mühlethal: Ich spreche im Namen der SPFraktion. Soweit ich informiert bin, steht der Entscheid vom
BUWAL über den Freisetzungsversuch von gentechnisch
verändertem Mais in Oftringen noch aus. Auch wenn der
Freilandversuch mit Gentech-Mais in Oftringen zeitlich und
örtlich beschränkt sei soll, ist es aus verschiedensten Gründen überhaupt nicht nötig, Mensch, Tier und Umwelt in
Gefahr zu bringen.
Die Landwirtschaftspolitik des Bundes geht ausdrücklich zu
einer ökologischen, nachhaltigen und möglichst biologischen Landwirschaft hin. Die Bemühungen des Kantons denken wir an das Mehrjahresprogramm 2001, das ökologische Ausgleichszahlungen vorsieht -, gehen auch in Richtung biologischen Anbau. Gentechnik hat also im Biolandbau nichts zu suchen. Die Probleme in der Landwirtschaft,
beispielsweise Bodenerosion, Wasserverschmutzung und
Chemierückstände, sind nur ökologisch zu lösen. Der wichtigste Schritt dazu ist ein Wegkommen von Monokulturen.
Gentechnik verstärkt aber den Druck zu noch mehr und
noch grösseren Monokulturen; zudem schliesst die Bioverordnung gentechnisch verändertes Futter aus. Wir wissen
noch nicht, was für Auswirkungen gentechnisch veränderte
Pflanzen auf Nutztiere haben werden. Mit dem Verbrauch
der hergestellten Produkte ist auch der Mensch in der Nahrungskette miteingeschlossen. Auch über das Fressverhalten
bei unseren wildlebenden Tieren existiert leider noch keine
wissenschaftliche Studie. Denn: Gentechnologie macht auch
vor Wiesen- und Gehölzpflanzen nicht halt, was sich negativ
auf die nahrungssuchenden Tiere auswirken kann. Die Veränderungen für den Boden und seine Mikroorganismen nach
dem Anbau von Genmais sind schwer prognostizierbar. Das
gilt auch für andere NützIinge wie Vögel und Säugetiere.
Einen weiteren nachteiligen Punkt für die Landwirtschaft ist
genmanipuliertes und patentiertes Saatgut. Es ist teuer und
verstärkt die Abhängigkeit der Bäuerinnen und Bauern von
einigen Grosskonzernen. Genau aus diesem Grund wird es
auch nie möglich sein, trotz gegenteiligen Behauptungen,
dem Hunger in den Drittweltländem beizukommen. Das
teilweise eingebaute Antibiotika-Resistenz-Gen im T25
Mais wird von der Plüss-Staufer AG als ungefährlich hingestellt. Grundsätzlich bedauert es der Regierungsrat, dass ein
Produkt mit einem Antibiotika-Resistenz-Gen eingesetzt
wird. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn der Regie1739
Art. 1134
rungsrat insgesamt eine differenziertere Haltung eingenommen hätte. Bei einer allfälligen Bewilligung wird es leider
erst die Zukunft zeigen, wie gefährlich oder ungefährlich
eine mögliche Antibiotika-Resistenz für unser Leben ist.
Bei diesem Freilandversuch gibt es noch zuviele offene
Fragen. Deshalb ist auch die SP der Meinung, dass zuerst
der Nachweis einer langfristigen, ökologischen Unbedenklichkeit erbracht werden muss, bevor man eine Bewilligung
erteilen kann. Oder wollen wir in späteren Jahren wieder
einmal mehr die von der Wirtschaft verursachten "Altlasten"
mit sehr viel Geld sanieren? Vielleicht kommt auch einmal
der Zeitpunkt, an dem sich die Natur nicht mehr reparieren
lässt.
Deshalb bitte ich Sie, zugunsten von uns Menschen, Tieren
und der Umwelt, dem Postulat zuzustimmen!
Dr. Rudolf Jost, Villmergen: Ich spreche im Namen der
FDP-Fraktion. Wir lehnen das Postulat von Herrn Bossard
ab. Zur Begründung: Erstens ist es die falsche Adresse. Das
verlangte Moratorium für Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen müsste grundsätzlich vom
Bund beurteilt werden. Freisetzungversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen fallen in die Bewilligungspflicht
des Bundes. Das hat auch der Regierungsrat in seiner Antwort klar ausgedrückt.
Zweitens: Missachtung eines Volksentscheides. Mit der
Ablehnung der Genschutzinitiative durch das Schweizer
Volk vor wenigen Monaten wurde ein generelles Verbot von
gentechnisch veränderten Pflanzen abgelehnt und damit ein
eindeutiges Zeichen gesetzt, dass solche Versuche, wie sie
nun von der Firma Plüss-Staufer in Oftringen durchgeführt
werden, im Sinne von Forschungsversuchen erwünscht sind.
Das vorliegende Postulat bezweckt hier reine Obstruktion
durch die Hintertür und missachtet in krasser Weise den
vorher zitierten Volksentscheid.
Drittens: Grüne St. Florians-Politik: Im Postulat wird neckischerweise - verlangt, dass die ökologische Unbedenklichkeit von genetisch veränderten Pflanzen zu beweisen sei,
was aber ohne entsprechend kontrollierte Versuche gar nicht
möglich ist. Wo sollen denn diese Versuche gemacht werden? Überall, nur nicht bei uns! Dies riecht bedenklich nach
einer St. Florians-Politik frei nach dem Motto: "Heiliger St.
Florian, beschütze unsere Böden; wende die Gentechnologie
lieber in anderen Kantonen an."
Ich fasse zusammen: Ein gewisses, gesundes Misstrauen
gegenüber neuen Technologien ist sicher vertretbar. Gleichzeitig muss aber auch ein gewisser gesunder Optimismus
gegenüber dem Sinn und Zweck solcher Gentechversuche
an den Tag gelegt werden. Ich bitte Sie, das Postulat abzulehnen!
Irene Frey-Kohler, Kirchleerau: Ich spreche im Namen
einer Mehrheit der SVP-Fraktion, die gegen eine Überweisung des Postulats ist. Im November stellte die Firma PlüssStaufer dem BUWAL den Antrag, in Oftringen zu Versuchszwecken einen Freisetzungsversuch zu bewilligen, um
den Anbau von gentechnisch verändertem Mais zu erproben.
Der Bewilligungsentscheid dafür liegt gemäss Umweltschutzgesetz beim Bund. Er wird laut Medienberichten auf
Ende März erwartet. Der Standortkanton hatte lediglich die
Möglichkeit, seine Vorstellungen zum Versuch einzubringen. Die Aargauer Regierung hat ihre Verantwortung wahr-
Art. 1134
genommen und dem BUWAL ihre Anträge und Bemerkungen in einem Brief vom 19. Januar eingereicht. Zwei Bemerkungen zu diesem Brief und den darin gestellten Anträgen: Zu Punkt 2.1: Sollte der Freisetzungsversuch stattfinden, wird eine Begleitgruppe auf Kosten des Gesuchstellers
verlangt. Neben der kantonalen Behörde ist auch eine Vertretung der Standortgemeinde Oftringen in diesem Gremium
vorgesehen. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Mir
fehlt aber klar eine Vertretung der praktizierenden Landwirte!
Ich erwarte deshalb von der Regierung, dass die Aargauer
Landwirtschaft in dieser Begleitgruppe einbezogen wird. Ich
denke dabei an einen Vertreter der IP-Bauern, die dem
Versuch kritisch gegenüberstehen. Zu Punkt 2.3: Dem Erntezeitpunkt ist, wie in der Stellungnahme erwartet wird, die
nötige Beachtung zu schenken. Der Pollenflug ist durch
frühzeitigen Abbruch des Versuchs zu verhindern. Damit
kommen wir den Wünschen der Imker und der Biobauern
entgegen. Da es sich um einen Herbizidversuch handelt,
wird ein vorzeitiger Abbruch des Versuchs die Resultate
kaum noch beeinträchtigen. Ich bitte die Regierung, in der
Begleitphase ihre volle Aufmerksamkeit walten zu lassen
und diesen Bemerkungen Beachtung zu schenken!
Dr. Heidi Berner-Fankhauser, Lenzburg: Ich spreche im
Namen der EVP-Fraktion. Die EVP unterstützt grossmehrheitlich die Überweisung des Postulats, auch wenn die Genehmigungsinstanz in Bern sitzt. Es soll ein Zeichen gesetzt
werden, dass wir die Richtung dieser Freisetzungsversuche
falsch finden. Diese Experimente widersprechen einer ökologisch ausgerichteten Landwirtschaft. Wir bezweifeln auch,
dass es tatsächlich möglich sein wird, die Pollen am Ausfliegen zu hindern. Das kann auch eine Begleitkommission,
die daneben steht, nicht gewährleisten. Antibiotika- und
Herbizidresistenz sind keineswegs harmlos. Hätte man
tatsächlich schon das Know-How, um bei ungeplanter Verbreitung dieser Resistenzgene einzuschreiten, bräuchte man
weniger Angst zu haben. Aber da ist dann wieder der Kanton gefragt, wenn die Bevölkerung bzw. die Umwelt hier
gefährdet ist. Es tönt schon etwas nach St. Florian, wie Herr
Jost gesagt hat. Wenn dieser Schutzpatron der Egoisten und
Lokalpatrioten uns hier solche Versuche vom Leibe halten
kann, dann werde ich ihm eine Kerze anzünden!
Barbara Kunz-Egloff, Brittnau: Sie haben es gehört, es regt
sich Widerstand gegen die geplanten Freisetzungsversuche
von Gen-Tech-Mais der Firma Plüss-Staufer. In kürzester
Zeit kamen 3'000 Unterschriften von Menschen zusammen,
die kompromisslos gegen die Freisetzungsversuche sind. Sie
alle - und mit ihnen noch viele mehr - wissen, dass zu viele
Fragen nicht beantwortet und schon gar nicht gelöst sind:
Dazu zählt beispielsweise der Gentransfer auf andere Organismen; die Auswirkungen auf Schädlinge, Nützlinge, Vögel, Säugetiere; die Freisetzung von Pollen; die AntibiotikaResistenz; die Auswirkungen auf die Nahrungskette usw.,
um nur diejenigen zu nennen, die der Regierungsrat in seiner
Interpellationsantwort zum Vorstoss der SP-Fraktion selber
auflistet.
Jahrzehntelang ist nun die naturwissenschaftliche Forschung
einer Ethik gefolgt nach dem Motto: Alles, was machbar ist
und voraussichtlich profitbringend und nicht verboten, wird
gemacht. Dabei bestimmten und bestimmen die Forscher
selber, was verboten oder zu wissenschaftlichen Zwecken
notwendig ist. Dass aber eine Umorientierung in der natur-
16. März 1999
wissenschaftlichen Ethik kommen muss und wird, steht
ausser Frage. Denn die harten Techniken der NaturVergewaltigung, auf denen wir unsere Naturerkenntnisse
und unsere Industrien und Grosskonzerne gleichzeitig aufbauen, bescheren uns in immer rascheren Folgen grössere
Umweltzerstörungen und ökologische Probleme in einer
Komplexität, die uns über den Kopf wächst. Auf der einen
Seite stehen Grosskonzerne und Firmen, die einem gnadenlosen Wettbewerb um Marktanteile und Gewinne ausgesetzt
sind. Das bedeutet, dass diese deshalb ihre Versuche
schnellstmöglich als unbedenklich deklarieren wollen, um
die Erkenntnisse daraus sofort in marktreife Produkte umsetzen zu können.
Auf der anderen Seite besteht aber die absolute Notwendigkeit, die Öffentlichkeit angesichts dieser grossen Risiken vor
den Auswirkungen gentechnischer Experimente zu schützen.
Dieser Schutz wird immer dringender, denn die Anzahl
verschiedener Experimente nimmt rapide zu und damit auch
das Gefahrenpotential. Ich erinnere Sie an Versuche mit
Tomaten, Kartoffeln, Mais und Getreide und empfehle
Ihnen, den heutigen Artikel im Tagesanzeiger Seite 31 zu
lesen. Lehren können wir ziehen aus der Geschichte der
Atomenergie, die uns jetzt mit Bergen von nicht zu bewältigenden gefährlichen Abfällen, mit schädigenden Strahlungen und teuren Kraftwerken die Katastrophe des alten Forschungs-Ethos vor Augen führt. Die neuen Techniken der
Genmanipulation vergreifen sich ebenso an den Grundlagen
des Lebens und verändern sie - jenseits der menschlichen
Kontrollmöglichkeiten. So gehören die Freisetzungsversuche unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Verwertungsinteressen zu den zerstörerischen Natur- und Forschungsexperimenten, die es zu verhindern gilt. Ich bitte
Sie, das Postulat Bossard zu überweisen!
Walter Glur, Murgenthal: Ich selber bin neutral und von
keiner Seite beeinflusst. Langsam, aber sicher stört mich,
wie die Grünen und die SP immer öfters Vorstösse einreichen, die nur ihrer persönlichen Profilierungssucht dienen.
Die Bevölkerung wird so einseitig aufgeklärt, verängstigt
und die Sachlichkeit bleibt auf der Strecke. Wir müssen zur
Kenntnis nehmen, dass die Forschung seit 20 Jahren weltweit schwerpunktmässig Richtung Gentechnik geht. Dies
wird auch in den nächsten 50 Jahren so sein, ob wir das nun
wollen oder nicht! Wir hätten vor 60 Jahren auch die Autos
verbieten können! Einiges wäre dann schöner, anderes auch
nicht. Nun aber zu einigen Tatsachen: Vor einigen Jahren
wurden wir Bauern vor allem von den Grünen und SPKreisen als Umweltverschmutzer beschimpft. Heute, wo wir
uns dafür einsetzen, dass zur Unkrautbekämpfung ein giftklassefreies Produkt eingesetzt werden kann, das weder in
Böden, Gewässern oder Pflanzen Rückstände hinterlässt,
sind die Grünen auch wieder dagegen. Übrigens: Das
BUWAL fordert, dass solche Versuche dringend bzw. zwingend in der Schweiz durchgeführt werden. Ob wir Freude
haben oder nicht: In den USA und in Südamerika wurden
1997 17 Millionen Hektaren, 1998 28 Millionen Hektaren
genveränderte Pflanzen angebaut. In Oftringen wären es
gerade mal 0,1 Hektaren. Der Anteil bei Baumwolle beträgt
heute schon 50 %, bei Soja 40 % und bei Mais 20 %. Wissen Sie übrigens, dass es seit dem 1. März 1999 keine
Schweizer Schokolade mehr gibt, die nicht genveränderte
Substanzen enthält? Sogar Bioprodukte dürfen in Zukunft
bis 1 % sog. GVO-Produkte enthalten. Sie sehen: Wenn Sie
sich GVO-frei ernähren wollen, dürfen Sie auch keine Bio1740
16. März 1999
produkte mehr konsumieren. Ich glaube, da bleibt nur noch
das Verhungern! Ich bitte Sie deshalb, das Postulat abzulehnen!
Peter Wehrli-Löffel, Küttigen: Genmais, ein neuer Begriff,
ein neues Wort! Für viele ist etwas Neues mit Unsicherheit
verbunden. Damit diese Unsicherheit zu Vertrauen werden
kann, sind gewisse Abklärungen notwendig. Die Erfahrung
und die Ergebnisse müssen protokolliert werden, damit
später Entscheidungen getroffen werden können. Wenn wir
an die Zukunft glauben, müssen wir die Forschung auch in
der Landwirtschaft forschen lassen. Wenn wir die Untersuchungen nicht hier machen, werden sie woanders gemacht.
Ich habe Vertrauen in solche Versuche! Es ist für mich wie
mit den Atomkraftwerken: Lieber haben wir sie bei uns und
kontrollieren sie selbst. Ich bitte Sie, das Postulat abzulehnen.
Nicole Meier, Baden: Ich werde das Postulat von Martin
Bossard unterstützen. Sie alle haben den Bericht des kantonalen Laboratoriums gelesen. Dieser Bericht enthält grundsätzliche Fragen bezüglich Auswirkungen auf Mensch und
Umwelt, die mir bis heute noch niemand beantworten konnte. Die Beantwortung dieser Fragen ist für mich aber absolut
prioritär, bevor irgendwelche Versuche durchgeführt werden. Solange solche Umgewissheiten bestehen, finde ich es
fahrlässig, die Zustimmung zu diesen Genversuchen und den
damit verbundenen Einschnitten in die Natur zu geben.
Christine Roth-Stiefel, Zetzwil: Als Bäuerin und Agronomin
stimme ich dem Postulat von Herrn Bossard zu. Mein Mann
und ich erbringen auf unserem kleinen IP-Betrieb aufwendige Leistungen, um die Bedingungen zu erfüllen, die an eine
ökologische Produktion gestellt werden. Der private Landwirt trägt das langfristige Risiko als Bewirtschafter und/oder
Eigentümer des Bodens. Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen gehören auf eine schweizerische
landwirtschaftliche Forschungsanstalt.
Hans Hagenbuch-Spillmann, Oberlunkhofen: Dem Lärmpegel in diesem Saal nach scheint das Interesse für diesen
Vorstoss nicht besonders gross zu sein. Herr Bossard hat
sich beklagt, dass die Presse nicht gewillt sei, genügend mit
den Grünen zusammenzuarbeiten. Ich gehe davon aus, dass
sich das nach dieser Rüge ändern wird.
Nun will ich noch zwei Falschaussagen korrigieren: Es
stimmt nicht, dass 90 % der Produzenten gegen den Anbau
bzw. gegen Versuche zum Anbau dieser neuen Technologie
sind! Es stimmt auch nicht, dass die Ökologisierung der
Landwirtschaft, so wie sie nun gesetzlich bestimmt ist, eine
echte Ökologisierung bringen wird. Es wird schlicht und
einfach weniger Produktion geben, weniger Arbeitsplätze
und mehr Nahrungsmittelimporte. In der Regel hört die
Ökobilanz bei der Produktion auf. Aber auch die importierten Produkte werden irgendwo produziert. Dabei gilt, dass
die Produktion im nahen oder fernen Ausland wohl nicht
ökologischer ist als in der Schweiz. Dazu kommt der Transport der Produkte usw. Ich bitte die Presse, auch solche
Argumente in ihrer objektiven Berichterstattung zu berücksichtigen.
Josef Winter, Kaisten: Für mich stellt sich die Frage, ob
dieser Freisetzungsversuch am richtigen Ort und von den
richtigen Institutionen durchgeführt wird. Wie Frau Roth
erwähnt hat, gehört auch meiner Meinung nach ein solcher
Versuch in eine eidgenössische Forschungsanstalt. Wenn ich
1741
Art. 1134
all die gestellten Fragen und die Unsicherheiten in der Beurteilung der kantonalen Fachstellen sehe, muss ich ganz klar
für die Überweisung des Postulats votieren. Zudem sieht die
Abteilung Landwirtschaft in der Schweiz unter den momentanen Bedingungen den Einsatz von herbizidresis-tentem
Mais nicht als pflanzenbaulich-notwendiges Verfahren. Es
ist also klar ein Bedürfnis der chemischen Industrie, hier ein
neues Marktsegment zu kreieren. Ich will die Gelegenheit
nützen, einige Fragen zum geplanten Versuch zu stellen:
Wie erwähnt, ist der Versuch zeitlich und örtlich begrenzt.
Wie lange also soll der Versuch denn dauern? Wie gross ist
die Versuchsfläche? Wer haftet für die Folgen des Versuches? Wie werden solche Risiken überhaupt versichert?
Abschliessend halte ich fest, dass die Stellungnahme an das
BUWAL sehr viele Fragen und Bedenken enthält. Ich habe
grundsätzliche Bedenken zu diesem Versuch, denn mit
nachhaltiger Landwirtschaft hat dieser Versuch gar nichts zu
tun. Ich stimme deshalb für die Überweisung des Postulats!
Reinhard Keller, Seon: Ich schliesse mich vollumfänglich
den Worten meines Vorredners an. Er sagte, was ich eigentlich sagen wollte. Was noch nicht gesagt wurde, betrifft das
Votum von Herrn Glur: Seine Unterstellungen und die doch
übertrieben harte Aussage, die er gemacht hat, lässt man so
nicht im Raume stehen. Eine Argumentation wird nicht
besser, wenn man Leute, die aus guter Position heraus gewisse Dinge sagen, diffamiert und behauptet, sie würden nur
aus Profilierungssucht so handeln. Das finde ich eine sehr
problematische Art bzw. ein ganz übler Stil des Politisierens. Wir distanzieren uns ganz klar davon! Wir wollen
festhalten, dass es der SP darum geht, die problematischen
Dinge jetzt zu bezeichnen, jetzt darüber nachzudenken und
jetzt den Mut zu haben, etwas nicht zu tun, obwohl man es
könnte! In diesem Sinne sind unsere Positionen gemeint und
haben nichts mit billiger Profilierungssucht zu tun.
Thomas Bretscher, Zeiningen: Das ist natürlich ein wichtiges Geschäft, das hier vorliegt! Darüber müssen Sie sich
absolut im Klaren sein, ob wir es nun annehmen oder ablehnen. Schauen wir auf den heutigen Nachmittag voraus: Die
Sondermülldeponie Kölliken! Schätzungen zufolge muss
man bis zu einer Milliarde Franken bezahlen, bis die Sache
aufgeräumt ist. Warum muss der Kanton Aargau das tun?
Weil er damals Ja dazu gesagt hat. Heute ist es wieder genau
gleich. Wenn wir zu diesem Geschäft Ja sagen und irgendetwas schief läuft, dann darf der Steuerzahler wieder bezahlen. Kosten werden ja nie privatisiert, sondern immer nur
sozialisiert, es gibt schon Beispiele dafür. Gerade gestern hat
man es wieder in den Nachrichten gehört: Die Bauern wollen für ihre BSE-verseuchten Tiere Zahlungen. Wollen sie
diese von den Produzenten der Futtermittel? Nein! Wollen
sie es von jenen, die das Fleisch nicht essen, weil es verseucht ist? Nein! Wollen sie es von den Vegetariern? Nein!
Dieses verseuchte Vieh soll der Bund entschädigen. Der
Bund! Also wieder mal der Steuerzahler. Glauben Sie nun
ernsthaft, dass, falls so ein Rindvieh - nein, ich meine nicht
Dich, tut mir leid, ich halte die Hände neutral hinter dem
Rücken (Heiterkeit) -, wenn also so ein Rindvieh - beispielsweise von Walter Glur - Antibiotikaresistenz entwickelt, dass er dann glücklich sein wird? Ich denke nicht. Er
wird eher eine Lösung finden wollen, bei der er entschädigt
wird. Das ist immer so und zudem fühlt er sich ja nicht
schuldig, denn der Staat hat doch Ja zu diesem Versuch
gesagt. Also sollen sie auch bezahlen, wenn was schiefläuft.
Nun wollen wir uns im Kanton Aargau auch so ein Ei ins
Art. 1134
Nest legen, das wir dann später ausbrüten müssen. Ich finde
das nicht gut!
Die FDP hat gesagt, das Ganze sei Sache des Bundes.
Stimmt. Wenn wir uns aber geäussert haben, haben wir uns
geäussert; und wenn wir Ja sagen, haben wir Ja gesagt oder
eben Nein. Dann haben wir - und das ist keinesfalls verboten
- eine klare Haltung eingenommen. Weiter wurde gesagt, die
Genschutzinitiative werde abgelehnt. Stimmt. Aber es heisst
nicht, dass damit alle Versuche erlaubt sind, man muss über
jeden nachdenken. Es ist schliesslich ein Unterschied, ob es
um Labor- oder Freilandversuche geht.
Zur SVP: All die Bedenken, die die Fraktionssprecherin
geäussert hat, zeigen doch, dass es ihnen auch nicht ganz
wohl bei diesem Versuch ist. Sie wollen alles abklären,
sichern, untersuchen usw. Wenn diese Pollen dann frei
rumfliegen, nützen alle Begleitpersonen nichts mehr. Man
muss hier doch eine klare Position beziehen und Nein sagen.
Dieser ganze Versuch wurde in Frankreich schon einmal
durchgeführt. Nur weil das BUWAL dies scheinbar
wünscht, muss es in der Schweiz noch einmal gemacht
werden. Deshalb ist dieser Versuch absolut unnötig. Ich bitte
Sie, dem Postulat zuzustimmen!
Regierungsrätin Dr. Stéphanie Mörikofer-Zwez: Eine Vorbemerkung zum politischen Umfeld: Es wurde bereits
mehrmals gesagt, dass die Genschutzinitiative abgelehnt
wurde. Nun kann man Abstimmungsresultate immer unterschiedlich interpretieren. Ich denke aber, dass, wenn zwei
Drittel der Bevölkerung ein weitgehendes Verbot von Gentechnik ablehnen, man das so interpretieren darf, dass zumindest eine kontrollierte Anwendung dieser Technologie
akzeptiert wird.
Zur rechtlichen Zuständigkeit: Ob Sie das Postulat überweisen oder nicht, ändert an den Zuständigkeiten nichts. Der
Kanton Aargau wird den Auftrag des Postulates nicht erfüllen können. Ob man mit Zeichen operieren will, ist eine
Frage des politischen Geschmacks. Die Regierung hat den
Vorstoss nicht auf die leichte Schulter genommen und hat
sich die Sache relativ schwer gemacht. Wir haben versucht,
einerseits den vorhandenen Sicherheitsbedenken Rechnung
zu tragen und andererseits die Forschung, um die wir auch
in diesem Land nicht herumkommen, zu ermöglichen. Sie
haben das Resultat in Form unserer Stellungnahme an das
BUWAL gesehen. Ich verstehe nicht ganz, weshalb dies
eine undifferenzierte Stellungnahme sein soll. Ich hatte den
Eindruck, es sei eine sehr differenzierte Stellungnahme. Ich
kann nicht auf alle ökologischen Argumente eingehen, die
hier nun erwähnt wurden. Es ist so, dass das Bundesamt für
Gesundheitswesen, das für die Humangesundheit zuständig
ist, keinerlei Probleme im Zusammenhang mit diesem
Maisanbau sieht. Dies gilt auch für den Faktor Antibiotikaresistenz. Es handelt sich bei diesem Gen nämlich nur um
eines mit ca. 70-prozentiger Vollständigkeit. Zudem wird
das Gen in den Blättern nicht exprimiert.
Zur Pollenproduktion: Es ist eine Mantelsaat von 10 Metern
vorgesehen. Deutsche Ökologieorganisationen haben herausgefunden, dass dann noch rund 0,1 % der Pollen aus dem
Versuchsgelände herauskommen. Wenn wir nun noch verlangen, dass die Blütenstände abgeschnitten werden, bevor
die Pollen überhaupt freigesetzt werden, haben wir dieses
Problem wirklich gelöst. Wir machen solche Versuche ja
nicht als erste. Wenn wir Versuche wie die vorgesehenen
16. März 1999
nicht machen, werden wir nie zu den Resultaten kommen,
die uns ein Differenzieren erlauben bezüglich gentechnischen Anwendungen, die Gefahren in sich bergen und solchen, die das nicht tun. Ich bin einverstanden mit dem Antrag der SVP-Sprecherin, dass die Landwirtschaft in die
Begleitgruppe einbezogen wird. Das ist ein ganz wichtiger
Hinweis! Was die Haftung betrifft, ist klar, dass für allfällige Schäden die Firma haften wird und nicht der Staat. Ich
finde es leicht daneben, das Ganze mit der BSE- bzw. Sondermüllproblematik zu vergleichen. Das Einzige, was ich
heute nicht gehört habe, ist, dass man es auch noch mit der
AKW-Problematik in Verbindung bringt.
Zusammenfassend: Der Kanton Aargau hat seine Mitwirkungsrechte in diesem Verfahren wahrgenommen. Die
Regierung ist der Auffassung, dass man einem kontrollierten
Versuch unter bestimmten Auflagen zustimmen kann. Unter
diesen Umständen bitte ich Sie im Namen der Regierung,
das Postulat Bossard nicht zu überweisen!
Martin Bossard, Kölliken: Man könnte meinen, nur die
Grünen machen sich Gedanken, was im Essen alles so drinsteckt. Ist Ihnen denn egal, was Sie essen? Ist Ihnen egal,
dass die Saatgutindustrie langsam aber sicher ein Teilbereich der Chemie ist? Heute haben Sie es in der Hand, einen
nutzlosen und agronomisch wenig gehaltvollen Versuch
dieses Jahr zu unterbinden, damit wir Zeit gewinnen, um zu
überlegen, weshalb andere Länder für solche Produkte ein
Moratorium festgelegt haben. Es ist so: Die Genschutzinitiative wurde abgelehnt. Aber es ist auch so, dass im
Vorfeld dieser Initiative die IP- und Biobauern, die nun halt
mal 90 % der Bauern repräsentieren, diese Technologie
abgelehnt haben. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass die GenLex-Gesetzgebung noch nicht gemacht wurde und wir uns in
einem rechtsfreien Raum bewegen müssen. Ich habe heute
Morgen am Radio gehört, dass in der begleitenden Ethikkommission nun wenigstens eine einzige Gentechnikkritikerin Einsitz genommen hat.
Ich fühle mich betroffen, wenn jemand behauptet, ich handle
hier aus Profilierungssucht. Wenn Herr Glur mit einer Breitseite gegen mich schiesst und dann nur die USA und Südamerika nennt, die Millionen von Hektaren mit gentechnisch-veränderten Produkten anbauen, dann vergisst er, dass
die Diskussion in Europa noch überhaupt nicht abgeschlossen ist. Wenn er sagt, heute fahren in der Schweiz überall
Autos, dann hat er damit nicht recht. Es gibt autofreie Gebiete, wie Zermatt usw. Herr Glur: Wollen Sie mit den USA
konkurrieren? Wollen Sie diesen Ball aufnehmen? Ich denke, unser Weg, der Weg Europas geht in die andere Richtung. Wir müssen die gutbezahlten Produkte herstellen und
nicht die Massenprodukte!
Ich hätte es gerne gesehen, wenn Sie, Herr Glur, etwas mehr
auf meine Argumente eingegangen wären, beispielsweise
betreffend der IP-Bauern usw. Ich fordere Sie noch einmal
auf: Überweisen Sie mein Postulat; sie verlieren nichts,
sondern gewinnen nur Zeit. Die Sache ist in Europa noch
überhaupt nicht ausdiskutiert! Ich weise Sie noch einmal
darauf hin: 70 % der Bevölkerung will keine gentechnisch
veränderten Lebensmittel. Geben Sie diesen 70 % noch
einmal Zeit zum Nachdenken. Der Kanton Basel Stadt hat
übrigens auch gesagt, er wolle kein AKW auf seinem Gebiet, obwohl diese Entscheidung eigentlich auch Sache des
Bundes ist. Wir haben es in der Hand und sonst weiss ich
nicht, wozu Politik gut sein sollte!
1742
16. März 1999
Anita Wilhelm, Neuenhof: Ich habe drei Fragen an die Frau
Regierungsrätin: Sie haben gesagt, dass das veränderte Gen
in den Blättern der Pflanze nicht exprimiert wird. Ich frage:
Wird es im Stängel exprimiert? Denn bekanntlich werden
sowohl die Stängel als auch die Blätter des Mais siliert und
verfüttert. Was sind die Folgen für die Nahrungskette?
Weiter haben Sie gesagt, es handle sich um eine ganze Serie
von Versuchen. Ich frage: Können Sie mir einen Versuch
nennen, der auch publiziert wurde? Denn: Nur publizierte
Versuche gelten als wissenschaftlich bewiesen. Schliesslich
haben Sie gesagt, dass die Firma Plüss-Staufer für die Folgen der Versuche die Haftung übernehmen müsse. Ich frage:
Was passiert, wenn die Firma Plüss-Staufer eines Tages mit
einer anderen Firma fusioniert? Wer ist dann haftbar?
Regierungsrätin Dr. Stéphanie Mörikofer-Zwez: Die Expression wurde in Homogenaten von Pflanzen getestet und
man fand kein exprimiertes Protein. Ich nehme an, dass dies
Ihre Frage beantwortet. Normalerweise essen wir Futtermais
nicht. Das essen allenfalls die Nutztiere. In diesem speziellen Fall aber hat das BAG verlangt, dass, sofern keine Freigabe des Futters zum Zeitpunkt der Ernte besteht, diese
vollumfänglich vernichtet werden muss. Hier ist klar vorgesorgt. Zu den Publikationen: Ich müsste gerade betreffend
Mais selbst nachschauen. Was die Versuche mit Kartoffeln
in Changins betrifft, so liegen die Berichte vor und können
eingesehen werden. Haftung bei Fusion: Dafür müsste ich
einen Juristen konsultieren. So weit ich weiss, gehen Haftung und Pflichten der Vorgängerinnen einer fusionierten
Firma auf die neue Firma über.
Noch ein letztes Wort: Es stimmt natürlich nicht, dass wir
uns in einem rechtsfreien Raum bewegen. Wir haben bereits
heute im Umweltschutzgesetz klare Zuständigkeiten. Richtig
ist, dass die Verordnung zu diesen Freisetzungen erst im
Frühjahr 1999 in Kraft gesetzt wird. Man richtet sich aber
heute bereits danach.
Abstimmung:
Für Überweisung des Postulates: 70 Stimmen.
Dagegen: 94 Stimmen.
1135 Interpellation der SP-Fraktion vom 1. Dezember
1998 betreffend Gesuch der Firma Plüss-Staufer in Oftringen um Freisetzung von gentechnisch verändertem
Mais; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 938 hievor)
Antwort des Regierungsrates vom 24. Februar 1999:
Zusammenfassung: Beim Gesuch der Firma Plüss-Staufer in
Oftringen handelt es sich um das erste Gesuch das auf der
Basis des revidierten Umweltschutzgesetzes abgewickelt
wird. Der Entwurf der Freisetzungsverordnung ist in der
Vernehmlassung mehrheitlich positiv aufgenommen worden
und wird deshalb im vorliegenden Fall als Richtlinie verwendet. Zuständig für das Bewilligungsverfahren ist gemäss
Art. 29e des Umweltschutzgesetzes der Bund.
Zu Frage 1: Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) als Bewilligungsbehörde hat die kantonale
1743
Art. 1135
Fachstelle (Kantonales Laboratorium) am 13. November
1998 über das Gesuch orientiert.
Zu Frage 2: Das Bewilligungsverfahren sieht eine Stellungnahme des Standortkantons vor. Die kantonale Fachstelle
hat in ihrer Stellungnahme betreffend dem Freisetzungsversuch mit T25 Mais zusätzliche Abklärungen und Auflagen
gefordert, so insbesondere Aussagen über einen allfälligen
Gentransfer auf andere Organismen und mögliche Auswirkungen auf Schädlinge, Nützlinge, Vögel und Säugetiere.
Zu Frage 3: Generell werden die Aufgaben der kantonalen
und der Bundesbehörden in der Freisetzungsverordnung,
welche als Entwurf vorliegt, geregelt. Im vorliegenden
Gesuch hat der Kanton für den Fall einer Bewilligungserteilung die Bildung einer Begleitgruppe mit Vertretung des
Standortkantons verlangt. Zusätzlich wird für den Freisetzungsversuch verlangt, dass die Freisetzung von Pollen
verhütet werde, solange keine Höchstwerte für den Gehalt
gentechnisch veränderter Komponenten in Futter- und Lebensmitteln aus dem Bio-Landbau in Kraft gesetzt sind.
Zu Frage 4: Die Antibiotika-Resistenz ist auch nach Ansicht
des Regierungsrates ein entscheidender Punkt bei der Beurteilung von gentechnisch veränderten Organismen. Da der
T25 Mais lediglich 70 % des Ampizillin-Resistenzgens
enthält, ist die Erzeugung eines wirksamen Proteins höchst
unwahrscheinlich. Im T25 Mais konnte keine entsprechende
Aktivität festgestellt werden, was im Falle eines Transfers in
Darmbakterien ebenfalls nicht zu erwarten ist.
Grundsätzlich wird bedauert, dass ein Produkt mit einem
Antibiotika-Resistenzgen eingesetzt wird. Der Regierungsrat
ist trotz des geringen Gefährdungspotenzials für Mensch
und Tier grundsätzlich der Auffassung, dass gentechnisch
veränderte Organismen in Lebens- und Futtermitteln keine
Markergene mit Resistenzen gegen therapeutisch bedeutende Antibiotika-Klassen enthalten sollten.
Das Bundesamt für Gesundheit hat allerdings bereits den Bt176 Mais von Novartis, welcher das vollständige Ampizillin-Resistenzgen enthält, als sicher beurteilt und daher als
Lebensmittel in der Schweiz zugelassen.
Zu Frage 5: Sicherheitsüberprüfungen sind der Kernpunkt
des Bewilligungsverfahrens und müssen vom BUWAL
vorgängig einer eventuellen Bewilligung angestellt werden.
Dabei kann es sich auf die Ergebnisse bereits durchgeführter
Freisetzungen von T25 Mais in Deutschland, Frankreich,
Italien und Grossbritannien stützen.
Die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Antibiotika-Resistenzgene wurde in Frage 4 behandelt. Dabei hat das
Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Gefährdung von
Wiederkäuern ganz spezielle Aufmerksamkeit geschenkt.
Für die unmittelbare Umgebung ist die Allergenität des
Herbizid-Resistenz-Proteins (pat-Protein) zu betrachten. Da
jedoch in Untersuchungen kein pat-Protein in Pollen nachgewiesen werden konnte ist kein zusätzliches allergenes
Potenzial zu erwarten.
Zu Frage 6: Gemäss § 1 des Landwirtschaftsgesetzes strebt
der Kanton als Ziele seiner Agrarpolitik nebst den ökologischen Zielen auch die der Förderung der Produktion von
marktgerechten, gesunden Nahrungsmitteln an sowie die
Förderung einer nachhaltigen Nutzung durch naturnahe
Anbaumethoden und artgerechte Tierhaltungsformen. Plüss-
Art. 1136-1137
Staufer begründet ihren Versuch teilweise mit ökologischen
Zielen, indem die Unkrautbekämpfung bei Herbizid resistentem Mais gezielter erfolgen könne. Der Regierungsrat
kann dieser Argumentation beim heutigen Wissensstand
weder zustimmen noch klar widersprechen. Ausserdem geht
es beim vorliegenden Versuch nicht darum, den Anbau des
GVO-Mais T25 zu bewilligen, sondern erst Versuche, die
auch Fragen der Ökologie beantworten sollen. Die Bewilligung eines solchen Versuchs schliesst keine Förderung ein.
Eine solche ist nur für die im Landwirtschaftsgesetz genannten Zwecke möglich.
Zu Frage 7: Das Mehrjahresprogramm Naturschutz des
Kantons Aargau fördert Naturschutzgebiete und den ökologischen Ausgleich im Kulturland. Naturschutzgebiete sind
in der unmittelbaren Umgebung des Freisetzungsversuches
nicht vorhanden. Die Beziehungen und Verflechtungen (z.B.
Nahrungsketten) in der Natur sind jedoch vielfältig und oft
unbekannt. Der Kanton hat wie erwähnt eine Begleitgruppe
zur Ueberwachung des Freisetzungsversuches verlangt. Was
das Mehrjahresprogramm betrifft ist zumindest die Gefährdung der Umwelt durch auswildernden T25 Mais als äusserst klein zu betrachten. Es ist kein Fall bekannt, wo Mais
in unseren Breitengraden wuchs, ohne gezielt gesät worden
zu sein.
Zu Frage 8: Der Regierungsrat ist für diese Frage nicht
zuständig. Die neue Agrarpolitik 2002 des Bundes wurde
und wird auf nationaler Ebene festgelegt, die Kantone sind
für deren Vollzug zuständig. Der Souverän hat mit der
Ablehnung der Genschutzinitiative die Möglichkeit des
mass- und verantwortungsvollen Einsatzes der Gentechnologie auch in der Landwirtschaft offengehalten.
Zu Frage 9: Die unmittelbar betroffene Bevölkerung konnte
eine Stellungnahme direkt beim BUWAL einreichen. Wer
als betroffene Person an der Vernehmlassung teilnimmt
bekommt vom BUWAL eine Kopie des Entscheides und ist
zur Einsprache berechtigt. Dieselben Möglichkeiten hat die
Gemeinde, wobei sie ihre Anliegen zusätzlich in die kantonale Stellungnahme einbringen konnte.
Der Regierungsrat geht ferner davon aus, dass in der von der
kantonalen Fachstelle geforderten Begleitkommission die
Gemeinde ebenfalls vertreten ist.
Eva Kuhn-Wittig, Full: Ich bedaure es, dass diese Interpellation erst nach dem Postulat von Herrn Bossard behandelt
wird. Erstens verlassen viele den Saal und zweitens hätte die
Reihenfolge der inhaltlichen Systematik wegen umgekehrt
sein sollen.
Nun denn: Ich, und mit mir die SP-Fraktion, empfinde die
Antwort des Regierungsrates durchaus nicht als pauschal
und undifferenziert. Im Gegenteil: Ich danke dem Regierungsrat für die differenzierten Antworten. Mit Befriedigung
nehmen wir zur Kenntnis, dass die kantonale Fachstelle
kritisch weitere Abklärungen und Auflagen fordert. Erwähnt
seien hier vor allem die möglichen Auswirkungen von Gentransferen auf Pflanzen und Tiere, möglicherweise eine
ökologische Zeitbombe. Wir begrüssen es auch, dass der
Regierungsrat gleicher Meinung ist mit uns, dass gegenüber
dem Einsatz eines antibiotikaresistenten Gens grosse Vorbehalte gemacht werden müssen. Auch in den anderen Punkten
fühlen wir uns mit unseren Bedenken ernst genommen.
16. März 1999
Gentechmais ist eine Zwängerei. So war es in der Zeitung zu
lesen, geschrieben von einer Person, die weiss, wovon sie
spricht. Es handelt sich um Herrn Ulrich Niklaus, Rektor des
landwirtschaflichen Bildungs- und Beratungszentrums
Liebegg. Der Versuch, den die Firma Plüss-Staufers, läuft
allen Anstrengungen des Bundes und der Kantone zuwider,
in der Landwirtschaft eine Wende einzuleiten. Weg von der
Landwirtschaft der chemischen Multikonzerne, hin zu einer
ökologisch ausgerichteten Bewirtschaftung des Bodens und
einer umweltgerechten Nahrungmittelproduktion. Diese
Wende ist auf keinem schlechten Weg! Sehr viele Mitglieder der aargauischen landwirtschaflichen Gesellschaft sind
dieser Meinung und lehnen den Versuch ab. Es ist schade,
dass sich der Regierungsrat nach all den Bedenken, die er
mit uns teilt, nicht dazu durchringen konnte, das Postulat
von Herrn Bossard zu unterstützen. Das wäre eigentlich die
logische Folgerung gewesen. Die potentiellen Auswirkungen auf den Boden und seine Mikroorganismen sind schwer
erfassbar und die verbleibenden Risiken kaum abschätzbar.
Was wäre da nicht sinnvoller als ein Moratorium. Die SPFraktion ist von der Antwort teilweise befriedigt.
Vorsitzender: Die Interpellantin erklärt sich von der Antwort
als teilweise befriedigt. Das Geschäft ist damit erledigt.
1136 Einbürgerungen; Kenntnisnahme
Vorsitzender: Gemäss schriftlicher Mitteilung hat die Einbürgerungskommission an ihrer Sitzung vom 2. März 1999
gestützt auf § 29 Abs. 1 des Dekretes über die Geschäftsführung des Grossen Rates (GO) die Einbürgerung von 264
ausländischen Staatsangehörigen gemäss vorliegender Liste
(Nrn. 822 - 968, 970, 971, 1205, 485, 664, 665, 676, 688,
694, 727, 747 und 805) beschlossen.
Es liegt keine Wortmeldung vor.
Kenntnisnahme
1137 Aargauische Volksinitiative "Ja zur Jugendförderung"; Gegenvorschlag des Regierungsrates; Änderung
der Kantonsverfassung; zweite Beratung; Schlussabstimmung
(Vorlage vom 17. Februar 1999 des Regierungsrates)
Corina Stefan, Umiken, Präsidentin der nichtständigen
Kommission Nr. 14: Nachdem der Grosse Rat die Initiative
am 12. Januar 1999 mit 89 zu 84 Stimmen abgelehnt und
den Gegenvorschlag der Regierung einstimmig gutgeheissen
hatte, schritten wir am 9. März 1999 zur 2. Lesung des
Gegenvorschlags des Regierungsrates. Mit dem neuen Paragraphen - § 38 bis litera a bis Jugendbelange (neu) - Absatz
1: Der Kanton und die Gemeinden berücksichtigen bei all
ihren Tätigkeiten die Anliegen und Bedürfnisse der Jugend;
Absatz 2: Der Kanton und die Gemeinden können die Schaffung entsprechender Infrastrukturen unterstützen.
In der Kantonsverfassung würde die Jugend so erwähnt und
durch die "Kann-Formulierung" unterstützt. Gleichzeitig
würde durch den Regierungsrat im Rahmen des Voranschlags des Grossen Rates eine kantonale Koordinations-
1744
16. März 1999
stelle für Jugendfragen geschaffen, die in die "Abteilung
Sport" integriert und neu in "Abteilung Sport und Jugendbelange" umbenannt würde; auch würde eine regierungsrätliche Fachkommission für Jugendfragen gewählt. Somit
entspricht die Botschaft des Regierungsrates für die 2. Beratung den Beschlüssen des Grossen Rates der 1. Lesung. Die
nichtständige Kommission Nr. 14 "Aargauische Volksinitiative - Ja zur Jugendförderung" behandelte in einer
kurzen Sitzung am 6. März 1999 das Geschäft Nummer
99.46. An dieser Sitzung waren 12 Kommissionsmitglieder
anwesend bei fünf Entschuldigungen, sowie der Regierungsrat, Herr Peter Wertli, und Herr Walter Leiser, Chef Abteilung Sport.
Zum Eintreten: Das Eintreten in der Kommission und bei
allen Fraktionen war unbestritten und so beschlossen.
Nicole Meier, Baden: Fünf Stimmen mehr und der Kanton
Aargau hätte schon am 12. Januar 1999 in diesem Saal
Jugendgeschichte geschrieben. Nun denn, - Bern war
schneller. Aber: Was noch nicht ist, kann ja noch werden.
Die Fraktion der CVP/JCVP stellt heute keine weitern Anträge und tritt auf den Gegenvorschlag ein. Es ist wichtig
und freut uns, dass der Kanton Aargau bereit ist, den Jugendlichen den ihnen berechtigten Stellenwert in der Kantonsverfassung zuzusichern. Wir tun dies, indem wir nach
wie vor die Initiative unterstützen und ein doppeltes Ja
propagieren. Tun Sie es uns gleich! Im Namen der Jugendlichen des Kantons Aargau, die heute und auch in Zukunft auf
Ihre Stimme zählen, danke ich Ihnen.
Peter Wehrli-Löffel, Küttigen: Ich spreche im Namen der
SVP. Wir sind für Jugendförderung und damit auch für
Eintreten.
Doris Fischer-Taeschler, Seengen: Ich spreche im Namen
der FDP. Auch wir bemühen uns, die Anliegen der Jugend
ernst zu nehmen. Wir sind aber der Meinung, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, dies zu tun. Wir sind der
Überzeugung, dass das Führen von Jugendstellen grundsätzlich nicht in die Verfassung gehört. Gleiches würde sonst
auch für ein Kinderbüro, eine Seniorenberatungstelle oder
ein Gleichstellungsbüro gelten. Wir sind sicher, dass der
Gegenvorschlag mit der Zusage einer 50 % Stelle im Amt
für Sport und Jugend der richtige Weg ist. Wir bitten Sie
deshalb, die Initiative abzulehnen und dem Gegenvorschlag
zuzustimmen.
Es gibt noch andere Möglichkeiten, der Jugend unsere Wertschätzung auszudrücken. Wir könnten ihnen unsere Küchen
zur Verfügung stellen, damit sie Spaghettis kochen können,
wenn sie zusammensitzen, um wichtige Geschäfte ihrer
Jugendorganisation zu beraten. Wir können ihnen unsere
Büros und Computeranlagen für ihre Vorbereitungen zur
Verfügung stellen. Das machten meine Eltern auch schon,
als ich noch jung war. Wir können ihnen unsere Autos zur
Verfügung stellen, damit sie in die Lager fahren können
usw. Das bringt den Jugendlichen vermutlich mehr, als eine
50 % Stelle für Jugendkoordination in der Verfassung!
Vorsitzender: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen
mehr zum Eintreten vor. Eintreten ist damit stillschweigend
beschlossen.
Detailberatung
Corina Stefan, Umiken, Präsidentin der nichtständigen
Kommission Nr. 14: Es wurden keine neuen Anträge mehr
1745
Art. 1138
gestellt. Zum Antrag der Botschaft des Regierungsrates: Der
Antrag der Regierung wurde einstimmig so beschlossen bei
fünf Absenzen.
Kantonsverfassung; Änderung
Titel und Ingress, I., § 38bis, II.
Zustimmung
Vorsitzender: Es liegen keine Wortmeldungen vor.
Schlussabstimmung:
Der Gegenvorschlag des Regierungsrates wird vom Rat mit
120 Stimmen ohne Gegenstimme gutgeheissen.
Vorsitzender: Das Geschäft geht damit zuerst an die Redaktionskommission, bevor es zusammen mit der Initiative vor
das Volk kommt. Ich danke der Kommission und ihrer
Präsidentin für die geleistete Arbeit.
1138 Aargauische Volksinitiative "Qualität statt Quantität (Für kleinere Klassengrössen, mehr Freifächer,
Schulsport und Mitbestimmung)"; Beginn der Beratung
(Vorlage vom 16. Dezember 1998 des Regierungsrates)
Dr. Daniel Heller, Aarau, Präsident der Kommission für
Erziehung, Bildung und Kultur: Die EBK hat sich am
23. Februar 1999 an zwei Sitzungen mit der Aargauischen
Volksinitiative "Qualität statt Quantität" befasst. Ich fasse
das Wichtigste zusammen:
Im Grundsatz teilt die Kommission die hauptsächlichsten
Anliegen des Initiativkomitees, soweit sie Erhalt und Ausbau der Qualität der aargauischen Schule im Auge haben.
Mit den von der Initiative vorgeschlagenen Wegen und
Lösungen konnte sie sich jedoch mehrheitlich nicht anfreunden, sondern folgt den Überlegungen und Lösungsansätzen, welche die regierungsrätliche Botschaft aufzeigt.
Die Kommission verzichtet nach einlässlicher Diskussion
darauf, Ihnen die Ausarbeitung eines oder mehrerer Gegenvorschläge zu beantragen. Die vom Regierungsrat in seiner
Botschaft aufgezeigten Lösungswege für einzelne Probleme
sind realistischer, zielkonformer und differenzierter als die
Forderungen der Initiative. Die Ausarbeitung von Gegenvorschlägen auf Verfassungs- oder Gesetzesstufe würde
zudem viel zu viel Zeit beanspruchen, um schnelle und
zielkonforme Lösungen zu realisieren. Das hat die Kommission durch das Departement im Rahmen eines Zeitvergleiches detailliert abklären lassen. Die vom Regierungsrat
unterbreitete Botschaft geht ausführlich auf die Anliegen der
Initiative ein und bietet nach Auffassung der Kommissionsmehrheit gute Entscheidgrundlagen. Sie zeigt effiziente und
politisch und finanziell machbare Lösungsansätze auf. In
den Kommissionssitzungen wurden für einzelne Bereiche,
welche die Initiative anzieht - vor allem die Klassengrössenproblematik - vom Erziehungsdirektor mögliche Lösungsansätze konkretisiert.
Diese mehr als ausreichenden materiellen Grundlagen für
die Entscheidfindung bewogen die Kommissionsmehrheit
auch dazu, auf eine Anhörung der Initianten zu verzichten.
Art. 1138
16. März 1999
Ein entsprechender Antrag wurde mit 6 zu 4 Stimmen abgelehnt. Die Kommissionsmehrheit war der Auffassung, dass
eine Anhörung der Initianten zu keinen für die Entscheidfindung wesentlichen neuen Erkenntnissen geführt hätte. Eine
Kommissionsminderheit war der Ansicht, min-destens die
politische Kultur hätte diese Anhörung geboten. Nachdem
die Initianten in einem auch den Medien zugestellten
Schreiben am Vortag der Kommissionssitzung Gesprächsbereitschaft signalisiert hatten, übernahm es der Sprechende,
diese schriftlich vom Entscheid der Kommission ins Bild zu
setzen und den ablehnenden Beschluss auch zu begründen.
Der Erziehungsdirektor seinerseits hat die Haltung der Regierung und die Entscheide der Kommission zwischenzeitlich ebenfalls in einer Aussprache mit den Initianten
nocheinmal dargelegt.
diesem Problem einen Gegenvorschlag zu erarbeiten, wurde
nach einlässlicher Diskussion nicht mehr gestellt.
Eintreten war unbestritten. Die Kommssion Erziehung Bildung und Kultur wird Ihnen beantragen, den Anträgen des
Regierungsrates zu folgen.
Mitbestimmungrechte der Schülerschaft an Mittel- und
Berufsschulen: Eine Kommissionsminderheit wollte für
diesen Bereich einen Gegenvorschlag ins Auge fassen. Die
Kommissionsmehrheit folgte der Regierung. Folgende
Argumente waren dafür massgeblich: Mit MAR werden die
Wahlmöglichkeiten im Bereich der individuellen Fächerwahl stark erhöht; trotz ausreichenden rechtlichen Rahmenbedingungen mangelt es im Bereich der Mitbestimmung vor
allem am Engagement der Schülerschaft; zudem wird Forderung der Initiative nach Parität als unhaltbar beurteilt.
Die Kommission hat die vier von der Initiative zur Diskussion gestellten Problembereiche und Forderungen wie folgt
beurteilt:
Zur Frage der Klassengrössen: Alle Mitglieder der EBK
waren sich mehr oder weniger einig, dass es in diesem Bereich Probleme an einzelnen Schulen und Stufen gibt. Das
Problem der Klassengrössen und seine Auswirkungen werden allerdings unterschiedlich gravierend eingeschätzt. Die
Kommissionsmehrheit war mit dem Erziehungsdepartement
einig, dass akuter Handlungsbedarf momentan vor allem an
gewissen Realschulen besteht. Während die generellen
Durchschnittszahlen nicht alarmierend sind - vgl. Botschaft
Seite 7 -, bereiten die hohen Schülerzahlen an der Realschule Sorgen. Dies in Kombination mit anderen Problemen;
Stichworte dazu lauten: Integration von Ausländerkindern,
verbreitete Lernschwächen, Disziplinprobleme und dezentrale Strukturen des Kantons. Sie führen dazu, dass sich an
gewissen Abteilungen die Probleme kumulieren. Im Urteil
einer deutlichen Kommissionsmehrheit verlangt die Initiative mit einer generellen Absenkung der Schülerzahlen aber
eine nicht zielkonforme und vor allem nicht finanzierbare
Lösung. Die Forderung entspreche einer finanziell nicht
verkraftbaren Pauschallösung, welche dem Problem nicht
angemessen sei. Derartige massgeschneiderte Lösungen
zeigt das ED - u. a. mit an der Kommissionssitzung abgegeben Unterlagen - der EBK für die Realschulstufe auf. Ich
gehe davon aus, dass Ihnen der Erziehungsdirektor diese im
Einzelnen noch erläutern wird. Soviel nur stichwortartig:
Genügend Raum für Freifächer und Schulsport: Mit Blick
auf das auch interkantonal immer noch sehr komfortable
Angebot des Aargaus im Bereich Schulsport und im Wissen
um die tatsächlichen Fakten bei der Reduktion des Schulsportangebotes, die in der Zwischenzeit bekannt geworden
sind, folgte die Kommission nach kurzer Diskussion den
Argumenten des Regierungsrates. Pro Memoria: Viele Turnund Sport-Lehrer sind ausgestiegen, weil ihnen nach der
Neuregelung die Entschädigung für das Erteilen von Schulsportfreilektionen zu mickrig war. Für diese Forderung der
Initiative wurde in der EBK kein Antrag auf Gegenvorschlag gestellt.
Konstruktive Feedback-Kultur: Eine Kommissionsminderheit wollte auch für diesen Bereich einen Gegenvorschlag
ins Auge fassen. Die Kommissionsmehrheit folgte der Regierung, die darauf hinweist, dass es für die Einführung
einer solchen Feedback-Kultur keine weiteren Gesetzesgrundlagen braucht - § 36 Schulgesetz deckt die Forderung
ab. Im Rahmen der Erarbeitung von Schulhaus-Leitbildern,
in der Lehrer Fort- und Weiterbildung sowie im Projekt
SEGRA soll stufenweise und sukzessive das Anliegen aufgenommen und realisiert werden.
Die EBK stellt im Lichte ihrer detaillierten und ausführlichen Debatte über die Volksinitiative "Qualität statt Quantität" darum dem Grossen Rat folgende Anträge: Erstens: Auf
das Geschäft sei einzutreten. Zweitens: Der Grosse Rat
möge dem Antrag des Regierungsrates auf Feststellung der
formellen und materiellen Gültigkeit der Initiative "Qualität
statt Quantität" zustimmen. Drittens: Der Grosse Rat möge
dem Antrag des Regierungsrates auf Ablehnung der Initiative ohne Gegenvorschlag Folge leisten und dem Aargauer
Volk die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung
empfehlen.
- § 14, Abs. 2 des Schulgesetzes soll mehr zur Anwendung
kommen; er erlaubt Entlastungsstunden und kleinere Schülerzahlen in besonderen Situationen;
Den letzten Antrag stellt die EBK mit 10 zu 2 Stimmen bei 2
Enthaltungen.
- es soll weiter eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die für
die Realschule möglichst auf Schuljahr 2000/2001 umsetzbare Massnahmen aufzuzeigen hat;
Geri Müller, Baden: Die Grüne Fraktion stellt Ihnen den
Antrag, das Geschäft an die Kommission zurückzuweisen.
Begründung: Eine Bemerkung zum Erziehungsdirektor: Ich
versichere Ihnen, dass ich Sie um ihren Job nicht beneide!
Sie müssen sich mit den unterschiedlichsten Forderungen
der aargauischen Wähler und Wählerinnen auseinandersetzen und überdies werden Sie mit Forderungen verschiedenster Verbände konfrontiert. Gleichzeitig wollen Sie den wohl
grössten Umbau der Schule Aargau vorantreiben, wobei
ebenso gleichzeitig gespart werden soll, koste es was es
wolle! Sie haben jedoch stets betont, dass die Sparmassnahmen zu keinen qualitativen Verlusten führen würden.
- es besteht die Bereitschaft im Rahmen des Projektes
REGOS, das demnächst vom Regierungsrat behandelt wird,
neu die Zahl von 21 Lernenden pro Abteilung für die Realschule im Schulgesetz festzuschreiben.
Diese Massnahme kostet den Kanton rund 6 Millionen
Franken jährlich und wird - falls der Regierungsrat zustimmt
- zu gegebener Zeit durch diesen Rat gutzuheissen sein. Ein
Antrag, die EBK solle dem Grossen Rat beantragen, zu
Vorsitzender: Es liegt ein Rückweisungsantrag vor.
1746
16. März 1999
Wir sind Ihnen gefolgt und haben mitgemacht. Dieser Qualitätsverlust ist nun eingetreten und sogar Ihre Qualität, Herr
Erziehungsdirektor, fängt an, zu leiden. Sie haben die Führung Ihres Departementes spürbar verloren. Dies spürt man
deutlich im vorliegenden Geschäft. Vor der Kommissionssitzung haben wir mit verschiedenen Mitgliedern der EBK
darüber gesprochen, Initiantinnen und Initianten sowie
Vertreter und Vertreterinnen der Schülerorganisationen
einzuladen, um über ihre Erwartungen und Alternativen zur
Initiative zu diskutieren. Die meisten Kommissionsmitglieder waren damit einverstanden. An der Sitzung sagte der
Erziehungsdirektor, er hätte dies bereits getan und die Initianten seien nicht bereit, die Initiative zurückzuziehen. Dies
stimmte nicht, bewog aber viele, auf die Einladung der
Initianten und der Schülerinnen zu verzichten. Das ist nur
ein Teil aus einer ganzen Reihe von Unterlassungen, die aus
dem Erziehungsdepartement stammen. Ich zähle sie hier
chronologisch auf: An der eindrücklichen Demonstration der
Schülerorganisation des Kantons Aargau mit über 1'200
Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Dezember 1997
versprach der Erziehungsdirektor, dass er künftig die Schülerschaft über relevante Themen, die sie beträfe, informieren
würde. Das hat er seither tunlichst unterlassen. Weder zur
Initiative "Jugendförderung" noch zur Fünftagewoche an
kantonalen Schulen wurden Stellungnahmen oder Informationen eingefordert oder weitergegeben. Auch zu dieser
vorliegenden Initiative über Qualität statt Quantität fehlt
jede Bemühung in diese Richtung. Das ist jene Initiative, die
wirklich auf die wunden Punkte hinweist, die in unserem
Schulsystem heute noch bestehen. Die vorliegende Initiative
wurde im Dezember 1997 eingereicht. Trotz mehrmaliger
Nachfrage der Initianten beim Erziehungsdepartement wurde die gesetzliche Vorschrift der Behandlung nicht eingehalten. Am 9. Dezember verlangten die Initianten einen verbindlichen Zeitplan. Am 23. Dezember erhalten sie - zeitgleich mit der Kommission - die Botschaft zugestellt. Die
Botschaft wurde eilends und - entschuldigen Sie mich dilettantisch verfasst. Das Anliegen der Initianten wird zwar
anerkannt. Trotz vieler Argumente für die Initiative wird
diese achtungslos abgelehnt, wobei es dem Departement
nicht einmal in den Sinn kommt, einen Gegenvorschlag zu
bringen. Am 23. Februar findet dann die besagte Kommissionssitzung statt. Nachdem der Erziehungsdirektor vorgibt,
mit den Initianten gesprochen zu haben, lehnt die Kommission ein Gespräch mit den Initianten und Schülern darüber
ab. Dafür zaubert er einen unverbindlichen Zeitplan, "Tischpapier" genannt, - ein neuer Ausdruck in unserem Vokabular
- hervor, wie die Realschulen entlastet werden sollen. Zu
den anderen Themen fällt ihm nichts mehr ein. So geht das
nicht! So kann man engagierte Menschen, die erste Kontakte
mit der Politik haben, nicht behandeln! Sie haben vor der
Sitzung von Schülerinnen eine Resolution in die Hände
bekommen. Diese Resolution gibt einen Eindruck von der
Enttäuschung und Wut über die Ignoranz des Erziehungsdepartementes. In diesem Papier, falls es schon verschwunden
ist, fordern die Schülerinnen, dass der Regierungsrat seine
Versprechen einhält und sie in Zukunft über die Belange der
kantonalen Schulen frühzeitig und direkt informiert werden,
dass ihnen der Regierungsrat ein Recht zu einer Stellungnahme und Anhörung betreffend der Initiative gibt, dass sie
bei einem allfälligen Gegenvorschlag ein Mitspracherecht
erhalten und - sollte sich der Regierungsrat mit diesen Forderungen überfordert fühlen, so sei es besser, ihnen mitzuteilen, dass er an ihrer Meinung nicht interessiert sei. Das ist
1747
Art. 1138
sehr viel Wut! Sie haben die Möglichkeit, dem eine Wendung zu geben. Ich bitte Sie, das Geschäft zurückzuweisen,
damit sich die Kommission noch einmal mit dem berechtigten Anliegen auseinandersetzen kann.
Vorsitzender: Zuerst führen wir ausschliesslich eine Debatte
zur Frage der Rückweisung.
Eva Kuhn, Full: Die SP-Mitglieder der EBK haben an der
Kommission vom 23. Februar für Eintreten auf die Vorlage
der Regierung bezüglich der Initiative "Qualität statt Quantität" gestimmt. Allerdings waren wir schon damals überrascht und misstrauisch ob der Eile, die geboten zu sein
schien. Eigentlich war die Sitzung vom 23. Februar längst
schon für eine vertiefte Behandlung der WOV-Projekte
vorgesehen. Wir liessen uns also auf eine Diskussion über
die Initiative ein, in der Hoffnung, während der Sitzung
noch einiges bewirken zu können. Diese Hoffnung erwies
sich als trügerisch, und wir stellen fest: Was damals stimmte, stimmt heute nicht mehr! Dafür wissen wir mehr und das,
was wir mehr wissen, stimmt uns äusserst bedenklich. Erlauben Sie mir einen kurzen, chronologischen Abriss und
eine Darstellung des Wissensstandes zum Zeitpunkt der
Kommissionssitzung und danach: Vom 27. Januar datierte
die Einladung zur Kommissionssitzung der EBK mit dem
überraschenden Traktandum "Initiative Qualität statt Quantität". Für die meisten Kommissionsmitglieder kam diese
Einladung mitten in den Skiferien. Eine Einladung des
Initiativkomitees war nicht traktandiert. Bei einer Nachfrage, wie weit die Initianten orientiert seien, mussten wir
feststellen, dass bis dahin kein Gespräch mit dem Erziehungsdirektor stattgefunden hatte und sie keine Möglichkeit
zur Reaktion auf die regierungsrätliche Botschaft hatten. Die
Schülerorganisationen waren zu diesem Zeitpunkt nicht im
Besitz der Botschaft. Uns als Vertretung der SP-Fraktion fiel
auf und war unverständlich, dass das Initiativkomitee weder
begrüsst worden war, noch eine Einladung zu einem Hearing in der Kommission vorgesehen war. In Gesprächen vor
der EBK-Sitzung signalisierten verschiedene Mitglieder
verschiedener Parteien durchaus Bereitschaft, einen Antrag
auf eine Einladung zu einem Hearing zu unterstützen. So
wurde von Geri Müller anfangs der Sitzung der Antrag
gestellt, die Beschlussfassung solange zurückzustellen, bis
eine Delegation des Initiativkomitees ihre Meinung dazu
würde äussern können. Herr Regierungsrat Wertli konterte
daraufhin, dass dieses Treffen im Rahmen einer Aussprache
zum Thema "Lehre statt Leere" bereits stattgefunden hätte
und die Initianten sowieso an der Initiative festhalten würden. Die Kommission beschloss daraufhin, zunächst zu
diskutieren und den Entscheid über die Einladung zurückzustellen. Unter dem Eindruck der vorhergehenden Äusserung
der Regierungsrates und der nochmaligen Bekräftigung am
Ende der Diskussion entschied die Kommission mit dem
knappen und zufälligen Ergebnis von 6 zu 4 Stimmen, das
Initiativkomitee nicht einzuladen. Was wir heute wissen und
was alle wissen müssen ist, dass der Regierungsrat Peter
Wertli gar nicht wissen konnte, was das Initiativkomitee
über Aufrechterhaltung oder Rückzug der Initiative denkt.
Das vermeintliche Gespräch zwischen Ihm und dem Initiativkomitee hatte nie stattgefunden, auch nicht im Rahmen
des Gesprächs "Lehre statt Leere". Ich zitiere aus einem
Brief der JUSOS: "Die JUSO-Mitglieder, die an der Besprechung der Lehrstelleninitiative mit Herrn Wertli dabei waren, versichern Ihnen jedoch, dass die Initiative "Qualität
statt Quantität" kein Gesprächsthema dieser Sitzung war."
Art. 1138
Offenbar waren Gespräch wie Resultat eine Wunschvorstellung des Herrn Regierungsrates, um die Initiative so
schnellstmöglich abtischen zu können! Der Regierungsrat
hat mit seinem Verhalten damit das Abstimmungsverhalten
der Kommission derart einseitig und massiv beieinflusst,
dass wir dies nicht akzeptieren können.
Zur Kommissionsberatung: Diese begann in einer Atmosphäre des Wohlwollens und vor allem Verständnisses für die
Anliegen der jungen Initianten. Für engagierte junge Leute
hatte man viel Sympathie. Vor allem bezüglich der Klassengrösse müsste man hier eigentlich einige sehr markige Äusserungen zitieren, die eines nachhaltigen Handelns wirklich
würdig sind. Dem Initiativkomitee diese Wertschätzung und
Achtung auch zu zeigen, wäre am Anfang der Sitzung
durchaus möglich gewesen. Dies im Sinne von: Hier sind
junge, initiative, engagierte Leute; wir nehmen ihr Problem
ernst; wir wollen sie persönlich kennenlernen. Wie so etwas
ablaufen kann, wurde kürzlich bei der Beratung anderer
Initiativen bewiesen. In der EBK wurden im Rahmen der
MAR-Beratung sogar Mitglieder eines möglichen Initiativkomitees, des MAREAL's eingeladen. Zu den Initiativen
Besteuerung der Vereine und zur Hauseigentümerinitiative
wurden die Vertretungen der Initiativkomitees eingeladen
und angehört. Ich wiederhole: Mit seiner Äusserung, die
Initianten wollten die Initiative aufrechterhalten, wurde die
Kommission vom Regierungsrat getäuscht und das Abstimmungsergebnis verfälscht.
Wo stehen wir jetzt? Herr Regierungsrat: Sie haben uns
ganz klar nicht die Wahrheit gesagt. Ihr Argument, die
Initianten wollten die Initiative sowieso aufrechterhalten,
war Ihre eigene Erfindung! Es fanden auch keine Gespräche
über mögliche Kompromisse statt, die vielleicht einen
Rückzug der Initiative zur Folge gehabt hätten. Das Gespräch schliesslich, vier Tage vor der Verhandlung im Grossen Rat und nach Abschluss der Verhandlungen in der
Kommission, das Sie dann endlich durchführten, hilft nicht
weiter. So steht es auch im Brief der JUSOS. Man kann
nichts anderes sagen als: Dieses Gespräch war eine reine
Alibiübung. Ausser Spesen nichts gewesen! Wir müssen
daraus folgern, dass es Ihnen nicht wirklich ernst ist mit dem
Handlungsbedarf in diesen wichtigen Bereichen der Klassengrössen, Mitbestimmung und Feedback-Kultur. Dann
nämlich hätten Sie auch die Initianten ernst genommen.
Einen Kompromissvorschlag im Sinne eines Gegenvorschlags zu finden, war nicht das Ziel, das Sie verfolgten.
Denn auch dann hätten Sie einer Einladung des Initiativkomitees in die Kommission zustimmen müssen. Sie haben
hoffentlich auch den einen entscheidenden Satz im Brief der
JUSOS gelesen, der an alle Fraktionspräsidien gerichtet ist:
"Deshalb sind wir heute, nach reiflicher Überlegung bereit,
die Initiative zurückzuziehen, wenn der Grosse Rat einem
Gegenvorschlag zustimmt, welcher die kostenneutralen
Massnahmen - Mitbestimmung und Feedback-Kultur aufnimmt."
Herr Regierungsrat, Sie haben eine grosse, entscheidende
Chance verpasst und sich sehr viel Vertrauen von jungen
Menschen verspielt. Die fehlende Gesprächskultur müssen
wir als Affront gegen die Kommission werten, als Affront
auch gegen das Initiativkomitee, aber auch als einen gegen
junge und engagierte Bürgerinnen und Bürger. Diese Geschichte, die ich Ihnen hier erzählen musste, bringt uns dazu,
den Rückweisungsantrag der Grünen zu unterstützen, damit
wir diese Hearings nachholen können.
16. März 1999
Thomas Leitch, Hermetschwil: Lassen Sie mich erklären,
was auch inhaltlich für eine Rückweisung der Vorlage an
den Regierungsrat spricht. Im Grundsatz teilt die Kommission die Anliegen des Initiativkomitees betreffend Verbesserung der Qualität der Schule. Für die Mitbestimmung und
eine Feedback-Kultur erachtet sie die gesetzlichen Grundlagen als genügend, um diesen beiden Anliegen Rechnung zu
tragen. Eine Mehrheit der Kommission wollte deshalb keinen Gegenvorschlag auf Verfassungs- und Gesetzesstufe. In
der Botschaft des Regierungsrates werden die bereits vorhandenen Bestimmungen auf Dekrets- und Verordnungsebene zitiert. Ich habe mir die Mühe genommen, sämtliche
in der Botschaft des Regierungsrates erwähnten Bestimmungen aus den Dekreten und Verordnungen herauszuschreiben. Dieses Blatt, das Sie auf Ihren Plätzen finden,
stammt nicht etwa vom ED, sondern ist das, was ich herausgesucht habe, um transparent zu machen, inwiefern sich
diese Verordnungsbestimmungen auf die Erfüllung der in
der Initiative in Punkt 3 und 4 gestellten Forderungen auswirken können oder eben nicht. Ich habe Ihnen die Kopie
verteilt. Sie können dort erkennen, dass auf Dekretsstufe die
Mitsprache der Schülerinnen und Schüler im Dekret über die
Organisation der Mittelschulen und im Berufsbildungsdekret
Erwähnung findet. Wenn Sie die vom Regierungsrat festgelegten Bestimmungen in der Mittelschulverordnung, der
Verordnung über die Maturitätsschule für Erwachsene und
in der Verordnung über die Volksschule betrachten, so
sehen Sie, dass die Art der Mitbestimmung, wie sie Punkt 3
der Initiative fordert, den einzelnen Schulen bzw. deren
Statuten überlassen wird. Deshalb haben wir heute auch eine
so unterschiedliche Umsetzung der Mitbestimmungsrechte.
Die Bestimmungen in der Verordnung über die Maturitätschule für Erwachsene, wonach die Vertretung der Studierenden an der Lehrerkonferenz mit Stimmrecht teilnehmen
kann, erfüllt die Initiativforderung Punkt 3 am ehesten. Auf
dieser Basis könnten die Verordnungen der Mittel- und
Berufsschulen leicht angepasst werden und ein wesentliches
Anliegen des Initiativkomitees wäre erfüllt. In seiner Botschaft erklärt der Regierungsrat ja dann auch immer im
Fazit, es seien auf der Grundlage der bestehenden Gesetzgebung Massnahmen zu ergreifen, damit die Mitbestimmung
besser genützt werde und es sollen Massnahmen ergriffen
werden, um konkrete Möglichkeiten des Schülerinnen- und
Schülerfeedbacks bei den Lehrpersonen bekannt zu machen.
Für eine Einführung der Feedback-Kultur sind allerdings
weder auf Dekrets- noch auf Verordnungsstufe irgendwelche Richtlinien vorhanden. Das in der Verordnung über die
Volksschule erwähnte Recht, von seinen Lehrkräften angehört zu werden, impliziert noch keineswegs die unter Punkt
4 der Initiative geforderte Einführung einer konstruktiven
Feedback-Kultur. Es besteht also Handlungsbedarf und dazu
braucht es konkrete Richtlinien und manchmal halt auch
etwas Druck, damit sich etwas bewegt.
Ich zitiere Regierungsrat Wertli aus dem Sitzungsprotokoll
der Kommissionssitzung vom 23. Februar: "In der Volksund Mittelschulverordnung könnten, falls erwünscht, zusätzliche Formulierungen zur Verstärkung dieses Anliegens
(gemeint ist die Feedback-Kultur) aufgenommen werden."
An einer anderen Stelle spricht er davon, dass sich das Departement überlegen muss, ob eventuell eine Verordnung
gemacht werden soll, um diesem Anliegen Nachdruck zu
verleihen. Hier ist doch genau der springende Punkt! Das
Departement hätte dem Initiativkomitee konkret aufzeigen
können, und es könnte dies immer noch tun, wenn wir das
1748
16. März 1999
Geschäft zurückweisen, in welchem Dekret bzw. in welcher
Verordnung welche Ergänzungen nötig und möglich wären,
um ihrem Anliegen entgegenzukommen. Stattdessen hat
man darauf verzichtet, mit den jungen Leuten zu diskutieren! Ich kann das einfach nicht verstehen. Ist es da ein Wunder, wenn die Jungen enttäuscht und entmutigt sind?
Trotzdem bieten sie Hand, und wir waren noch nie so nahe
an einem Kompromiss, denn die Initianten haben im Brief
an die Fraktionspräsidien geschrieben, dass sie bereit sind,
die Initiative zurückzuziehen, wenn das Parlament heute
einen Gegenvorschlag befürwortet, der die konstenneutralen
Anliegen aufnimmt. Wenn Sie heute die Rückweisung des
Geschäftes befürworten, ermöglichen Sie dadurch einen
indirekten Gegenvorschlag, dass die Regierung einen besseren Vorschlag mit Händen und Füssen bringen muss, der
auch zeigt, welchen Weg die Regierung gehen will. Ich
glaube, die Regierung hat es sich in diesem Geschäft etwas
zu leicht gemacht. Ich bitte Sie, die Rückweisung zu unterstützen!
Dr. Daniel Heller, Aarau, Präsident der Kommission für
Erziehung, Bildung und Kultur: Ich bitte Sie, auf die Rückweisung zu verzichten. Es wurden hier keinerlei neue Erkenntnisse eingebracht, die wir nicht in der Kommission
schon diskutiert hätten und die dann mit Mehrheitsentscheiden so und nicht anders entschieden wurden. Eine Rückweisung wird die Lösung verschiedener Probleme verzögern.
Wir haben das detailliert abgeklärt. Wenn wir Gegenvorschläge auf Verfassungs- oder Gesetzesstufe machen müssen, dauert das, bis die Verordnungen inkraft treten, mit
1. und 2. Lesung und Volksabstimmung bis ins Jahr
2002/2003. Die Sofortmassnahmen des Regierungsrats aber
können bereits ab dem Jahr 2000 greifen. Zudem: Die Initiative als solches kann aus Sicht der Kommission nicht
angenommen werden, weil wir uns die Initiative mit ihren
Massnahmen nicht leisten können und auch nicht leisten
wollen. Dies gilt vor allem im Bereich der Klassengrössen.
Ich muss mich auch gegen gewisse Ausführungen von
Kommissionmitgliedern verwahren: Ich habe am 21. Dezember 1998 der Kommission eine Voranzeige geschickt,
dass wir am 23. Februar 1999 eine ganztägige Sitzung abhalten werden. Ich habe dann am 27. Januar die Einladung
verschickt. Das Geschäft war zu jenem Zeitpunkt dem Rat
zugestellt. Es hätte einen Monat Zeit bestanden, mit mir
Kontakt aufzunehmen, um allenfalls Hearings zu verlangen.
Das ist nicht passiert. Am Tag vor der Kommissionssitzung
haben wir dann einen Brief erhalten und die Kommission
hat mit Mehrheitsbeschluss begründet gesagt, dass der Erkenntnisgewinn im Falle eines Hearings gering wäre, so
dass wir darauf verzichten können. Wer was gesagt hat und
was nicht, können Sie in den Protokollen nachlesen. Der
Vergleich mit dem MAREAL hinkt insofern, als dort dank
dem Hearing eine Initiative verhindert werden konnte. Wenn
man nun sagt, es sei Zeit für Kompromisse, dann ist die
EBK eben auch der Meinung, dass es Zeit dafür ist. Lesen
Sie die Botschaft und Sie sehen dort Lösungswege, im Sinne
von Kompromissen die realistisch sind und schnell greifen!
Katharina Kerr Rüesch, Aarau: Ich bin als Fraktionspräsidentin eine von jenen, die Zugriff auf die Protokolle der
Kommission hat. Ich habe diese genau gelesen und muss
sagen, dass Herr Dr. Daniel Heller im Moment nicht die
ganze Wahrheit gesagt hat. Was stimmt nicht? Es stimmt
nicht, dass die Kommission zum Zeitpunkt ihrer Diskussio1749
Art. 1138
nen Kenntnis davon hatte, dass die Initiantinnen und Initianten nicht nur gesprächsbereit sind, sondern auch bereit wären, ihre Initiative zurückzuziehen, falls ein entsprechender
Gegenvorschlag vorläge. Es stimmt, dass Mitglieder in der
Kommission das verlangt haben und unterlagen. Aber: zum
Zeitpunkt der Diskussionen war in der Kommission nicht
alles bekannt, und vor allem hat Herr Wertli die Unwahrheit
gesagt. Das ist in den Protokollen belegt.
Es geht nun um das Vertrauen, das die Jugend in die Politik
haben soll und haben können sollte. Dieser Entscheid, den
Sie nun treffen können, wird dieses Vertrauen nachhaltig
beeinflussen. Dazu muss ich Ihnen nichts Weiteres sagen.
Wir sind genügend viele Eltern hier in diesem Rat, und
überhaupt waren wir alle auch einmal jung. Ich bitte Sie,
sich Ihrer Verantwortung bewusst zu sein, die Sie tragen,
wenn Sie diesen Rückweisungsantrag nicht unterstützen. Sie
werden das Vertrauen der Jugend nachhaltig schädigen.
Geri Müller, Baden: Ein ganz wichtiges Argument hat
Daniel Heller vorhin gesagt: Sollte das Geschäft nun zurückgewiesen werden, werde alles verzögert. Das stimmt in
diesem Sinne nicht. Es kommt nur darauf an, wie ehrlich die
Abteilung Volksschule und das Erziehungsdepartement ihr
sogenanntes Tischpapier gemeint haben. Dieses Papier hat
mehr mit der stündigen Debatte über die Interpellation von
Thomas Leitch zu tun, wo es um die Realschule und die
Zustände an der Realschule ging. Wenn man das umsetzen
will, wo alle massgeblichen Parteien hier vorne standen und
Thomas Leitch in seinem Begehren unterstützten, hat das
mit der Initiative nur bedingt etwas zu tun, dass sie dort
etwas vorwegnehmen würde. Bezüglich der anderen Forderungen spielt es keine Rolle, ob diese ein halbes Jahr früher
oder später kommen. Denn sie müssen so oder so umgesetzt
werden. Thomas Leitch hat auch dort aufgezeigt, dass Handlungsbedarf besteht. Wenn das so gemacht wird, wie es in
der Botschaft steht, wird es auf die lange Bank geschoben,
die Initiative abgelehnt und das Thema ist damit weg vom
Tisch. Das ist also nicht die Idee.
Zum Argument MAREAL: Das stimmt natürlich nicht, dass
die Kommission die MAREAL-Leute umstimmen konnte.
Die haben weiter Unterschriften gesammelt, bis keiner mehr
unterschrieben hatte und die Initiative deshalb abgebrochen
wurde. Schauen wir das also klar an. Wir haben auch gesehen, dass man mit den Initianten des MAREAL nicht wirklich diskutieren konnte.
Vorsitzender: Es liegt keine Wortmeldung mehr aus dem
Rat vor.
Regierungsrat Peter Wertli: Ich musste mir nun einiges
anhören, werde aber ohne Emotionen dazu Stellung beziehen. Einiges war wahr, einiges war falsch und einiges war
halb wahr. Zum ersten: Ich behaupte, dass ich wohl einer der
Letzten bin, dem vorgeworfen werde, er suche den Kontakt
mit Jugendlichen nicht und nehme sie nicht ernst. Das ist
nicht wahr. Ich habe viele und vielfältige Kontakte mit
jungen Menschen, habe zwei Söhne, die jung sind, bin noch
nie einem Gespräch mit Jugendlichen ausgewichen oder
habe die Zeit für sie nicht gefunden. Wer das Gegenteil
behauptet, der spricht die Unwahrheit. Zur Anhörung der
Initianten: Wie lief das ab? Am 9. Dezember 1998 habe ich
auf eigene Initiative hin die Initianten der Initiative "Lehre
statt Leere" - die übrigens die gleichen sind, wie die Initianten von "Qualität statt Quantität" - zu mir eingeladen, um
mit Ihnen ein Gespräch über diese Initiative zu führen. Das
Art. 1138
16. März 1999
beweist doch in aller Klarheit, dass ich gewillt bin, das
Gespräch aufzunehmen, Argumente auszutauschen. Ich bin
durchaus auch lernfähig, wenn gute Argumente aufgetischt
werden. Wir haben über diese Initiative "Lehre statt Leere"
gesprochen und ich habe den Initiatinen aufgezeigt, was in
diesem Bereich momentan vom Departement gemacht wird:
über die grosse Initiative für mehr Lehrstellen, über die
Umsetzung des Lehrstellenbeschlusses, über das Projekt
Brückenangebot und anderes mehr. Am Schluss dieses
Gesprächs habe ich sondiert, ob die Initianten allenfalls aufgrund dieser Darlegungen - bereit wären, die Initiative
zurückzuziehen. Ich habe persönlich den bestimmten Eindruck erhalten, dem sei nicht so. Ich spreche nun über die
Initiative "Lehre statt Leere". Am Schluss sind wir auf diese
Initiative "Qualität statt Quantität" zu sprechen gekommen,
indem mich Herr Fischer der Delegation fragte, was der
Stand dieser Initiative sei. Ich wollte wissen, ob die Möglichkeit besteht, diese Initiative allenfalls zurückzuziehen.
Da gehen nun die Aussagen auseinander. Ich habe in meiner
Erinnerung, dass deutlich signalisiert wurde, die Initiative
werde nicht zurückgezogen. Die Initianten sind der Überzeugung, sie hätten das nicht so gesagt. Wie dem auch sei:
Aus meiner Beurteilung des Gesprächs über die Initiative
"Lehre statt Leere", wo ich den Initianten ja wirklich aufgezeigt habe, welche Massnahmen ergriffen worden sind und
weiter ergriffen werden, habe ich den bestimmten Eindruck
erhalten, sie seien nicht gewillt, weder die eine noch die
andere Initiative zurückzuziehen. Das ist der wirkliche
Sachverhalt und ich bitte Sie, das so zur Kenntnis zu nehmen und so zu respektieren.
Für den Entscheid der Kommission, die Initianten nicht
anzuhören, war meine Bemerkung überhaupt nicht relevant.
Sie können im Protokoll nachlesen, dass die Kommissionsmitglieder erklärt haben, die Initiative sei ebenso klar wie
die Stellungnahme der Regierung dazu. Eine Anhörung der
Initianten brächte keine neue Erkenntnis. Von daher besteht
aus Sicht der Mehrheit der Kommission kein Bedürfnis, mit
dem Initiativkomitee zusammenzutreffen. Das ist dem Protokoll zu entnehmen, mit Votanten wie Doris Fischer und
anderen. Keineswegs also war meine Bemerkung, ich sei mit
den Initianten bereits zusammengewesen, was ja im Zusammenhang mit der Initiative "Lehre statt Leere" zutrifft,
und dort am Schluss das Gespräch noch über die Initiative
"Qualität statt Quantität", Stand der Dinge, Rückzug der
Initiative.
Zu einzelnen Votanten: Zu Herrn Geri Müller: Er hat die
Botschaft als "dilettantisch" bezeichnet. Ich weiss nicht, ob
Sie diese Beurteilung teilen. In der Kommission jedenfalls
wurde ausgeführt, dass sich diese Botschaft sehr einlässlich
mit der Thematik beschäftige und dass sie sehr einlässlich
die Beurteilung und Stellungnahme der Regierung aufzeige.
Er hat vom Einbezug der jungen Leute in den Schulen gesprochen. Ich bin gewillt, das zu tun. Wir brauchen dazu
aber einerseits Organisationen, die wir ansprechen können
und zudem gehen wir über die Schulen. Ich predige nicht
vergebens mehr Autonomie der Schulen vor Ort und mehr
Gestaltungsfreiraum, um dann die Schulen wieder zu umgehen.
Zu Frau Kuhn: Der Regierungsrat habe keine Zeit für Gespräche gefunden. Das stimmt schlicht und einfach nicht.
Das ist ein Unwahrheit. Ich bin jederzeit bereit, mit jungen
Leuten zusammenzukommen. Mein Zusammentreffen mit
der Delegation des Initiativkomitees "Lehre statt Leere"
bezeugt das ja auch.
Das waren einige wichtige Klarstellungen, weil hier der für
mich doch ungeheuerliche Vorwurf in den Raum gestellt
wurde, ich hätte die Kommission belogen. Ich bitte bei
Gelegenheit, jene, die das so geäussert haben, bei mir vorbeizukommen!
Eva Kuhn, Full: Bei dem Gespräch über die Initiative "Lehre statt Leere" waren andere Personen anwesend. Von diesen
weiss ich, dass inhaltlich nicht über die Initiative "Qualität
statt Quantität" gesprochen wurde, geschweige denn über
Aufrechterhaltung oder Rückweisung. Ich kann es verstehen, dass man nicht immer alles im Kopf behalten muss.
Das ist vor allem für einen Regierungsrat sehr schwierig. Ich
denke, man könnte ja auch einmal zugeben, dass man etwas
vergessen hat.
Abstimmung:
Der Rückweisungsantrag wird von einer offenkundigen
Mehrheit, bei 50 befürwortenden Stimmen, abgelehnt.
Vorsitzender: Ich schliesse hier die Sitzung und wünsche
allen einen guten Appetit!
(Schluss der Sitzung: 12.30 Uhr)
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