1 - Aarau, 30. Mai 2001 01.99 Postulat Paul Fischer, Dottikon, vom

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REGIERUNGSRAT DES KANTONS AARGAU
Aarau, 30. Mai 2001
01.99
Postulat Paul Fischer, Dottikon, vom 20. März 2001 betreffend Einführung eines
kombinierten Listen-/Kandidatenstimmensystems bei Grossratswahlen; Ablehnung
I.
Text und Begründung des Postulates wurden den Mitgliedern des Grossen Rates unmittelbar nach der Einreichung zugestellt.
II.
Der Regierungsrat lehnt das Postulat mit folgender Begründung ab:
1.
Ausgangslage
Nach geltendem Recht wird der Grosse Rat nach dem sogenannten Listenstimmensystem gewählt. Das heisst, der Wahlzettel wird als Parteistimme derjenigen Liste angerechnet, deren Bezeichnung und/oder Ordnungsnummer am Kopf des Wahlzettels gedruckt
oder geschrieben ist (vgl. § 1 des Grossratswahlgesetzes vom 8. März 1988). Bei diesem
System müssen sich die Stimmberechtigten bei der Stimmabgabe somit auf eine Partei
festlegen.
Am 15. März 2001 hat sich der Grosse Rat im Rahmen der Beratung des Gesamtberichts
zur Parlamentsreform deutlich für einen Wechsel zum Kandidatenstimmensystem ausgesprochen. Dabei gilt die sogenannte Einzelstimmenkonkurrenz. Das heisst, eine Partei
oder Liste bekommt so viele Stimmen, als Kandidatinnen und Kandidaten von ihr Stimmen erhalten haben. Die leeren Linien gelten als Zusatzstimmen für die Liste, deren Bezeichnung und Ordnungsnummer auf dem Wahlzettel angegeben ist. Gezählt werden
auch Stimmen, die eine kandidierende Person durch Panaschieren auf einer fremden
Liste erhält.
2.
Beurteilung des Postulates
Als wichtigstes Argument für den Wechsel des Wahlverfahrens ist im Rahmen der Beratung des Gesamtberichts zur Parlamentsreform angeführt worden, dass für alle Proporzwahlen (Nationalrat, Grosser Rat, Einwohnerrat) eine einheitliche Lösung angestrebt werden soll. Dies liege einerseits im Interesse der Stimmberechtigten, welche sich nicht von
Wahl zu Wahl mit einem anderen System vertraut machen müssen. Andererseits bringe
ein einheitliches System auch eine Entlastung für die elektronische Erfassung der Wahlen. Es müssten nicht zwei verschiedene Wahlprogramme unterhalten werden. Mit dem
hier vorgeschlagenen System lässt sich die angestrebte Vereinheitlichung der Wahlprozedere nicht verwirklichen, da im Bund nicht mit einer Änderung des Verfahrens bei den
Nationalratswahlen zu rechnen ist. Somit bleibt nur die Übernahme des Kandidatenstimmensystems auf Kantonsstufe.
-2-
Die mit den politischen Rechten im Allgemeinen gemachten Erfahrungen zeigen, dass
Wahl- und Abstimmungsverfahren möglichst einfach zu gestalten sind. Andernfalls steigt
die Fehlerquelle stark an, insbesondere bei Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, die
nicht regelmässig an Urnengängen teilnehmen. Das vorgeschlagene Verfahren ist - zumindest auf Anhieb - recht kompliziert. Es besteht die Gefahr der Überforderung der
Stimmberechtigten, da nicht allen ohne weiteres klar sein dürfte, dass ihre Stimmkraft, je
nachdem, ob eine Listenbezeichnung vorhanden ist oder nicht, auf die Art der Zählung
andere Folgen haben kann. An die Instruktion der Wählenden wären daher sehr hohe
Anforderungen zu stellen.
Nicht ganz zu überzeugen vermag das Argument, dass die Wahllisten bei den heutigen
Lösungen möglichst gefüllt werden müssen. Beim Listenstimmensystem spielen die leeren Linien bei der Sitzzuteilung an die Parteien und Gruppierungen keine Rolle. Unabhängig von der Anzahl Kandidierender zählt der Wahlzettel als eine gültige Stimme. Beim
Kandidatenstimmensystem werden die leeren Linien als Zusatzstimmen für die Partei
oder Gruppierung gezählt, deren Bezeichnung und Ordnungsnummer auf dem Wahlzettel
angegeben ist. Es stellt sich sogar die Frage, ob nicht eher das vorgeschlagene System
dazu führen könnte, dass die Listen vollständig ausgefüllt werden müssen. Die Parteien
und Gruppierungen wissen ja nicht im Voraus, wie die Stimmberechtigten ihr Wahlrecht
ausüben.
Unsere Nachbarkantone bestellen ihre Parlamente mehrheitlich nach dem Kandidatenstimmensystem. Vereinzelt kommt noch der Listenproporz zur Anwendung. Eine kombinierte Lösung dieser beiden Systeme ist - jedenfalls in den umliegenden Kantonen - nicht
vorgesehen.
Der Aufwand für die Erstellung einer Informatiklösung zur Abwicklung des vorgeschlagenen Wahlsystems ist nicht zum Voraus abzuschätzen. Klar ist hingegen, dass die Bereitstellung zusätzlicher personeller und finanzieller Ressourcen erforderlich wäre, während
beim Übergang auf den Kandidatenstimmenproporz das vorhandene, bewährte Informatikprogramm lediglich aufdatiert werden muss.
REGIERUNGSRAT AARGAU
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