Friedrich-Schiller-Universität Jena 01.02.2011 Institut für Politikwissenschaft WS 2010/11 Seminar: Einführung in die Vergleichende Politikwissenschaft Dozenten: Stefanie Rauner Referenten: Sebastian Barteczko, Matthias Bierwirth, Daniel Grosser, Robert Henze, Nils Mengel, Henriette Klein, Sascha Rexrodt, Franziska Sandt, Maik Wehlte, Lukas Will, Maria Wolf Technologie- und Industriepolitik Begriffsbestimmung: - Technologiepolitik: „Gesamtheit all jener staatlichen Maßnahmen, die die Förderung von neuen oder bekannten Technologien zur im weitesten Sinne ökonomischen Nutzung zur Folge haben können.“ - Technologien: „Alle menschlichen Handlungen, die auf handwerklichen Wissen und/oder operationalisierten Systemen und Prozessen materieller, energetischer und informationeller Natur aufbauen und zur Erzeugung und Manipulation natürlicher, künstlicher und sozialer Systeme und Prozesse eingesetzt werden zur Erfüllung durch von Menschen gesetzten Zielen.“(Kreibich 1986, S.130) - Konkretisierbar durch 2 verwandte Politikbereiche: - Innovationspolitik („setzt an einer späteren Phase des Produktlebenszyklus an und zielt auf die Umsetzung der Ergebnisse von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu marktfähigen Produkten, Verfahren und Dienstleistungen ab“ [Bräunling/ Harmsen 1975]) - Forschungspolitik („die gezielte staatliche Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Forschungstätigkeit und der Verwertung der Forschungsergebnisse“ [vgl. Eggner 1984]) Eng miteinander verflochten – Schnittmenge = Technologiepolitik - Industriepolitik: „Querschnittpolitik, die Instrumente zahlreicher Ressorts integriert und darauf abzielt, private Investitionen in eine gewünschte Richtung zu lenken.“ (Einem 1991) Maßnahmen - Eigene Forschungsaktivitäten des Staates Forschungsaufträge an Private Finanzhilfen/ Steuervergünstigungen für private Forschungstätigkeit Gesetzliche Regelung Akteure & Adressaten - Vielfalt der Akteure (Institutionen) <-> begrenzter Adressaten Kreis (Unternehmen der Wirtschaft/ staatl. FuE Einrichtungen/ Mischformen) Neben sektoraler auch räumliche Differenzierung (lokal, regional, supra-national, international) Im vergangenen Jahrzehnt verstärkt auf KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) konzentriert/ früher und in einigen Regionen immer noch Konzentration auf Großunternehmen Instrumente - - - Aufgaben: o Förderung von Innovationen o Schaffung und Erhaltung von Technikkultur o Beseitigung von Hemmnissen Förderprinzipien: (nach Bräunling/ Harmsen) o Globalförderung (Mittel ohne spezifische Selektion) o Programmförderung (FuE Vorhaben, die zur Erfüllung spezieller staatlicher aufgaben dienen) o Strukturförderung (Modernisierung der Volkswirtschaft) Formen: o Maßnahmen der Prozesspolitik (Entwicklung von Anreizen für betriebliche Innovationen) o Maßnahmen der Ordnungspolitik (Abbau von Innovationshemmnissen) o Schaffung institutioneller Voraussetzungen (staatliche Bildungsund Ausbildungswesen/ Bereitstellung von Risikokapital) - Gültige Systematisierung -> Input- und outputorientierte Instrumente Faktor Raum - Technologiepolitik ist nicht raumneutral fördert in erster Linie technologische Entwicklung in ihrem räumlichen Zuständigkeitsbereich Benutzt meist bereits vorhandene Potentiale/ reagierende Politik - Erhöhung räumlicher Disparitäten/ Förderung von „High- Tech Regionen“ - Nicht-intendierte Effekte -> Häufig regionale Nebenwirkungen - Innovationspolitik der Regionen selbst erhöht räumliche Disparitäten und fördert Wachstumsinseln Faktor Zeit - Staat wirkt auf wissenschaftlichen Forschungsproduktion erst mit Ablauf der Zeit zwischen dem initiativen Engagement und der darauf entfallenden Förderung ein Beitrag der staatlichen Politik: Transformation eines zunächst maginären wissenschaftlichen Problems in eine Schlüsseltechnologie & Fehlen der Relevanz industriellen Engagements und Interesses in der wissenschaftlichen Frühphase 2 bis 3 Dekaden vor der technologischindustriellen Anwendung - Mit Verlauf der Zeit entziehen sich die potentiellen Nutzungsbereiche, die Auswahl- und Diskriminierung alternativer Entwicklungen dem Gestaltungsspielraum der Politik - Staatliche Politik basiert auf den Umgang mit aktuellen Phänomenen von Entwicklungen, denen Prozesse langer Dauer zugrundeliegen - Politische Gestaltung sozio-ökonomischer Entwicklung unter der Bedingung langfristiger Trends und kurzfristiger Anforderungen kapitalistischer Ökonomie und Gesellschaft 4 Phasen der Innovationspolitik 1. Mitte der 1950er Jahre o Fokussierung auf Finanzierung Forschungseinrichtungen von Hochschulen und nicht-universitären o Förderung von „Big Science“ 2. Seit 1970er Jahre o Ergänzung durch anwendungsorientierte Programme o Kooperation in FuE zwischen öffentlicher und industrieller Finanzierung 3. Ebenfalls seit 1970er Jahren o Thematische Erweiterung auf Forschungsfelder wie Gesundheits-, Umwelt- oder sozioökonomischer Forschung 4. Seit Beginn der 1980er Jahre o Diffusion von neuen Technologien o Technologietransfer aus Forschungssystem in die Industrie durch Stärkung der Infrastruktur 3 Merkmale: o Schnittstellen zu anderen Politikbereichen o Neue öffentliche oder private Akteure o Herausbildung neuer Formen der Koordinierung (PPPProjekte) ---------------------------------------------------------------Deutschland Im Jahr 2009 investierte der Bund 277,4 Millionen Euro in Förderungen für erneuerbare Energien. Diese entspricht 0,1% des Bundeshaushaltes von 2009. Die Ausgaben schlüsseln sich wie folgt auf: - Bundesministerium für Umwelt: 129,7 Mio. Euro - Institutionelle Förderung : 57,7 Mio. Euro - Bundesministerium für Bildung und Forschung: 45,8 Mio. Euro - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: 25,5 Mio. Euro - Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: 18,7 Mio. Euro In Photovoltaik wurden 26,6 %, in Wind 23,8 %, in Geothermie 12,6 %, in Systemintegration 9,7 %, in Solarthermische Kraftwerke 7,3 %, in Niedertemperatur-Solarthermie 5,9 % und in Sonstiges 14,2 % des Gesamtaufwands für erneuerbare Energien investiert. Im Jahr 1990 produzierte Deutschland noch 950 Millionen Tonnen CO2. Bis zum Jahr 2007 konnte man diesen Wert auf 749 Mio. Tonnen senken. Ein Jahr später stieg er leicht auf 752 Mio. Tonnen. Die Ressourcen Deutschlands an fossilen Energieträgern schlüsseln sich wie folgt auf: - Steinkohle: Ressourcen weltweit: 4060 Milliarden Tonnen; Deutschland: 186 Milliarden Tonnen - Braunkohle: Ressourcen weltweit: 923 Milliarden Tonnen; Deutschland: 76 Milliarden Tonnen Erdöl: Ressourcen weltweit: konventionell (82 Mrd. Tonnen) unkonventionell (250 Mrd. Tonnen) Deutschland: 20 Milliarden Tonnen - Erdgas: Ressourcen weltweit: 207.000 Mrd. Kubikmeter; Deutschland: 200 Milliarden Kubikmeter Uran: weltweit circa 10 Millionen Tonnen Uran, Deutschland nicht nachweisbar, da verschiedene Angaben, vermutliche zwischen 7.000 und 130.000 Tonnen USA Investiert 18,6 Mrd. Dollar in erneuerbare Energien USA verbraucht insgesamt etwa 1587,8 Mio. Tonnen Rohöleinheiten USA emittiert 7068 Mio. Tonnen CO2 = 23,8% der weltweiten Emissionen Phänomen: Wir stellen fest, dass einige OECD Staaten trotz Klimawandels weniger Innovationsförderung hinsichtlich der Technologiepolitik im Bereich Erneuerbarer Energien betreiben, als auf Grund des Klimawandels zu erwarten wäre, und sich eher auf fossile Energieträger verlassen. Andererseits sind einige OECD Länder investitionsbereiter, was die Erforschung von Erneuerbaren Energietechnolgien (F.u.E) betrifft. Erkenntnisinteresse: Was sind die Ursachen für die unterschiedliche Technologiepolitik hinsichtlich der Energiepolitik, obwohl der der Klimawandel ein globales Phänomen ist? Fragestellung: Inwieweit hat die Ausstattung mit fossilen Energieträgern (Ressourcen) eines Staates entscheidend für die staatliche Subventions- und Technologiepolitik im Bereich altern. Energieträger. Relevanz: Die Energiepolitik ist eng mit dem Klimawandel verbunden. Dieser wiederum ist ein globales Problem und ist eine der entscheidenden Zukunftsfragen der Menschheit. So wird auch die Suche nach der besten Energiepolitik zu einer Aufgabe von entscheidender Bedeutung. Hypothese: Je weniger fossile Energieträger (Reserven) Investitionsbereitschaft in altern. Energieträger. ein Staat besitzt, desto hoher ist die Variablen: UV: Reserven an fossilen Energieträgern AV: Investitionsbereitschaft in altern. Energieträger Konzeptspezifikation: Erneuerbare Energien: Die sich durch natürliche Prozesse laufend erneuern und nach menschlichen Maßstäben unendlich sind. Alternative Energiequellen zeichnen sich demnach dadurch aus, dass die Geschwindigkeit ihres Verbrauchs nicht die Geschwindigkeit ihrer Erneuerung übersteigt. „Erneuerbare Energien sind Wasserkraft einschließlich der Wellen-, Gezeiten-, Salzgradienten- und Strömungsenergie, Windenergie, solare Strahlungsenergien, Geothermie, Energie aus Biomasse einschließlich Biogas, Deponiegas und Klärgas sowie aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Haushalten und Industrie.“ fossile Energieträger: Als nicht erneuerbare Energiequellen gelten alle fossilen Energieträger (kohlenstoffhaltig), wie Erdöl, Erdgas, Kohle, Uran, welche über Jahrmillionen aus Biomasse erzeugt wurden. Der Verbrauch dieser Energieträger übersteigt deren Regenerationsrate, woraus die Endlichkeit dieser resultiert. OECD: Organisation for Economic Co – operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Gegründet 1961, mit Sitz in Paris, welches heute 34 Länder umfasst. Ziele sind u.a.: Förderung nachhaltigen Wachstums, Steigerung des Lebensstandards, finanzielle Stabilität, Unterstützung der Entwicklungsländer etc. Reserven (Energieträger): „Mengen, die nach geologischen und ingenieurtechnischen Informationen aller Wahrscheinlichkeit nach aus den heute bekannten Vorkommen und unter den derzeitigen wirtschaftlichen und technischen Bedingungen künftig gefördert werden können.“ Ressourcen (Energieträger): „Ressourcen sind zum einen die nachgewiesenen, aber derzeit technisch und/oder wirtschaftlich nicht gewinnbaren Mengen an Energierohstoffen, zum anderen die nicht nachgewiesenen, aber geologisch möglichen, künftig gewinnbaren Mengen an Energierohstoffen.“ Ressourcenausstattung: Die in einem Land verfügbaren Reserven und Ressourcen an fossilen Energieträgern. Investitonsbereitschaft: Bereitschaft eines Staates finanzielle Mittel zu investieren, um Innovationen und Inventionen zu fördern, mit dem Ziel der im weitesten Sinne ökonomischen Nutzenmaximierung. Kontextvariablen: Kapitalausstattung/Wirtschaftskraft: BIP pro Kopf Geografischen Möglichkeiten zum Ausbau EE Abhängigkeit von Energieimporten Operationalisierung der Indikatoren: Unabhängige Variable: Ressourcen und Reserven fossiler Energieträger Abhängige Variable: gesetzliche Vorgaben Anteil der Ausgaben in F.u.E. im Bereich Erneuerbare Energien gemessen am BIP Länderauswahl: Deutschland: rel. geringe Mengen an fossilen Energieträgern, aber stetiger Ausbau und Investitionen in erneuerbare Energientechnologie. USA: große Mengen an fossilen Energieträgern und erst seit einigen Jahren einsetzender Ausbau erneuerbarer Energien. Kanada: Prüffall, da sowohl große Mengen fossiler Energieträger vorhanden sind, als auch verstärkt in erneuerbare Energientechnologie investiert wird. MSCD: Ähnliche Kontexte, aber die abhängige Variable (Investitionsbereitschaft) tritt einmal auf im Falle Deutschlands, eingeschränkt in den USA. Fall AV: Investitionsbereitschaft UV: fossile Ressourcen D + - + + + USA +/- + + + + CDA + + + + + Drittvariablen: Lobbyismus, Wirtschafts- und Geografische WirtschaftsMöglichkeiten kraft Regierugspolitik, Arbeitsplatzverlust, Importabhängigkeit politische Kultur, Supranationale Vorgaben. Fazit: Die Ausstattung an fossilen Energieträgern hat schon einen Einfluss auf den Ausbau Erneuerbarer Energien, kann aber nicht als einzige und entscheidende Ursache für die unterschiedliche Investitionsbereitschaft angesehen werden. Der Fall Kanada verdeutlicht, dass trotz guter Ressourcenausstattung verstärkt in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert wird. Ebenfalls haben die USA seit einigen Jahren damit begonnen in alternative Energien zu investieren, was besonders am verstärkten Ausbau der Windenergie deutlich wird. Es gibt vermutlich entscheidendere Variablen (siehe Drittvariablen), welche die Blockade bzw. den Ausbau erneuerbarer Energien erklären können. Literatur: Altrock, Martin, Oschmann, Volker, Theobald, Christian: EEG, Erneuerbare-Energien-Gesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2008, S. 1. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Erneuerbare Energien, Einstieg in die Zukunft, Berlin 2003, S. 3. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Entwicklung der Erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2009, Berlin 2010, S. 1 – 36. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erneuerbare Energien in Zahlen. Internet-Update ausgewählter Daten, Berlin 2010. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Innovation durch Forschung. Jahresbericht 2009 zur Forschungsförderung im Bereich der erneuerbaren Energien, Berlin 2010. Reshöft, Jan/Steiner, Sascha/Dreher, Jörg: Erneuerbare Energien-Gesetz, Handkommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2005, S. 2. Schüth, Ferdi (Hrsg.): Die Zukunft der Energie, die Antwort der Wissenschaft, München 2008, S. 26. Sternberg, Rolf, Technologiepolitik und High-Tech Regionen . Ein internationaler Vergleich, 2. veränd. Auflage, Münster 1998, S. 12. Verfügbarkeit und Versorgung mit Energierohstoffen, Kurzbericht der Energierohstoffe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, 2006. Arbeitsgruppe Internetquellen: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Ressourcen: Ressourcen und Reserven fossiler Energieträger, http://www.bgr.bund.de/cln_116/nn_322848/DE/Themen/Energie/Downloads/EnergiestudieKurzstudie2010,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/EnergiestudieKurzstudie2010.pdf, am 27.01.2011 Bundeszentrale für politische Bildung: Definition Reserven, http://www.bpb.de/wissen/IWXRO9,0,0,Verteilung_der_nachgewiesenen_Erd%F6lReserven.ht ml, am 27.01.2011. 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