SeniorenUni

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Veranstaltung „ Stress, Burnout, Depression“, Samstag, 19. Januar 2008,
Hotel Glockenhof Zürich
Das Projekt "sesam" - Menschliche Entwicklung und seelische
Gesundheit verstehen
Prof. Dr. rer. soc. Jürgen Margraf
Zusammenfassung
Gesundheit ist für die meisten Menschen das höchste Gut. Viele Menschen empfinden dies mit zunehmendem
Alter immer stärker. Gleichzeitig liegen die Wurzeln der Entwicklung zu Gesundheit und Krankheit häufig in der
Kindheit und Jugend, wobei Familie und Umwelt über die ganzen Lebensspanne einen wichtigen Einfluss haben.
Dies gilt auch für seelische Erkrankungen, an denen weltweit immer mehr Menschen leiden. Die durchschnittliche
Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einer seelischen Störung zu erkranken, liegt in der Schweiz derzeit
bei über 40%. Der grosse Einfluss seelischer Störungen wie beispielsweise der Depression zeigt sich auch beim
Vergleich der Todesfälle durch Verkehrsunfälle und Suizide: Im Jahre 2002 standen in der Schweiz 543 Verkehrstoten (Strasse und Schiene) 1546 Suizide gegenüber.
Was sind die Ursachen und Auslöser von seelischen Störungen wie Depressionen, belastenden Ängsten oder
Süchten? Welche Risikofaktoren begünstigen ihren Ausbruch, welche Schutzfaktoren wirken ihnen entgegen?
Obwohl diese Fragen von grösster Bedeutung sind, kann die Forschung sie heute noch nicht zufrieden stellend
beantworten. Zwar sind viele Einflussfaktoren bekannt, aber es fehlen wissenschaftlich fundierte Befunde über
ihre genaue Wirkung und vor allem ihr gegenseitiges Zusammenwirken. Dieses Wissen ist jedoch die Voraussetzung für die Entwicklung wirkungsvoller Strategien zur Vorbeugung und Behandlung im Bereich der seelischen
Gesundheit.
Der Nationale Forschungsschwerpunkt sesam wurde vom Bundesrat im Jahr 2005 ins Leben gerufen, um die
komplexen Ursachen zu erforschen, die zu seelischer Gesundheit oder Krankheit führen. Das Programm Nationale Forschungsschwerpunkte (NFS) des Schweizerischen Nationalfonds fördert langfristig angelegte Forschungsvorhaben zu Themen von strategischer Bedeutung für die Zukunft der schweizerischen Wissenschaft, Wirtschaft
und Gesellschaft. Drei Hauptaspekte prägen die NFS: exzellente und international sichtbare Forschung, Wissensund Technologietransfer, Ausbildung und Frauenförderung. Zudem sollen die NFS zur besseren Strukturierung
der schweizerischen Forschungslandschaft beitragen. sesam arbeitet mit einem Netzwerk von Wissenschaftlern
aus dem In- und Ausland und kooperiert mit Spitälern in der ganzen Schweiz. Die Heiminstitution des NFS ist die
Universität Basel, viele weitere Universitäten kooperieren.
Die Abkürzung "sesam" steht für "swiss etiological study of adjustment and mental health", was mit "Schweizerische Ursachenstudie zu seelischer Gesundheit und Anpassung" übersetzt werden kann. sesam möchte dazu
beitragen, menschliche Entwicklung und seelische Gesundheit besser zu verstehen. Dazu begleitet die interdisziplinäre Studie 3000 Kinder und ihre Familien über 20 Jahre, beginnend ab Frühling 2007. Dabei kommt der
älteren Generation eine besondere Bedeutung zu. In der mitteleuropäischen Gesellschaft ist das dreiGenerationen-Haus selten geworden: Grosseltern werden aus einer Vielzahl von Gründen (immer) weniger in die
Erziehung der Enkelkinder einbezogen. Gleichzeitig leben Menschen heute länger und haben damit auch Erwachsene eine viel grössere Chance, noch mit ihren Grosseltern gemeinsam auf der Welt zu sein. Während im
Jahr 1900 nur 2% aller 20jährigen lebende Grosseltern hatten, sind dies heute 76%! Grosseltern können das
Aufwachsen der Enkel wesentlich bereichern. Und auch umgekehrt kann gelten, dass eine nahe Beziehung zu
ihren Kindern und Enkeln die Senior/innen länger jung erhält und zu ihrer Lebenszufriedenheit beiträgt. In sesam
wird daher u.a. erforscht, welche Rolle Grosseltern bei der Erziehung oder Transferleistungen zwischen Generationen spielen. Ebenso wird die Frage untersucht, welchen Einfluss grosselterliche Unterstützung auf die psychische Gesundheit aller drei Generationen hat.
Die wichtigsten Ziele, die sesam erreichen möchte, lauten:
1. gesundheitsfördernde und schützende Faktoren identifizieren
2. kritische Konstellationen im Lebenskontext verstehen, die einer gesunden seelischen Entwicklung entgegenstehen
3. zur Entstigmatisierung seelischen Störungen beitragen
4. Grundlagen für die Entwicklung wirksamer Prävention, Behandlung und Bewältigungsstrategien bei seelischen Krankheiten und Lebenskrisen entwickeln
Der Vortrag informiert über die Hintergründe und Vorgehensweisen der sesam-Studie unter besonderer Berücksichtigung der älteren Generation.
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Weiterführende Literatur und Internet – Links
Die Homepage des Nationalen Forschungsschwerpunktes sesam:
http://www.sesamswiss.ch
Homepages verwandter Studien:
ALSPAC: Children of the nineteens – Avon Longitudinal Study of Parents and children:
http://www.alspac.bris.ac.uk
Dunedin Study: Dunedin Multidisciplinary Health and Development Study:
http://healthsci.otago.ac.nz/dsm/dmhdru/
MCS: Millennium Cohort Study:
http://www.cls.ioe.ac.uk/Cohort/MCS/mcsmain.htm
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Kontakt
Prof.Dr.rer.soc. Jürgen Margraf
Institut für Psychologie, Missionsstrasse 60/62, 4055 Basel
[email protected]
SeniorenUni. Ein Angebot der Volkshochschule beider Basel und der Universität Basel
Volkshochschule beider Basel, Kornhausgasse 2, Postfach, CH-4003 Basel
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