Lernziel: Der Übungsleiter kennt den Beitrag des Sports zur Krankheitsbewältigung und kann diesen in der Praxis umsetzen. II.5.1 Krankheitsbewältigung nach Herzinfarkt oder Herzoperation - Verlauf - Bewältigungsmechanismen - Perspektiven (siehe „Handbuch der Herzgruppenbetreuung“ Kapitel 17, Seite 284 bis 288) Grundlagen – Info Verlauf der Krankheitsbewältigung Die Verarbeitung einer schweren oder chronischen Krankheit erfolgt phasenweise und zeigt nach LACHAUER einen typischen Verlauf, der sich in sieben Phasen aufgliedert, die durch typische emotionale Reaktionen charakterisiert werden (siehe Folie II.5.1, F 01): Zeigt die psychische Verarbeitung der Krankheit einen normalen Verlauf, so werden die einzelnen Phasen in chronologischer Abfolge durchlaufen, wobei die Dauer der einzelnen individuell stark schwanken kann. Besonders die Phase 3 – „Trauer“ – kann bei einer problematischen Krankheitsbewältigung sehr lange andauern und den Rehabilitationsverlauf sehr in die Länge ziehen (siehe Folie II.5.1, F 02). Gelingt die Krankheitsverarbeitung nicht, so beobachtet man üblicherweise typische Abweichungen vom normalen Verlauf. Probleme treten in den Phasen 2 und 3 auf (siehe Folie II.5.1, F 03). Wehrt sich der Patient sehr stark gegen die Krankheit, so kann es zu einer bleibenden Verleugnung der Erkrankung kommen, wodurch jeglicher Ansatz des Rehabilitierens ausgeschlossen wird. Hier wird erst eine dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustands zur Aufgabe der Verleugnung führen. Hat der Patient ein sehr dramatisches Akutereignis mit Todesangst durchlebt, so kann sich dieses Angstgefühl derart festsetzen, dass in jeder Tätigkeit eine Überforderung des Herzens vermutet wird, und jedes Ziehen im Brustbereich gleich als erneutes Herzproblem fehlinterpretiert wird. Derart unkontrollierbare Angstzustände blockieren den weiteren Verlauf der Krankheitsbewältigung. Krankheitsbewältigung nach Herzinfarkt oder Herzoperation / 5.1 / Seite 1 von 5 Neben Angst kann sich auch das Gefühl der Nutzlosigkeit, Kraftlosigkeit und Minderwertigkeit derart festsetzen, dass eine mögliche Wiedereingliederung in den Beruf von dem Patienten völlig ausgeschlossen und eine Berentung als einziges Ziel gesehen wird (Rentenneurose). Letztlich kann auch eine andauernde Hoffnungslosigkeit zu Resignation und Depressionen führen, die den Prozess der Krankheitsbewältigung in der Phase 3 einfrieren. Bewältigungsmechanismen Wie bereits aufgezeigt, sind die einzelnen Phasen der Krankheitsbewältigung charakterisiert durch typische emotionale Reaktionen. Der Patient wird versuchen, durch typische Verhaltensmuster diese emotionalen Reaktionen oder Gefühle zu bewältigen. Im Einzelnen werden folgende Verhaltensmuster beobachtet (siehe Gruppenarbeit II.5.1, M 01 und Wandzeitung II.5.1, M 02): Phase 1 Gefühl: Schmerz und Angst Verhalten: Ruhe, Schonung, Passivität Phase 2 Gefühl: Überwältigung und Verwirrung durch die Ereignisse Verhalten: Mögliche Folgen der Erkrankung werden verleugnet; Nachdenken über die auslösenden Faktoren findet statt; eine mögliche Schuld an der Erkrankung wird eher außerhalb der eigenen Person gesucht Phase 3 Gefühl: Hoffnungslosigkeit, keitsgefühle Depression, Ängste, Verhalten: Einschränkungen aufgrund der Folgen der Erkrankung im beruflichen, sozialen und privaten Bereich werden ausgelebt Krankheitsbewältigung nach Herzinfarkt oder Herzoperation / 5.1 / Seite 2 von 5 Minderwertig- Phase 4 Gefühl: Es entsteht der Wunsch nach Verbesserung der gegebenen Umstände; die Bereitschaft und die Motivation für Beratung und Hilfestellung wächst; mögliche Angstgefühle sind kontrollierbar Verhalten: Abfinden mit der Erkrankung und ihren Folgen; positives, zukunftsorientiertes Denken; Planung des weiteren Lebens; Annahme und Verwertung von Beratungsangeboten Phase 5 Gefühl: Zuversicht, kontrollierbare Angst Verhalten: Die Erkrankung und die damit verbundenen Leistungseinschränkungen werden in ein verändertes Selbstbild integriert; das posttraumatische Selbstbild entsteht Phase 6 Gefühl: Neues Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein; Gefühl, wieder ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein; Furcht vor erneuter Erkrankung als Motivation zur Verhaltensänderung Verhalten: Konkrete Planung der Zukunftsgestaltung; Aufnahme der Berufstätigkeit; durch neue Erfahrungen wird das Selbstbild ergänzt und verändert Phase 7 Gefühl: Ausgeglichene Stimmungslage, gegebenenfalls Rückschläge und Konflikte im sozialen und beruflichen Bereich; Bedrohung der Gesundheit wird in angemessener Weise als Mahnung zu einer gesundheitsbewussten Lebensführung verstanden Verhalten: Dauerhafte Wiederbeschäftigung; Wiederaufnahme von Aktivitäten wie vor dem Akutereignis, gegebenenfalls in abgewandelter Form, also unter Berücksichtigung der krankheitsbedingten Einschränkungen Krankheitsbewältigung nach Herzinfarkt oder Herzoperation / 5.1 / Seite 3 von 5 Perspektiven Jede schwere Erkrankung induziert eine psychische Verarbeitung. Wie oben ausgeführt, kann der Verlauf dieser Verarbeitung unterschiedliche Wege beschreiten. Entsprechend unterschiedlich sind die Perspektiven für den Patienten. Nach Kaplan führt eine Krise im Verlauf ihrer Verarbeitung zu drei möglichen Ergebnissen (siehe Folie II.5.1, F 04): Krise Normalzustand Akutereignis positive Veränderung, Entwicklung neues Gleichgewicht ohne Veränderung negative Veränderung, Fehlentwicklung Die jeweilige Perspektive für den Patienten hängt vom entsprechenden Verlauf des Verarbeitungsprozesses ab: Wird ein positiver Verlauf realisiert mit positiver Veränderung, so wird über eine Krankheitsbewältigung mit Neuorientierung, Realisierung eines veränderten, günstigeren Lebensstils, Neuorganisation im sozialen, privaten und beruflichen Bereich und Wiedereingliederung ins Berufsleben eine für den Patienten positive Entwicklung erfolgen, an deren Ende ein neu gefundenes, stabiles Selbstbild steht. Weniger schwere oder weniger schwer erlebte Akutereignisse lösen Verarbeitungsprozesse aus, die häufig nach nur kurzem Verlauf im physischen und psychischen Bereich erneut eine Stabilisierung erreichen; der Patient ist wieder im Gleichgewicht, hat aber keine Veränderungen realisiert. Hier muss damit gerechnet werden, dass nach einer mehr oder minder langen Latenzzeit eine erneute, möglicherweise schwerere Krise (Akutereignis) auftritt. Bei ungünstigem Rehabilitationsverlauf kommt es im Verlauf der versuchten Krankheitsbewältigung zu negativen Veränderungen, die mittelfristig, gegebenenfalls auch langfristig zu einer Destabilisierung im psycho-sozialen Bereich führen (Angstneurosen, Isolation, Arbeitslosigkeit) und meist auch eine Stabilisierung oder gar Verbesserung der Physis verhindern (Verlust des Selbstwertgefühls, Kraftlosigkeit). Krankheitsbewältigung nach Herzinfarkt oder Herzoperation / 5.1 / Seite 4 von 5 Didaktisch-methodische Überlegungen zur Erarbeitung Es bietet sich an, „Krankheitsverlauf“ und „Perspektiven“ mit Unterstützung der Folien vorzutragen. Demgegenüber sind „Bewältigungsmechanismen“ sehr gut im Unterrichtsgespräch, aber auch in Gruppenarbeit zu erarbeiten (siehe Materialien II.5.1, M 01 und M 02). Lehrmaterialien: Folie II.5.1, F 01: Krankheitsbewältigung: Phasen und emotionale Reaktion Folie II.5.1, F 02: Krankheitsbewältigung: Verlaufsmodell Folie II.5.1, F 03: Krankheitsbewältigung: problematische Verläufe Folie II.5.1, F 04: Krankheitsbewältigung: Krisenmodell Gruppenarbeit II.5.1, M 01: Krankheitsbewältigung: Phasen und emotionale Reaktion, Bewältigungsstrategien Wandzeitung II.5.1, M 02: Krankheitsbewältigung: Phasen und emotionale Reaktion, Bewältigungsstrategien Wandzeitung II.5.1, M 02a: Krankheitsbewältigung: Phasen und emotionale Reaktion, Bewältigungsstrategien - Auswertung Teilnehmermaterialien Krankheitsbewältigung: psychologisches Verlaufsmodell Literatur - Kaplan; 1964 - Lachauer; 1984 Krankheitsbewältigung nach Herzinfarkt oder Herzoperation / 5.1 / Seite 5 von 5