Die Welt als Strand Einmal im Leben mochte man sie finden, die

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DieWeltalsStrand
Einmal im Leben mochte man sie finden, die Inset der Seligen. Santa
Catarina im Suden Brasiliens ist dafur eine ganz heif3e Kandidatin
Von CARMEN STEPHAN and GUNNAR KNECHTEL (Fotos)
Der Besitzer der „Pousada
Ede1weif3" hat einen grauen
Schnurrbart and Augen, so ruhig wie ein See. Wenn Laurindo
Wenzel von Santa Catarina schwarmt, benutzt er oft die Worte
„schee” and „hibbsch” and lehnt sich dabei sanft lachelnd auf der verglasten Terrasse zuruck, die Ober einem Garten mit wilden
Strauchern and Blumen thront. Fast ist es wie auf einer bayerischen
Alm — wurde nicht unten am Ufer der Atlantik in der Sonne glitzern.
Die Insel Santa Catarina im Suden Brasiliens ist nicht nur wegen
ihrer europaischen Einflusse zum neuen Lieblingsreiseziel der
Brasilianer aufgestiegen. Mehr als 40 Inselstrande gibt es auf Santa
Catarina, einer zauberhafter als der andere. Manche der Einwohner,
Manezinhos genannt, scheinen schon in Badehose and mit Surfbrett
unter dem Arm auf die Welt zu kommen. ,,Hier sind immer alle auf
dem Weg zum Strand`, sagt Laurindo Wenzel, der wie viele im
Bundesstaat Santa Catarina deutsche Vorfahren hat, eingewandert
Ende des 19. Jahrhunderts. Der Hotelchef breitet eine Karte auf dem
Tisch ans. Die tolisten zehn Strande, die kann man in einer Woche
locker schaffen. Schnell macht er ein paar Kreuzchen auf der Karte.
Beginnen sollte der Reisende mit Joaquina, dem weltberuhmten
Surferstrand. Hier steht auch Tennisprofi Gustavo Kuerten gern auf dem
Brett, er kommt aus Florianopolis, der Ein-Millionen-Stadt, die zur Halfte
auf der Insel Santa Catarina and zur Halfte auf dem Festland liegt. Die eigentliche Attraktion verbirgt sich jedoch 200 Meter hinter dem Strand, wo
sich Sanddunen aufturmen, in denen bunte Boards stecken. Der 17-jahrige
Bruno vermietet sie fur flint. Real in der Stunde. Er fing schon als Kind
mit dem Sandboarden an, dem Sport, der angeblich auf der Insel erfunden
wurde, well die Surfer bei schlechtem Wellengang einen Zeitvertreib
suchten. Bruno sieht aus wie ein junger Tom Cruise, and sein Traumziel,
sein Hollywood, ist der kunstliche, rund 150 Meter hohe Monte Kaolino
in Ostbayern, wo die Weltmeisterschaften im Sandboarden stattfinden;
irgendwann will er es dorthin schaffen. Sein grater Wunsch jedoch ist es, einmal in den Alpen zu fahren. ,,Schnee, wie fuhlt sich das
blof3 an?`, fragt Bruno kopfschuttelnd. Enge Stra1 en win-den sich um die
saftig grunen Hugel auf dem Weg in Richtung Suden. Vor den kleinen
blauen Hausern sitzen die Inselbewohner auf ihren Klappstuhlen, trinken
ein Bier and schauen so entspannt, als waren auch sie im Urlaub. In
kleinen Bars aus Holz wird frischer Zuckerrohrsaft verkauft. Die
Rasenflachen einiger Vorgarten sind so perfekt geschnitten wie in einer
deutschen Kleinstadt. Eine Kirche mit einer Silberglocke erinnert an das
alte Europa.
MITTE DES 18. JAHRHUNDERTS hatten
die Portugiesen mehr als 6000 Bewohner ihrer Azoren-Inseln nach Santa
Catarina geschickt, well die in ihrer Heimat kaum etwas zu essen batten
and von Erdbeben heimgesucht wurden. Auch Dorvalicio Martins ist
Nachfahre von Azorern. Gleich hinter dem Dorfchen Costeira do Ribeirao
da Ilha steht an einem kleinen, unberuhrten Strandabschnitt seine Hutte. Der 80-jahrige Fischer hat gerade ein Netz
will mit Austern unter sein Dach mit den Holzpfeilern gezogen.
Ein paar Manner aus dem Dorf sitzen am Meer, wo Dorvalicio seine
Netze auswirft, and reichen einen Becher Sangria herum, als ware er eine
Friedenspfeife. Dorvalicio kratzt wahrenddessen mit einem Messer die
Schalen der Austern sauber, die nun wie Kristallsteine glitzern. Dorvalicio
hat sein ganzes Leben im Wasser verbracht. Er weif, dass die Leute hier
immer auf der Suche nach dem perfekten Strand sind – urn sich zu
sonnen, auf den Wellen zu reiten.
Aber das Besondere geschehe doch jeden Morgen an jedem der hundert
Strande, nach dem Aufstehen, wenn das Wasser noch ruhig daliegt and ein
orangefarbenes Licht auf der Oberflache schimmert. ,,Dann`; sagt
Dorvalicio, ,,ist das Meer so schon, dass man es kaum storen magi`
Diese Wahrheit gilt auch fur Strande, etwa den Praia do Saquinho, der
sich fast an der Siidspitze von Santa Catarina befindet and nur zu Fug in
einer zweistundigen Wanderung zu erreichen ist. Ein Weg fuhrt durch
einen dichten Urwald, in dem riesige, blaue Schmetterlinge flattern
and ein Wasserfall platschert. Nach einer halben Stunde lichtet sich der
Wald, and ein einsamer Strand liegt da, kein einziger Abdruck von Fu g
oder Pfote im Sand – and als ware diese Ruhe nicht biblisch genug,
zieht in Kustennahe noch ein Parchen Delfine vorbei, das vermutlich
die Arche Noah sucht.
„Heute habe ich einen Wal gesehen`, steht auf einem Zettel, nur
wenige Kilometer Luftlinie entfernt, in der „Bar do Arante”, an deren
Strand Pantano do Sul man den Tag ausklingen lassen sollte. Wande,
Decken, Holzpfeiler, jeder Quadratzentimeter in der Bar ist gepflastert
mit kleinen Zettelchen, auf denen Traumer, Verzweifelte, Gluckliche,
Nuchterne and Betrunkene seit 1958 ihre Gedanken hinterlassen
haben. Jeden Abend, wenn die Sonne vor
den offenen Fenstern ins Meer taucht and die Fischer ihre Netze
hereinziehen, legt der alte Herr Arante Ravels „Bolero” auf. Dann
werden noch schnell ein paar Liebesschwure auf die Zettel gekritzelt:
„So viel Meer. So viel Sehnsucht. Wellen kommen and gehen. Wie die
Gedanken an dich.”
Fur den nachsten Tag empfiehlt Laurin-do Wenzel einen Abstecher
zum Praia da Armacao. „Achtet mal auf die kleinen Singvogel , rat er.
Armacao ist ein altes Fischerdorf mit portugiesischer Kirche and
einem vertraumten Marktplatz.
DER BLITZSAUBERE STRAND, den man (Aber Steintreppen
erreicht, wird vor allem von Familien bevolkert – and tatsachlich lauft
auch ein Junge mit Vogelkafig in Richtung Meer. Er tragt Shorts,
daruber einen Waschbrettbauch and eine Goldkette. „Mein Curio ist
schlecht drauf heute, er hat wenig gesungen”, sagt er, ohne seine
Sonnenbrille abzunehmen, ,,deshalb will ich ihn ein bisschen an die
frische Luft
bringen.” Der sogenannte Curió ahnelt dem Kanarienvogei und hat eine
grol3e Singstimme. In Florianópolis findet regel maf eine Meisterschaft
der Curiós statt, von denen die wertvolisten mehr ais 30000 Euro kosten,
weshalb manche Leute sogar Auto und Wohnung gegen die trãllernde
Wertanlage eintauschen.
Keine Curiós, dafür aber Papageien und vielleicht sogar einen Tukan gibt
es auf der kleinen Nachbarinsei Campeche zu sehen, die man per
Motorboot von Armação aus ansteuert. Der vorgeiager te Strand zãhit zu
den schõnsten von Santa Catarina: Die Paimen sprief hier wie Uiwenzahn
auf einer Sommerwiese, blühende Kakteen schmie gen sich an die Feisen,
und das Wasser ist kristallkiar
— ideale Bedingungen, um den Riesenschildkrcaen
hinterherzuschnorchein.
Die Touristen, die aus dem Moloch São Pauio an gereist sind, scheint
weni ger die Exotik zu beeindru cken, sie schwarmen von der Ruhe und
Sicherheit auf Santa Catarina. Mit ih ren argentinischen Reise
bekanntschaften unterhal ten sie sich angeregt auf Spanisch, die wiederum
antworten freundiich in gebrochenem Portugie sisch, ais gãbe es die alie
Rivalitãt der Nachbarlãn der tatsachiich nur noch im FuÍ
Am nãchsten Tag schip pern Argentinier und Bra silianer sogar friediich
ver eint auf einem Banana Boat am Praia dos Ingleses
entiang. Der Strand der Englarider iiegt im Norden und hat seinen Namen
von einem auf Grund gelaufenen englischen Schiff. Wer es iaut und
turbuient mag, ist hier genau richtig. Die Touristen prosten sich mit
Caipirinhas und Kokosnüssen zu, manche Schône lãsst sich den Rücken
vom Nachbarn auf dem zwei Zentimeter entfernten Badeiaken eincremen.
Baiier mann-Alarm.
Das Gegenteil findet man nur em paar Kilometer entfernt am unberührten
Praia do Moçambique, den man am besten per Pferd erkundet. Der Ausritt
in der Gruppe führt durch Dünen von erhabener Schõn heit. An manchen
Fiecken wachsen lua Blüten im Sand. Dann führt der Weg
durch em Wãldchen mit Pinienb deren Stãmme fast silberfarben leuchten.
Die Luft ist aufgeiaden von einem lauten Donnern und Rauschen, man
hcirt das Meer, lange bevor man es sieht. Die Reiter müssen sich
anschreien, damit sie sich ver stehen.
Reiten schôn und gut, schmunzelt Lau rindo Wenzei, aber em echtes
Abenteuer würde man doch in Biumenau erleben. Dem Ort, an dem man
sieht, wie Brasilia ner sich Deutschland vorstellen. Blumenau ist em
beliebtes Ausflugsziei für die Insel urlauber — nicht nur, wenn im Herbst
das groL Oktoberfest Südamerikas steigt. Em Restaurant heif ,,Frohsinn’
em Kos metikladen ,,FniuIein’ und das Rathaus
sieht von Weitem aus wie em Fachwerk bau; bei genauerem Betrachten
allerdings erweisen sich die Holziatten ais angenageit. In den Straf der ,
Germânica” kau fen die Urlauber CDs von den Flippers und den
Kastelruther Spatzen. Em Besucher bindet sich eine Lederhosen-Attrappe
wie eine Schürze um und hisst sich damit fo tografleren — auf der
Rückseite tragt er Ba dehose. Die 19-jãhrige Marriete mit den grünblauen
Augen hat em fesches Dirndl an und erteiit Touristen Auskunft. Sie
spricht kein Deutsch, sie war noch fie in Deutschiand, aber von einer
Sache ist sie überzeugt: ,,Die Menschen dort sind be stimmt sehr lustig
und feiern genau so gerne wie die Brasilianer.” Irgendwann môch te sie
das Land, das ihr so nahesteht und doch so weit weg ist, seibst
kennenlernen. Nach der Schuie will sie aber erst mal auf Santa Catarina
leben — und surfen, am Praia Mole.
,,Mole” heii3t übersetzt ,,weich, sanft’ und das kommt daher, dass man
hier bis zu den Knichein im weif Sand ver sinkt. Das Meer ist eingefasst
von runden Steinen, die wie riesige Bowiingkugein aus sehen, aber die
Hauptrolie spielt natürlich em ganz anderer Sport. Das wiederum iâsst die
dunkelhaarige Ingrid schmollen. Sie tragt eine Bikinihose, darüber em
enges, schwarzes T-Shirt, auf das zwei
neonpinkfarbene Hande gedruckt sind. 28 Stunden saB die Argentinierin
mit ihren Freundinnen im Bus, um auf Santa Catarina ,,richtig viel Spa1
zu ha ben” Und nun das. Die Mãnner stehen mit einem Board bewaffnet
neben Ingrid und starren wie hypnotisiert auf das Meer. Ais einer ihrer
Surfkolle gen eine besonders gute Welle erwischt, jubein sie lautstark, ais
wãre Bra siiien soeben Weltmeister geworden. ,,Aber morgen’ sagt Ingrid
und schüttelt la chend den Kopf, ,,fahren wir zu einem anderen Strand Sie
hat noch einige zur Auswahi.
Den besten Strand soilte sie sich jedoch bis zum ietzten Abend aufheben.
Auf der Karte ist er in Barra da Lagoa, nahe der Lagune inmitten der
Insei,
eingezeichnet. Ober eine wacklige Hànge brücke wie aus einem
Piratenflim geiangt der Reisende auf einen Hügel, über den bunte
Hàuschen verstreut sind. Das hand geschriebene Schild ,,Prainha” (Stnind
chen) weist den Weg zu einem versteckten Paradies.
Auf einer Anhnhe iiegt die Bar Prainha, darunter von Feisen eingerahmt
der kieine, weige Strand, der sich wie eine Muschel zum Meer offnet. Em
paar Jungen spielen Ful3bali im Sonnenuntergang, in der Bar wird iive
em Samba gezupft und ge trommeit. Jetzt kõnnte man schwôren, in
Brasiien zu sem — würde man nicht em Bier trinken, das den Namen
,,Eisen bahn” tragt.
TIPPS UND INFOS
Zum Strand der Dinge
Anreise: Flug von Frankfurt nach Florianó polis mit Umsteigen in São
Paulo oder Rio de Janeiro kostet ab 900 Euro inklusive Steuern (hin und
zurück). Mit dem Taxi oder Miet wagen fãhrt man auf die Insel.
Individueile Reisepakete: Viventura, www.viventura.de, Tel.: 030/61
675580. Reisezeit Ganzjãhrig. Von Dezember bis Februar sind die
Temperaturen angenehm warm, um die 30 Grad. In der Regel sonnig, nur
gelegentlich ziehen Gewitterwoiken auf, dann kann es auch stürmisch
werden. Unterkunft Pousada Edelwei1 Rua Luiz Pe dro Ferreira 86, José
Mendes - Florianópolis, www.pousadaedelweiss.com.br,
Tel.: 0055/48/32257591. Einfache, aber gemütliche und liebevoli geführte
Pension. Der Besitzer Laurindo Wenzel spricht Deutsch. Preise:
°bernachtung im DZ mit Frühstück ab 40 Euro. Pousada do Museu:
kleines Hotel am Strand mit angeschlossenem Azoren-Museum,
www.pousadadomuseu.com.br, DZ ab 42 Euro, Tei: 0055/48/32 3781 48.
R Bar do Arante, Rua Abelardo Otaciio Gomes 254, Praia do Pântano do
Sul, Tei.: 0055/48/2377022.
Surfer-Treffpunkte sind die ,,Barraca do Mole” am Praia Mole (Strandbar
mit Live Musik und DJs nach Sonnenuntergang) und das ,,Paçai
(tropische Bar mit Hânge matten und Blick auf die Lagune), erst klassiger
Caipirinha und Açai in aDen Varia tionen; das Paçai befindet sich an der
Straf die vom Praia Mole zum Ort Retiro da Lagoa führt.
Reiten: ,,Cabanha do Toque”, www.caban ha.dotoque.nom.br, Tei.:
0055/48/269-2756,
zweistündige Ausritte durch die Dünen zum Praia do Moçambique, ca. 20
Euro. Fischer-Treffpunkt Wer bei Dorvalício Martins in seiner kleinen
Hütte am Strand Austern kaufen m&hte, sollte auf der LandstraI
Baldicero Filomeno in Richtung Süden fahren. Kurz nach der
Bushaltestelle des Ortes Costeira do Ribeirão da Ilha liegt die Uferstelle,
an der Dorvalício Martins seine Netze an Land zieht.
Ausflüge: Auf die Ilha do Campeche bringen einen Motorboote mehrmals
tãglich von Armação aus.
Ins 140 Kilometer entfernte Blumenau (www.guiadeblumenau.com.br)
fahren Sie am besten mit dem Mietwagen, oder buchen Sie eine der
Touren, die in den Hoteis und Pousadas (auch im Edelwei1! angeboten
werden. Gute deutsche Küche gibt es im Restaurant ,,Frohsinn°, Rua
Gertrud Sierich, Tel.: 0055/47/322-21 37.
In Blumenau beginnt das jãhrliche Oktober festim Gegensatz zu München
tatsãchlich im Oktober, dieses Jahr findet es vom 4. bis 21. Oktober statt
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