Leistbares Wohnen in Tirol Arbeitskreis einberufen von Bischof Manfred Scheuer Das Wohnen in gesicherten Verhältnissen gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen und kann als eine elementare Voraussetzung gelingenden menschlichen Lebens angesehen werden. In rechtlicher Hinsicht gilt das Recht auf eine Wohnung als ein fundamentales Menschenrecht. „Es muss also alles dem Menschen zugänglich gemacht werden, was er/sie für ein wirklich menschliches Leben braucht, wie Nahrung, Kleidung und Wohnung ...“, so das Zweite Vatikanische Konzil (GS 26). Erfolge und Defizite im Wohnungsbereich wirken sich unmittelbar auf die Lebensqualität in einem Gemeinwesen aus. Zu den gesellschaftlichen Kontexten des Wohnens gehören neben wirtschaftlichen und technischen Aspekten ökologische Vernetzungen. Die architektonische Gestaltung der Polarität von Außen- und Innenräumen sowie die Situierung in Dörfern oder Stadtteilen haben massive Auswirkungen auf das Verständnis von Individualität, Freiheit und Öffentlichkeit, aber auch auf Kommunikationsformen und demokratische Partizipation. Deswegen besteht ein öffentliches Interesse an der Regelung der Verteilung dieses Gutes, das nicht allein dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden kann. Als Bischof von Innsbruck ist es mir ein Anliegen, auf das Grundbedürfnis des Wohnens hinzuweisen. In Tirol ist diese Situation teilweise nicht zufrieden stellend. Deshalb habe ich einen Arbeitskreis von Experten (u. a. Mag. Otto Flatscher, Univ.-Prof. Dr. Christian Smekal) aus unterschiedlichen Bereichen gebeten, zu diesem Problem Empfehlungen für die politischen EntscheidungsträgerInnen auszuarbeiten. Der Arbeitskreis hat in Betracht gezogen, dass es in Tirol zwischen den verschiedenen Bodenverwendungsarten enorme regionale Preisunterschiede gibt, die vor allem eine Folge gesetzlich vorgesehener Nutzungszwecke sind (Freiland; Bauland; Vorbehaltsflächen für Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen). Angesichts des insgesamt knappen für Siedlungszwecke zur Verfügung stehenden Siedlungsraumes muss es ein wichtiges Ziel der Tiroler Grund- und Bodenpolitik sein, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Bauland billiger und Wohnen insbesondere für junge Familien erschwinglicher zu machen. Die zu Jahresbeginn 2008 in Kraft getretenen Veränderungen im Bereich der Wohnbauförderung sind als wichtiger Schritt zur Entlastung wahrgenommen worden. Der Arbeitskreis hat sich auf die folgenden zwei Problembereiche konzentriert: 1. Leistbare Grundstückspreise 1) Im Zuge von Flächenwidmungen der Gemeinden sollen verstärkt Flächen für den sozialen Wohnbau vorbehalten und bei Bedarf einer raschen Verwendung zugefügt werden. 2) Weiters wird vorgeschlagen im Rahmen der Wohnbauförderung die derzeit geltenden höchstzulässigen Grundstückspreise nicht mehr zu erhöhen. Vielmehr soll die Möglichkeit geprüft werden, in einzelnen Regionen die höchstzulässigen Grundstückspreise zu reduzieren. 3) Den Gemeinden (besonders in den ländlichen Regionen) wird empfohlen, entsprechende und der jeweiligen Landschaft sowie dem jeweiligen Ortsbild angepasste Formen des verdichteten Bauens zu forcieren, um dadurch einen Beitrag zur Senkung der Grundstückskosten herbeizuführen. 4) Die Politik ist im Rahmen geltenden Rechts gefordert auf die Agrargemeinschaften einzuwirken, in dringenden Fällen für den sozialen Wohnbau geeignete Flächen zu leistbaren Preisen zur Verfügung zu stellen. 2. Leistbare Wohnbaukosten 5) Nach Maßgabe ihres Haushaltsspielraums wird den Gemeinden im Rahmen ihrer Gebührenpolitik empfohlen, die Baukosten bzw. Betriebskosten durch Einräumen entsprechender Ermäßigungen (z.B. Erschließungskosten) zu reduzieren. 6) Die gemeinnützigen Wohnbauträger sind gefordert ihrem gemeinwirtschaftlichen Auftrag dadurch verstärkt nachzukommen, dass sie bei der Preisbzw. Mietzinsbildung mehr als bisher ihre Möglichkeiten im Sinne des kostengünstigen Wohnens ausschöpfen. 7) Im Interesse der Vermehrung des Wohnungsangebots ist verstärkt auf die Nutzung bestehender Bausubstanz wert zu legen. So kann die Preisentwicklung im Neubaubereich gedämpft werden, weil der Druck auf die Errichtung von Neubauten verringert wird. 8) Die Mietzinsbeihilfe soll in kürzeren Abständen als bisher an die Inflation angepasst werden. 9) Im Interesse eines ausreichenden Angebotes ist auf ein angemessenes Verhältnis von Miet- und Eigentumswohnungen zu achten, da ein ausreichender Bestand an Mietwohnungen einen Beitrag zur Mobilisierung des Wohnungsmarktes und zur Reduzierung der Mietpreise leisten kann. Manfred Scheuer Bischof von Innsbruck Juli 2008