Leitbild der Lebenshilfe Niederösterreich Vorwort Die Lebenshilfe Niederösterreich wurde im Jahr 1967 gegründet. Seit der Gründung hat sich aus einer Elterninitiative eine Organisation mit klaren Abläufen und Strukturen herausgebildet. Das vorliegende Leitbild dient als Orientierungshilfe und soll die Lebenshilfe Niederösterreich in den nächsten Jahren in die Zukunft geleiten. Sie ist geprägt von der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die eine zentrale Grundlage für die zukünftige Arbeit mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung ist und ist getragen von Grundprinzipien, wie Inklusion, Selbstbestimmung und Mitbestimmung. Über uns Die Lebenshilfe Niederösterreich ist eine Menschenrechtsorganisation mit dem Ziel, die volle Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen durchzusetzen. Die Lebenshilfe Niederösterreich ist überkonfessionell und parteipolitisch ungebunden. Die Lebenshilfe Niederösterreich ist eine der UN-Konvention entsprechende Organisation, die Assistenz und Unterstützung für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung anbietet. Die Lebenshilfe Niederösterreich unterstützt darüber hinaus Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung bei der Durchsetzung, Umsetzung und Wahrung ihrer Interessen. Unsere Angebote richten sich an Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und deren Eltern und Angehörige in jeder Altersstufe und in jeder Lebensphase. Alle Menschen in der Lebenshilfe Niederösterreich arbeiten gemeinsam mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung im Rahmen einer inklusiven Gesellschaft im Interesse für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Die Arbeit vollzieht sich im gemeinsamen Austausch zwischen KlientInnen, Angehörigen und MitarbeiterInnen. Die Arbeit an den Zielen und Herausforderungen ist geprägt von Verbindlichkeit, Vertrauen, Transparenz, Mitbestimmung, Kooperation und der Tatsache, individuelle Werte und Ziele im Konfliktfall hintanstellen zu müssen, um eine innovative Kraft für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung zu bleiben. Unsere Zielgruppe Die Zielgruppe der Lebenshilfe Niederösterreich umfasst Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und deren Angehörige. Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung brauchen ganz unterschiedliche Unterstützungen. Die Lebenshilfe Niederösterreich bietet viele verschiedene Unterstützungen an und stellt entsprechende Angebote für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung zur Verfügung. Unsere Werte Jeder Mensch hat Würde und die gleichen Rechte. Dies ist unabhängig davon, ob eine Beeinträchtigung vorliegt oder nicht und ebenso unabhängig von Kultur, Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung oder Herkunft. Menschenrecht und Menschenwürde stehen im Mittelpunkt unseres Handelns. Jeder Mensch hat das Recht, mit Respekt und Achtung behandelt zu werden. Wir sind der Meinung, dass Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung genauso viel wert sind, wie alle anderen Menschen. Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung haben das Recht, ein Leben entsprechend ihren Wünschen und Zielen zu führen. Wir respektieren dabei die Selbstständigkeit, Eigenständigkeit und Einzigartigkeit der Person und unterstützen sie bei der dazu notwendigen Entscheidungsfindung. Unser Blick liegt dabei in erster Linie auf der Förderung von Fähigkeiten und Stärken der einzelnen Person. Jeder Mensch ist einzigartig. Aber jeder Mensch ist auch ein Teil der Gesellschaft. Jeder Mensch ist prinzipiell unabhängig und eigenständig in seinem Fühlen, Denken und Handeln. Gleichzeitig ist er mit seiner Umwelt in ständigem Austausch und deshalb auf eine positive menschliche und materielle Umwelt angewiesen. Wir beziehen dies in unser Handeln mit ein und setzen uns mit den eigenen Denk- und Handlungsweisen kritisch auseinander. Unsere Ziele Jeder Mensch hat das Recht, ohne Einschränkungen am Leben teilzunehmen. Das nennt man Inklusion. Wir setzen gemeinsam Schritte, um Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung ein inklusives Leben in der Gesellschaft möglich zu machen. Wir nehmen interne Barrieren wahr, versuchen diese zu überwinden und öffnen unsere Organisation nach außen. Wir machen auf externe Barrieren aufmerksam und sensibilisieren die Gesellschaft für die Interessen, Bedürfnisse und Anliegen von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Unsere Angebote sind abgestimmt auf die Bedürfnisse von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und umfassen etwa Angebote im Bereich Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Beratung und Qualifikation. Um diesem Ziel gerecht zu werden, schaffen wir Möglichkeiten der Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Mitentscheidung auf allen Ebenen der Lebenshilfe Niederösterreich. Die individuelle Lebensqualität des Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung steht im Mittelpunkt. Die Lebenshilfe Niederösterreich unterstützt Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in ihrer Selbstbestimmung und Unabhängigkeit gemäß der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Wir begleiten Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung bei eine selbstbestimmten Leben, unterstützen dabei auch die Angehörigen und entwickeln Strategien, um die soziale Verantwortung der Gesellschaft zu erhöhen. Dies geschieht durch eine offensive Öffentlichkeitsarbeit und ein politisches Eintreten für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Wir ermöglichen die individuelle Lebensführung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und unterstützen den Prozess für die Selbstentscheidung und für die Entwicklung eigener Lebensziele. Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung dürfen nicht aufgrund von Schutzmaßnahmen in ihrer Selbstbestimmtheit und Selbständigkeit eingeschränkt werden. Dieses Prinzip tritt nur dann in den Hintergrund, wenn die Sicherheit oder Gesundheit der Person selbst oder anderer bedroht ist. Die Lebenshilfe Niederösterreich ist ein verlässlicher Lebensbegleiter von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Die Lebenshilfe Niederösterreich anerkennt die zentrale Bedeutung der Beziehungen zwischen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und deren Angehörigen, die einen wichtigen Bestandteil der sozialen Umgebung des Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung darstellt. Die Zusammenarbeit mit Angehörigen ist geprägt von gegenseitigem Respekt, Einfühlungsvermögen und Lösungsorientiertheit. Unter Wahrung des Rechtes auf Selbstbestimmung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung wird auf eine gute Kooperation zwischen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, ihren Angehörigen und den MitarbeiterInnen der Lebenshilfe Niederösterreich geachtet. Die Lebenshilfe Niederösterreich bietet den Angehörigen von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung Beratung, Information und Hilfestellung an. Die Lebenshilfe Niederösterreich sichert die Qualität der Begleitung an bedürfnis- und zukunftsorientierten Angeboten für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Somit ist gewährleistet, dass sich die Angebotsgestaltung am Bedarf von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung orientiert. Instrumente, welche den Bedarf und die Zufriedenheit von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung messen, werden uns hierbei unterstützen. Auf Basis bisheriger Erfahrungen, neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie im kontinuierlichen Austausch mit anderen Organisationen, ExpertInnen, MitarbeiterInnen und dem Gemeinwesen entwickeln wir die Lebenshilfe Niederösterreich kontinuierlich weiter. Die Qualität wird anhand von Standards und laufender Evaluierung sichergestellt. Bei allen Menschen, die für die Lebenshilfe Niederösterreich arbeiten, wird auf ein hohes Maß an Ausbildung und Qualifikation geachtet. Um unsere Aufgabe in der Zukunft erfüllen zu können, ist Fort- und Weiterbildung verpflichtend. Die Lebenshilfe Niederösterreich verpflichtet sich, die ihr anvertrauten Mittel angemessen, sparsam und überprüfbar einzusetzen. Unsere Zukunft Die Vielfalt und die Individualität von Menschen stellen für die Gesellschaft einen Reichtum dar. Diese fördern wir und versuchen, die Idee der Vielfalt gesellschaftlich im Sinne der Inklusion zu verankern und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu fordern. Die Kooperation mit Forschung und Lehre dient der wissenschaftlichen Fundierung unserer Dienstleistungen und der qualitätsvollen (Aus-) Bildung der Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung sowie der Fort- und Weiterbildung im Sinne der UN-Konvention für alle Anspruchsgruppen. Dieses Leitbild wurde im demokratischen Zusammenwirken auf breiter Basis von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, ihren Angehörigen und MitarbeiterInnen der Lebenshilfe Niederösterreich gemeinsam erarbeitet. Dieses Leitbild ist verbindlich für alle, die mit der Lebenshilfe Niederösterreich arbeiten. Wörterbuch Leitbild: Das Leitbild ist die Visitenkarte einer Organisation. Es zeigt, welche Werte eine Organisation auszeichnen. Das Leitbild beantwortet im Prinzip folgende drei Fragen nach innen und nach außen: Wer sind wir? Was wollen/sollen wir? Wohin soll es gehen? Lebensqualität: „Lebensqualität ist die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertesystemen in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen“ (WHO, 1993). Inklusion: Inklusion bedeutet, dass alle Menschen in unserer Gesellschaft grundsätzlich gleichberechtigt leben. Jeder Mensch hat Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe entsprechend seinen Fähigkeiten und ist ein wertgeschätzter Teil der Gesellschaft. So bedeutet Inklusion auch, dass es im Leben keinen Unterschied macht, ob jemand eine Beeinträchtigung hat oder nicht. Unterschiede sind ganz normal. Vielfalt ist willkommen. Das gilt für alle Menschen. UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung Die UNO ist ein Zusammenschluss von fast allen Ländern der Welt. Die deutsche Bezeichnung für UNO ist Organisation der „Vereinten Nationen“. Die UNO ist zum Beispiel dafür da, dass alle Länder die Menschenrechte einhalten. Die UNO hat einen Vertrag gemacht, bei dem es um die Rechte von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung geht. In diesem Vertrag steht zum Beispiel, dass die Menschenrechte und Freiheiten von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung geschützt und eingehalten werden müssen. Dieser Vertrag heißt UN-Konvention über die Rechte für Menschen mit Behinderungen. Die Lebenshilfe Niederösterreich unterstützt diese UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen. Barrierefreiheit: Die UN-Konvention gibt folgendes Verständnis von Barrierefreiheit vor: 1) soziale Barrierefreiheit: Vorurteilen und Stigmata von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung muss aktiv begegnet werden. 2) kommunikative Barrierefreiheit: Kommunikation soll durch technische Hilfsmittel, DolmetscherInnen ermöglicht werden bzw. Texte müssen in "Leicht Lesen" erstellt sein. 3) ökonomische Barrierefreiheit: Finanzielle Unterstützungen für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, die armutsgefährdet sind, müssen möglich sein. 4) bauliche Barrierefreiheit: Gebäude müssen adaptiert werden, um allen Menschen Zugangsmöglichkeiten zu schaffen. Intellektuelle Beeinträchtigung Die Lebenshilfe Niederösterreich versteht unter intellektueller Beeinträchtigung nicht nur die persönlichen Beeinträchtigungen sondern auch die Kombination mit den dadurch entstehenden sozialen Barrieren. Um die intellektuelle Beeinträchtigung von ähnlichen Beeinträchtigungen, wie z.B. Altersdemenz oder die Folgen von traumatischen Gehirnverletzungen, abzugrenzen, wird die Beeinträchtigung mit dem Beginn vor dem Erwachsenenalter definiert (Vergleiche Weber&Rojahn 2009). Der Begriff „Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung“ schließt auch Menschen mit mehrfacher Behinderung ein. Menschen, die ausschließlich eine Sinnes- oder Körperbehinderung oder eine psychische Erkrankung haben, zählen nicht zu unserer Zielgruppe.