weiter.... - kochen im Altenheim

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Viel zu oft gilt es als etwas Lästiges, etwas, das man halt wohl
oder übel machen muss.
Ich kann mich noch an meinen ersten Tag in der Küche eines
Altenheims erinnern. Als ich die pürierten Bestandteile der
Mahlzeit sah, dachte ich nur: „Ach, die Armen!“
Als Beilage gab es Kartoffelpüree, was sich in den nächsten 12
Jahren nicht mehr ändern sollte.
Die „Trilogie“ auf dem Teller, von uns etwas respektlos „Alete
Trio“ genannt, machte den optischen Eindruck auch nicht
besser.
Wenn ich schon so dachte, wie würden dann erst die
bedauernswerten Bewohner denken, denen wir solch ein
„Essen“ vorsetzten? Gar nicht zu reden von Angehörigen, die
dies zu sehen bekämen.
Aber mein Ausbilder nahm mich nach der Essensausgabe mit
in den Wohnbereich und wir besuchten eine Bewohnerin, der
gerade das pürierte Essen zugereicht wurde.
Sie war geistig noch rege, aber auf Grund eines Schlaganfalls
vor einiger Zeit war sie nicht mehr in der Lage, selbstständig
zu essen, sowohl das Kauen wie auch das Schlucken fielen ihr
unendlich schwer.
Deshalb nütze es ihr wenig, wenn wir die Optik ihres Essens
bedauerten, für sie war es erst mal wichtig, es überhaupt
schlucken zu können. Der Geschmack sollte natürlich auch
vorhanden sein und vor allem, sie wollte wissen, was sie
bekommt und dann den erwarteten Geschmack auch
vorfinden. Der beliebte Ausspruch „das Auge isst mit“ ist hier
eher zweitrangig, abgesehen davon, dass ein pürierter
Rotkohl oder ein Rinderbraten natürlich auch die gewohnte
Farbe haben sollten wenn schon das Aussehen durch die
veränderte Konsistenz leidet. Danach geht es aber zuerst um
die „Essbarkeit“ Die üblichen 3 Komponenten werden leider
von den ewig unter Zeitdruck stehenden Pflegekräften meist
vor dem Zureichen mit dem Löffel zusammengerührt und
dann heißt es „Happa, happa!“
Dies sollte uns aber nicht davon abhalten, alles in unserer
Macht stehende zu tun, um auch solchen Bewohnern das
bestmögliche zu geben, Geschmack, Nährwert, Optik und
trotzdem leicht zu essen.
Wir sind die Köche und geben unser bestes, wenn die Pflege
dann nicht mitspielt ist das traurig. Aber wenn sie sehen, dass
wir uns Mühe geben dann tun sie es bestimmt auch!
Ich muss gestehen, auch ich bin oft der Versuchung erlegen,
z.B. das Gulasch von gestern in den Cutter zu hauen, ging
schnell, schmeckte und war gut für den Wareneinsatz, bloß
nichts verkommen lassen!
Doch der Bewohner mit Schluckstörungen bezahlt dasselbe
Geld wie alle anderen. Er hat sowieso schon die A…Karte mit
seinen ganzen Einschränkungen. Da sollten wir uns auch
genauso viel Mühe geben, ihm ein wohlschmeckendes Essen
zu liefern und zwar das, was auch die anderen bekommen.
Die meisten bekommen ja mit, was es an dem Tag zu essen
gibt und merken das sofort, wenn das pürierte Fleisch eine
andere Farbe hat, vom Geschmack gar nicht zu reden und
fühlen sich betrogen.
Auch in der meist angespannten Personalsituation gibt es
u.U. unkonventionelle Möglichkeiten, das „Passierte“ mit
Liebe zuzubereiten und gefällig anzurichten. Vielleicht hat
man eine/n Auszubildende/n, Praktikant/in oder eine
Küchenhilfe, die sonst nur Hilfsarbeiten macht. Sie werden
sich freuen, mal alleinverantwortlich Essen „kochen“ zu
dürfen und sich darum besonders viel Mühe geben
Unbedingt vermeiden sollte man das Warmhalten in der BainMarie. Wenn man nicht ohnehin mit cook&chill arbeitet,
sollte man das wenigstens in diesem Fall machen. Das ewige
Kartoffelpüree kann man z.B. auch nur mit durchgepressten
Salzkartoffeln ohne Milch etc. ersetzen und einem Löffel
Nocken formen, die echten Salzkartoffeln ähnlich sehen. Kein
großer Aufwand, aber näher dran an der Wirklichkeit. Durch
den gegenwertigen Hype, den die molekulare Küche in der
Gastronomie durchmacht, gibt es auch zahlreiche
„Mittelchen“ um Püriertes kompakter zu machen, ev. zu
gelieren und in gefällige Form zu bringen. Besonders die
Formen von Pürform sind dazu geeignet. Gemüse sollte man
separat kurz(!) kochen, schnell abkühlen und danach
pürieren. So behält es seine Farbe.
Gibt es für Normalkost Nudeln, kann man zumindest für
einen Teil der Pürierten Kost Buchstabennudeln weich
kochen, oft wird dies gegessen. Österreicher haben es noch
besser, da gibt es die „Gerstl“, ital. Orzo, geht auch als „Reis“
durch, rutscht aber besser.
Auch das Fleisch kann man in gefällige Form bringen, ruhig
etwas kompakter binden und zum besseren „Rutschen“
etwas gebundene Jus beigeben.
Bei aller Motivation, für „Passiertes“ genau das gleiche Essen
wie für Normalkost zu geben, darf man aber auch nicht übers
Ziel hinausschießen. Eine Ananas oder frischer Spargel zum
Beispiel kann man pürieren so viel man will, es bleibt immer
faserig. Da hab ich dann schon mal ein mittlerweile überall
erhältliches Fruchtpüree auf Apfelbasis mit zahlreichen
Fruchtsorten aufgepeppt, in der Hinterhand. Und aus
Spargelsud mache ich einen Pudding, mit Hollandaise
abgeschmeckt, der schmeckt und hat mehr Nährwert als der
Spargel selbst. Also nur Mut, die Pflege und vor allem der
Bewohner wird es euch danken!
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