Angeln und Sachsen in England

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Nordische
Mythologie
Geschrieben von: Tor Åge Bringsværd
Am Anfang waren Kälte und Hitze
Der Weg nach Norden Norway, Norwegen, Norge wurde immer als schwer zu finden betrachtet, beschwerlich zu
gehen und gepflastert mit unsäglichen Gefahren. Für die Schriftsteller der Antike war Norwegen ein Märchenland
Ultima Thule, bevölkert von wilden Barbaren und voll von merkwürdigen und phantastischen Wesen.
Von Tor Åge Bringsværd
Der Grieche Pytheas erzählt (im 4. Jahrhundert v.Chr.) von einem Ort, an dem die Naturgesetze nicht zu gelten
scheinen, wo Erde und Wasser sich vermischen, und wo alles frei herumzuschweben scheint. Und der berühmte
Historiker Herodot klagt, es sei eigentlich gänzlich unmöglich, irgendetwas von diesen nördlichen Gegenden zu
beschreiben, weil man ganz einfach seine Hand nicht vor Augen sehe. Das liege an all den weißen Federn, die
einem ununterbrochen ins Gesicht flögen, sagt er; die Luft sei voll von solchen weißen Federn, und sie lägen wie
ein dichter Teppich auf dem Erdboden. Vermutlich müssen wir diese Aussage als den ein wenig mißglückten
Versuch eines Südländers deuten, einen Schneesturm zu schildern... Es stimmt jedoch: Norwegen hat immer schon
mehr als genug Eis und Schnee gehabt. Ein großer Teil des Landes liegt nördlich des Polarkreises. Und obwohl sich
das Eis schon vor langer Zeit aus unseren Gegenden zurückgezogen hat, dauerte die Eiszeit in Norwegen länger als
an den meisten anderen Orten der Welt.
Auch das sogenannte "Heidentum" hielt sich hier im Norden länger als andernorts. Während das übrige Europa
bereits seit tausend Jahren christianisiert war, beteten wir hier oben weiterhin unsere alten "heidnischen" Götter an.
Wikinger wurden sie genannt, die alten Norweger, die um das Jahr 1000 Europas Küsten unsicher machten und
Schrecken und Grauen bis nach London und Paris und weit ins Mittelmeergebiet verbreiteten, die wilden und
gnadenlosen "Barbaren", die nicht gerade einen großen Bogen machten, um Kirchen und Klöster zu plündern... War
ihnen denn nichts heilig? Was glaubten sie selbst, diese blonden Seeräuber?
In diesem kurzen Artikel wird versucht, einen Umriß von der alten nordischen Mythologie zu zeichnen so wie wir
sie aus der Lieder-Edda kennen der mächtigen Götterdichtung, die vor tausend Jahren entstand (niemand weiß, von
wem), und die in isländischen Pergamenthandschriften aus dem 13. Jahrhundert erhalten ist.
Haben diese alten Erzählungen auch für uns heute noch Bedeutung?
Mythen und Märchen werden nie inaktuell. Sie handeln nämlich nicht nur von "damals" und "zu der Zeit". Genauso
gut können sie von "jedesmal" und "zu allen Zeiten" berichten. Und die nordische Mythologie gehört - meiner
Meinung nach - ganz einfach zu den spannendsten, originalsten und den am stärksten zum Nachdenken
zwingenden Versuchen, die es überhaupt gibt, unsere innere und äußere Wirklichkeit zu beschreiben mit Worten
und poetischen Bildern Leben und Dasein einzufangen.
Wie entstand die Welt?
Am Anfang waren Kälte und Hitze. Auf der einen Seite die Gegend Niflheim (Nebelheim) mit Frost und Nebel. Auf
der anderen Seite Muspellsheim, ein Meer von lodernden Flammen. Zwischen ihnen war nichts. Nur eine große,
gähnende Schlucht, Ginnungagap. Hier in dieser gewaltigen Leere mitten zwischen Licht und Dunkel sollte alles
Leben seinen Anfang nehmen. In der Begegnung zwischen Eis und Feuer... Denn langsam begann der Schnee zu
schmelzen, und geformt von der Kälte, aber von der Hitze zum Leben erweckt, entstand ein seltsames Wesen der
Frostriese Ymir. Ein größerer Riese hat nie gelebt.
Da, wo das Eis schmolz, formten die Tropfen auch ein anderes Wesen eins mit Euter und Hörnern, eine riesige
Kuh. Sie hieß Audhumla. Ihre überreichliche Milch floß in mächtigen Strömen aus ihren gewaltigen Zitzen. Auf
diese Weise fand Ymir Nahrung. Aber wovon nährte sich die Kuh? Sie beleckte die in ihrer und des Riesen
Umgebung umherliegenden Eisblöcke, die salzig waren. Dann aber geschah etwas Merkwürdiges: Als sie die Blöcke
beleckte, kam aus einem von ihnen plötzlich langes Menschenhaar hervor! Am nächsten Tag kamen ein Kopf mit
einem Gesicht hervor! Und am dritten Tag legte sie beim Lecken den ganzen Körper frei... Es war ein Mann. Er war
hochgewachsen und schön. Buri war sein Name - und von ihm stammen die Götter ab, die wir Asen nennen.
Der Riese Ymir bekam Kinder mit sich selbst. Als er schlief, fing er an zu schwitzen... und da wuchs ihm unter
seinem linken Arm Mann und Weib. Ymirs Beine wollten seinen Armen offensichtlich in nichts nachstehen... seine
Füße paarten sich, und ein Sohn mit sechs Köpfen wurde geboren. Das ist der Ursprung der Geschlechter der
Hrimthursen, die wir Trolle und Riesen nennen können, die wir jedoch auch unter dem Namen Jöten kennen.
Den verschiedenen Geschöpfen muß es lange gelungen sein, in Frieden miteinander zu leben. Sie bekamen
jedenfalls Kinder miteinander... Odin er, der später aller Götter Oberhaupt wurde ist der Sohn der Riesen-Tochter
Bestla und von Bur, dem Sohn von Buri. Es wimmelt sozusagen von Jöten. Und eines Tages üben Odin und seine
Brüder Wili und We den Aufstand gegen Ymir und sein Geschlecht. Es kommt zu einem schweren Kampf; Odin
und seine Brüder aber siegen. Sie töten Ymir und aus seinen Wunden ergießen sich Ströme von Blut über die
Feinde der Asen, in denen sie nahezu alle ertrinken... alle, bis auf zwei. Von diesem Riesen-Paar, das in die
Nebelwelt flüchtet und sich dort versteckt, stammen alle späteren Hrimthursen-Geschlechter ab... Auch Audhumla
die erste Kuh muß über die Kante in den Abgrund hinuntergespült worden sein, denn nach diesem Blutbad hat nie
wieder jemand von ihr gehört oder sie gar gesehen...
Die Asen schleppen den toten Ymir bis in die Mitte der Schlucht Ginnungagap in die große Leere. Dort legen sie
ihn wie einen Deckel über den Abgrund.
Hier erschaffen sie die Welt - aus der Leiche des Riesen.
Sein Blut wird zum Meer. Sein Fleisch zur Erde. Seine Gebeine werden zu Gebirgen und Klippen. Die Zähne und
zersplitterte Knochenreste werden zu Steinen und Geröll. Die Haare zu Bäumen und Gras. Sein Gehirn werfen die
Götter hoch in die Luft. Auf diese Weise entstehen die Wolken. Und der Himmel? Er entsteht aus seiner
Schädeldecke..., die sie wie ein Gewölbe, eine Kuppel über alles Erschaffene stülpen. Danach fangen die Götter
Funken aus dem heißen Muspellsheim ein und setzen sie an den Himmel. Dort hängen sie jetzt und funkeln. Auf
der Innenseite dessen, was einst des Riesen Ymir Schädel war... So wurden die Sterne erschaffen.
Aus Ymirs Leiche kriechen kleine Würmer. Sie sind der Ursprung der Zwerge, der Unterirdischen, die in Grotten
und Höhlen leben. Die Asen wählen vier von ihnen, die das Himmelsgewölbe tragen, die vier Ecken der Welt
bewachen sollen. Diese Zwerge heißen: Osten, Westen, Norden und Süden.
So bekommt alles Ziel und Sinn.
Wie wurde der Mensch erschaffen?
Als Odin und seine Brüder Wili und We einmal am Meeresstrand entlanggehen, finden sie zwei an Land gespülte
Baumstämme.
Sie nehmen die Stämme und schaffen Menschen daraus.
Odin ist es, der ihnen Leben einhaucht, so daß sie selbst atmen und leben können. Wili gibt ihnen Verstand und
Bewegung. We gibt ihnen Antlitz, Sprache, Gehör und Gesicht. Sie geben ihnen Wärme und Farbe.
Jetzt sind die Stämme kein Treibholz mehr; sie sind Mann und Frau.
Die Asen geben dem Mann den Namen Ask ("Esche") und der Frau den Namen Embla (vielleicht "Ulme" oder
"Rebe"). Von ihnen stammen alle Menschen ab.
Wie entstand die Zeit?
Am Anfang gab es keine Zeit. Alles steht seltsam still.
Aber die Asen geben der Riesen-Frau Nacht und ihrem Sohn Tag jeweils ein Pferd und einen Wagen - und setzen
sie an den Himmel, so daß sie jeden Tag und jede Nacht um die Welt fahren können. Nacht fährt vorweg. Ihr Pferd
heißt Rimfakse. Es hat Rauhreif in der Mähne, und der Tau, der sich jeden Morgen auf Felder und Wiesen senkt,
sind Schaumtropfen aus seinem Zaumzeug. Hinter ihr fährt ihr Sohn Tag. Sein Pferd heißt Skinfakse, denn aus der
Mähne des Pferdes strahlt und leuchtet es...
Auch die Sonne ist jetzt erschaffen aus Funken aus Muspellsheim, und der Mond hat seine richtige Bahn
bekommen. Auch ihnen hat man je ihren Himmelswagen gegeben. Zwei Kinder haben die Aufgabe, darauf zu
achten, daß Sonne und Mond nicht von ihren Wagen fallen und die schnellen Pferde zu lenken. Und hier ist
Tempo die Devise! Zwei riesige Wölfe sind ihnen ständig auf den Fersen; sie schnappen nach der Sonne, dem Mond
und wollen sie verschlingen! Irgendwann ... irgendwann einmal wird es ihnen vielleicht gelingen...
Man sagt, die Welt ist rund?
Sie ist rund - aber nicht wie ein Apfel oder ein Ball. Die Welt hat die Form eines Kreises... eine dünne, flache
Scheibe, wie abgeschnitten vom Ende eines Stücks Holz.
Wo in der Welt wohnen die Asen - und wo wohnen wir?
Am Anfang war alles Urwald und Einöde. Aber die Asen glichen Pionieren. Sie schufen Lebensraum für sich selbst
und uns. Midgard nannten sie die Wohnstätte der Menschen, da sie mitten in der Welt liegt. Und im Zentrum von
Midgard bauten die Götter damit die Menschen sich nicht allein und verlassen fühlen sollten für sich selbst einen
gewaltigen Wohnsitz: Asgard eine mächtige Götterburg, beschützt von dicken Mauern. Um dorthin zu gelangen,
muß man über den Regenbogen reiten eine Brücke aus loderndem Feuer. Auch um Midgard herum wurde ein
Schutzwall angelegt - denn draußen, im Wilden und Unbekannten, herrschen Dunkelheit und unheimliche Kräfte.
Hier in Utgard und Riesenheim (Jötunheim) wohnen Riesen (Jöten) und Trolle. So hat alles seine Ordnung wie die
Jahresringe eines Baums. Und ganz weit draußen an allen Kanten wogt das große Weltmeer.
Aber gibt es nicht auch Zwerge und Elfen auf der Welt?
Und ob! Aber auch Zwerge und Elfen haben ihre Wohnstätte. Die Zwerge hausen gewöhnlich in Felswänden und
zwischen Felsblöcken, häufig auch im Innern der Erde. An versteckten Orten in Midgard und Utgard. Sie sind
tüchtige Schmiede, wobei man ihnen jedoch nie ganz trauen kann... Die Elfen demgegenüber sind sowohl Göttern
als Menschen freundlich gesinnt. Alfenheim wird ihr Land genannt. Einige meinen, Alfenheim liege innerhalb der
Mauern von Asgard; andere meinen, es sei in Midgard zu finden. Über Zwerge und Elfen herrscht große
Unsicherheit. Einige meinen sogar, sie gehören zu ein und demselben Geschlecht und sollten "Lichtalfen" und
"Schwarzalfen" genannt werden. Einst gab es noch ein anderes Göttergeschlecht als die Asen Wanen wurden sie
genannt. Sie wohnten in Wanaheim. Ihre Burg aber wurde dem Erdboden gleichgemacht, und kein Mensch weiß
heute mehr, wo dieser Ort liegt...
Hat die Welt ein Zentrum?
Mitten in Midgard liegt Asgard - und mitten in Asgard haben die Götter einen "Hofbaum" gepflanzt, eine riesige
Esche, genannt Yggdrasil. Eine ihrer Wurzeln liegt in Asgard, eine weitere in Riesenheim und eine dritte in
Niflheim. Ihre Zweige ragen so weit, daß sie die ganze Welt überschatten. Yggdrasil ist das Zentrum der Welt und
solange der Baum grün ist und fruchtbar und neue Triebe trägt so lange wird die Welt bestehen.
Wer kennt das Schicksal; wer kann Kommendes voraussehen?
In unmittelbarer Nähe einer Quelle in Asgard leben drei Schicksalsgöttinnen - Urd, Werdandi und Skuld. Sie
werden Nornen genannt. Die Nornen kennen das Schicksal eines jeden lebenden Wesens, und sie wissen, wie es
einem jeden ergehen wird. Manche meinen, es gebe mehr Nornen als diese, unter Elfen und Zwergen. Auch unter
den Menschen gebe es Frauen, die mehr sehen als andere. Eine solche Seherin oder Sibylle wird Wölva genannt.
Der Name bedeutet "Stabträgerin". Ihr Stab ist Symbol für ihre übernatürlichen Kräfte. In Trance kann sie mit der
Geisterwelt Verbindung aufnehmen. Sie kennt zahlreiche wirkungsvolle Zauberlieder.
Wie heißen die wichtigsten Götter?
Odin ist der wichtigste unter den Asen. Er ist weise und des Zauberns mächtig; er ist der König der Götter. Der
Mittwoch ist sein Tag (norw. onsdag - Odins Tag). Seine Frau heißt Frigg, und ihr Tag ist der Freitag (norw. fredag Friggs Tag). Sein Pferd heißt Sleipnir. Es hat acht Beine. Odin besitzt zwei Raben - Huginn und Muninn. Jeden
Morgen fliegen sie über die Welt, um zu sehen und zu hören, und am Abend kommen sie heim, um Odin alle
Neuigkeiten zuzutragen. Sein Speer heißt Gungnir; er trifft jedes Ziel. Von Odins Ring - Draupnir (Träufler) tropfen jede neunte Nacht acht gleich prachtvolle Ringe ab. Odin hat nur ein Auge, das zweite verpfändete er einst
in seiner Jugend an den Riesen Mimir, um aus der wunderbaren Quelle der Weisheit trinken zu dürfen, die Mimir
bewachte. (Bei einer späteren Gelegenheit wurde Mimir enthauptet; Odin aber fand das blutige Haupt des Riesen
und salbte es mit heilenden Kräutern. Die Augen öffneten sich sofort, und der Mund konnte wieder Worte formen.
Seitdem war Mimirs Kopf einer der besten Berater Odins...)
Odins Sohn Thor ist der zweitmächtigste der Götter. Der Donnerstag (norw. torsdag Thors Tag) ist sein Tag. Thor
ist stark und hitzig - und geht nie der Möglichkeit aus dem Weg, mit Riesen oder Trollen einen Kampf
auszufechten. Obwohl Tyr (norw. tirsdag Tyrs Tag) ihn vielleicht an Mut übertrifft, gibt es auf der ganzen Welt
niemanden, der so stark wäre wie Thor. Und sein Hammer Mjöllnir ist die gefährlichste Waffe im Himmel und auf
Erden. Thor kann ihn so klein oder so groß machen, wie es ihm gefällt. Wirft er den Hammer, trifft dieser alles, was
der Gott anvisiert und kehrt immer in seine Hand zurück. Wenn Thor sich auf Reisen begibt, spannt er Böcke statt
Pferde vor seinen Wagen. Selbst wenn die Böcke am Abend geschlachtet werden, sind sie am nächsten Morgen
wieder quicklebendig vorausgesetzt, man achtet genau darauf, beim Essen keinen einzigen ihrer Knochen zu
brechen und alle Reste zu sammeln und sie nach Beendigung der Mahlzeit wieder fein säuberlich in ihr Fell
zurückzulegen. Wenn Thors Wagen am Firmament entlangfährt, haben wir Gewitter (Thor = Donar = Donner). Sif
heißt seine Frau. Ihr Haar ist aus Gold, und von allen Asinnen, den nordischen Göttinnen, ist es nur die Liebesgöttin
Freyja, die schöner ist. Sie ist es auch, die die Asen das Zaubern lehrte. Sie besitzt ein magisches Falkengewand, dank
dessen sie sich jederzeit in den Raubvogel verwandeln kann; und auf Ausfahrten läßt sie ihren Wagen mit Vorliebe
von einer Meute Katzen ziehen. Jeder, der in Herzensangelegenheiten Rat und Trost sucht, wendet sich an Freyja,
aber sie kann nicht helfen, hat die Liebesgöttin selbst doch einen für Zeit und Ewigkeit währenden Liebeskummer!
Ihr eigener Ehemann hat sie verlassen und ist seiner Wege gegangen (niemand weiß, wohin). Freyja weint oft
bittere Tränen um ihn, und jedesmal sind ihre Tränen aus reinstem Gold... Freyjas Bruder heißt Frey. Der Name
bedeutet "der Herr" oder "der Vornehmste". Er ist der Gott der Fruchtbarkeit. Eigentlich stammen sowohl er als
auch Freyja aus dem Geschlecht der Wanen (das heißt, sie gehören zu den Göttern, mit denen die Asen einst am
Anfang aller Zeiten um die Weltherrschaft kämpften). Das Geschwisterpaar kam ursprünglich, zusammen mit
seinem alten Vater, als Geiseln zu den Asen... Frey besitzt den phantastischen Eber mit den goldenen Borsten,
Gullinborsti - das Schwein, das sich zu Lande, zu Wasser und in der Luft gleich gut bewegen kann! Und er besitzt
das magische Schiff Skidbladnir, das immer nur in achterlichem Wind segelt und das man nach Verwendung wie
ein Tischtuch zusammenfalten und in einen Beutel stecken kann. Bei den Göttern in Asgard gibt es zahlreiche
andere herrliche Schätze; am kostbarsten sind die magischen Äpfel, die die Göttin Idun hütet - die Äpfel der ewigen
Jugend, von denen die Götter hin und wieder ein Stück essen müssen, um nicht alt und gebrechlich zu werden.
Odin hat viele Söhne. Es hat keinen Sinn, sie alle zu nennen. An Heimdall kommen wir jedoch nicht vorbei. Er
wurde vor Urzeiten auf wunderbare Weise von neun (!) Riesen-Mädchen geboren und ist der Wächter der Götter.
Er wohnt am Himmelsberg und bewacht die nach Asgard führende Regenbogenbrücke Bifröst. Heimdall braucht
weniger Schlaf als ein Vogel; er sieht nachts ebenso gut wie am Tage und kann das Gras wachsen hören... Heimdall
besitzt das Horn Gjallarhorn, in das er am letzten Tag blasen soll, um die Asen zum letzten großen Kampf gegen
Trolle und dunkle Mächte zu den Waffen zu rufen.
Balder ist der Sohn von Odin und Frigg. Er ist bekannt für seine Freundlichkeit, Milde und Klugheit. Balder hat
schlechte Träume und fürchtet sich davor, zu sterben; aber dank seiner Mutter die mächtigste aller Göttinnen von
Asgard schwören alle belebten Wesen und unbelebten Dinge, daß sie ihm niemals etwas antun werden. In Asgard
vergnügen sich die Götter nun damit, spielerisch auf Balder zu schießen, da er ja weder getötet noch verwundet
werden kann. Frigg jedoch hatte vergessen, den Mistelzweig zu befragen ihrer Meinung nach war er zu klein und
unansehnlich. Das kommt dem Intriganten Loki zu Ohren, und mit List stachelt er den blinden Höd dazu an, Balder
zu erschießen. Die Asen senden berittene Boten ins Totenreich, damit sie um Balders Rückkehr bitten. Hel, die
Königin des Totenreichs sagt, wenn die ganze Welt um Balder weine, solle er wieder lebendig werden. Und alle
Dinge und alle Wesen selbst Steine und Bäume versuchen (vergeblich), den Toten ins Leben zurückzuweinen.
Wer sind Götter und dabei Feinde der Menschen?
Man kann sie Hrimthursen oder Trolle und Riesen (Jöten) nennen. Sie wohnen in Utgard und Riesenheim
(Jötunheim) - in der Einöde und im rauhen Gebirge. Sie sind die Chaoskräfte, häufig große und starke Kerle. Der
einzige unter den Asen, der ihnen wirklich gewachsen ist, ist der Donnergott Thor. Die Riesen aber sind wie
niemand sonst der Zauberkünste mächtig. Einmal zum Beispiel schufen sie aus Lehm einen mächtigen Raufbold ein
künstliches lebendes Wesen mit furchterregendem Aussehen neunzig Meilen groß und mit dreißig Meilen
Brustumfang! Die Jötun-Frauen werden Riesinnen genannt. Ihre Reittiere sind Wölfe, deren Zaumzeug aus
Kreuzottern besteht. Sie können häßlich sein wie die Nacht und echte Monstren, aber sie können auch unglaublich
schön sein... und so herrlich, daß selbst Odin sich mehr als einmal zur Brautwerbung und wilden Liebesabenteuern
hat verlocken lassen.
Eigentlich aber sind wohl Loki und seine Kinder weit gefährlicher?
Loki ist der Unruhestifter und Intrigant. Ursprünglich ein Riese, hat er jedoch in jungen Jahren sein Blut mit dem
Odins vermischt und wurde deshalb in den Kreis der Asen aufgenommen.
Loki ist ein Spaßvogel, mit dem es am Ende jedoch aus und vorbei ist. Er verrät die Asen und ist die Ursache für
Balders Tod. Dafür wird er bestraft, indem er gefesselt wird - mit einer Schlange über sich, die giftigen und ätzenden
Eiter auf sein Gesicht tröpfelt. Seine Frau Sigyn demgegenüber ist treu. Geduldig steht sie neben ihm, eine große
Schüssel haltend, die den tödlichen Eiter auffangen soll. Ab und zu aber muß sie sich entfernen, um die Schüssel zu
leeren. Dann tropft der Eiter direkt auf Lokis Gesicht, und er schüttelt den Kopf so stark, daß die ganze Erde bebt.
Das ist es, was man Erdbeben nennt. Loki hat Kinder in Asgard. Außerdem aber hat er andere und dabei seltsamere
Sprößlinge. Mit der Riesin Angrboda ist er Vater des Fenriswolfs, der Midgardschlange Jörmundgand und der Hel,
der Göttin des Totenreichs. Und mit dem Hengst Swadilfari wurde er Mutter (!) des Pferdes Sleipnir.
Der Fenriswolf ist ein regelrechtes Monstrum von einem Wolf. Er wuchs in Asgard auf, wurde aber sehr bald
riesengroß, wild und wahnsinnig, so daß nur der Gott Tyr es wagte, ihm Futter zu geben. Den Asen gelang es, die
Zwerge zu beauftragen, gleichsam in Maßarbeit eine Fessel herzustellen, wobei sechs Bestandteile Verwendung
finden sollten: der Schall des Katzentritts, der Bart der Frauen, die Wurzeln der Berge, die Sehnen der Bären, der
Atem der Fische und der Speichel der Vögel (deshalb haben die Katzentritte keinen Schall mehr, die Frauen keinen
Bart usw.). Und mit List gelang es ihnen, den Wolf so fest zu fesseln, daß er sich kaum rühren konnte, und es wurde
ihm ein Schwert in den Rachen geklemmt, so daß er nur bewegungslos dasteht mit weit geöffnetem Rachen, ohne
zubeißen zu können. Erst am Weltenende wird er sich endlich losreißen...
Das zweite Kind, das Loki mit der Riesen-Frau Angrboda bekam, war eine Schlange. Die Asen warfen sie ins Meer,
wo sie mit der Zeit so unbeschreiblich groß wurde, daß man sie von da an Midgardschlange nannte da sie die ganze
Menschenwelt umgibt und sich selbst in den Schwanz beißt.
Dennoch fragt es sich, ob nicht das letzte der drei Kinder von Loki und Angrboda Asen und Menschen den größten
Kummer bereitet hat. Es handelt sich um ein unheimliches Mädchen halb weiß, halb blauschwarz. Sie wurde aus
Asgard verwiesen und ließ sich hoch im Norden nieder. Hier schuf sie ein unterirdisches Totenreich eine graue,
kalte, feuchte Welt. Hel heißt sie, und Hel ist auch der Name ihres Königinnen/Totenreichs. Nach Hel kommen alle,
die an Krankheit oder Altersschwäche sterben. Hier "leben" sie ein geborgenes "Schattendasein". Die Todeskönigin
selbst erinnert an einen Kadaver, und all ihr Hab und Gut trägt Namen, die an das kalte "Leben" im Grab denken
lassen. Wenn man in alten Zeiten meinte, "Wiedergänger" gingen um, hieß es häufig: "Die Pforte zur Hel (Hölle) ist
offen." Am letzten Tag werden Hel und ihr Heer von Toten gegen die Asen kämpfen.
Können wir nach dem Tod auch an andere Orte kommen?
Diejenigen, die sich auf dem Schlachtfeld tapfer schlagen, kommen nach dem Tod zu Odin oder Freyja. Walküren
oder "Kampfjungfrauen" werden die mit Brünnen bekleideten Frauen genannt, die der Götterkönig entsendet, um
solche gefallenen Helden zu holen. Die Walküren sind bewaffnet und können durch die Luft reiten. In Asgard
teilen Odin und Freyja den Kriegerhaufen unter sich auf. Die eine Hälfte kommt zu Odin nach Walhall und die
andere Hälfte zu Freyja nach Volkwang.
Vom Leben in Volkwang wissen wir nicht viel. Über das Dasein in Walhall aber gibt es viele Berichte. Auf dem
Festungswall dieser riesigen "Soldatenkaserne" dürfen die Helden sich den ganzen Tag lang nach Lust und Laune
schlagen, und es spielt keine Rolle, ob sie einen Arm oder zwei verlieren, denn am Abend erheben sie sich wieder
unversehrt und im Besitz aller ihrer Glieder. Als Freunde und in gütlichem Einvernehmen ziehen sie in den
mächtigen Festsaal ein, wo schöne Walküren ihnen Met einschenken und gekochtes Schwein servieren. Und das
Schwein selbst, das sie verzehren, ist ziemlich einmalig. Sährimnir heißt es. Jeden Tag wird es geschlachtet und
verspeist, aber am Abend ist es wieder quicklebendig.
Am letzten Tag wird Odin Asen und tote Helden in den letzten großen Kampf gegen Riesen und Mächte der
Finsternis führen. Er selbst wird gegen den Fenriswolf kämpfen und die Bestie wird ihn verschlingen. So die
Weissagung.
Können Götter sterben?
Ja, Götter können sterben.
Wie wird die Welt enden?
Gegen Ende der Zeit werden Mangel und Unfrieden herrschen. Diese Zeit nennt sich Ragnarok oder
"Weltuntergang" - das heißt, "die Zeit, in der sich alle Mächte auflösen". Brüder fallen einander in den Rücken, und
der Sohn verschont seinen eigenen Vater nicht. Danach werden drei Jahre kommen, die nur ein einziger langer
Winter sind, genannt Fimbul. Gebirge stürzen ein, und alle Fesseln werden reißen. Anschließend werden HimmelWölfe Sonne und Mond verschlingen. Dabei wird auch der Fenriswolf endlich loskommen. Er wird mit weit
aufgesperrtem Rachen durch die ganze Welt laufen. Dabei berührt sein Unterkiefer die Erde, sein Oberkiefer den
Himmel. In seinen Augen brennt Feuer, und aus seinen Nasenlöchern züngeln Flammen. Auch Loki wird
freikommen. Er wird ein unheimliches Schiff auftakeln Naglfar, das Schiff, das aus den ungeschnittenen Nägeln
toter Menschen gebaut ist. Mit zerfetzten Segeln und einer Besatzung aus verwesten Leichen wird Loki mit diesem
Schiff das Totenreich seiner Tochter verlassen... Und die Midgardschlange wird sich aufs Land wälzen. Sie wird sich
über Felder und Wiesen vorwärtsschlängeln. Im Süden birst der Himmel. Und aus dem Land dahinter dem
unbekannten und bedrohlichen Muspellsheim, dem Feuerland, das lange bevor Odin und seine Brüder die Welt
erschufen existierte kommt ein gewaltiges Heer von glänzenden Reitern. Sie tragen Flammenschwerter in ihren
Händen. Überall da, wo sie heranstürmen, wird alles in Brand gesetzt. Und die große Regenbogenbrücke stürzt ein
unter ihrem Gewicht... An der Stelle, die Wigrid-Wall heißt (hundert Meilen breit und hundert Meilen lang) wird
die letzte entscheidende und blutige Schlacht stattfinden. Odin wird vom Fenriswolf verschlungen. Thor und die
Midgardschlange bringen einander um. Heimdall und Loki ebenso. Die ganze Welt brennt. Selbst Yggdrasil der
große Weltenbaum steht in Flammen. Wenn der Feuersturm sich ausgetobt hat, ist die ganze Welt eine qualmende
Brandstätte. Die verbrannten Reste versinken im Meer und verschwinden.
Und das ist das Ende?
Nein. Aus dem Meer wird sich eine neue Erde erheben, grün und wunderbar. Fruchtbar wie ein Traum. Mit
Feldern, die ungesät Früchte tragen. Mit Fisch und Wild im Überfluß. Niemand soll mehr hungern. Denn siehe! Die
Sonne hat eine Tochter geboren. Alles Übel hat ein Ende genommen! Die Erde ist reingewaschen. Ein neues Leben
kann beginnen! Asgard ist verschwunden. Die alte Götterburg ist dem Erdboden gleichgemacht. Trotzdem
versuchen sie, hierher zurückzukommen die Asen, die im letzten großen Kampf nicht fielen...
Es gibt also Überlebende?
Die Zufälligen diejenigen, die die Erde erben sollen.
Gibt es auch Menschen unter ihnen?
Ein einziges Menschenpaar hat überlebt. Sie heißen Liv und Livtrase. Sie suchten Zuflucht an einem Ort, an dem
der Feuersturm vorbeiraste, ohne sie aufzuspüren. Und das Meer gab sie lebend zurück. Lange Zeit hatten sie sich
nur vom Morgentau genährt. Von diesen beiden wird ein neues Menschengeschlecht kommen...
Es gibt also Hoffnung - trotz allem?
Die Mythen sagen uns, daß es immer Hoffnung gibt.
Der Autor des Artikels, Tor Åge Bringsværd (geb. 1939), ist preisgekrönter Schriftsteller und Dramatiker. Er schreibt
gleich gern für Kinder und Erwachsene. Bringsværds Werke sind in fünfzehn Sprachen übersetzt, und seine
Theaterstücke wurden bisher in dreizehn Ländern aufgeführt.
Germanische Mythologie
Germanische Mythologie bezeichnet im engeren Sinne die Mythologien der verschiedenen germanischen Kulturen
der Eisen- und Völkerwanderungszeit, wobei die Mythen von religiösen Vorstellungen und Riten zu unterscheiden
sind. Die vorchristlichen Glaubensvorstellungen der germanischen Völker gingen mit der Christianisierung in
unterschiedlichem Maße in dem jeweiligen Volksglauben auf (siehe auch Synkretismus.), zur Götterwelt siehe
Nordische Mythologie.
Quellenlage
"Sowohl die Archäologie als auch neuerdings die Literaturwissenschaften haben zeigen können, daß uns die Quellen
deswegen ein so uneinheitliches, nur schwer zu homogenisierendes Bild geben, weil die germanische Religion
regional, sozial und chronologisch außerordentlich stark differenziert war, so daß wir eigentlich eher von
'germanischen Religionen' sprechen müßten. Die Quellen müssen daher heute ganz anders und viel kritischer
verwendet werden, als man das damals, bald nach der erstmaligen Herausgabe vieler literarischer mittelalterlicher
Texte konnte" [1]
Die indigene Überlieferung der germanischen Mythologie steht heute in unterschiedlichen Quellenarten zur
Verfügung. Die wichtigsten dieser Quellen sind


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

die Dichtungen des Codex Regius (bzw. der Lieder-Edda);
die Texte der Snorra-Edda sowie Snorris mythistorisches Werk Heimskringla;
die Chroniken beziehungsweise geographischen, historischen oder ethnographischen Studien antiker
Autoren wie Tacitus (Annalen, Historien, Germania), Plutarch, Jordanes und Procopius (De bello Gothico);
die altnordisch-isländische Sagaliteratur sowie
die neun Bücher der Dänischen Geschichte Gesta Danorum des Saxo Grammaticus.
Die erhaltenen Überlieferungen zeigen ein vielschichtiges Bild, in dem sich Mythen, Epen, Märchen, volkstümliche
Erzählungen, Rechts- und Merksprüche, Sprichwörter oder magische Formeln sowie Gebete mischen. Der größte
Teil dieser schriftlichen Überlieferungen ist nordeuropäischen Ursprungs, geht auf die Nordgermanen zurück,
geographisch auf Skandinavien und Island. Die Mythen und Epen der Süd- oder Kontinentalgermanen sind
allenfalls in Spuren überliefert. Nennenswerte schriftliche Überlieferungen existieren nicht mehr: Die große
Bibliothek des kontinentalgermanischen „Heidentums“, die Karl der Große sammeln ließ, verbrannte schon dessen
Sohn Ludwig der Fromme, wohl aus christlich-religiösen Motiven heraus. Die vorhandenen altgermanischen
Überlieferungen liegen in schriftlicher, poetischer oder prosaischer Dichtung und als literarische Werke vor, die aus
einst oral tradierten Mythen und Epen schöpfen. Die Verfasser dieser Literatur waren die anonymen Autoren der
Sagaliteratur, in Adelskreisen verkehrende Skalden oder wissenschaftlich orientierte Mythographen, Männer, die
Felix Genzmer in einem Kommentar der Hymiskviða als Märenkenner, die Karl Simrock in seiner EddaÜbersetzung Gottesgelehrte (altnordisch goðmölugir) nennt. Durch die mündliche Überlieferung kam es dabei auch
zu Überschneidungen und Missverständnissen (siehe Nibelungenlied und Thidrekssaga). Das Alter der Erzählungen,
die diese Autoren nutzten, verliert sich weitgehend im Dunkel der Geschichte. Fest steht aber, dass isländische
Mönche vom 9. Jahrhundert bis ins 13. Jahrhundert an der Niederschrift, Kompilation oder wissenschaftlichen und
literarischen Bearbeitung regionaler mythologischer Überlieferungen intensiv beteiligt waren.
Angeln und Sachsen in England
Die nordwesteuropäische germanische Tradition der Angeln, Sachsen und Jüten in England äußert sich ganz
besonders in dem großen Beowulf-Epos, der Angelsächsischen Chronik sowie mehreren kleineren Werken. In
diesen Texten zeigt sich eine mit Skandinavien eng verbundene narrative Tradition.
Kontinentalgermanen
Interessante, wenn auch nur bedingt zuverlässige, antike Texte über kontinental-germanische Mythologie und
Religion sind die Germania von Tacitus und De bello gallico von Caesar. Frühmittelalterliche Zaubersprüche und
andere kleinere Werke bezeugen zudem Vorstellungen der kontinentalgermanischen Religion vor der
Christianisierung. Christliche Quellen sind stark von Verachtung und Diffamierungswillen geprägt, können jedoch
auch einzelne wertvolle Hinweise geben.
Nordgermanen in Skandinavien
Die reichhaltigste Überlieferung stellt die Nordische Mythologie dar. Die schriftlichen Zeugnisse Skandinaviens sind
aber erst nach der Christianisierung entstanden und daher deutlich von christlichem Glauben und monastischer
Bildung beeinflusst.
Die wichtigsten Quellen stellt die eddische Mythologie dar. Dabei handelt es sich um hoch artifizielle Dichtung des
mittelalterlichen Islands. Sie wurde im Zusammenhang mit der isländischen gelehrten mittelalterlichen
Frühgeschichte bis ins 13. Jahrhundert hinein aufgeschrieben, bildet den Volksglauben dieser Zeit aber nicht
identisch ab. In den eddischen Dichtungen mischen sich vorchristliche und frühchristliche Vorstellungen, oft nur
sehr schwer voneinander lösbar.
Die nordgermanische Götter-, Helden- und Schöpfungsmythologie wird


in der älteren, poetischen Lieder-Edda (auch Ältere-Edda oder unrichtig Sæmundar-Edda genannt) und
in der zweigeteilten, prosaischen Snorra-Edda (oder Prosa-Edda bzw. Jüngere Edda), in der mythologisches
Wissen (in der Gylfaginning) und ein Lehrbuch für Skalden (die Skáldskarparmál) tradiert.
Auch die Lieder-Edda ist zweigeteilt:


in die Götterlieder (Göttermythen und religiös-philosophische Texte) und
die Heldenlieder (von denen die Helgakviða, die Guðrúnarkviða und die zum Kreis der Nibelungensage
gehörenden Sigurðarkviða und Atlakviða die bekanntesten sind).
Bei den Götterliedern handelt es sich einerseits um Wissensdichtung, die umfangreiches kosmogonisches Wissen
tradiert (Völuspá, Grímnismál, Vafþrúðnismál oder Baldrs draumar), andererseits aber um eine moralisch-ethisch
belehrende Spruchdichtung (Hávamál). Die Heldenlieder berichten in drei unabhängigen Mythenkreisen von den
heroischen Taten Helgis, Sigurðrs und Jörmunrekrs. Die Lieder-Edda enthält eine ältere und eine jüngere Schicht
poetischer Götter- und Heldendichtungen, die auf eine alte Handschrift (den Codex Regius) zurückgehen. Der
Codex Regius ist eine um 1640 aufgefundene Handschrift, welche die Dichtungen der Lieder-Edda enthält, und der
aufgrund paläographischer und linguistischer Kriterien in das Jahr 1270 datiert werden konnte. Wahrscheinlich
stammen die Texte des Codex Regius von dem Priester Sæmundar inn froði (dem Weisen), Islands erstem Dichter
(1056 bis 1133), der diese Lieder selbst geschrieben oder gesammelt haben soll.
Inhalt
Erschaffung der Welt
Am Anfang, bevor die Welt entstand, gab es nur den allmächtigen Weltgeist Fimbultyr, welcher im Norden
Nifelheim und im Süden Muspelheim erschuf. Im Norden entsprangen aus dem Brunnen Hvergelmir 12 Ströme, die
Eliwagar, welche in den zwischen Nifel- und Muspelheim klaffenden Abgrund Ginungagap flossen. In Muspelheim
herrschte der Feuerriese Surtur, welcher in der Götterdämmerung, bekannt als Ragnarök, eine entscheidende
Position im Kampf gegen die Asen einnimmt. Eines Tages vermengten sich die Fluten der Eliwagar mit den Funken
Muspelheims und daraus hervor ging der Urriese Ymir, oder Örgelmir, und die Ziege Audhumbla. Audhumbla
leckte 3 Tage lang an einem salzigen Eisblock, aus welchem Buri hervorging, dessen Sohn namens Bör, welchen er
aus eigener Kraft schuf, der Vater der ersten Asen war. Zur gleichen Zeit als Buri geboren ward, gebar Ymir zwei
Kinder, von denen die Tochter Bestla hieß. Bör und Bestla gebaren folglich drei Söhne von göttlicher Kraft und
Gestalt: Odin, Hönir und Loki, die ersten drei Asen dieses ehrwürdigen Göttergeschlechts. Als es nun zum Kampf
zwischen den Asen und den Riesen um die Herrschaft über das Land kam, erschlugen die Asen Ymir und schufen
aus seinem Fleisch die Erde, aus seinem Blut das Meer, aus seinem Hirn die Wolken, welche unter dem aus des
Riesen Schädel entstandenen Himmel standen. Die Knochen wurden zu Bergen, die Zähne zu Steinen, so wie die
Augenbrauen ein Wall gegen das Meer wurden. Der Leib wurde in den Abgrund Ginungagap gestürzt und füllte
diesen von nun an. Die Sterne schufen die Götter aus den Funken Muspelheims. Die Riesin Nott und ihr Gemahl
Dellinger hatten einen Sohn namens Dag. Tag und Nacht entstehen dadurch, dass nachts Nott auf ihrem Pferd
Hrimfaxi und tagsüber Dag auf dem Pferd Skinfaxi vorüberreitet. Einst lebte ein Mann namens Mundilföri, der es
wagte seine Kinder Mani und Sol mit den Asen zu vergleichen, so dass die Asen die beiden Kinder als Gestirne an
den Himmel stellte. So reiten sie ähnlich wie Dag und Nott auf ihren Pferden Frühwach und Allgeschwind über den
Himmel, stets verfolgt von den beiden grimmen Wölfen Sköll und Hati, welche von den Riesen entsandt waren, um
die lichten Gestalten zu vernichten. Schließlich wollten die Götter sich ein Ebenbild schaffen, welches
Wohlgefallen finde an dem nun vollkommen ausgestalteten Midgard, und so schufen sie Aus Ask (Esche) und Embla
(Ulme) Mann und Frau. Odin gab ihnen Geist und Leben, Hönir Verstand und Bewegung und Loki letztendlich
Gefühl, Sinn und Sprache. Diese beiden ersten Menschen sind die Urväter aller Völker germanischer Mundart.
Die mit Abstand bedeutendste Sammlung germanischer Sagen ist die Lieder-, oder auch Snorri-Edda. Sie wurde
Anfang des 13 Jahrhunderts von Snorri Sturluson auf altisländisch bzw. altnordisch verfasst. Aus ihr entstammen die
meisten überlieferten Informationen über die germanische Mythologie.
Das mythologische Weltbild
Dem germanischen Glauben zufolge bestehen innerhalb der Weltesche Yggdrasill, was sich aus den Worten Ygger =
der Schreckliche (ein anderer Name für Odin) und Drasill = der Träger zusammensetzt und so viel wie Odins Baum
bedeutet, neun Welten innerhalb von fünf Ebenen. Oben in der ersten Ebene befindet sich Asgard, das Reich der
Asen, dem herrschenden Göttergeschlecht, in der zweiten Ebene befindet sich Lichtalfenheim, das Reicht der
Lichtalfen, auch als Elfen bekannt. In der dritten Ebene befinden sich fünf der neun Welten. Im Zentrum dieser
Ebene liegt Midgard, wo die Menschen leben. Im Westen liegt Wanaheim, das Reich der Wanen, einem
Göttergeschlecht (Wanen = die Schönen), im Osten liegt Jötunheim, das Reich der Riesen. Im Norden befindet sich
Nifelheim, die Welt des Nebels, in der die Eliwagar aus dem Brunnen Hwergelmir hervorgehen, die eine wichtige
Rolle in der Entstehungsgeschichte einnehmen. Im Süden befindet sich Nifelheim, welches vom Riesen Surtur
beherrscht wird. In der vierten Ebene liegt Schwarzalfenheim, das Reich der Zwerge, worunter sich in der fünften
Ebene Helheim befindet, wo die Göttin Hel herrscht und wohin alle Menschen kommen, die nicht im Kampfe
fallen und somit nicht nach Walhalla kommen.
Die Weltesche Yggdrasill ist als Träger aller Dinge Grundbestandteil der germanischen Mythologie. An ihren
Wurzeln nagt das Böse in Form der Schlange Nidhöggr. Das Böse in der Welt wird neben Nidhöggr von vier
Hirschen symbolisiert, die unablässig die frischen Triebe Yggdrasills abnagen. Ganz oben in den Wipfeln der
Weltesche lebt ein Adler, zwischen dessen Augen ein Habicht nistet. Der Adler lag mit Nidhöggr im Streit, so dass
es die Aufgabe des Eichhörnchens Ratatwisker war, Beleidigungen vom Wipfel zu den Wurzeln Yggdrasills zu
überbringen. Ebenfalls in der immergrünen Krone weidet die Ziege Heidrun, aus deren Euter unendlich viel Met
entströmte, so dass alle gefallenen Helden in Walhalla davon trinken konnten. Der Hirsch Eikthyrnir weidet
ebenfalls dort und von seinem Geweih strömen stetig Regenschauer in den in Nifelheim befindlichen Brunnen
Hvergelmir, aus dem die Flüsse der Welt entsprangen. Yggdrasill hatte drei Wurzeln, die tief in die Erde ragten.
Unter der ersten Wurzel befindet sich Helheim, ein dunkler Ort, an den die Toten kommen. Zu ihm gelangt man,
indem man den schwarzen Fluß Slidur überquert. Über den schwarzen Fluß führt die von Zwergen aus purem Gold
erbaute Giöllbrücke, die von der Wächterin Modguder bewacht wird, deren Name Seelenkampf bedeutet. Wer zu
Lebzeiten ein guter Mensch gewesen ist, findet in Helheim Trost, er darf in Hels Haus wohnen und an reich
gedeckten Tischen speisen. Wer allerdings ein schlechter Mensch war, kommt in die Halle der Schrecken und der
Pein, in der er in einen schlammigen Fluß geworfen wird, dessen Wogen so scharf wie Klingen sind und der sein
Opfer übel zurichtet. Die schlimmsten Verbrecher allerdings erwartet Nastrand, der Ort, an dem Nidhögger mit
seiner Sippe lebt. Ein schrecklicheres Los ist kaum vorstellbar.
Unter der zweiten Wurzel befindet sich Mimirs Brunnen, aus dem der Wasserriese Mimir täglich trinkt und somit
unendliche Weisheit erlangt. Odin gab einst bei einem Besuch Mimirs sein Auge, um aus dem Brunnen trinken zu
dürfen. Somit erlangte er die Weisheit Ragnarök, die Götterdämmerung, vorherzusehen.
Unter der dritten Wurzel, die sich in Midgard befindet, entspringt der Nornen- oder auch Urdsbrunnen. Er liegt in
einer von heiligem Wasser überfluteten Felsenhalle, dem Haus der Schicksalsschwestern, der Nornen. Sie sind drei
Riesenjungfrauen, die Runen schnitzen und Weben und somit das Schicksal der Menschen auf Erden und der Götter
bestimmen, welche nach dem ,,Goldenen Zeitalter durch Kampf und Tod ihre Unschuld, das Band zu Fimbultyr und
deshalb die Fähigkeit das Schicksal zu bestimmen verloren haben. Die erste der Nornen ist die der Vergangenheit
namens Urd oder auch Wurt, was so viel bedeutet, wie das Wort. Die zweite der Nornen, die Norne der Gegenwart,
heißt Werdandi, “das Werdende”. Sie erfreut sich am Treiben der Menschen, hilft den Schwachen und blickt streng
auf die Hochmütigen. Die dritte Norne hat im Gegensatz zu ihren Schwestern das Antlitz einer alten Frau, sie ist die
unerbittliche der drei und ihre Aufgabe ist es über die Notwendigkeit zu entscheiden, wer sterben soll. Sie ist die
Norne der Zukunft und trägt ein steinernes Herz in der Brust. So nimmt sie die Leben der Menschen, indem sie die
Todesrune ritzt.
Walhalla ist die größte Halle in Odins Burg Gladsheim. Sie hat 540 Tore, von denen jedes so breit ist, dass 800
Krieger in guter Ordnung aus- und einmarschieren können. Die Wände Walhallas bestehen aus purem Gold, die
wiederum mit goldenen Schilden, Speeren und Waffen aller Art verziert sind. In Walhalla befinden sich all die im
Kampfe gefallenen Helden. Sie sind die Einherjer und sollen bei der Götterdämmerung an Odins Seite gegen das
Riesenheer kämpfen. Während ihres Aufenthalts in Odins Burg erfreuen sie sich an Kämpfen, am Met, welches die
Ziege Heidrun liefert und am Fleisch des immer wiederkehrenden Ebers Sährimnir, der jeden Morgen erlegt wird,
abends jedoch wieder unversehrt in den Wald zurückkehrt. Dieser Wald, der Hain Glasir, wurde von den Göttern
selbst aus purem Gold erschaffen.
Die Götter
Die Asen/Ansen (Die Säulen)
Odin, auch als Wotan oder Wodan bekannt, ist der Göttervater aus dem herrschenden Göttergeschlecht der Asen.
Der Name Wotan kommt von “hindurchwaten”, was sich auf die alles durchdringende Weisheit des Gottes bezieht.
Das Wort Asen leitet sich von Ansen ab, was ,,die Säulen bedeutet. Sie sind die Säulen der Welt. Odin hat ein
achtbeiniges Pferd namens Sleipnir, einen Speer namens Gungnir, der immer wieder in die Hand des Allvaters
zurückkehrt, sowie einen Ring namens Draupnir, was so viel wie “Tröpfler” bedeutet. Das besondere an diesem Ring
ist, das jede neunte Nacht acht identische Ringe von ihm abgehen. Er steht für die Unendlichkeit. Der Thron Odins
heißt Hlidskialf und befindet sich oben auf Yggdrasill. Von ihm aus überwacht der Göttervater die Welt. Seine
beiden Raben namens Hugin (der Gedanke) und Munin (die Erinnerung) teilen ihm ebenfalls vom Geschehen in der
Welt mit. Die beiden Wölfe Geri (der Gierige) und Freki (der Gefräßige) sind Odins ständige Weggefährten und
vernichten, was sich ihrem Herren in den Weg stellt. Die Tatsache, dass Odin lediglich ein Auge besitzt, ist darauf
zurückzuführen, dass er einst, als sich das Ende der Welt, die Götterdämmerung anbahnte, ein Auge opferte, um aus
Mimirs Brunnen der Weisheit zu trinken.
Loki ist der Bruder Odins und zusammen mit ihm und Hönir der erste Ase. Er ist der Gott der Spieler und Gaukler,
verrät die Asen und ist Urheber der Götterdämmerung. Er ist ein Unhold, der Schuld am Tode Balders, Nannas und
letztendlich der gesamten Götter und Menschen trägt. Des weiteren ist er beispielsweise für den zu kurz geratenen
Griff Mjölnirs verantwortlich, da er bei dessen Herstellung den Schmied in Form einer Bremse behinderte.
Der stärkste der Götter aus dem Geschlecht der Asen ist Thor, der Sohn Odins. Sein Hammer heißt Mjölnir, der
ausschließlich von Thor selbst geführt werden kann, und nach jedem Wurf in dessen Hand zurückkehrt.
Die Wanen (Die Schönen)
Tyr war der Kriegsgott. Sein Symbol ist das Schwert. Einige germanische Stämme verehrten ihn als obersten Gott,
wie z.B. die Sachsen. Er verlor seinen rechten Arm, da er ihn als Pfand gab, um Fenrir zu fesseln.
Freyja ist die Göttin der Fruchtbarkeit und die Gemahlin Odins, sowie die Mutter Balders.
Ragnarök
Ragnarök selbst begann damit, dass die Riesen Asgard bedrohten, woraufhin ein Baumeister bei den Asen erschien.
Sie verabredeten, dass der Baumeister Sonne, Mond und Freyja, die Frühlingsgöttin zum Lohn erhalte, wenn er es
schaffe eine derartig große Mauer in drei Wintern zu bauen, die kein Riese je erklimmen könne. Aufgrund der
äußerst guten und schnellen Arbeit des Mannes, waren die Götter besorgt, die drei zu verlieren, die sie dem
Baumeister als Lohn versprachen. Das Pferd Swadilfari, ohne das der Mann sein Werk niemals vollenden könnte,
wurde Ziel einer göttlichen List. Loki verwandelte sich in eine Stute, und führte Swadilfari in den Wald. Als der
Mann merkte, dass er sein Werk nicht mehr vollenden konnte, begann er die Asen zu verfluchen, woraufhin diese
ihn erschlugen. Da merkten die Götter, dass er ein Riese war und erkannten seine List.
Als Balders Tod gedeutet wurde, zog Odin durch die Welt und erhielt von allen existierenden Dingen einen Eid,
dass sie Balder niemals schaden würden. Die Mistel war die einzige von der man kein Leid befürchtete und die
somit auch nicht vereidigte. Nun erfreuten sich die Asen daran, mit ihren Waffen auf Balder einzuschlagen, da
diesem ja nichts mehr passieren konnte. Der blinde Gott Hödur war der einzige, der abseits des lustigen Treibens
stand und so ging der hinterlistige Loki, der Balders Tod wünschte, zu Hödur und gab ihm einen Speer aus Misteln.
Hödur schleuderte diesen auf Balder, in dem Glauben er könne diesem nichts anhaben, doch er durchbohrte Balders
Herz, der daraufhin tot zu Boden sank. Mit ihm verschwand alles Licht und die Freude aus der Welt. Hödur, der
seine Unschuld beteuerte, versteckte sich in einer Höhle, wo er allerdings den von Odins jüngstem Sohn Wali
entsandt Todespfeil empfing. Auf dem Begräbnis zersprang der Göttin Nannas Herz vor Trauer, und man legte sie zu
Balder auf den auf dessen Schiff Hringhorn errichteten Scheiterhaufen. Balders Pferd wurde ebenfalls auf das Schiff
geführt, wobei es willig mit gesenktem Kopf diesen letzten Weg mit seinem Reiter beschritt. Als letztes Geschenk
gab Odin seinem Sohn den Ring Draupnir. Doch die Götter vermochten nicht aus eigener Kraft das Schiff aufs Meer
zu schieben, weshalb sie das Riesenweib Hyrrodin zu Hilfe riefen. Diese stieß das Schiff so heftig an, daß Feuer aus
den rollenden Walzen fuhr. Da hob Donar seinen Hammer, um ihren Schädel zu zertrümmern, doch die anderen
Götter baten ihn, das Weib am Leben zu lassen. Die Götter betrachteten das gewaltige Schauspiel, bis das Schiff
gänzlich im Meer versunken war.
Frigg kam nicht über den Tod ihres geliebten Sohnes hinweg und bat darum, dass jemand nach Helheim reite um
Balder gegen ein Lösegeld einzufordern. Der Bote Hermut entschloss sich dieser Bitte Folge zu leisten und ritt auf
Sleipnir über die Giöllbrücke nach Helheim, wo er auf Modgudr traf. Als diese sah, dass der Götterbote auf Sleipnir
geritten kam, ließ sie ihn passieren und wies im den Weg zur Hel. In den Hallen Hels angekommen wurde er
freudig von Balder und Nanna begrüßt. Nachdem er ihnen reichlich erzählt hatte, wie es um die Götter stand, trug
er Hel seine Kunde vor. Hel jedoch meinte, wenn die Götter in der ganzen Welt ein einziges Lebewesen oder einen
einzigen Gegenstand fänden, der nicht um Balder weint, so bliebe dieser für immer in ihrem Schattenreich. Balder
gab dem Boten Draupnir mit, den er seinem Vater Odin überbringen sollte. Frigg entsandte Boten und alle weinten
um Balder außer einer Riesin in einer Höhle, die sich nicht erweichen ließ. Diese Riesin jedoch war in Wirklichkeit
Loki.
Lange Zeit hatte sich Loki nicht mehr bei den Göttern blicken lassen, und erst beim Gastmahl in Ägirs Halle, dem
Thor nicht beiwohnte, zeigte er sich. Er erschlug Ägir, nachdem dieser seinen Becher nur halb gefüllt hatte, floh
und verspottete die Götter nach seiner Wiederkehr.
Die Götter beschlossen, Loki festzuketten, so dass er kein Unheil mehr anrichten könne. Odin erblickte ihn von
seinem Thron Hlidskialf aus, als er gerade ein Netz knüpfte. Eilends ritten die Götter dorthin, doch Loki
verwandelte sich in einen Lachs und sprang ins Wasser. Die Götter allerdings bedienten sich des Netzes und fingen
Loki. Sie brachten ihn in den Hain der heißen Quellen und schmiedeten ihn mit Ketten an den Boden, die sie aus
den Sehnen seines Sohnes hergestellt hatten. Skadi band eine Schlange über Lokis Kopf, die ihm ätzendes Gift ins
Gesicht spritzte. Sigyn, Lokis treues Weib, kniete sich neben ihn und fing die Säure mit einer Schale auf. Jedesmal,
wenn die Schale voll war und ausgeleert werden musste, tropfte die Flüssigkeit auf sein Gesicht. Wenn das geschah
krümmte Loki sich mit solcher Kraft, dass die Erde bebte. Das ist es, was die Bewohner Midgards ein Erdbeben
nennen.
Der Fenriswolf und die Midgardschlange, die beide Kinder Lokis waren, wurden von den Göttern unschädlich
gemacht. Erst gelang es den Göttern nicht, Fenrir mit normalen Ketten zu fesseln. Da ging der Allvater nach
Schwarzalfenheim und ließ sich ein verzaubertes Band schmieden. Anschließend ging er zu Fenrir und sprach zu
ihm, er könne diese Ketten gewiss nicht brechen. Dies stellte für den riesigen Wolf eine Herausforderung dar, doch
war er aufgrund der Beschaffenheit der dünnen Kette misstrauisch. Da trat der mutige Tyr hervor und gab seinen
rechten Arm als Pfand. Sobald er seinen Arm ins Maul des Wolfes gelegt hatte, dieser jedoch nicht in der Lage war
die Ketten, die immer enger wurden, je mehr er zog, zu zerreißen, wurde dieser abgebissen. Die Midgardschlange
wurde von Asgard aus ins Meer geworfen. Sie ist verantwortlich für die Wellen des Meeres, da sie wie ein Ring um
Midgard liegt.
Doch schließlich kam der Tag, an dem der Fenriswolf und die Midgardschlange ihre Fesseln brachen, Surtur der
Feuerriese auf dem Totenschiff Naglfar gen Midgard fuhr, und die Riesen und Götter gegeneinander anstürmten. Es
war der letzte Tag auf Erden, der vom schwarzroten Hahn in Hels Hallen angekündigt wurde und Nidhöggr aus
Nastrand an die Oberfläche kroch. Thor erschlug die Midgardschlange und Widar Fenrir, welcher zuvor den
Allvater tötete. Heimdall, dessen Horn die Asen zur Schlacht herbeigerufen hatte, stritt mit Loki. Die beiden starben
zur selben Zeit, da sie gegenseitig ihre Herzen durchstießen. Tyr, der schrecklich in den feindlichen Reihen wirkte,
starb, als ihm der Höllenhund Garm an die Kehle sprang, der jedoch selbst bei diesem Angriff von Tyrs Schwert
durchbohrt wurde. Zudem verschlungen Sköll und Hati Sonne und Mond, so dass auch die himmlische Ordnung
zerbrach. Zum Schluss kehrte Surtur in Asgard ein und vernichtete den heiligen Ort.
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