Und Gott machte eine Frau aus mir - RPI

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Und Gott machte eine Frau aus mir
Und Gott machte eine Frau aus mir,
mit langem Haar,
Augen,
Nase und Mund einer Frau.
Mit runden Hügeln
und Falten
und weichen Mulden,
höhlte mich innen aus
und machte mich zu einer Menschenwerkstatt.
Verflocht fein meine Nerven
und wog sorgsam
meine Hormone aus.
Mischte mein Blut
und goss es mir ein,
damit es meinen Körper
überall bewässere.
So entstanden die Gedanken,
die Träume,
die Instinkte.
All das schuf sie behutsam
mit ihren Atemstößen
und ihrer bohrenden Liebe,
die tausendundein Dinge,
die mich täglich zur Frau machen,
deretwegen ich stolz
jeden Morgen aufwache
und mein Geschlecht segne.
Gioconda Belli
aus: "Belli, Wenn du mich lieben willst",
@ Peter Hammer Verlag, Wuppertal, 1993
Und Gott machte einen Mann aus mir
Und Gott machte einen Mann aus mir,
mit wenig Haar,
Augen,
Nase und Mund eines Mannes.
Mit harten Ecken und Kanten
und breiten Schultern,
erfüllte mich mit lebensspendendem Saft.
Verflocht fein meine Nerven
und wog sorgsam
meine Hormone aus.
Mischte mein Blut
und goss es mir ein,
damit es meinen Körper
überall bewässere.
So entstanden die Gedanken,
die Vorstellungen und Visionen.
Er gab mir den Blick des einsamen Jägers
und das Herz des verantwortungsvollen Ernährers und Versorgers.
All das schuf er kraftvoll
und voller Energie
mit der Kraft seiner Hände
und seinen planvollen Vorstellungen.
Ein Wunder der Technik machte er aus mir
mit tausendundein Dingen,
die mich täglich zum Mann machen,
deretwegen ich
jeden Morgen nachdenklich aufwache
und mein Mannsein hinterfrage.
(Andreas Nicht)
Und Gott machte einen Menschen aus mir
Und Gott machte einen Menschen aus mir,
mit Haaren,
Augen,
Nase und Mund eines Menschen.
Mit männlichen und weiblichen Anteilen.
Mit der Fähigkeit geradeaus und gleichzeitig peripher zu sehen.
Mit dem Mut des Jägers und der Fürsorge der Hüterin des heimischen Feuers.
Mit dem intuitiven Gefühl für zwischenmenschliche Beziehungen
und der Fähigkeit zur Analyse technischer Zusammenhänge.
Mit dem Kommunikationsbedürfnis der Stammesmutter
und der Schweigsamkeit des einsamen Jägers.
Voller Träume, mit Sinn für Realität.
Voller Mut und Selbstzweifel.
Voller Angst und voller Hoffnung.
Mit der Fähigkeit zu Trauern und sich zu freuen.
Mit der Fähigkeit zu trösten und zu verletzen.
All das schuf er/sie behutsam
und gab mir die Verantwortung damit zu leben
mit meinen schöpferischen und zerstörerischen Kräfte,
mit meinen Gewissheiten und meinen Selbstzweifeln.
Und gab mir den Auftrag
meine lebensfördernden Kräfte zu entdecken
und zu fördern.
Gab mir den Auftrag Mensch zu sein
und Leben zu gestalten,
damit die Welt bunt, lebendig und friedevoll werde.
(Andreas Nicht)
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